01.02.2022 Politik
Prof. Dr. med. Dr. sc. (Harvard) Karl Wilhelm Lauterbach
![](https://www.bdc.de/wp-content/uploads/ebook/107975/OEBPS/images/lauterbach-karl_2_c_Susie_Knoll-750x528.png)
Kultstatus hat Professor Lauterbach schon lange, nun ist er neuer Gesundheitsminister der Bundesrepublik Deutschland
Seit dem 8. Dezember 2021 ist Karl Lauterbach Bundesgesundheitsminister im Kabinett von Bundeskanzler Olaf Scholz. Kultstatus hat er schon lange, nicht nur durch regelmäßige Social Media-Beiträge und einschlägige Auftritte bei diversen Talk- und Kabarettshows des öffentlich-rechtlichen Fernsehens (Tipp der Redaktion: Anti-Kater-Drinks selber machen – mit Hazel Brugger und Karl Lauterbach | heute-show – YouTube). Bereits seit 2005 wird Lauterbach stets per Direktmandat in den Bundestag gewählt. Bekannt geworden ist er zunächst durch zahlreiche (populär-)wissenschaftliche Publikationen, die Berufung in den „Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen“ (1999-2005) und in die „Rürup-Kommission“ (2003), schließlich durch seine Karriere als Sprecher der Arbeitsgruppe Gesundheit der SPD und als stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag. Wellen schlug Lauterbach als Arzt, Gesundheitswissenschaftler und Politiker vor allem in den letzten zwei Jahren mit fortwährenden Erklärungen, Mahnungen und Interpretationen zur Corona-Pandemie. An ihm scheiden sich bekanntermaßen die Geister. Während die einen glühende Befürworter sind (#WirwollenKarl bei Twitter), erntet er von seinen Gegnern Ablehnung bis hin zu Hass.
Aber wer ist Karl Lauterbach wirklich und was haben wir von ihm als Bundesgesundheitsminister zu erwarten?
Karl Lauterbach (59), geboren in Düren, ist Arzt, Gesundheitsökonom und Politiker. Nach einer bemerkenswerten Schullaufbahn – trotz guter Noten hat er wohl aufgrund seiner Herkunft aus dem Arbeitermilieu zunächst nur eine Empfehlung für die Hauptschule erhalten und ist dann über die Realschule zum Gymnasium gewechselt – studierte Lauterbach in den Achtzigerjahren Medizin in Aachen und promovierte 1991 an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Von 1989 bis 1992 studierte er an der Harvard School of Public Health und erwarb einen Master of Public Health (MPH) sowie einen Master of Science (M.Sc.) mit den Schwerpunkten Epidemiologie und Health Policy and Management. Gefördert von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, erlangte Lauterbach dort 1995 zudem den Abschluss eines Scientiæ Doctor (Sc.D.). 1996/97 gründete der frisch berufene Professor an der Universität Köln das Institut für Gesundheitsökonomie und Epidemiologie. Seit 2008 ist er „Adjunct Professor“ für Gesundheitspolitik und -management an der Harvard School of Public Health.
Karl Lauterbach ist Vater von vier Kindern aus seiner früheren Ehe mit der Ärztin und Epidemiologin Angela Spelsberg und eines weiteren Kindes aus seiner Beziehung mit Ulrike Winkelmann, Journalistin und Chefredakteurin der taz in Berlin.
Im Bundestag und in der Wissenschaft wird er teilweise als Besserwisser und Einzelgänger wahrgenommen, mit einer exzentrischen Note. Als sein Markenzeichen galt bis 2020 die Fliege („hygienischer als Schlips“ und daher präferiert von Ärzten in den USA, wie er gerne informiert).
Politisch vertritt Lauterbach mitunter plakative Thesen. Er ist erklärter Vertreter der Bürgerversicherung, für die er sich bereits zu Zeiten Ulla Schmidts in der Rürup-Kommission einsetzte, als es darum ging, die klammen Kassen finanziell zu stabilisieren. Vielfach wahrgenommen wurde in diesem Kontext auch sein Buch „Der Zweiklassenstaat. Wie die Privilegierten Deutschland ruinieren“ (2007), in dem er auch die sogenannte „doppelte Facharztschiene“ hinterfragte. Lauterbach hat bereits damals als enger gesundheitspolitischer Berater Ulla Schmidts die medizinische Versorgung öffentlich für zu viele umstrittene Leistungen und zu wenig Qualität und Transparenz kritisiert. Dabei hat er stets betont: „Meine Kritik richtet sich gegen das System und seine Strukturen, nicht gegen die Beteiligten.“ Damals war Lauterbach an der Einführung der Praxisgebühr beteiligt. Außerdem hat er sich für eine Pauschalierung der hausärztlichen Vergütung mit Qualitätsboni eingesetzt, um dem sogenannten „Hamsterradeffekt“ zu begegnen. Mitgewirkt hat Lauterbach an der Einführung der DRG im Krankenhausbereich. Daneben machte er sich stark für einen maßvollen Abbau von Krankenhäusern in Deutschland stark. Die entbudgetierte fachärztliche Vergütung für die Behandlung neuer Patienten, die im Rahmen des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) eingeführt wurde, befürwortete Lauterbach als Maßnahme zum Abbau einer Zweiklassenmedizin.
Als Gesundheitsminister hat Lauterbach nun prioritär der Pandemie zu begegnen. Darüber hinaus kündigte er an, dem Hausärztemangel angehen zu wollen, unter anderem durch mehr Medizinstudienplätze und Anreizsysteme für junge Ärzte, im System zu bleiben. Er will die Arzneimittelforschung in Deutschland fördern und sich für eine verbesserte Altenpflege einsetzen. Maßgeblich einbeziehen möchte er in seine Entscheidungen Kriterien der evidenzbasierten Medizin.
Alles in allem weiß Bundeskanzler Scholz, dass er mit Lauterbach zwar einen „Mann vom Fach“ hat, der in Zeiten der Pandemie auch „ohne nennenswerte Einarbeitung sofort loslegen kann“. Allerdings hat er es sich mit dieser Benennung aber auch nicht einfach gemacht. Vertreter von Bundesärztekammer, Kassenärztlicher Bundesvereinigung und Deutscher Krankenhausgesellschaft ebenso wie der Krankenkassen haben den neuen Bundesgesundheitsminister in ihren Pressemitteilungen wohlwollend im Amt begrüßt. Und auch Lauterbach klingt irgendwie anders als zuvor, wenn er seinen Vorgänger im Amt für das Krisenmanagement während der Corona-Pandemie lobt und bei der Vorstellung durch Bundeskanzler Scholz ankündigt: „Wir werden das Gesundheitssystem stärken. Mit uns wird es keine Leistungskürzungen im Gesundheitswesen geben.“ Obacht bleibt aber weiterhin geboten, denn Lauterbach ist dafür bekannt, stets authentisch und prinzipientreu zu bleiben. Jüngst stieß er auf Unverständnis bei seinem rheinländischen Wahlvolk, als er vorschlug, das Karnevalsfest ausnahmsweise von Februar auf den Sommer zu verschieben. Denn er könne sich schlicht nicht vorstellen, wie man fröhlich Karneval feiern könne, verbunden mit dem Risiko, sich selbst oder andere mit dem Corona-Virus zu infizieren. Und so ist und bleibt zunächst die Pandemiebekämpfung vordringlichste Aufgabe des neuen Bundesgesundheitsministers.
Burgdorf F: Prof. Dr. med. Dr. sc. (Harvard) Karl Wilhelm Lauterbach. Passion Chirurgie. 2022 Januar/Februar; 12(01/02): Artikel 05_04.
Autor des Artikels
![Profilbild von Burgdorf](https://www.bdc.de/wp-content/uploads/avatars/24176/5fae7759c3967-bpfull.jpg)
Dr. med. Friederike Burgdorf
GeschäftsführerinBerufsverband der Deutschen Chirurgie e.V. (BDC)Luisenstraße 58/5910117Berlin kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
01.12.2017 Politik
Mögliche Auswirkungen des Brexit im Berufsumfeld der Freien Berufe
Der Bundesverband der Freien Berufe e.V. (BFB) dankt für das Angebot, zu möglichen Auswirkungen des Brexits auf die Freien Berufe Stellung nehmen zu können. Als Spitzenverband der Kammern und Verbände der Freien Berufe vertritt der BFB satzungsgemäß die berufsübergreifenden Interessen der Freien Berufe. Die beigefügten Anregungen sind insofern auf diese Anliegen fokussiert.
29.11.2017 Krankenhaus
Zi-Studie unterstreicht Reformbedarf bei der Notfallversorgung
Anlässlich der Veröffentlichung einer Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) mit dem Titel „Rolle der Krankenhäuser in der Notfallversorgung in Deutschland: Daten belegen massiven Reformbedarf“ hat der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen, am 29.11.2017 in Berlin erklärt:
29.11.2017 Pressemitteilungen
BDC zum Qualitätsmonitor 2018: Mindestmengen als alleinige Qualitätsindikatoren unzureichend
Zu dem aktuellen „Qualitätsmonitor 2018" des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) erklärt der Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC), Prof. Dr. med. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer:
28.11.2017 Krankenhaus
Viele vermeidbare Todesfälle durch „Gelegenheitschirurgie” bei Krebs-OPs
Viele Patienten in Deutschland sterben zu früh, weil sie in Kliniken operiert werden, die zu wenig Erfahrung mit komplizierten Krebs-OPs haben. So könnte allein die Zahl der Todesfälle infolge von Lungenkrebs-Operationen durch die Einführung einer rein rechnerisch ermittelten Mindestmenge von 108 Eingriffen pro Jahr um etwa ein Fünftel sinken - von 361 auf 287 Todesfälle pro Jahr.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.