30.07.2018 Politik
„Wie es dem Patienten gerade einfällt“
Kassenärzte finden für Notfallgebühr keine Verbündeten
Um die zunehmend überlasteten Notaufnahmen in Deutschland zu entlasten, schlägt der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Andreas Gassen vor, eine Gebühr einzuführen und erntet dafür viel Kritik. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) lehnt diese Idee ab.
Die Gebühr soll überflüssige Besuche in der Notaufnahme von Krankenhäusern vermeiden. „Eine finanzielle Steuerung wäre genau der Hebel, der helfen würde. In vielen anderen Ländern Europas ist so etwas längst üblich“, sagt der KBV-Chef laut Medienberichten. „Wenn sich bestimmte Patienten dem Angebot der niedergelassenen Ärzte dauerhaft entziehen und das System nach Gusto nutzen, wie es ihnen gerade einfällt, muss das finanzielle Sanktionen nach sich ziehen.“ Viele der Patienten in den Notaufnahmen der Krankenhäuser seien keine echten Notfälle. „Ziel muss sein, dass wir nur noch diejenigen in den Notaufnahmen haben, die später auch stationär behandelt werden müssen“. Alle weiteren Patienten müssten ambulant versorgt werden. Gassen komme es grundsätzlich nicht darauf an, Patienten zur Kasse zu bitten. Versicherte, die krank seien, müssten nur schnellstmöglich die richtige Versorgung erhalten. Der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN), Mark Barjenbruch, schlägt eine Gebühr von 50 Euro vor.
DKG spricht von „Strafgebühr“
„Eine solche Strafgebühr ist aus unserer Sicht schlicht falsch“, teilt die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) in einer Pressemeldung mit. Grund für die hohen Patientenzahlen in den Kliniken – rund 25 Millionen pro Jahr – sei das nicht ausreichende Angebotan Sprechstundenzeiten niedergelassener Ärzte. Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) kämen ihrem Sicherstellungsauftrag nicht überall nach. Wenn sie keine Termine mehr freihätten, schickten Ärzte Patienten auch zum Krankenhaus. Eine Gebühr käme einer Bestrafung der Versicherten gleich, meint auch SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach. „Wir haben ein verändertes Verhalten der Patienten. Mehr von ihnen wollen ins Krankenhaus, um dort versorgt zu werden. Wir können die Patienten nicht umerziehen“, sagt Lauterbach und fordert, Krankenhäuser stärker zu Anlaufstellen für gesetzlich Versicherte zu machen, die keine Notfälle sind. Normale Praxen und Notfallpraxen sollten in Kliniken vorgehalten werden. Dafür brauche es entsprechende gesetzliche Regelungen. „Mit einem Trommelfeuer versuchen die Kassenärzte, von ihrem eigenen Versagen abzulenken“, sagt Eugen Brysch, Chef der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Hausbesuche und Öffnungszeiten von Praxen nähmen ab, während zeitgleich die Einnahmen der KVen jährlich stiegen. Die Reaktion der Gesetzlichen Krankenversicherung fällt ähnlich aus: „Erst kümmern sich die KVen jahrelang nicht ordentlich um den Bereitschaftsdienst in der Nacht, an den Abenden und den Wochenenden und jetzt, wo die kranken Menschen die Kliniken aufsuchen, will der Chef der Kassenärzte sie dafür mit Zusatzkosten bestrafen.“
Grüne fordern Reformvorschläge der Regierung
Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Sprecherin für Gesundheitsförderung der Grünen im Bundestag unterstreicht noch einmal den dringenden Reformbedarf. „Statt Eintrittsgelder zu verlangen, muss die Notfallversorgung verbessert werden. Wir fordern Bundesminister Spahn auf, bis Ende des Jahres Vorschläge zu einer umfassenden Reform der Notfallversorgung auf den Tisch zu legen, so wie es der Sachverständigenrat jüngst gefordert hat.“ Viele der Probleme in den Notaufnahmen ließen sich lösen, wenn es ein klar verständliches Angebot aus einer Hand gebe mit einer Notrufnummer, Anlaufstelle, einer einheitlichen Ersteinschätzung. Am Rande eines Hintergrundgesprächs vor Journalisten erteilt Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dem Ansinnen der KBV eine Absage: „Von Notaufnahmegebühren halte ich nichts.“ Er setzt auf die Zusammenlegung von ambulanter und stationärer Versorgung und verweist auf das aktuelle Gutachten des Sachverständigenrates: „Ein Tresen, eine Triage, eine Nummer – dieses Ziel verfolgen wir.“
Quelle: Presseagentur Gesundheit, Albrechtstraße 11, 10117 Berlin, www.pa-gesundheit.de, 25.07.2018
Weitere Artikel zum Thema
30.03.2018 Niederlassung
EU-Datenschutzgrundverordnung: Praxisinformation
Die Datenschutzgrundverordnung der Europäischen Union gilt vom 25. Mai 2018 an. Zusammen mit dem im Juli 2017 neu gefassten Bundesdatenschutzgesetz erfolgte eine grundlegende Neuordnung des Datenschutzrechts in Deutschland. Diese datenschutzrechtlichen Bestimmungen sind auch für Ärztinnen und Ärzte relevant. Die Bundesärztekammer (BÄK) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) haben deshalb ihre Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis aktualisiert und ergänzt.
28.03.2018 Politik
Anzahl der angestellten Ärztinnen und Ärzte steigt rasant
Der Strukturwandel in der vertragsärztlichen Versorgung hat sich auch im Jahr 2017 ungebrochen fortgesetzt: Die Anzahl der niedergelassenen Vertragsärzte ist weiter zurückgegangen, während die Anzahl der angestellten Ärztinnen und Ärzte in Arztpraxen und Medizinischen Versorgungszentren erneut stark zugenommen hat. Dies zeigt die Bundesarztregister-Statistik der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (Stand: 31.12.2017), in der alle Ärztinnen und Ärzte erfasst sind, die Patienten der gesetzlichen Krankenkassen ambulant behandeln dürfen.
27.03.2018 Politik
Weitere 93 Projektanträge zu neuen Versorgungsformen
Innerhalb der gesetzten Frist sind beim Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) 93 Anträge zur Förderung von Projekten zu neuen Versorgungsformen eingegangen. Zu allen sechs Themenfeldern der jüngsten Förderwelle wurden Anträge eingereicht.
26.03.2018 Fachübergreifend
Was macht die Digitalisierung mit der Attraktivität des Arztberufes?
Im Juni 2017 erschien in der Neuen Züricher Zeitung ein Artikel von Alan Niederer: „Ich und mein digitaler Avatar. Wie das Wetter lassen sich auch Krankheiten am Computer simulieren“. Darin wird ein fiktiver Arztbesuch im Jahre 2050 dargestellt:
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.