Nach dem erneuten Angriff der Taliban auf Kunduz und den bisher andauernden Stellungskämpfen um die Stadt Mitte 2016, hat sich die Sicherheitslage im gesamten Norden Afghanistans verändert und besonders in dem bisher ruhigen Mazar-e Sharif dramatisch verschlechtert. Zusätzlich ist in der Stadt durch Rückzug der deutschen Isaf-Truppen der größte Arbeitgeber der Nordprovinz weggefallen. Außerdem hat die Flucht junger und ausgebildeter Afghanen 2015 die Situation weiterhin verschlechtert. Die Instabilität der politischen und ökonomischen Situation hat aufgrund der Schwäche der Zentralregierung in Kabul mit dem Bruch zahlreicher Wahlversprechen und einer ausufernden Korruption zugenommen. Die Bevölkerung ist zunehmend mutlos und resigniert. Vor diesem Szenario ist die Implementierung neuer humanitärer Projekte sehr fragwürdig. Jedoch sind diese Projekte nötig, setzen sie doch Hoffnung auf eine bessere Zukunft und können selbst als Mikroprojekte einen Beitrag zur Stabilisierung der Gesellschaft leisten.
Im Rahmen des Wiederaufbaus des durch Brand zerstörten Zentralkrankenhauses in Mazar-e Sharif hat der Autor seit 2010 in zahlreichen mehrwöchigen Arbeitsaufenthalten in Afghanistan ein Labor für Pathologie mit angeschlossener zytologischer Ambulanz etabliert. Wegen der ausufernden Korruption der damaligen Entscheidungsträger wurde zwei Jahre später das regierungseigene Labor durch ein Privatlabor unter der Leitung von Dr. Rauofi Rokai – einem vertrauenswürdigen Chirurgen – ergänzt. Die zunehmende Zahl der Einsendungen der letzten Jahre und eine zunehmende Akzeptanz vorwiegend ambulant tätiger Ärzte bestätigt die Notwendigkeit einer morphologischen Diagnostik vor Ort. Der mangelnden Erfahrung der afghanischen Pathologen wegen wurde deshalb ein Telepathologie Service durch deutsche Experten via Internet etabliert.
Die Häufigkeit der diagnostizierten Mammakarzinomen bestätigte die von der UICC erhobenen Daten der Prävalenz der Tumoren in der weiblichen afghanischen Bevölkerung. Sowohl die bildgebende Diagnostik wie auch die Therapie benigner und maligner Mammatumoren sind im Land nur ansatzweise vorhanden. Mammographie und Ultraschalluntersuchungen werden häufig
ungenügend oder falsch interpretiert, mit der Konsequenz der Verunsicherung der Patientinnen. Morphologische Diagnostik mit Fine-Needle Aspiration, Core-Needle Biopsy und offenerer Biopsie sind bisher im Land nicht bekannt. Die meisten malignen Tumoren werden daher erst im fortgeschrittenen T3/ T4 N+ Stadien erkannt (Abb. 1). Die operative Therapie beschränkt sich zumeist auf incisionale Biopsien. Radio- und Chemotherapien sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht verfügbar. Patientinnen müssen zur kurativen oder meist palliativen Therapie ins Ausland reisen: Pakistan oder Indien, was für viele nicht finanzierbar ist.
Stand des Projekts
Seit 2011 haben Dr. Rauofi Rokai und seine Mitarbeiter begonnen, sich auf die Diagnostik von Mammaläsionen mit besonderem Schwerpunkt der ultraschallgestützten Feinnadelpunktionen zu spezialisieren. Die Technik ermöglicht eine zeitnahe Diagnostik, die Vorteile im ambulanten Bereich zeigt.
Bei positiven zytologischen Ergebnissen erfolgen im Bedarfsfall Core-needle-Biopsien, jedoch genügt bei fortgeschrittenen Stadien die Tripeldiagnostik. Die Diagnostik wird durch europäische Experten via Skypekonferenzen unterstützt.
Gleichzeitig wird zur Sensibilisierung der Risikogruppen eine Aufklärungskampagne in lokalen Fernsehprogrammen platziert, nach Rücksprache und Zustimmung der örtlichen Geistlichkeit.
2014 wurde begonnen eine Basis Therapie mit einfachen Mastektomien mit axillarer Dissektion unter Anleitung eines deutschen Facharztes einzuführen. Eine lokale Tumor-Ektomie kann bei fehlender postoperativer Radiatio nicht durchgeführt werden, gleichzeitig wurde der Aufbau eines stationären Zentrums für Mammatumoren in Mazar-e Sharif begonnen, bestehend aus Ambulanz, Mammographieabteilung und operativer Einheit. Dieses Zentrum ist mit dem bereits bestehenden Cyto- und Histopathologischen Labor verbunden.
Im Oktober 2016 wurde das Family Health Hospital (FHH) eröffnet, eine Privatklinik mit 20 Betten, das Projekt wurde mit 20.000 € aus Privatmitteln gefördert. Im November wird ein 20ft-Container mit Sachspenden deutscher Kliniken zur Ergänzung der Basisausstattung von Hamburg via Herat nach Mazar-e Sharif transportiert.
Projektzukunft
Geplant ist die Verbindung des Hospitals mit deutschen Institutionen:
Durch einen Vertrag zwischen dem Kirchenkreis Aurich der Evangelisch lutherischen Kirche, der die weitere Verwaltung der Geld- und Sachspenden garantiert, erfolgt im Gegenzug eine Gewinnbeteiligung des Kirchenkreises, dessen Ertrag für die Behandlung bedürftiger Patientinnen eingesetzt wird.
Die Verbindung der Klinik mit dem Klinikum Bamberg wird im Projekt des BMZ „Klinik Partnerschaften-Partner stärken Gesundheit“ angestrebt. Außerdem soll das Projekt „Hospitationen auf Kurzzeit“ mit dem Klinikum Bamberg fortgesetzt werden, mit dem Ziel die Ausbildung von Ärzten und Fachpersonal zu fördern.
Dr. Rokai ist bereits Juniormitglied des Berufsverbandes deutscher Pathologen. Weitere Aufnahmen anderer afghanischer Kollegen in weiteren deutschen Fachgesellschaften wären wünschenswert und könnten zur Stabilisierung der Beziehung beitragen.
Im Routinebereich werden spezielle Tumorkonferenzen via Internet und Skype aufgebaut (sogenannte Hybridtechnik wegen der geringen Bandbreite und Instabilität des afghanischen Netzes.) Es wird in diesen Konferenzen nicht nur das Wissen europäischer Experten vermittelt, sondern auch interdisziplinäre Kommunikation im Land selbst gefördert.
Fazit
Trotz der ungünstigen Situation vor Ort, schlechter Sicherheitslage und Korruption bei politischen Entscheidungsträgern ist der Aufbau eines privaten Medizinprojektes als Microprojekt erforderlich, um die medizinische Versorgung der afghanischen Frauen zu verbessern, das heißt die Angst vor einem fatalen Schicksal zu nehmen und Hoffnung zu wecken. Zum anderen kann das Projekt eine Leuchtturmfunktion zur Etablierung neuer Medizinstrukturen übernehmen.
Nachtrag
Der Titel des Artikels fußt auf einem persönlichen Erlebnis des Autors: Bei der letzten Einreise in Mazar-e Sharif fielen dem Beamten an der Passkontrolle die häufigen Visa-Einträge für Afghanistan auf, sodass der freundlich lächelnde Beamte mit einem „Welcome back home“ den Pass zurückreichte, ein afghanischer Lichtblick!
Danksagung
Mohammad Rafi, Rafi trading & shipment Hamburg
Harald Beenen Beenen GmbH & Co. KG
Willm Ihnen, Stahlbau Ihnen Aurich Gmbh & Co. KG
Gerd Schaper, Agaplesion Klinikum Rotenburg
Wilhelm Wolken, Ludmillenstift Rotenburg
Markus Winkler, Sozialstiftung Bamberg
Thomas Hippen, Ubbo Emmius Klinik Aurich/ Norden
Monika Hubler IPATH NETWORK Basel