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Kurioses vom Saarländischen Oberlandesgericht

Es kommt wohl nicht häufig vor, dass der Satz „Dem gehört in den Arsch getreten“ Relevanz für die Entscheidung eines deutschen Gerichts hat. Eben diese Aussage wurde jedoch in einem Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts (OLG) ausschlaggebend für die Frage der Verjährungsfrist (Urteil vom 18.05.2016 – 1 U 121/15).

Für Ärzte ist das Thema Verjährung vor allem im Zusammenhang mit Behandlungsfehlervorwürfen relevant. Für die Anmeldung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen gegen einen Arzt hat der Patient grundsätzlich drei Jahre Zeit. Diese Drei-Jahresfrist läuft aber erst dann, wenn der Patient „Kenntnis“ von den anspruchsbegründenden Umständen hat (oder grob fahrlässig nicht hat). In dem jetzt veröffentlichten Urteil geht das Saarländische OLG darauf ein, was das für Arzthaftungsverfahren bedeutet und ab welchem Zeitpunkt von der „Kenntnis“ eines Patienten auszugehen ist.

Der Fall

In dem zur Entscheidung anstehenden Fall begab sich die Klägerin Ende 2009 in die Behandlung des später beklagten Augenarztes. Nach der Überweisung an eine Augenklinik wurde die Diagnose Hämangiom gestellt und regelmäßige Kontrollen im Hinblick auf eine mögliche Größenzunahme empfohlen. Bei einer Kontrolluntersuchung in der Praxis des Beklagten legte die Patientin im Mai 2010 einen aktuellen MRT-Befund vor, der eine 9 x 4 mm große hypointense Formation der linken lateralen Retina beschreibt. Zu diesem Zeitpunkt leitete der Arzt jedoch noch keine weiteren Schritte oder Untersuchungen ein. Erst bei einer weiteren Kontrolluntersuchung im November 2010 äußerte er den Verdacht auf das Vorliegen eines Aderhauttumors. Daraufhin wurde die Klägerin an eine Augenklinik überwiesen, wo Ende November 2010 eine Bestrahlung des Tumors mittels der sogenannten Brachy-Therapie mit Ruthenium erfolgte. Ungeachtet dieser Behandlung ist die Patientin heute auf dem linken Auge erblindet.

Nach Einholung eines augenärztlichen Gutachtens erhob die Patientin im April 2015 Klage gegen den erstbehandelnden Augenarzt und forderte 50.000 Euro Schmerzensgeld. Sie warf ihm vor, die deutliche Vergrößerung des Tumors nicht rechtzeitig festgestellt und damit die Überweisung an die Augenklinik verzögert zu haben. Bei einer rechtzeitigen Überweisung in die Augenklinik hätte es bessere Behandlungsmöglichkeiten gegeben. Der beklagte Arzt berief sich auf die Verjährung der mit der Klage verfolgten Ansprüche.

Die Entscheidung

Das Saarländische OLG gab dem Arzt Recht und wies die Klage ab. Den Vortrag der Klägerin, entscheidende „Kenntnis“ habe sie erst 2012 mit Vorlage des augenärztlichen Gutachtens gehabt, wiesen die Richter zurück. Vielmehr sei auf den Zeitpunkt der Behandlung in der Klinik im November 2010 abzustellen. Der dort nachbehandelnde Arzt habe sich zu der vorangegangenen Behandlung durch den Beklagten mit den Worten „Dem gehört in den Arsch getreten“ geäußert. Nach Auffassung des Gerichts habe diese – wenn auch sehr saloppe – Äußerung der Klägerin in einer „auch für den Laien hinreichend verständlichen Art und Weise“ deutlich machen müssen, dass der beklagte Augenarzt bei seiner Behandlung vom ärztlichen Standard abgewichen sei.

Um von der „Kenntnis“ des Patienten ausgehen zu können, genüge es grundsätzlich nicht, wenn dieser lediglich Kenntnis vom Misserfolg der Behandlung habe. Vielmehr müsse ein ärztliches Fehlverhalten bekannt sein. Das OLG betonte, dass es im vorliegenden Fall aber nicht erforderlich gewesen sei, dass die Klägerin von bestimmten Untersuchungsmöglichkeiten, die zu einem frühen Zeitpunkt bestanden hätten, gewusst habe. Genauso wenig sei eine Gewissheit über etwaige Behandlungsfehler entscheidend gewesen.

Die Klägerin selbst hatte bei der Untersuchung in der nachbehandelnden Klinik angemerkt, der Beklagte habe „dieses Ding ja ein Jahr lang wachsen lassen“. Die Reaktion des nachbehandelnden Arztes („Dem gehört in den Arsch getreten“) konnte die Klägerin nach Auffassung des Gerichts nur so verstehen, dass der Augenarzt eine frühzeitigere weitere Diagnostik und Behandlung pflichtwidrig versäumt habe und dies die Ursache für den späteren Gesundheitsschaden gewesen sei. Damit habe die Patientin bereits Ende 2010 die anspruchsbegründenden Umstände gekannt, sodass jegliche Ansprüche bereits Ende 2013 verjährt seien. Die im April 2015 anhängig gemachte Klage sei damit erst nach Verjährungseintritt erhoben worden und daher von vorneherein unzulässig gewesen.

Fazit

Bei Schadensersatzforderungen, insbesondere aus länger zurückliegenden Behandlungsfällen, sollten Ärzte vorsorglich immer eine mögliche Verjährung der geltend gemachten Ansprüche bedenken und prüfen (Drei-Jahresfrist). Dabei ist zu bedenken, dass die für den Beginn der Verjährungsfrist maßgebliche Kenntnis nicht mit einer Gewissheit über das Bestehen etwaiger Behandlungsfehler und damit den Ausgang eines möglichen Gerichtsverfahrens gleichgesetzt werden kann.

Die Verjährung der Ansprüche beginnt nicht zwangsläufig erst mit der Vorlage eines entsprechenden ärztlichen Gutachtens. Das Urteil des Saarländischen OLG macht deutlich, dass es bereits genügt, wenn der nachbehandelnde Arzt dem Patienten zu verstehen gibt, dass die bisherige Behandlung nicht dem ärztlichen Standard entsprochen hat.

Wienke A. Wie ein Tritt in den Hintern zur Verjährung führte. Passion Chirurgie. 2017 Januar, 7(01): Artikel 04_09.

Autor des Artikels

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Dr. jur. Albrecht Wienke

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