01.05.2015 Politik
„Kauf im Mai und bleib dabei“
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Sehr freie Übersetzung einer Börsenweisheit durch einige Kreditinstitute ist gerade in der aktuellen Marktsituation falsch
Eigentlich heißt die Börsenweisheit „Sell in May and go away“, aber mit dem Blick auf viele Finanzmarktartikel und Stellungnahmen einzelner Kreditinstitute scheint die sehr freie Interpretation „Kauf im Mai und bleib dabei“ die allgemeine Meinung an den Finanzmärkten widerzuspiegeln. Aber ebenso wie die allgemeine Meinung müssen Börsenweisheiten nicht richtig sein. Wenn Geld verdienen so einfach wäre, müsste niemand mehr arbeiten. Insofern sollte man sich vor den einfachen Lösungen in Acht nehmen.
Mit Staatsanleihen lässt sich kein Geld verdienen. Dieses Mantra wiederholen Aktienanalysten seit vier Jahren und werden jedes Jahr aufs Neue widerlegt. Es wird eine schlichte Erkenntnis vergessen. Anders als bei einem Festgeld setzt sich die Rendite einer Anleihe aus dem laufenden Zins, der über die letzten Jahre kontinuierlich gesunken ist, und aus dem Kurs, der bei sinkenden Marktzinsen kontinuierlich steigt, zusammen. So hat man im letzten Jahr mit deutschen Bundesanleihen 10 % verdient, während der DAX nur dank der Berücksichtigung der Dividenden eine positive Rendite aufweisen konnte. Diesen einfachen Zusammenhang scheinen viele Analysten nicht zu verstehen, weil sie mit vermeintlichen Fachbegriffen wie „Alpha“ oder „Beta“ Anleger so weit verwirren können, dass sie nicht mehr nachfragen. So werden selbst von Privatanlegern Sätze wie „Wir brauchen das Alpha, um das Beta zu generieren“ ohne kritische Nachfrage ebenso akzeptiert wie die teilweise prominent geäußerte Behauptung, deutsche Bundesanleihen würden über ein Kursgewinnverhältnis von 500 verfügen, sodass 500 Jahre benötigt würden, um sein Kapital zurückzuerhalten. Letzteres ist natürlich völliger Unsinn, weil bei einer zehn Jahre laufenden deutschen Staatsanleihe im Moment noch davon ausgegangen werden kann, dass das Geld in zehn Jahren zurückgezahlt wird. Um das eingesetzte Kapital allein über den Zins zu verdienen, sind tatsächlich 500 Jahre notwendig, allerdings gibt es keine Aktienanlage, die einen Kapitalerhalt garantiert oder auch nur zu einen in der Zukunft festgelegten Zeitpunkt als wahrscheinlich erscheinen lässt. Aktien unterliegen Schwankungen und das in Aktien eingesetzte Kapital kann vollständig verloren gehen, weil es eben Eigenkapital ist und man mit entsprechenden Anlagen Miteigentümer des betreffenden Unternehmens wird.
Diese Fakten verkennen Werbungen, die eine Rettung aus dem Zinstief durch Aktienanlagen versprechen. Gerade für kurzfristig orientierte Anleger ist dies Realität, auf die man sich einstellen muss.
Deswegen nun insbesondere benötigte Liquidität in Aktienanlagen oder in auf Aktienentwicklungen basierenden Produkten zu investieren, ist äußerst risikoreich, weil das allgemeine Umfeld alles andere als aktienfreundlich einzustufen ist. Die globalen Konjunkturindikatoren sind zwar überwiegend freundlich, in wirklich belastbaren Wirtschaftsdaten kommen diese aber überwiegend nicht an. Dies reicht vom US-Arbeitsmarkt über die deflationären Daten in der Eurozone bis hin zu einem viel schneller als erwartet nachlassendem Wachstum in China. Entsprechend sind die Prognosen steigender Unternehmensgewinne vermutlich so in den nächsten Wochen und Monaten nicht zu halten und in der Betrachtung des Kursgewinnverhältnisses sind Aktien dann als teuer einzustufen. Gleichzeitig trübt sich vor allem im Rohstoffsektor aufgrund des dort niedrigen Preisniveaus das Investitionsklima weiter ein. Andere Unternehmen wissen nicht, was sie mit der vorhandenen Liquidität tun sollen und führen diese durch Aktienrückkäufe und Dividendenerhöhungen an ihre Eigentümer zurück. Damit ist der Anlagedruck auch durch diese, bislang relativ moderaten Rückflüsse sehr hoch. Insgesamt steht aber mit der Notenbankliquidität und den hohen Unternehmensgewinnen, die vielfach auch substanzielle Entschuldungen auf Unternehmensseite ermöglichen, viel Geld zur Verfügung. Entsprechend wird das Zinsniveau vorerst niedrig bleiben und erst substanzielle Zahlungsausfälle können dann die Neigung, auch hohe Risiken günstig zu finanzieren, korrigieren. Von dieser Situation sind wir aber noch weit entfernt, die insbesondere die Aktienmärkte in Mitleidenschaft ziehen würde.
Deswegen ist es aktuell sinnvoller, der echten Börsenweisheit „Sell in May und go away“ zu folgen, als die sehr freie deutsche Übersetzung „Kauf im Mai und bleib dabei“ umzusetzen.
Vielfach wird in diesem Umfeld die Frage gestellt, ob dann auch vorhandene Gewinne realisiert werden sollten. Auf der Anleiheseite ist das teilweise sinnvoll, wenn Papiere von staatsnahen Institutionen wie der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) für längere Laufzeiten negative Renditen aufweisen. Dann sollte allerdings eine bessere Alternative für die Wiederanlage vorhanden sein. Anders als vielfach behauptet, wird diese aber nicht unmittelbar benötigt. Vielmehr kann die Liquidität kurze Zeit geparkt werden, um dann neue Marktchancen zu erschließen. Diese Strategie war bislang in jeder Marktphase erfolgreich. Ähnlich stellt sich die Situation auch im Aktienbereich dar. Hier kann es sinnvoll sein, Gewinne abzusichern, statt direkt die Gewinne zu realisieren. Schließlich hat die Entwicklung vieler Märkte in diesem Jahr gezeigt, dass man immer wieder überrascht werden kann. So sind weitere Kurssteigerungen bei einzelnen Aktien nicht unwahrscheinlich. Ein deutlicher Anstieg des Deutschen Leitindex DAX scheint jedoch relativ unrealistisch zu sein, nachdem er sein echtes Allzeithoch – also ohne Berücksichtigung der Dividenden – aktuell nach einer 15-jährigen Durststrecke erreicht hat. Dividenden ausgenommen, hat der DAX nun den höchsten Stand seit der Internetblase im Jahr 2000 erreicht. Alle anderen Allzeithochs, die medial häufig intensiv bejubelt wurden, sind ausschließlich auf die Einbeziehung der Dividenden zurückzuführen, was beispielsweise bei den US-Indizes unüblich ist. Dort gab es also in jüngerer Vergangenheit eine Vielzahl von „echten“ Allzeithochs. Als Anleger sollte dabei aber nicht die vorhandenen Währungsrisiken außer Acht gelassen werden.
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Schön M. „Kauf im Mai und bleib dabei“. Passion Chirurgie. 2015 Mai; 5(05): Artikel 06_01.
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Markus Schön
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