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Die Therapie möglicher ursächlicher, prozedurenspezifischer und/oder -begleitender Akutschmerzen ist ein essenzielles Qualitätsmerkmal in jedem chirurgischen Fachgebiet. Ziele einer interdisziplinären und interprofessionellen Schmerztherapie sind unmittelbar eine Verbesserung der Lebensqualität durch Schmerzfreiheit, mittelfristig eine Reduktion des postoperativen Morbiditäts- und Mortalitätsrisikos, langfristig eine Verhinderung der Chronifizierung von Schmerzen und stets begleitend eine Reduktion der Krankenhausverweildauer und des Krankenstands.

Seit 1992 existiert die „Vereinbarung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten und des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen zur Organisation der postoperativen Schmerztherapie“. Vor dem Hintergrund fortentwickelter Evidenz, aktualisierter Leitlinienempfehlungen und interprofessionell gestalteter Behandlungsprozesse wurden diese Vereinbarungen den aktuellen Erfordernissen und Strukturgegebenheiten unseres Gesundheitswesens angepasst. Somit geben beide Berufsverbände in der nun aktualisierten Version dieser „Vereinbarung zur Organisation der Schmerztherapie chirurgischer Patienten“ den agierenden Partnern eine klare Empfehlung und ein Manual zur Umsetzung der genannten Ziele an die Hand.

Präambel

Die schmerzmedizinische Versorgung gehört zu den bedeutsamen interdisziplinären Aufgaben der modernen Medizin. Sie verbessert die Lebensqualität des Patienten, kann den Heilungsprozess beschleunigen, reduziert das Auftreten postoperativer Komplikationen und trägt zu einer ressourcenoptimierten Patientenversorgung bei [1].

In der 1992 veröffentlichten „Vereinbarung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten und des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen zur Organisation der postoperativen Schmerztherapie“ [2] waren verschiedene Organisationsmodelle wertungsfrei nebeneinandergestellt worden. Die jetzt durchgeführte Neubewertung erfolgte auf der Grundlage mittlerweile verfügbarer Evidenz, daraus abgeleiteter Leitlinienempfehlungen und den zunehmend an Bedeutung gewonnenen interprofessionell gestalteten Behandlungsprozessen [1, 3, 4].

Diese aktualisierte Vereinbarung steht im Geist des Beschlusses des Deutschen Ärztetags 2014. Dort wurde empfohlen, ein übergeordnetes interdisziplinäres und interprofessionelles Schmerzmanagement in die Qualitätsmanagement-Systeme der Krankenhäuser zu implementieren, wie z. B. analog zu den übergeordneten Strukturen der Hygiene [5]. Die beiden Berufsverbände empfehlen solche Organisationsformen für eine interdisziplinäre und interprofessionelle Kooperation ausdrücklich. Chirurgen und Anästhesisten bleibt es dabei überlassen, durch lokale Absprachen „vor Ort“ die Organisationsform zu wählen, die sich für sie am besten eignet.

Die beiden Berufsverbände fordern die Krankenhausträger und die Kostenträger auf, die notwendigen strukturellen und budgetären Voraussetzungen für eine adäquate schmerzmedizinische Versorgung in den Kliniken und Krankenhäusern zu schaffen.

1. Definition

Die Therapie akuter Schmerzen beinhaltet die (symptomatische) Behandlung von akuten Schmerzzuständen, die (primär) auf eine akute Verletzung oder Erkrankung, ein Operationstrauma oder eine behandlungsbedingte Prozedur zurückzuführen sind.

Die perioperative Schmerztherapie dient zugleich der Prävention der Chronifizierung von Schmerzen. Weist der akute Schmerz auf Befunde hin, die einer weiterführenden Diagnostik bedürfen oder bedürfen könnten (z. B. akutes Abdomen, intra- oder postoperative Komplikationen), so soll die akute Schmerztherapie immer in Absprache mit den für eine kausale Therapie zuständigen Fachgebietsvertretern durchgeführt werden.

2. Fachliche Zuständigkeit

Zuständig für die Therapie von Schmerzen ist

  • auf der chirurgischen Station und auf chirurgisch geleiteten Intensiveinheiten der Chirurg,
  • in den Aufwachräumen und auf Intensivstationen, die unter anästhesiologischer Leitung stehen, der Anästhesist in Zusammenarbeit mit dem Chirurgen.

Auf Stationen, die weder von Anästhesisten noch von Chirurgen geleitet werden, sollte der ärztliche Leiter dieser Station in Zusammenarbeit mit Anästhesisten und Chirurgen die schmerzmedizinische Versorgung organisieren.

3. Organisationsform interdisziplinärer Zusammenarbeit

Neben der Kooperation in der operativen Routineversorgung zwischen Anästhesisten und Chirurgen benötigt eine Schmerzbehandlung bei bestimmten Eingriffen oder Indikationen eine engere Kooperation in der Unterstützung der allgemeinen Versorgung durch besondere, auf die Schmerzbehandlung spezialisierte Strukturen. Alle an der Schmerzbehandlung Beteiligten sollten dem Patienten gegenüber als ein interdisziplinäres Behandlungsteam auftreten. Übergeordnete Behandlungsprozesse sollten stets gemeinsam abgestimmt und gestaltet werden.

Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit (einvernehmliche Entscheidungen, wechselseitige Informationen) ist schon deshalb unerlässlich, weil die Schmerztherapie

  • die Vigilanz und Mobilität des Patienten nicht unnötig beeinträchtigen soll,
  • die Warn- und Leitfunktion des postoperativen Schmerzes ausschalten kann, und damit spezielle Maßnahmen zum Schutz des Patienten, z. B. gegen Schäden durch den Druck fester Verbände, notwendig werden können,
  • wegen der potentiellen Nebenwirkungen der Analgetika und Lokalanästhetika die Sicherstellung der sorgfältigen Überwachung der Patienten durch Chirurgen und/oder Anästhesisten erfordert (je nach Therapieverfahren und hierzu notwendiger Facharztkompetenz).

Als Organisationsform wird ausdrücklich von beiden Berufsverbänden ein abteilungs- und fachübergreifend tätiger ärztlich geleiteter Schmerzdienst (SD) empfohlen. Die Präsenz eines SD verbessert die postoperative Analgesie und vermindert die Häufigkeit von Nebenwirkungen bei chirurgischen Patienten. Der SD steht unter der Leitung eines Facharztes eines der beteiligten Fachgebiete mit entsprechender schmerzmedizinischer Qualifikation (Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“ 1, möglichst 50-Stundenkurs „psychosomatische Grundversorgung“). Dieser wird in der Regel durch andere Ärzte und Fachkrankenpflegekräfte unterstützt.

Der jeweilige Arzt des SD ist berechtigt, medizinische Anordnungen auf Stationen und in den Behandlungseinheiten zu treffen, wo die von ihm betreuten Patienten lokalisiert sind.

3.1 Ein, abteilungs- und fachübergreifend tätiger ärztlich geleiteter SD kann folgende Aufgaben haben:

  1. Durchführung und Überwachung kontinuierlicher regionalanalgesiologischer Techniken zur peripheren oder rückenmarksnahen Nervenblockade auf Normalstationen
  2. Durchführung einer systemischen PCA-­Therapie mit Opioiden
  3. Anwendung anderer spezieller schmerztherapeutischer Methoden
  4. Perioperative Betreuung von Patienten, die ein erhöhtes Risiko postoperativer Schmerzen haben (u. a. präoperative chronische Schmerzen, präoperative Opioideinnahme, Substanzmissbrauch und Substitution, Durchführung bestimmter Operationen)
  5. Schmerzmedizinische Beurteilung und/oder Mitbehandlung von Patienten auf Anforderung durch den primär behandelnden Arzt; insbesondere bei Patienten, die trotz ­bestehender systemischer Schmerztherapie starke Schmerzen oder eine schmerzbedingte Beeinträchtigung wichtiger Funk­tionen haben.

3.2 Falls nicht auf einen SD zurückgegriffen werden kann, ergeben sich Einschränkungen hinsichtlich der Umsetzung von Leistungen auf Normalstationen. Ohne SD müssen Patienten mit kontinuierlichen regionalanalgesiologischen Techniken (siehe 3.1 a) auf solchen Stationen betreut werden, die eine engmaschige Überwachung der Schmerztherapie erlauben (PACU, IMC, Intensivstation).

Ein abgegrenztes Programm an schmerztherapeutischen Leistungen (siehe 3.1 b-e) kann im Einzelfall auf dem Boden lokaler interdisziplinärer Absprachen durch den Anästhesisten als mitbehandelndem Arzt auf der Normalstation erfolgen.

4. Ärztliche und rechtliche Verantwortung

Die Patientenversorgung in der perioperativen Medizin fußt auf einem arbeitsteiligen Zusammenwirken. Somit müssen in der Regel Schnittstellen zwischen den verschiedenen Fachdisziplinen definiert werden. Grundsätzlich ist der primär die Behandlung übernehmende Arzt auch für die Therapie von Schmerz verantwortlich. Da die Mehrzahl der Patienten mit einer standardisierten, systemischen Schmerztherapie ausreichend behandelt ist, übernimmt der Chirurg hier die Verantwortung, sobald der Patient auf seine Station verlegt wird.

Wird bei einer schmerzmedizinischen Beurteilung oder Mitbehandlung ein entsprechend qualifizierter Arzt hinzugezogen, gelten, soweit in einer Vereinbarung nichts Abweichendes geregelt wird, die allgemeinen Grundsätze der interdisziplinären Kooperation, der Grundsatz der strikten Arbeitsteilung, der Vertrauensgrundsatz und die Pflicht zur gegenseitigen Information und Abstimmung. Dabei hat der unmittelbar Handelnde nach dem Prinzip der Eigenverantwortung für die ordnungsgemäße Erfüllung der primären Sorgfaltspflichten einzustehen.

5. Die Überwachung des Patienten nach schmerztherapeutischer Behandlung

Die zentrale Herausforderung der interdisziplinären Kooperation liegt in der Verantwortung für die Überwachung der Nach- und Nebenwirkungen schmerztherapeutischer Maßnahmen. Bei der Betreuung durch einen SD erfolgt die Überwachung in enger Zusammenarbeit zwischen dem Personal des SD und dem Personal der betreuenden Station. Der SD muss kontinuierlich erreichbar sein und das Stationspersonal regelmäßig geschult werden.

Wenn nicht auf einen SD zurückgegriffen werden kann, obliegt die Überwachung dem Personal der für diesen Fall empfohlenen Überwachungsstation (3.2).

Führt der Anästhesist postoperativ auf Hinzuziehung durch den Chirurgen (3.2) ein abgegrenztes Programm schmerztherapeutischer Leistungen durch, gelten die allgemeinen Grundsätze der interdisziplinären arbeitsteiligen Kooperation (siehe 4. Ärztliche und rechtliche Verantwortung) auch in der Überwachung und Nachsorge fachspezifischer Eingriffe und Therapiemethoden.

6. Delegation auf nicht-ärztliche Mitarbeiter

In Deutschland gilt der Arztvorbehalt. Dies bedeutet, dass medizinische Leistungen, deren Erbringung dem Arzt eigene Fähigkeiten erfordern, von einem approbierten Arzt erbracht werden müssen. Delegationsfähige medizinische Leistungen können nur dann an entsprechend qualifiziertes nicht-ärztliches Personal übertragen werden, wenn der Arzt diese Tätigkeit

  1. anordnet
  2. ihre Umsetzung anleitet und
  3. überwacht und kontrolliert.

Nicht delegierbar sind Tätigkeiten des ärztlichen Kernbereichs: Hierzu zählen die ärztliche Anamnese, die Befunderhebung und -bewertung, die Indikationsstellung, die Therapieplanung (Auswahl, Dosierung und Festlegung), die Therapieentscheidung (z. B. Änderung oder Beendigung der Therapie) und die Aufklärung.

Delegierbar ist dagegen die Durchführung intravenöser Injektionen und von Infusionen auf qualifizierte Pflegende, soweit die Applikation nicht ausnahmsweise (z. B. wegen der Art des Medikamentes oder technischer Schwierigkeiten oder dem Zustand des Patienten) ärztliche Kenntnisse und Erfahrung erfordert.

Die Durchführung von Regional- und Leitungsanästhesien ist Sache des Arztes. Ärztlich angeordnete Nachinjektionen in den liegenden Katheter zur kontinuierlichen Regionalanalgesie können nicht-ärztlichen Mitarbeitern übertragen werden, wenn diese speziellen Kenntnisse und Erfahrung in Bezug auf die möglichen Komplikationen der Applikation, Nebenwirkungen der Medikamente und erste Maßnahmen bei Zwischenfällen besitzen. Eine Prüfung dieser Qualifikation vor der Aufgabendelegation ist unerlässlich. Während des Verfahrens muss ein Arzt jederzeit verfügbar sein.

7. Dokumentation

Akute Schmerzen, die Schmerzakzeptanz, ihre Auswirkungen auf wichtige Funktionen, deren Therapie und Komplikationen sind standardisiert zu dokumentieren. Die Häufigkeit der Dokumentation hängt von der Akuität des Krankheitszustandes ab.

8. Wissenschaftlicher und praktischer Fortschritt

Die Anästhesie und die Chirurgie sollten gemeinsam die wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet der postoperativen Schmerztherapie fördern und Verfahren entwickeln, die das Risiko unerwünschter Wirkungen reduzieren.

9. Lokale interdisziplinäre Absprachen und Verantwortung des Krankenhausträgers

Die nähere Regelung von Art und Intensität der Zusammenarbeit sowie die konkrete Aufgabenverteilung sind der interkollegialen Absprache „vor Ort“ vorbehalten.

Eine Einbeziehung des Krankenhausträgers in solche Absprachen ist schon deshalb unerlässlich, weil es seine Aufgabe als Betriebsinhaber ist, den nach der jeweiligen Kooperationsform benötigten Personal- und Sachaufwand bereitzustellen. Darüber hinaus muss er die Grundstrukturen für eine klinikweite, standardisierte Schmerzerfassung und -dokumentation vorgeben und sicherstellen.

10. Erklärung

Diese Vereinbarung wurde im Auftrag des BDA (Berufsverband Deutscher Anästhesisten e.V., Präsident: Prof. Dr. med. Götz Geldner) und im Auftrag des BDC (Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V., Präsident: Prof. Dr. med. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer) erstellt und wird von den Präsidien beider Berufsverbände sowie den Präsidien der DGAI (Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V.) und der DGCH (Deutsche Gesellschaft für Chirurgie e.V.) empfohlen.

Konsentiert im Präsidialgespräch Anästhesiologie/Chirurgie am 28.01.2019; ersetzt die „Vereinbarung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten und des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen zur Organisation der postoperativen Schmerztherapie“ von 1992 (2).

Literatur

[1] Schug SA, Palmer GM, Scott D, Halliwell R, Trinca J: Acute Pain Management: Scientific Evidence (4th edition). Melbourne: Working Group of the Australian and New Zealand College of Anaesthetists and Faculty of Pain Medicine 2015.

[2] Zinganell K, Hempel K: Vereinbarung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten und des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen zur Organisation der postoperativen Schmerztherapie. Chirurg 1992; 63: suppl 232-4.

[3] Laubenthal H: Leitlinie „Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen“. Berlin: Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften; 2007.

[4] Chou R, Gordon DB, de Leon-Casasola OA, et al.: Management of Postoperative Pain: A Clinical Practice Guideline From the American Pain Society, the American Society of Regional Anesthesia and Pain Medicine, and the American Society of Anesthesiologists‘ Committee on Regional Anesthesia, Executive Committee, and Administrative Council. J Pain 2016; 17: 131-57.

[5] Brösicke K, Köppen J, Regel A, Rudolphi M, Schenkel J, Schnicke-Sasse P: Beschlussprotokol 117. Deutscher Ärztetag. Berlin: Bundesärztekammer; 2014.

1. Da die Qualifikation „Spezielle Schmerztherapie“ bisher nicht flächendeckend sichergestellt wird, ist die Erfüllung dieser Empfehlung innerhalb eines Zeithorizontes von fünf Jahren anzustreben. Die Kompetenz zur Betreuung von invasiven Analgesieverfahren ist im Rahmen der anästhesiologischen Facharztkompetenz sichergestellt.

Dieser Beitrag wurde erstveröffentlicht in Anästh Intensivmed (2019) 60:V48–V50, Aktiv Druck & Verlag GmbH und erscheint zeitgleich in Der Chirurg, Der Anästhesist, Der Schmerz, Der Unfallchirurg (Springer Medizin Verlag GmbH) und Passion Chirurgie (Deutsche Gesellschaft für Chirurgie e.V./Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V.)

Freys SM, Erlenwein J, Koppert W, Meißner W, Pogatzki-Zahn E, Schwenk W, Simanski C: Vereinbarung zur Organisation der Schmerztherapie chirurgischer Patienten. Passion Chirurgie. 2019 August, 9(08): Artikel 03_01