12.03.2020 BDC|News
Work-Life-Balance hält Einzug auch in der Chirurgie
Die leitende Oberärztin und Fachärztin für Chirurgie, Viszeralchirurgie und spezielle Viszeralchirurgie, Frau Dr. Frauke Fritze-Büttner, über den Spagat zwischen Job und Beruf, das Mutterschutzgesetz und ihre Motivation, Chirurgin zu werden.
Was war Ihr Impuls bzw. Motivation Chirurgin zu werden?
Fritze-Büttner: Den festen Wunsch Ärztin zu werden, hatte ich bereits in der achten Schulklasse. Einen Patienten durch eine Operation zu heilen oder auch zu retten, war Faszination und mein persönlicher Antrieb zugleich, diesen Beruf zu ergreifen. Im Übrigen gegen den Ratschlag meines Vaters, der selbst Mediziner war. Er dachte an all diese Hindernisse wie überlange Arbeitszeiten und die mitunter schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Mehr als 60 Prozent der Medizinstudierenden sind weiblich. Als Chirurginnen arbeiten gerade aktuell nur 17 Prozent. Warum ist das Fach Chirurgie offenkundig nicht so attraktiv für Frauen?
Fritze-Büttner: Zu berücksichtigen ist, dass innerhalb der chirurgischen Fachdisziplinen der Anteil an Frauen variiert, so sind viel mehr Chirurginnen viszeralchirurgisch als kardiochirurgisch tätig. Ein Teil der Medizinstudentinnen schreckt sicherlich vor dem Alltag in der Chirurgie zurück – auch weil die Arbeit in einem chirurgischen Fach nicht immer planbar ist. Zum anderen sollten sich die jungen Kolleginnen selbstbewusst den chirurgischen Beruf zutrauen, der neben handwerklicher Geschicklichkeit, eine hohe Einsatzbereitschaft und Courage erfordert.
Sie sind selbst Mutter eines Sohnes. Wie schaffen Sie den Spagat zwischen Job und Familie?
Fritze-Büttner: In meinem Falle kann ich auf ein gut funktionierendes familiäres Back-up zurückgreifen: Das heißt, mein Mann unterstützt mich und auch die Großeltern springen mal ein. Ich habe aber auch das persönliche Ziel, die Klinik zu einer gewissen Uhrzeit zu verlassen, um dann auch intensiv Zeit mit meinem Sohn verbringen zu können. Um dies umsetzen zu können, hilft auch unsere Abteilungskultur, in der die Vereinbarkeit von Beruf und Familie Priorität hat.
Inwieweit spielt es eine Rolle, dass es in der Chirurgie nur wenig weibliche Vorbilder gibt?
Fritze-Büttner: Das stimmt. In der Vergangenheit war die Chirurgie ein männlich dominiertes Fach. Die Chirurginnen profilierten sich erst in den letzten Jahrzehnten. Als ich 1996 an der chirurgischen Klinik in Greifswald anfing, waren wir von zirka 23 Kollegen nur drei Frauen. Das ändert sich nun erfreulicherweise, wenn auch langsam.
Studien zeigen, dass besonders viele Medizinstudierende im Praktischen Jahr (PJ) abspringen. Muss sich die Ärztezunft nicht darüber Gedanken machen, wie das PJ attraktiver gestaltet werden kann?
Fritze-Büttner: Wir müssen die Studenten für unser Fach begeistern. Das geht vor allem, wenn wir auf sie eingehen und sie in unsere Tätigkeit einbeziehen. Dazu gehören Vorlesungen, Bedside-Teaching und Nahtkurse. Wichtig ist aber auch, dass wir ihnen Wertschätzung entgegenbringen und ihnen vorleben, wie ein gutes Team funktioniert und wie man auch in unserer Profession eine work-life-balance umsetzen kann.
Das Mutterschutzgesetz, das eine Hürde für angehende Chirurginnen darstellte, wurde inzwischen reformiert, so dass auch schwangere Chirurginnen ihre Weiterbildung fortsetzen können. War das eine ausreichende Reform oder gibt es noch Handlungsbedarf?
Fritze-Büttner: Leider ja, es ist nach wir vor so, dass schwangere Chirurginnen ihre operative Tätigkeit nicht oder nur sehr erschwert fortführen können. Das Problem sind die “unverantwortbaren Gefährdungen“. Die Ärztinnen könnten unter Umständen zum Beispiel Röntgenstrahlen, Narkosegasen oder auch Infektionskrankheiten ausgesetzt sein, die die Gesundheit von Mutter und Kind gefährden könnten. Und weil die Haftungsfrage ungeklärt ist, entscheiden Arbeitgeber in der Regel sehr restriktiv.
Im Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend ist mittlerweile ein Ausschuss eingerichtet worden, der in Fragen des Mutterschutzes beratend tätig ist. Das hat aber bislang noch keine Auswirkungen auf die Praxis der Chirurginnen. Das heißt, junge angehende Chirurginnen, die schwanger werden, müssen mit Unterbrechungen in ihrer operativen fachärztlichen Weiterbildung rechnen.
Flexible Arbeitszeiten, die den Beruf mit der Familie vereinbaren, sind nicht nur für Chirurginnen, sondern auch für ihre männlichen Kollegen ein großes Thema. Inwieweit sind die Arbeitgeber schon darauf eingestellt und was müsste sich da noch tun?
Fritze-Büttner: Das Thema betrifft im Grunde alle Fachrichtungen. Ich bin überzeugt davon, dass es ein Umdenken bei den Chefärzten und Geschäftsführungen der Kliniken geben wird. Einfach, weil sich die jungen und ÄrztInnen den Arbeitsplatz künftig aussuchen können. Und da spielen die Themen Teilzeit, Überstundenerfassung und -ausgleich, Elternzeit – für Mütter und Väter –, Kinderbetreuung und flexible Arbeitszeiten, angepasst an die Organisationsstrukturen der Abteilung, eine ganz große Rolle. Auch über Jobsharing sollten wir uns zunehmend Gedanken machen. Warum sollen sich nicht zwei KollegenInnen eine Stelle teilen?
Autor des Artikels
Ingrid Mühlnikel
Presse- & ÖffentlichkeitsarbeitBerufsverband der Deutschen Chirurgen e.V.Luisenstraße 58/5910117Berlin kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
01.02.2024 BDC|News
Editorial 01/02-2024: Perioperative Medizin – das Gesamtkonzept muss stimmen
Erfolgreiche Chirurginnen und Chirurgen laufen immer Gefahr sich in der operativen Handlung zu verlieren. Der Rausch der Tat lässt – frei nach Friedrich Stelzner – oft nicht nur die wissenschaftliche Überprüfung des chirurgischen Tuns in den Hintergrund treten, sondern vergisst auch die individuelle Funktionalität des Patienten als finales Primat des wahren Erfolgs. Es reicht aber nicht aus, dass der Eingriff technisch einwandfrei erfolgt. Am Anfang wie am Ende steht der ganze Mensch.
22.01.2024 Aus- & Weiterbildung
Facharztseminar Gefäßchirurgie am 26.-29.02.2024 in Berlin
Das Facharztseminar Gefäßchirurgie bringt das Spektrum der Gefäßchirurgie in sehr
17.01.2024 Aus- & Weiterbildung
Besonderes Facharztseminar Allgemein-und Viszeralchirurgie 11.-15.03.2024
Zum letzten Mal wird Seminarleiter Prof. Dr. med. Thomas Steinmüller
17.01.2024 BDC|News
Bundeskongress Chirurgie 2024: Noch bis 16.02. vergünstigte Tickets erhalten
Der Bundeskongress Chirurgie findet unter dem Motto Weiter+Bildung vom 23.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.