01.02.2022 Niederlassung
Vorbereitung auf die Niederlassung: Worauf soll man schon während der klinischen Weiterbildung achten?
Die Entscheidung für eine der acht Säulen der chirurgischen Weiterbildung fällt meist aufgrund persönlicher Neigungen oder abhängig von Erfahrungen während des PJ oder dem aktuellen Stellenangebot. Es ist aber zu beachten, dass die Eignung für eine spätere Niederlassung höchst unterschiedlich ist. Unter Berücksichtigung der häufigsten Erkrankungen und Verletzungen und der Struktur der jetzt in den Praxen tätigen Chirurgen ist die Weiterbildung zum Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie (FA OU) am ehesten zielführend. Dies am besten mit einer ausgiebigen Rotation in einer breit aufgestellten Allgemeinchirurgie. Die Säule Allgemeinchirurgie allein lässt dagegen keine Tätigkeit als Durchgangsarzt zu und ist daher aus Sicht des BDC für ein Karriereziel Niederlassung weniger geeignet, es sei denn in einer Gemeinschaftspraxis mit einem Orthopäden/Unfallchirurgen. Herzchirurgie und Thoraxchirurgie sind ungeeignet für die Praxistätigkeit, die übrigen Spezialisierungen dafür umso mehr. Allerdings ist die Auswahl an spezialisierten Praxen numerisch deutlich geringer.
Sofern eine spätere Niederlassung infrage kommt, empfiehlt es sich, im Rahmen der letzten Jahre der Klinik-Tätigkeit einige wichtige Details im Auge zu behalten. Im Gegensatz zum Krankenhaus sind bei der Tätigkeit als Vertragsarzt zahlreiche Leistungen genehmigungspflichtig und abhängig von Qualifikationsnachweisen, die nach der Klinikzeit nur mit großen Schwierigkeiten nachgeholt werden können.
Tätigkeit als Durchgangsarzt
Voraussetzung ist u. a. eine ausgiebige Erfahrung in der Unfallchirurgie, am besten in der Kombination der Säule Orthopädie und Unfallchirurgie (sechs Jahre) mit der Zusatz-Weiterbildung (ZWB) „Spezielle Unfallchirurgie“ (zwei Jahre zusätzlich). Ersatzweise ist eine Zulassung als D-Arzt auch ohne diese ZWB möglich, wenn nach der Facharztanerkennung mindestens ein Jahr Tätigkeit in einem Krankenhaus mit VAV- oder SAV-Zulassung nachgewiesen wird. Diese Tätigkeit ist dann allerdings mit einem eingeschränkten Operationsspektrum verbunden.
Darüber hinaus ist darauf zu achten, dass im Klinik-Zeugnis die Erstellung von Rentengutachten und Zusammenhangsgutachten für die BG sowie Erfahrungen im Berichtswesen und im Reha-Management nachgewiesen werden. Die regelmäßige Einbindung in die fachbezogene Röntgendiagnostik (incl. Schädel und Durchleuchtungen) muss im Arbeitszeugnis bestätigt werden. Die Zulassung zum Durchgangsarztverfahren erfolgt auf Antrag durch den zuständigen Landesverband der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).
Röntgendiagnostik
Die Fachkunde im Strahlenschutz wird in der Regel schon im Verlauf der Klinik-Tätigkeit erworben, weil dies Voraussetzung für die Indikationsstellung ist. Dabei ist darauf zu achten, dass diese nicht auf die Notfalldiagnostik begrenzt ist, sondern auf einen konkreten Körperbereich (z. B. Skelett) abgestellt ist. In der aktuellen MWBO (2018) ist für den FA OU erfreulicherweise wieder die gesamte Röntgendiagnostik der Bewegungsorgane eingeschlossen. Trotzdem müssen für den Antrag bei der zuständigen kassenärztlichen Vereinigung (KV) für die Röntgendiagnostik des gesamten Skeletts eine ständige Tätigkeit in der entsprechenden Röntgendiagnostik möglichst genau spezifiziert und durch ein Zeugnis eines entsprechend zu dieser Weiterbildung Zugelassenen nachgewiesen werden.
Sonographie
Die sonographische Diagnostik ist in unterschiedlicher Spezialisierung und Umfang Bestandteil der Weiterbildung in allen chirurgischen Säulen. Trotzdem fordert die KV beim Genehmigungsverfahren den Nachweis durch Zeugnis eines fachkompetenten Weiterbilders und eine gewisse Mindestanzahl von Untersuchungen, z. B. für die Sonographie des „Bewegungsapparats“ mindestens 200 B-Mode-Sonographien der Bewegungsorgane. Einzelheiten finden sich in der Ultraschall-Vereinbarung.
Ambulante Operationen
Grundsätzlich muss die Genehmigung zur Durchführung von ambulanten Operationen bei der KV beantragt werden. Dabei werden nur Eingriffe genehmigt, die Inhalt der nachgewiesenen Weiterbildung sind. Ein Nachweis spezieller Kompetenzen erfolgt am einfachsten durch den Erwerb einer entsprechender Zusatz-Weiterbildung (s. unten), kann aber auch durch ein qualifiziertes Zeugnis erbracht werden.
Arthroskopie
Arthroskopische Operationen sind Standard in der Weiterbildung zum FA OU. Sofern nicht die ZWB „Spezielle orthopädische Chirurgie“ erworben wurde, müssen allerdings der KV für die Genehmigung mindestens 180 arthroskopische Gelenkeingriffe verschiedener Art durch Zeugnis nachgewiesen werden. Einzelheiten dazu finden sich in der Arthroskopie-Vereinbarung.
Folgende Zusatzweiterbildungen (ZWB) erscheinen aus unserer Sicht für niedergelassene Chirurgen sinnvoll (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
ZWB Handchirurgie
Nur in 24 Monaten Weiterbildung im Anschluss an eine Facharztanerkennung in Allgemeinchirurgie, Kinderchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie oder Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie zu erwerben. Eröffnet den Zugriff auf einen zusätzlichen Leistungskomplex im EBM. Dieser ist allerdings nicht höher bewertet als analoge Leistungskomplexe der Bewegungsorgane allgemein und somit aus betriebswirtschaftlicher Sicht verzichtbar. Allerdings ist die ZWB anzeigefähig auf dem Praxisschild und den Praxis-Dokumenten, was eine öffentliche Darstellung der speziellen Fachkompetenz ermöglicht. Handchirurgische Operationen gehören zu den häufigsten ambulanten Eingriffen.
ZWB Sportmedizin
Kann berufsbegleitend durch 240 Stunden Kursweiterbildung und 120 Stunden sportärztliche Tätigkeit erworben werden. Eröffnet keine zusätzlichen Abrechnungsmöglichkeiten, kann aber Türöffner sein zum Erschließen der entsprechenden Klientel.
ZWB Manuelle Medizin
Kann entweder berufsbegleitend (320 Stunden Grund- und Aufbaukursus) oder durch 12-monatige Tätigkeit in einer zugelassenen Weiterbildungsstätte erworben werden. Eröffnet auf Antrag bei der KV den Zugriff auf die EBM Nrn. 30200 und 30201 und kann eine sehr sinnvolle Erweiterung des Therapiespektrums einer orthopädisch ausgerichteten Praxis sein. Auch als Tätigkeitsschwerpunkt und Alleinstellungsmerkmal möglich.
ZWB Akupunktur
Kann berufsbegleitend durch 200 Stunden Kursweiterbildung erworben werden. Eröffnet auf Antrag bei der KV den Zugriff auf die EBM-Nrn. 30790 und 30791, allerdings begrenzt auf die Indikationen LWS-Schmerzen und chronische Knieschmerzen durch Gonarthrose und begrenzt in der Therapiemenge. Die ZWB Akupunktur ist eine sinnvolle Ergänzung für eine orthopädisch konservativ ausgerichtete Praxis und eine beliebte IGeL-Leistung für die nicht vom EBM abgedeckten Indikationen.
ZWB Phlebologie
Kann berufsbegleitend erworben werden. Eröffnet keine zusätzlichen Abrechnungsmöglichkeiten. Der „phlebologischen Basiskomplex“ (EBM Nr. 30500) und die Varizenverödung (EBM 30501) können von allen Chirurgen erbracht und abgerechnet werden, sofern der Leistungsinhalt erfüllt wird. Auch diese ZWB ist anzeigefähig auf dem Praxisschild und den Praxis-Dokumenten, was eine öffentliche Darstellung der speziellen Fachkompetenz ermöglicht.
ZWB Proktologie
Diese ZWB Kann von Allgemeinchirurgen, Viszeralchirurgen und Kinderchirurgen berufsbegleitend durch 12-monatige Tätigkeit unter Befugnis erworben werden und ist sinnvoll zur Darstellung einer Spezialisierung. Proktologische Eingriffe finden sich ebenfalls in der Hitliste der häufigsten ambulanten Operationen. Proktologische Schwerpunktpraxen behandeln häufig auch alle Erkrankungen des Rektums, ggfs. sektorenübergreifend auch mit stationären Operationen.
Über die hier aufgeführten Formalien hinaus sind natürlich weitere Planungen und Überlegungen im Vorfeld einer Niederlassung von Bedeutung, vor allem die Übernahme eines geeigneten Vertragsarztsitzes. Diese und andere – auch individuelle – Fragen werden diskutiert und hoffentlich auch beantwortet im Rahmen eines BDC-Workshops zum Thema „Vorbereitung auf die Niederlassung“ beim Chirurgenkongress DCK 2022 in Leipzig. Das Programm finden Sie HIER.
Kalbe P: Vorbereitung auf die Niederlassung: Worauf soll man schon während der klinischen Weiterbildung achten? Passion Chirurgie. 2022 Januar/Februar; 12(01/02): Artikel 03_03.
Autor des Artikels
Dr. med. Peter Kalbe
Vizepräsident des BDCGelenkzentrum SchaumburgStükenstraße 331737Rinteln kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
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Intersektorale Versorgung – eine Einbahnstraße?
Bedingt durch technischen Fortschritt und demografische Entwicklung verlagert sich Leistungsgeschehen immer mehr in die ambulante Versorgung. Komplexe Prozeduren, die ehemals ausschließlich vollstationär erbracht werden konnten, sind Eingriffe mit allenfalls kurzzeitigen stationären Aufenthalten geworden, sofern sie nicht gänzlich ambulant erbringbar sind. Aus Sicht des Gesetzgebers, aber auch der Fachöffentlichkeit und insbesondere der Krankenhäuser, wird die Ambulantisierung zum Anlass genommen, unter dem Oberbegriff „Intersektorale Versorgung“ echte und vermeintliche Sektorengrenzen einzureißen.
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Und auch das geht: Einzelpraxis und Belegarzt
Es gibt sie noch, die einzelärztliche chirurgische Praxis, aber es wird immer schwerer sich als einzelner Arzt zu halten. Ich bin seit elf Jahren als Einzelarzt in einer chirurgischen Praxis in Schweinfurt (Unterfranken) niedergelassen und habe trotz erheblicher Konkurrenz ein gutes Auskommen.
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Editorial: Gemeinsam stark! Sektorenübergreifende Versorgung
In den letzten Jahren gab es unter den niedergelassenen Vertragsärzten reichlich Grund zur Klage wegen ungenügender finanzieller Ausstattung, überbordender Bürokratie und drohender Regressregelungen bei der Verordnung von Medikamenten und Heil- und Hilfsmitteln. Seit einigen Monaten aber ist die Aufregung nun besonders groß und dies bemerkenswerterweise, obwohl vom BMG nun die schon seit Jahren geforderte Entbudgetierung, zumindest teilweise, in Aussicht gestellt wird. Der Hintergrund ist, dass die angebotenen Honorarzuwächse verknüpft werden mit einem erheblichen Eingriff des Staates in die eigentlich freiberufliche Praxisführung, niedergeschrieben im anstehenden Terminservice und Versorgungsgesetz (TSVG). In seltener Einigkeit haben sich die Vertragsärzte und -psychotherapeuten dagegen zur Wehr gesetzt und werden dies auch weiter tun – zum Wohle der Versorgung der uns anvertrauten Patienten.
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