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Zur Juli-/Augustausgabe der Passion Chirurgie

Nachdem das bereits 1994 verabschiedete Arbeitszeitgesetz in entsprechender Form auch in den Krankenhäusern im Januar 2004 Einzug halten sollte, musste ein erstes Umdenken in der Arbeitsorganisation einsetzen. Die Personalplanung musste neu gedacht werden, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden. Gemeinsam mit Ärztinnen und Ärzten wurden innovative Arbeitszeitmodelle entwickelt, um „humanere“ Arbeitsbedingungen zu schaffen, die nicht nur mehr Zufriedenheit, sondern auch mehr Lebensqualität mit sich bringen sollen. Seitdem sind nun 20 Jahre vergangen und in gewisser Weise ist ein Wandel eingetreten. Dort, wo die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden, gehören beispielsweise überlange Schichten und Dienste der Vergangenheit an.

Der Wandel ist aber nicht nur den gesetzlichen Vorgaben geschuldet, sondern vollzieht sich immer mehr durch einen gesellschaftlichen Wandel in der Einstellung zur Work-Life-Balance. Hier geht es auch nicht mehr um „das eine“ Modell einer Work-Life-Balance, sondern es geht um Flexibilität, Individualität und auch gleichzeitig um ein gewisses Maß an Sicherheit. Es sind Modelle gefragt, die es ermöglichen, Karriere, Familie und Freizeit im Laufe des Lebens unterschiedlich zu priorisieren oder auch alles gleich zu gewichten, ohne die ökonomische Sicherheit und Aufstiegsmöglichkeiten zu verlieren. Dass diese Ansprüche oftmals mit einem chirurgischen Fachgebiet schwer vereinbar sind, liegt auf der Hand: Operationstische können nicht zum pünktlichen Feierabend verlassen werden, wenn Eingriffe anspruchsvoll und langwierig sind, Notfalleingriffe sind nicht planbar und unsere Patienten haben den Anspruch auf eine vollumfängliche Versorgung. Es geht auch nicht darum, die Grundlagen unserer Arbeit in Frage zu stellen, es geht vielmehr darum, die Grundlagen unserer Arbeit zu erhalten und nicht durch zusätzliche Arbeiten zu überfrachten. Dazu gehört, dass wir von „Entbürokratisierung“ im medizinischen Bereich sehr weit entfernt sind und ständig mit neuen bürokratischen Erfordernissen konfrontiert werden.

Sich hier für innovative Ideen zu öffnen, ist ein Gebot der Zeit, denn uns droht ein Nachwuchsmangel und alle berufspolitischen Institutionen sollten sich hierfür öffnen und einbringen. Dafür engagiert sich der BDC.

Bereits 2021 erfolgte eine erste Umfrage des BDC zur Arbeits(zeit)gestaltung in Deutschland, an der sich 1.940 Chirurginnen und Chirurgen unterschiedlicher Fachdisziplinen beteiligten. Die letzten drei Jahre waren zudem sehr bewegt. So hat die Corona-Pandemie auch im chirurgischen Arbeitsalltag deutliche Spuren hinterlassen. Der Druck auf die Krankenhäuser, entstandene Defizite auszugleichen, die Forderungen der Tarifparteien nach Tariferhöhungen zum Inflationsausgleich und die anstehende Krankenhausreform sorgen für viel Unruhe. Um zu erfassen, wie sich all dies auf die Arbeitssituation der Chirurg: innen in Deutschland auswirkt, haben wir 2024 erneut eine Umfrage durchgeführt (siehe Artikel „Arbeitszeiten im Wandel?“). Dass diese Thematik auf viel Interesse stößt, zeigt die weiterhin hohe Beteiligung daran. In diesem Jahr nahmen sogar 2.300 Chirurg:innen teil, 2.221 vollständige Beantwortungen konnten in die Analyse eingeschlossen werden.

Die Analyse der Daten erbrachte keine relevanten Unterschiede zwischen Chirurginnen und Chirurgen, auch wenn diesmal mit 44,63 % mehr Chirurginnen geantwortet hatten. In der Aufarbeitung der Daten wurden zwei Themenblöcke auffällig: Zum einen die Problematik der Arbeitszeitgestaltung in den Krankenhäusern, zum anderen die zunehmende psychische Belastung der Chirurg:innen und deren möglichen Folgen. Auf diese Schwerpunkte setzen wir daher in dieser Ausgabe den Fokus. Ein weiterer Aspekt lag uns vom Referat „Familie und berufliche Perspektive“ auch aus eigener Erfahrung besonders am Herzen: Als Mütter und Väter haben wir uns durch den rechtlichen Wirrwarr der Ansprüche und Regelungen zur Elternzeit gekämpft und wollen mit einem Artikel mit Tipps Hilfestellung für alle (werdenden) Eltern geben.

Wünschenswert wäre es, wenn Umfrageergebnisse nicht nur Analysen bleiben, sondern sich durch Nachdenken und Umdenken neue Lösungswege beschreiten lassen.

Fritze-Büttner F, Blank B, Axt S, Gumpp J: Wie geht es uns Chirurg:innen in Deutschland? Passion Chirurgie. 2024 Juli/August; 14(07/08): Artikel 01.

Autoren des Artikels

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Dr. med. Frauke Fritze-Büttner

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