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Maiausgabe: Seltene Fehlbildungen bei Kindern

Im Fokus der Maiausgabe stehen seltene Fehlbildungen bei Kindern. Über 200 Kinder kommen in Deutschland im Jahr mit angeborenen Fehlbildungen wie Ösophagusatresie, Bauchwanddefekt, Zwerchfellhernie oder Morbus Hirschsprung zur Welt. Die Entwicklungen der Kinderanästhesie und der Neonatologie haben entscheidend geholfen, Letalität und Mortalität dieser Fehlbildungen zu reduzieren. Die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie plant hierzu ein Register für ausgesuchte Fehlbildungen, lesen Sie dazu mehr im Artikel „Qualitätsmessung bei seltenen Erkrankungen – KinderRegister für angeborene Fehlbildungen“ von Herrn Professor Rolle und Frau Dr. Schmedding. Dem folgt eine Falldarstellung von Herrn Dr. Schuster über die seltene Fehlbildung „Caudal Duplication Syndrome“.

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Position des BDC zur Abrechnung dermatochirurgischer Eingriffe

Die Abrechnung dermatochirurgischer Leistungen aus dem Kapitel 31.2.2 ist neben den allgemeinen Voraussetzungen zur Erbringung ambulanter operativer Leistungen (Genehmigung der KV zum Ambulanten Operieren) gebunden an spezifische Leistungsinhalte, die sich unmittelbar aus den nachfolgend aufgeführten und Bestandteil des EBM darstellenden Präambeln zu den jeweiligen Kapiteln ergeben. Prinzipiell können nur abgerechnet werden Exzisionen mit Eröffnung der Haut und/oder Schleimhaut und Angabe des jeweiligen OPS-Codes. Im Falle der Dermatochirurgie sind nur die OPS-Codes für eine radikale und ausgedehnte Exzision abrechnungsfähig. Das bedeutet, dass die in der Präambel genannten Größendefinitionen Geltung haben (größer 4 cm 2 resp. größer 1cm3). Ausgenommen von dieser Größenvorgabe sind Eingriffe an Kopf und Händen. Für die Abrechnung von Leistungen aus dem Kapitel 31.2.2 (Definierte Eingriffe an der Körperoberfläche, also für die Dermatochirurgie) ist eine histologische Untersuchung des entnommenen Materials oder eine Bilddokumentation des prä- und postoperativen Befundes Voraussetzung. Um für spätere Plausibilitätsprüfungen gewappnet zu sein, empfiehlt es sich, die Größenangaben im OP-Bericht oder durch Auflegen eines Maßbands bei Foto-Dokumentation zu dokumentieren. Der Verweis auf Größenangaben des Pathologen ist ungeeignet, da die Präparate nach der Entnahme und dann auch durch Fixierung und Färbung erheblichen Schrumpfungsprozessen ausgesetzt sind. Maßgeblich ist allein die Dokumentation des Operateurs.

Die Abrechnung mehrerer Exzisionen in gleicher Sitzung wird über die Definition von Simultaneingriffen (Präambel Anhang 2, Satz 2,3,13 und 14) geregelt. Grundsätzlich setzt ein Simultaneingriff eine vollendete Schnitt-Naht-Zeit von 15 Minuten für den konkreten Zusatzeingriff voraus. Die Summation mehrerer kürzerer Zeiten ist nicht zulässig. Die jeweiligen Zeiten sind über das OP- oder das Narkose-Protokoll zu dokumentieren.

Der Ansatz der Gebührenordnungsziffern für eine histographisch kontrollierte Exzision ist abweichend von der reinen OPS-Systematik im EBM eindeutig gebunden an den Nachweis eines malignen Befundes. (Präambel Anhang 2 Satz 10). Der Begriff „histographisch“ wird häufig mit dem Begriff „histologisch“ verwechselt. Bei der histographischen Technik wird das Präparat vom Pathologen aufwändig mit Stufenschnitten aufgearbeitet. Voraussetzung dafür ist die Markierung der Exzisionsränder durch den Chirurgen, z. B. durch eine Fadenmarkierung. Diese Technik ist nur sinnvoll bei malignen oder malignomverdächtigen Befunden, um die Radikalität der Exzision zu beurteilen und die Notwendig von Nachexzisionen an genau definierten Schnitträndern vorzugeben. Wenn eine Leistung mit histograpischer Aufarbeitung angesetzt wird (z. B. die GO-Nr. 31102) sind alle ggf. notwendigen operativen Nachexzision damit abgegolten und können nicht gesondert abgerechnet werden. (s. dazu die Präambel zum Anhang 2 unter 10. Dies stellt auch eine Ausnahme zur Regelung unter 8. Im genannten Anhang dar). Konsequenter Weise muss der Ansatz der GO.-Nr. 31102 in die Go.-Nr. 31101 korrigiert werden, wenn die histographische Aufarbeitung keinen malignen (oder semimalignen, z. B. Basaliom) Befund ergeben hat. Es ist auch zu beachten, dass die Anlage eine Fadenmarkierung allein nicht zur Abrechnung der histographischen Leistung berechtigt.

Präambel 4.3.7 EBM

  1. Die Verwendung der Begriffe klein/groß, kleinflächig/großflächig, lokal/radikal und ausgedehnt bei operativen Eingriffen entspricht den Definitionen nach dem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information herausgegebenen Schlüssel für Operationen und sonstige Prozeduren gemäß § 295 Abs. 1 Satz 4 SGB V: Länge: kleiner/größer 3 cm, Fläche: kleiner/größer 4 cm2, lokal: bis 4 cm2 oder bis zu 1 cm3, radikal und ausgedehnt: größer 4 cm2 oder größer 1 cm3. Nicht anzuwenden ist der Begriff „klein“ bei Eingriffen am Kopf und an den Händen.
  2. Operative Eingriffe setzen die Eröffnung von Haut und/oder Schleimhaut bzw. eine primäre Wundversorgung voraus, soweit in den Leistungsbeschreibungen nicht anders angegeben. Punktionen mit Nadeln, Kanülen und Biopsienadeln fallen nicht unter die Definition eines operativen Eingriffs.
  3. Lokalanästhesien und Leitungsanästhesien sind, soweit erforderlich, Bestandteil der berechnungsfähigen Gebührenordnungspositionen.

Präambel Kapitel 31.2.2

Dermatochirurgische Eingriffe

  1. Die Berechnung dermatochirurgischer Eingriffe setzt die obligate histologische Untersuchung entnommenen Materials und/oder eine Bilddokumentation des prä- und postoperativen Befundes voraus.
  2. Für die Berechnung der Gebührenordnungspositionen 31096, 31097 und 31098 gelten die Anforderungen der Richtlinie über Maßnahmen zur Qualitätssicherung nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB V bei Verfahren der Liposuktion bei Lipödem im Stadium III.

Präambel Anhang 2 (Auszug)

1.Die nachfolgende tabellarische Aufstellung umfasst die nach OPS codierten operativen Eingriffe der Abschnitte 31.2 und 36.2, die zugeordnete OP-Leistung, die OP-Kategorie, die in diesem Zusammenhang berechnungsfähigen Überwachungskomplexe, die postoperativen Behandlungskomplexe bei Durchführung auf Überweisung und bei Durchführung durch den Operateur sowie die zugeordneten Narkoseleistungen. Die Zuordnungen der OPS-Codes zu den OP-Kategorien gelten für ambulante und belegärztliche Operationen gleichermaßen. Die den OPS-Codes zugeordneten OP-Leistungen, Überwachungskomplexe sowie die Narkosen sind in der Tabelle jeweils gesondert für die Kapitel 31 und 36 ausgewiesen. Nach belegärztlichen Eingriffen sind keine Gebührenordnungspositionen des Abschnitts 31.4 berechnungsfähig, daher ist dort keine Zuordnung erfolgt.

2. Erfolgen mehrere operative Prozeduren unter einer Diagnose und/oder über einen gemeinsamen operativen Zugangsweg, so kann nur der am höchsten bewertete Eingriff berechnet werden.

3. Abweichend von 2. kann bei Simultaneingriffen (zusätzliche, vom Haupteingriff unterschiedliche Diagnose und gesonderter operativer Zugangsweg) die durch das OP- und/oder das Narkoseprotokoll nachgewiesene Überschreitung der Schnitt-Naht-Zeit des Haupteingriffes durch die zusätzliche Berechnung der entsprechenden Zuschlagspositionen berechnet werden. Die berechnungsfähige Höchstzeit bei Simultaneingriffen entspricht der Summe der Zeiten der Einzeleingriffe. Als Berechnungsgrundlagen für Simultaneingriffe gelten folgende Zeiten:

  • Kategorie 1: 15 Minuten,
  • Kategorie 2: 30 Minuten,
  • Kategorie 3: 45 Minuten,
  • Kategorie 4: 60 Minuten,
  • Kategorie 5: 90 Minuten,
  • Kategorie 6: 120 Minuten.

4.Bei den Gebührenordnungspositionen 31097, 31107, 31117, 31127, 31137, 31147, 31157, 31167, 31177, 31187, 31197, 31207, 31217, 31227, 31237, 31247, 31257, 31267, 31277, 31287, 31297, 31307, 31317, 31327, 31337, 31347, 36097, 36107, 36117, 36127, 36137, 36147, 36157, 36167, 36177, 36197, 36207, 36217, 36227, 36237, 36247, 36257, 36267, 36277, 36287, 36297, 36307, 36317, 36327, 36337 und 36347 kann die über die Schnitt-Naht-Zeit von 120 Minuten hinausgehende Schnitt-Naht-Zeit durch die entsprechenden Zuschläge berechnet werden. Die Schnitt-Naht-Zeit ist durch das OP- oder Narkoseprotokoll nachzuweisen.

5.Abweichend von Nr. 8 der Präambel zum Abschnitt 31.2 und Nr. 4 der Präambel zum Abschnitt 36.2 sind Revisionen und Zweiteingriffe wegen Wundinfektionen und postoperativen Komplikationen unter Angabe des Erst-OP-Datums, der aufgetretenen Komplikation und der ICD-10-Codierung (T79.3, T81.0 bis T81.7, T84.5 bis T84.7, T85.1 bis T85.8) berechnungsfähig. Ist bei malignen Erkrankungen eine Zweitoperation (Erweiterung des Eingriffs, Nachresektion) erforderlich, so ist diese mit dem ICD-Code Z48.8 gemeinsam mit dem ICD-Code des Malignoms zu kennzeichnen und kann ebenfalls abweichend zu den Präambeln 31.2.1 Nr. 8 und 36.2.1 Nr. 4 berechnet werden. Die Regelung der Präambel 2.1 Nr. 10 zum Anhang 2 zum EBM bleibt davon unberührt.

6.Die alleinige Abrechnung eines temporären Wundverschlusses ist nur zur Konditionierung des Wundgrundes zulässig, wenn mindestens 3 operative Eingriffe erforderlich waren.

7.Bei der Codierung der operativen Versorgung von Frakturen bezieht sich die Lokalisationsangabe auf die Fraktur, bei der Entfernung des Osteosynthesematerials auf den Zugangsweg.

8.Für den jeweiligen Eingriff qualifizierende Begriffe (z.B. lokale vs. radikale Exzision) gelten die Definitionen nach dem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information herausgegebenen Schlüssel für Operationen und sonstige Prozeduren gemäß § 295 Abs. 1 Satz 4 SGB V.

9.Die Berechnung einer histographischen Leistung kann nur bei malignen Befunden erfolgen, der histologische Befund ist vorzuhalten. Der temporäre Wundverschluss und die ggf. erforderliche Nachresektion(en) sind nicht gesondert abrechenbar.

10. Die Kombination mehrerer Verfahren setzt voraus, dass alle einzelnen Verfahren in diesem Anhang genannt sind.

11. Erfolgen unterschiedliche operative Eingriffe gleichzeitig durch zwei Operateure einer Berufsausübungsgemeinschaft bzw. eines medizinischen Versorgungszentrums, so ist der Haupteingriff entsprechend der höchst bewerteten Kategorie abzurechnen. Der parallel dazu stattfindende Simultaneingriff durch den zweiten Operateur kann entsprechend dem OP- bzw. Narkose-Protokoll mit den entsprechenden Zuschlägen für Simultaneingriffe berechnet werden. Die Narkose kann in diesem Fall nur entsprechend des Haupteingriffs berechnet werden.

12. Bei der Berechnung von Zuschlagspositionen für die Erbringung von Simultaneingriffen gemäß Nr. 3 ist – sofern die Teileingriffe unterschiedlichen Unterabschnitten der Kapitel 31 oder 36 des EBM zugehören – die am höchsten bewertete Zuschlagsposition 31xx8 oder 36xx8 der für den Simultaneingriff relevanten Unterabschnitte in Anrechnung zu bringen.

13. Maßgeblich für die Berechnung der Zuschlagspositionen für Simultaneingriffe nach Nr. 3 ist nicht die Überschreitung der kalkulatorischen Schnitt-Naht-Zeit der Kategorie des Haupteingriffes, sondern die Überschreitung der tatsächlichen Schnitt-Naht-Zeit des jeweiligen Haupteingriffes.

14. Beidseitige Eingriffe an paarigen Organen oder Körperteilen fallen unter die Regelungen nach Nr. 3, sofern die Seitenlokalisation nicht am OPS-Code benannt wird und gesondert bewertet ist. Die entsprechenden OPS-Codes sind in der tabellarischen Aufstellung unter der Rubrik „Seite“ mit einem Doppelpfeil gekennzeichnet.

Leistungstext (Beispiel)

Radikale und ausgedehnte Exzision von erkranktem Gewebe an Haut und Unterhaut: Mit primärem Wundverschluss: Oberschenkel und Knie

Rüggeberg JA, Kalbe P: Position des BDC zur Abrechnung dermatochirurgischer Eingriffe. Passion Chirurgie. 2020 April, 10(04): Artikel 04_04.

Entscheidungshilfe in der Diskussion um Mund-Nase-Schutz: Pflicht oder Empfehlung?

Der föderale Flickenteppich an Empfehlungen, Pflichten, Regelungen sowie Sanktionierungen während der Pandemie und in der Phase der Wiederherstellung von Normalität ist verwirrend und zeigt, dass keine Einigkeit in der Beurteilung bestimmter Bundesvorgaben besteht.

Es ist gut, dass diskutiert werden kann, denn keinesfalls liegen die Dinge klar auf der Hand. Daher ist es wichtig, Argumente pro und contra zu sichten und sich eine eigenständige Meinung bilden zu können. Der folgende Beitrag soll eine Übersicht, über die vorhandene wissenschaftliche Literatur der letzten 15 Jahre zum Thema Effektivität eines Mund-Nase-Schutzes bei der Vermeidung von Transmissionen virushaltiger Tröpfchen und Aerosole geben. Grundlage dieses Artikels ist eine Durchsicht von Artikeln aus dem Bereich der Aerosolforschung, der Virologie, Infektionsmedizin und Epidemiologie. Sämtliche zu Grunde liegende Artikel sind im Volltext frei einsehbar und daher öffentlich zugänglich.

Zur Literaturrecherche wurde die medizinisch-wissenschaftliche Online-Bibliothek Pubmed genutzt. Auf Zeitungsartikel oder andere Publikationen, die in einem nicht wissenschaftlichen Kontext entstanden, wurde explizit verzichtet, denn Wissenschaft beruht auf nachvollziehbarer Forschung und Erkenntnis und führt zu einem begründeten, geordneten und gesicherten Wissen. Wissenschaft ist methodisch, analytisch und führt Ergebnisse in einen rationalen Begründungszusammenhang. Das daraus gewonnene Wissen wird kommuniziert, publiziert, diskutiert und ist überprüfbar, da es bestimmten formalen und ethischen Kriterien folgt. Damit stellt Wissenschaft ein zusammenhängendes System von Aussagen, Theorien und Verfahrensweisen, das strengen Prüfungen der Geltung unterzogen wurde und mit dem Anspruch objektiver, überpersönlicher Gültigkeit verbunden ist, dar.

Begriffsklärung

Aerosole (in Luft gelöste Feuchtigkeit)

Aerosolkerne sind allerkleinste „Tröpfchenpartikel“ mit einer Größe von <10µm, also eine in Luft vernebelte Flüssigkeit sozusagen eine Suspension von Feuchtigkeit in Luft. Ihre Gesamtheit innerhalb eines definierten Raumes ist ein Aerosol. Das Besondere von Aerosolkernen ist, dass sie aufgrund ihrer geringen Größe und des geringen Gewichtes lange in der Luft schweben und anders als Tröpfchen, nicht innerhalb einer kurzen Distanz zu Boden fallen.  Aerosole werden beim Atmen und Sprechen durch einen Abriss des  in den Alveolen (Lungenbläschen) befindlichen Feuchtigkeitsfilmes  gebildet und durch Vibration und Ausatemvorgänge an die Außenwelt abgegeben. Je lauter jemand spricht und je mehr Konsonanten eine Sprache enthält, desto größer ist die Aerosolbildung. Daher gehört zur klassischen chirurgischen Hygiene im OP nicht nur das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, sondern ganz besonders das „Sprechverbot“.

Aerosole können aber auch z.B.  von Pilzen zur Verbreitung genutzt werden. Während ein Hustenstoß oder ein Nieser vorwiegend Tröpfchen produziert, die größen- und gewichtsabhängig innerhalb eines Radius von idR 1-2M zu Boden fallen, schweben und persistieren Aerosole insbesondere in geschlossenen nicht durchlüfteten Räumen über einen längeren Zeitraum in der Luft. Da Aerosolkerne mit Erregern beladen sein können (z.B. Influenza-, Rhino-, Corona-, Masern-, Noroviren, aber auch Tuberkulosebakterien u.a.), geht bei Nichteinhalten eines entsprechenden Sicherheitsabstandes zur Aerosolquelle eine Gefahr der Übertragung aus. Ein weiteres wichtiges Merkmal von Aerosolkernen ist, dass sie sehr viel tiefer in den Atemtrakt vordringen als größere und schwerere Partikel, die tendenziell bereits im oberen Respirationstrakt oder der Nase anhaften und, sofern sie mit Erregern beladen, durch die dort vorhandenen lokalen  immunologischen Abwehrsysteme (lymphatisches Gewebe der Nasen- Mund und Rachenschleimhaut inklusive der Tonsillen) eradiziert werden können. Erregerbeladene Aerosolkerne hingegen gelangen bis in die tiefen Lungenabschnitte und penetrieren dort die Endothelien oder werden mit der Ausatemluft wieder zurück an die Umwelt gegeben. Für das SARS-CoV-2 Virus wurde bereits nachgewiesen, dass es in Aerosolen für mehrere Stunden infektiös sein kann. Das erklärt auch, warum asymptomatische Virusträger, die nicht husten oder niesen, nur durch sprechen und atmen andere Personen infizieren können.

Mund-Nase-Schutz

Der medizinische Mund-Nase-Schutz (MNS, OP-Maske, chirurgischer Mundschutz) ist eine dünne Maske, die aus einer zwischen zwei Stoffschichten eingebetteten Filterschicht besteht. Der MNS dient vor allem dem Fremdschutz und schützt das Gegenüber vor der Exposition möglicherweise infektiöser Tröpfchen desjenigen, der den Mundschutz trägt. Da der Träger je nach Sitz des MNS im Wesentlichen nicht durch das Vlies des MNS einatmet, sondern die Atemluft an den Rändern des MNS vorbei angesogen wird, bieten MNS für den Träger in der Regel kaum Schutz gegenüber erregerhaltigen Tröpfchen und Aerosolen. Sie können jedoch Mund- und Nasenpartie des Trägers vor einem direktem Auftreffen größerer Tröpfchen des Gegenüber schützen sowie vor einer Erregerübertragung durch direkten Kontakt mit den Händen. Masken als medizinischer Mund-Nasenschutz sind als Medizinprodukte in Verkehr und unterliegen damit dem Medizinprodukterecht (Norm DIN EN 14683:2019-6).

FFP2/FFP3 Maske

Filtrierende Halbmasken (filtering face piece, FFP, N95 respirator) sind Gegenstände der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) im Rahmen des Arbeitsschutzes und haben die Zweckbestimmung, den Träger der Maske vor Partikeln, Tröpfchen und Aerosolen zu schützen. Das Design der filtrierenden Halbmasken ist unterschiedlich. Es gibt Masken ohne Ausatemventil und Masken mit Ausatemventil. Masken ohne Ventil filtern sowohl die eingeatmete Luft als auch die Ausatemluft und bieten daher sowohl einen Eigenschutz als auch einen Fremdschutz. Masken mit Ventil filtern nur die eingeatmete Luft und sind daher nicht für den Fremdschutz ausgelegt. Die FFP Masken weisen eine Aerosol-Filtereffektivität von 95% auf (Norm DIN EN 149:2001-10).

DIY Maske (do it yourself)

„Community-Masken“ oder „DIY-Masken“ sind im weitesten Sinne Masken, die (z. B. in Eigenherstellung auf Basis von Anleitungen aus dem Internet) aus handelsüblichen Stoffen genäht und im Alltag getragen werden. Die Gewebedichte bestimmt die Effektivität. Sie können als sog. Spuckschutz verstanden werden.

Weitere detaillierte Informationen finden Sie auch hier.

In Zusammenschau der unten aufgeführten Literatur kann zusammenfassend konstatiert werden:

  • Gute Evidenz besteht für FFP2 Masken, die konsistent in allen Studien den höchsten Schutz (Eigenschutz/[Fremdschutz]) vor Transmission von Partikeln und virus- bzw. erregerlastigen Aerosolen bieten. Sie weisen allerdings einen hohen Atemwegswiderstand auf, weshalb eine C02 Retention beim längeren Tragen möglich ist. FFP Masken mit Ausatemventil filtern nur die Einatemluft, daher besteht beim Tragen dieser Masken nur Eigen-, aber nicht Fremdschutz. Weniger gut zur Rückhaltung von erregerlastigen Aerosolen eignet sich der chirurgische MNS, da seine Filterqualität dem der FFP Masken erheblich unterlegen ist. Der chirurgische MNS kann daher nur bedingt als Fremdschutz eingesetzt werden. Für alle anderen Masken besteht keine gesicherte Evidenz. Ihre Wirkung ist abhängig von der verwendeten Stoffqualität und Stärke sowie der Passform und dem Sitz. Daher ergibt sich aus der bisherigen Literatur keine Empfehlung zum Tragen von selbstgebastelten Masken, Schals oder Tüchern. Eine gewisse Reduktion der Umgebungskontamination durch Tröpfchen beim Husten oder Niesen erkrankter Personen ist allerdings auch durch Schals oder Tücher möglich.
  • Für alle genannten Masken gilt, dass sie korrekt getragen werden müssen, das Auf- und Absetzen ohne Berührung der Maske, sondern nur zu den Bändern erfolgen soll (Kontamination!) und dass, in Abhängigkeit der Tragedauer, ein Wirkungsverlust eintritt.
  • Alle Studien weisen darauf hin, dass der Schutz vor Transmission durch Maßnahmebündel (Abstand, Händehygiene, Maske, Husten-Nies-Etikette, Isolierung Erkrankter, Belüftung von Räumen u. a.) deutlich erhöht wird. Einzelmaßnahmen sind eher gering wirksam. Personen mit Krankheitssymptomen sollten daher zu Hause bleiben. Die Husten- und Nies-Etikette ist zu beachten (Husten und Niesen in die Armbeuge, nicht in die Hand). Weitere wichtige Maßnahmen zur Vermeidung von Erregertransmissionen ist die Einhaltung eines angemessenen Abstandes (1,5 – 2 m), die regelmäßige Durchlüftung geschlossener Räume (Luftwechsel) und eine angemessene Händehygiene (diese sollte immer auch eine Händepflege mit rückfettenden Pflegemitteln beinhalten, da andernfalls die Hautflora geschädigt wird).
Literaturrecherche zum Artikel

Gemeinsames Statement von DGCH, DGAI, BDC und BDA zur Wiederaufnahme von elektiven Operationen in deutschen Krankenhäusern

Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC) hat gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und dem Berufsverband Deutscher Anästhesisten eine Stellungnahme zur Wiederaufnahme von planbaren Operationen in deutschen Krankenhäusern
veröffentlicht. Die Stellungnahme bezieht sich auf 
Krankenhäuser, die sich schwerpunktmäßig mit der Behandlung von Covid-19 infizierten Patienten beschäftigen.

Die Zahl der Corona-Neuinfektionen entwickelt sich aufgrund der getroffenen Maßnahmen derzeit linear. Um vor diesem Hintergrund die schrittweise Öffnung von Kapazitäten für planbare Eingriffe zielgenau zu planen, haben die DGCH, DGAI, BDC und BDA, auch in Anlehnung an Publikationen und Verlautbarungen nationaler und internationaler Fachgesellschaften, eine Liste von Prinzipien und Überlegungen erstellt, die den genannten Krankenhäusern bei der Wiederaufnahme der Versorgung in Operationssälen und allen Verfahrensbereichen als Leitfaden dienen können. Im Vordergrund steht weiterhin die Sicherheit von Patienten, Personal und Bevölkerung.

Hintergrund ist ein vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) veröffentlichtes 8-Schritte-Papier, das Empfehlungen zur langsamen Adaption eines neuen Klinikalltags gibt. Nach fast sechs Wochen Aufschub und Absage verschiebbarer planbarer Operationen und Aufnahmen in den Kliniken hat das BMG aktuell eine schrittweise Öffnung der Kliniken auch für planbare Operationen angekündigt mit folgender Begründung: “Eine dauerhafte ausschließliche Priorisierung nur einer bestimmten Patientengruppe unter Ausschluss anderer Gruppen von Erkrankten lässt sich insbesondere aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes nicht rechtfertigen.”

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass rechtswirksam und für die Wiederaufnahme planbarer Eingriffe entscheidend die jeweiligen Verordnungen der Länder sind.

Gemeinsames Statement von DGCH, DGAI, BDC und BDA zur Wiederaufnahme von elektiven Operationen in deutschen Krankenhäusern
Gemeinsame Pressemitteilung zum Statement
Ein neuer Alltag auch für den Klinikbetrieb in Deutschland

Betriebliche Altersvorsorge – was jetzt zu beachten ist

Experten von Ecclesia med nehmen Stellung

In der derzeitigen COVID-19-Pandemie stellen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer viele Fragen. Einige davon betreffen das Thema der betrieblichen Altersvorsorge (bAV). Dazu nehmen hier die Experten Frank Buschmann und Dr. Axel Wieting aus dem Competence Centrum Vorsorge des BDC-Versicherungsmaklers Ecclesia med GmbH Stellung. Die Interviews führte Thorsten Engelhardt ([email protected]) von Ecclesia med GmbH.

Fragen zum Thema betriebliche Altersvorsorge ohne Kurzarbeit

Ein Beschäftigter erkrankt aufgrund einer Infektion mit dem Coronavirus. Hat das Auswirkungen auf die betriebliche Altersvorsorge?

Frank Buschmann: Ist der Beschäftigte durch eine Infektion mit dem Coronavirus arbeitsunfähig erkrankt, gelten die allgemeinen Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach Paragraf 3 Entgeltfortzahlungsgesetz. Dies hat in den ersten sechs Wochen der Erkrankung keine Auswirkung auf die betriebliche Altersvorsorge.

Beschäftigte können aufgrund von Kita- und Schulschließungen und der daher notwendigen Kinderbetreuung nicht zur Arbeit kommen. Wirkt sich das auf die betriebliche Altersvorsorge aus?

Frank Buschmann: Möglicherweise ist der Arbeitgeber für einen Zeitraum von bis zu zehn Tagen zur Entgeltfortzahlung verpflichtet, da ein Fall der persönlichen Verhinderung im Sinne von Paragraf 616 BGB zum Beispiel für die Betreuung kleinerer Kinder aufgrund bestehender elterlicher Sorgepflichten vorliegt. Ein solcher Fall hätte keinerlei Auswirkungen auf die betriebliche Altersvorsorge.

Wie verhält es sich mit der bAV, wenn Beschäftigte den Arbeitsplatz nicht erreichen können?

Frank Buschmann: Kann ein Beschäftigter nicht zur Arbeit erscheinen, zum Beispiel, weil öffentliche Verkehrsmittel ausfallen, liegt dieses Risiko allein in der Verantwortung des Arbeitnehmers. Er trägt das sogenannte Wegerisiko. Für die betriebliche Altersversorgung ist entscheidend, dass der Arbeitnehmer für den Zeitraum, in dem er nicht zur Arbeit gelangen kann, keinen Anspruch auf Vergütung und damit auch nicht auf betriebliche Altersvorsorge hat.

Gegen einen Beschäftigten wird Quarantäne angeordnet oder ein berufliches Tätigkeitsverbot ausgesprochen. Was folgt daraus für die betriebliche Altersvorsorge?

Frank Buschmann: Wird gegen einen Beschäftigten Quarantäne oder ein berufliches Tätigkeitsverbot nach Paragraf 30 Infektionsschutzgesetz angeordnet, darf dieser nicht zur Arbeit gehen. Demzufolge ist der Arbeitgeber auch nicht zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, da das Arbeitsverhältnis ruht. Maßgeblich sind in diesen Fällen die Vorschriften in den Paragrafen 56 ff Infektionsschutzgesetz (IfSG).

Beschäftigte erhalten in dieser Zeit eine Entschädigung für den Verdienstausfall in Höhe des Nettoentgelts, das in den ersten sechs Wochen vom Arbeitgeber auszuzahlen ist. Ab der siebten Woche erhalten Beschäftigte eine Entschädigung in Höhe des Krankengeldes, das dann direkt von der Behörde ausgezahlt wird. Dem Arbeitgeber werden sowohl die ausgezahlte Nettovergütung als auch die abgeführten Sozialversicherungsbeiträge von der zuständigen Behörde erstattet. Die entsprechenden Versicherungsverträge in der bAV können beitragsfrei gestellt oder mit privaten Beiträgen fortgeführt werden.

Eine Betriebsschließung wird angeordnet, muss der Arbeitgeber die bAV weiter bedienen?

Frank Buschmann: Wird eine Betriebs- oder Geschäftsschließung angeordnet, handelt es sich um einen Fall des Betriebsrisikos des Arbeitgebers. Grundsätzlich ändert daher eine angeordnete Betriebsschließung am Arbeitsverhältnis nichts, Entgeltumwandlung und Arbeitgeberzuschuss haben nach wie vor Bestand. Allerdings kann der Arbeitgeber in diesen Fällen „Kurzarbeit Null“ erwägen.

Fragen zur betrieblichen Altersvorsorge bei Kurzarbeit

Was bedeutet Kurzarbeit überhaupt?

Dr. Axel Wieting: Kurzarbeit ist die Reduzierung der Arbeitszeit und des Arbeitsentgelts. Anlass ist in der Regel ein vorübergehender Auftragsmangel oder ein sonstiges Ereignis – wie die derzeitige Corona-Krise. Die Reduzierung der Arbeitszeit kann teilweise oder vollständig sein. Kurzarbeit kann vom Arbeitgeber nicht einseitig angeordnet werden, sondern nur aufgrund einer Klausel im Arbeitsvertrag. Fehlt diese – wie in vielen Fällen –, kann bei widerspruchsloser Hinnahme auch ein konkludentes Einverständnis des Beschäftigten bestehen. Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht. Genaueres dazu steht in Paragraf 87 Absatz 1 Ziffer 3 des Betriebsverfassungsgesetzes. Durch die aktuelle, in zahlreichen Branchen vorliegende schlechte Auftragslage sehen sich viele Unternehmen gezwungen, für ihre Arbeitnehmer das sogenannte konjunkturelle Kurzarbeitergeld zu beantragen. Der Arbeitgeber zeigt den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit an. Durch das Kurzarbeitergeld bekommen die Beschäftigten einen Teil ihres Einkommens ersetzt. Der Arbeitgeber zahlt diesen Teil als Kurzarbeitergeld direkt an seine Belegschaft aus und bekommt diese Kosten von der örtlichen Arbeitsagentur erstattet.

Wie wirkt sich Kurzarbeit auf die Entgeltumwandlung aus?

Dr. Axel Wieting: Das Kurzarbeitergeld sowie der Zuschuss dazu sind eine sogenannte Entgeltersatzleistung und damit kein Entgelt. Arbeitet der Arbeitnehmer überhaupt nicht („Kurzarbeit 0“), so ist eine Entgeltumwandlung in der Zeit der Kurzarbeit nicht möglich. Es bedarf in diesem Fall keiner Änderung der bestehenden Entgeltumwandlungsvereinbarung. Sobald erneut Entgelt gezahlt wird, gelten die Regelungen der getroffenen Entgeltumwandlungsvereinbarung automatisch wieder.

Arbeitet der Arbeitnehmer in reduziertem Umfang weiter und erhält entsprechend neben dem Kurzarbeitergeld weiter einen Teil seines Lohns oder Gehalts, dann besteht die Entgeltumwandlungsvereinbarung grundsätzlich weiter. Deren Höhe hängt von der Vereinbarung in der Entgeltumwandlung ab. Ist beispielsweise ein fester Entgeltumwandlungsbetrag vereinbart, dann kann der Arbeitnehmer im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber die Höhe der Entgeltumwandlung reduzieren.

Zahlt der Arbeitgeber einen Zuschuss zur Entgeltumwandlung, dann teilt der Zuschuss das Schicksal der Entgeltumwandlung: Fällt sie vollständig weg, ist auch kein Zuschuss zu zahlen. Bleibt die Entgeltumwandlung zum Teil bestehen, dann gilt dies auch für den Zuschuss.

Wird das um den bAV-Beitrag verminderte Brutto Grundlage für die Berechnung des Kurzarbeitergeldes?

Dr. Axel Wieting: Bei Arbeitnehmern in Kurzarbeit zahlt die Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeitergeld und gleicht die Nettoentgeltdifferenz zu 60 bis 67 Prozent aus. Nach den Beschlüssen des Koalitionsausschusses von SPD und CDU vom 22. April soll das Kurzarbeitergeld künftig für diejenigen, die durch die Corona-Krise mindestens 50 Prozent weniger arbeiten, ab dem vierten Monat des Bezugs auf 70 Prozent, beziehungsweise 77 Prozent für Haushalte mit Kindern erhöht werden. Ab dem siebten Monat des Bezugs soll es auf 80 Prozent – beziehungsweise 87 Prozent für Haushalte mit Kindern – des pauschalierten Nettoentgelts steigen. Dabei stellt sich schnell die Frage, ob die durch Entgeltumwandlung finanzierte betriebliche Altersversorgung (bAV) das Kurzarbeitergeld reduziert. Dem ist aber nicht so.

Wie erfolgt die Berechnung des Kurzarbeitergeldes denn?

Dr. Axel Wieting: Die für die Entgeltumwandlung in den Durchführungswegen Direktzusage und Unterstützungskasse sowie Pensionskasse, Pensionsfonds und Direktversicherung verwendeten Entgeltbestandteile sind bis zu einem Betrag in Höhe von vier Prozent der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze laut Paragraf 1, Nr. 9 der Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) kein Arbeitsentgelt. Diese Entgeltbestandteile sind weder beim Soll- noch beim Ist-Entgelt zu berücksichtigen, heißt es in der Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit zu Paragraf 106 SGB III, Stand 06/2013. Leistungen für eine Direktversicherung sind nicht zu berücksichtigen, wenn nur die Steuerpauschale, nicht aber Beiträge abgeführt werden, so hat das Sächsische Landessozialgericht in einem Urteil vom 27. Mai 2005 klargestellt (Aktenzeichen: L 3 AL 183/03).

Reduziert die Entgeltumwandlung die Nettoentgeltdifferenz?

Dr. Axel Wieting: Dieser Differenzbetrag wird von einer Entgeltumwandlung nicht negativ beeinflusst. Im Gegenteil: Die Entgeltumwandlung erhöht sogar die Nettoentgeltdifferenz. Dieser Effekt beruht auf der Steuerprogression. Sie fällt umso kräftiger aus, je höher das Einkommen und damit der Progressionseffekt ist.

Frank Buschmann: Eine bestehende Entgeltumwandlung ist also nicht schädlich für das Kurzarbeitergeld und muss deshalb bei drohender Kurzarbeit nicht beendet werden.

Was gilt bei arbeitgeberfinanzierter betrieblicher Altersversorgung?

Dr. Axel Wieting: Die arbeitsrechtliche Zusage enthält üblicherweise die Regelung, dass in entgeltlosen Dienstzeiten keine Beiträge zur bAV zahlen sind. Bei einer „Kurzarbeit 0“ entfällt damit die Pflicht zur Zahlung des Arbeitgeberbeitrags. Zahlt der Arbeitgeber weiterhin ein Entgelt in reduzierter Höhe, dann bleibt die Pflicht zur Zahlung des Arbeitgeberbeitrags grundsätzlich bestehen.

In Bezug auf die sogenannten Unverfallbarkeitsregelungen zählen auch Zeiten von Kurzarbeit zu den zu berücksichtigenden Arbeitszeiten, da das Arbeitsverhältnis rechtlich fortbesteht und nur die Arbeitszeit reduziert sowie der Entgeltausfall teilweise durch das Kurzarbeitergeld aufgefangen wird.

Auf betriebliche Versorgungssysteme, in denen Beitrag oder Leistung direkt oder indirekt vom Arbeitsentgelt abhängig sind, hat die Einführung von Kurzarbeit jedoch erhebliche Auswirkungen, da sich die Leistungen dadurch reduzieren. Das gilt beispielsweise, wenn Beiträge in Höhe von x Prozent des Bruttoentgelts oder eine zugesagte Leistung in Höhe von y Prozent des Bruttoentgelts vereinbart worden sind.

Frank Buschmann: Zum Teil sind Versorgungssysteme auch dienstzeitabhängig ausgestaltet. Eine anspruchsmindernde Berücksichtigung von Zeiten der Kurzarbeit ist bei Vorliegen einer entsprechenden Klausel in der Versorgungsregelung möglich. Wenn – was in der Praxis häufig der Fall ist – die Versorgungsregelung keine Regelung zur Kurzarbeit vorsieht, besteht gegebenenfalls die Möglichkeit, im Zuge der Einführung von Kurzarbeit die Versorgungsordnung entsprechend abzuändern.

Da Kurzarbeit gemäß Paragraf 87, Absatz 1, Nr. 3 Betriebsverfassungsgesetz grundsätzlich mitbestimmungspflichtig ist, können Betriebsrat und Arbeitgeber gesonderte Regelungen für den Fall der Kurzarbeit treffen und zum Beispiel vereinbaren, dass für die Bemessung von Beiträgen oder Leistungen in der betrieblichen Altersversorgung das Arbeitsentgelt ohne Berücksichtigung der Kurzarbeit zugrunde gelegt wird. Besteht ein Tarifvertrag für das Unternehmen und die betroffenen Arbeitnehmer, sind die dort getroffenen Regelungen maßgeblich.

Welche Möglichkeiten bestehen bei finanziellen Schwierigkeiten?

Dr. Axel Wieting: Bedingungsmäßige Beitragsstundungen bieten die Möglichkeit, die Verträge ohne Verlust des Versicherungsschutzes zu erhalten. Hierzu haben viele Versicherer zeitlich begrenzte, kulante Sonderregelungen eingeführt. Bei einer ereignisbezogenen Stundung ist mit der Beantragung ein Nachweis, zum Beispiel der Bescheid über Kurzarbeitergeld zu erbringen. Alternativ zu Beitragsstundungen kann der Vertrag beitragsfrei gestellt werden. Zunächst sollte allerdings die Möglichkeit der Beitragsstundung genutzt werden.

BDC|Umfrage: Die Zusammenarbeit zwischen leitenden ChirurgInnen und Klinik-Geschäftsleitungen

Ergebnisse der BDC|Umfrage 2018/2019 im Vergleich zu 2011/2012

Nach wie vor ist die Ökonomisierung in deutschen Krankenhäusern ein wichtiger Faktor für die Kommunikation zwischen ChefärztInnen und GeschäftsführerInnen. Der wirtschaftliche Druck bestimmt das Arbeitsklima – nicht nur innerhalb der chirurgischen Abteilungen.

Die Zusammenarbeit von leitenden ÄrztInnen mit der Klinikgeschäftsführung ist allerdings entscheidend für den Erfolg des Unternehmens Krankenhaus. Aus den Berichten vieler Kolleginnen und Kollegen sowie der im Jahr 2011/2012 durchgeführten BDC|Umfrage zum gleichen Thema wird klar, dass gerade an dieser Schnittstelle immer noch erhebliche Reibungsverluste auftreten und Ressourcen nicht zielführend zum Einsatz kommen. Die Daten der aktuellen Umfrage geben Aufschluss darüber, wie sich die Zusammenarbeit im Laufe der letzten sieben Jahre verändert hat.

Methodik und Basisdaten

Grundlage stellte ein strukturierter Online-Fragebogen mit insgesamt 89 Detailfragen und drei zentralen Themenbereichen dar. Beide Umfragen waren inhaltlich identisch.

Die Grundlagen:

  • Prolog Krankenhausstatistik
  • Prolog Fragen zur Person
  • Themenbereich 1: Organisation des Gesprächsrahmens zwischen ärztlichen Führungskräften und Managern
  • Themenbereich 2: Fragen zum Arbeitsalltag mit der Geschäftsführung
  • Themenbereich 3: Typische Konflikte und Konfliktmanagement

2018/2019 waren insgesamt 546 Beantwortungen eingegangen. Im Vergleich zur Umfrage 2011/2012 (649 Beantwortungen) sind das 103 Teilnehmer weniger.

Altersstruktur und Geschlecht

Die Anzahl der weiblichen Teilnehmer ist um mehr als das Doppelte von 4,23 % in 2011/2012 auf 11,05 % in 2018 gestiegen (Abb. 1).

Abb. 1: Anteil der männlichen und weiblichen TeilnehmerInnen im Vergleich 2011/2012 und 2018/2019

In Abbildung 2 wird die Altersstruktur der Befragten dargestellt. Der Anteil an TeilnehmerInnen zwischen 45 bis 50 Jahren ist von 29,02 % auf 14,9 % in den Jahren 2018/2019 gefallen. Hingegen hat sich der Anteil der 56- bis 60-jährigen von 19,34 % auf 32,45 % erhöht. Insgesamt ist der Altersdurchschnitt des Gesamtkollektivs gestiegen.

Abb. 2: Altersstruktur 2011/2012 und 2018/2019 im Vergleich. Das Durchschnittsalter der TeilnehmerInnen an der Umfrage ist gestiegen.

Berufliche Position und Erfolgskomponente

83 % der Befragten waren zum Erhebungszeitpunkt ChefärztIn oder Ordinarius/Ordinaria – 2011/2012 waren es 89 %. Zusätzlich haben 26 (2011/2012: 44) Ärztliche DirektorInnen – das entspricht 5 % versus 7 % in 2011/2012 – und 61 (12 %) sonstige ÄrztInnen (darunter 39 ltd. OberärztInnen) teilgenommen. Die Anzahl der leitenden OberärztInnen unter den Teilnehmern ist im Vergleich zur Befragung in 2011/2012 von 1 % auf 7 % gestiegen.

27 % der Befragten hatten Dienst-/Arbeitsverträge mit Fixgehalt ohne Erfolgskomponente. 48 % besaßen einen vertraglichen Bonus zwischen 1 bis 20 %, 25 % der Befragten konnten zusätzlich eine Variable von mehr als 21 % des Fixgehalts realisieren. Im Vergleich zur Erhebung in 2011/2012 liegt die größte Veränderung bei der Anzahl der ÄrztInnen mit Fixgehalt und Erfolgskomponente von 0-10 % der Grundvergütung: In 2018 waren es 29 % und 2011/2012 18 %. Die Anzahl der TeilnehmerInnen mit einer Grundvergütung und hoher Erfolgskomponente (> 21 % der Grundvergütung) ist dagegen gefallen: In 2018 waren es 25 % im Vergleich zu 36 % in 2011/2012 (Abb. 3).

Abb. 3: Bei den Angaben zum Dienst- bzw. Arztvertrag lagen die größten Veränderungen im Vergleich zur Umfrage in 2011/2012 beim Fixgehalt mit Erfolgskomponente (0-10 % der Grundvergütung) und Grundvergütung mit hoher Erfolgskomponente (>21 % der Grundvergütung).

Angaben zur Abteilung und zum Krankenhaus

Die Befragten vertreten mit ihren Abteilungen die folgenden chirurgischen Schwerpunkte (Mehrfach-Nennungen waren möglich, n = 1.011):

  • Allgemeinchirurgie: 48,80 %
  • Viszeralchirurgie: 47,32 %
  • Orthopädie u. Unfallchirurgie: 33,09 %
  • Gefäßchirurgie: 24,21 %
  • Thoraxchirurgie: 12,75 %
  • Plastische u. Ästhetische Chirurgie: 4,81 %
  • Kinderchirurgie: 4,62 %
  • Herzchirurgie: 1,66 %
  • Sonstiges: 9,61 %

Abteilungen mit allgemeinchirurgischen und viszeralchirurgischen Schwerpunkten (520) stellten zusammen mit Abteilungen für Orthopädie und Unfallchirurgie (179) insgesamt 69 % der benannten Spezialisierungen. In 2011/2012 umfasste die Gruppe der TeilnehmerInnen dieser Fachbereiche 84 %.

Auf die Frage nach dem Krankenhaus-Betreiber antworteten 34 % (181) der befragten ÄrztInnen, dass sie in Kliniken öffentlicher Trägerschaft arbeiten. Dieses Ergebnis liegt ein Prozentpunkt unter dem Ergebnis aus 2011/2012. 40 % (216) der TeilnehmerInnen gaben an, bei einem frei-gemeinnützigen Arbeitgeber angestellt zu sein, 24 % (130) sind in Kliniken mit privater oder sonstiger Trägerschaft tätig. Bei der Umfrage aus 2011/2012 waren die Ergebnisse ähnlich: frei-gemeinnützige Träger lagen bei 44 % und private/sonstige Träger bei 22 % der Befragten.

Bei den Angaben zu den Abteilungsgrößen der Umfrage-TeilnehmerInnen zeigten sich in der aktuellen Studie Abweichungen zur Erhebung 2011/2012: 2018/2019 stieg die Anzahl kleinerer Abteilungen deutlich (< 20 Betten: 6 % in 2011/2012, 14 % in 2018/19; 21-40 Betten: 37 % in 2011/2012, 49 %) (Abb. 4).

Abb. 4: Angaben zur Abteilungsgröße

Die Angaben zur Krankenhausgröße insgesamt haben sich allerdings nicht signifikant verändert.

Wichtige Ergebnisse – Themenbereich 1

Organisation des Gesprächsrahmens zwischen ärztlichen Führungskräften und Managern

Wie auch schon bei der ersten Umfrage im Jahr 2011/2012 wurde dieser Themenblock entworfen, um die Struktur der Gespräche zwischen GeschäftsführerInnen und leitenden ÄrztInnen einzuschätzen. Die Organisation dieser Treffen war ebenfalls ein wichtiger Schwerpunkt der Befragung.

  • Was sind die typischen Anlässe für Gespräche zwischen leitenden ÄrztInnen und KrankenhausmanagerInnen?
  • Wie erfolgt die Einladung zum gemeinsamen Meeting?
  • Wie lange vorher wird zur Besprechung durch die Geschäftsleitung eingeladen?
  • Wie vollständig ist die Vorabinformation zur Besprechungsagenda?
  • Wie ist die typische Gesprächssituation (TeilnehmerInnen)?

Gesprächsanlässe

In der Verteilung der Anlässe im Vergleich beider Befragungen zeigt sich auffällig, dass sowohl GeschäftsfürerInnen als auch ÄrztInnen weniger häufig spontan Gründe zu einem Gespräch miteinander sehen. Häufigste Anlässe sind nach wie vor Einzelthemen und Personalgespräche. Bei der aktuellen Umfrage haben dies insgesamt 67 % bzw. 39 % der TeilnehmerInnen angegeben (2011/2012: 66 % bzw. 32 %). Meetings im Rahmen von Gremienarbeiten wurden ebenfalls weniger genannt: Waren dies 2011/2012 insgesamt 67 % der Antworten, sind es in der Umfrage aus 2018/2019 nur noch 38 % (Abb. 5).

Abb. 5: Häufige Gesprächsanlässe, Mehrfachnennung möglich

Form der Einladung

In 71 % aller Nennungen in 2018/2019 wurde eine schriftliche Einladung zur Besprechung zugesandt (2011/2012: 66 %), 29 % aller Invitationen erfolgten mündlich oder nicht-schriftlich (2011/2012: 34 %). Bei mehr als der Hälfte aller Gesprächseinladungen erging diese ohne schriftliche Tagesordnung. Dieser Anteil stieg im Vergleich zu 2011/2012 weiter an: von 58 % auf 62 %. Die Verfügbarkeit verbindlicher, weil schriftlich fixierter Vorabinformationen für die Ärzteseite, lag damit auch im zeitlichen Verlauf von sieben Jahren weiterhin deutlich unter 50 % (Abb. 6)!

Abb. 6: 2018/2019: Auf diese Art und Weise wurden ÄrztInnen zum Gesprächstermin gebeten.

Vorabinformation zur Besprechungsagenda

In einer Zusatzfrage wurde deshalb das Thema der Vorabinformation des/der ärztliche/n Gesprächspartners/-in vertiefend beleuchtet (Abb. 7): In 19 % aller Fälle erging das Einladungsschreiben mit vollständiger Tagesordnung und allen Tischvorlagen. Das sind nochmals 3 % weniger als 2011/2012. Somit entstehen nach wie vor erhebliche asymmetrische Informationsstände.

Abb. 7: 2018/2019 Inhalte der Besprechungsagenda

Zeitlicher Vorlauf zur Besprechung

Beim zeitlichen Vorlauf zu den Gesprächen hat sich etwas verändert: Im Vergleich zur letzten Umfrage sind langfristige bzw. Routinetermine in der Jahresplanung fast um das Doppelte gestiegen. 2011/2012 gaben 9 % der Teilnehmer an, Treffen langfristig planen zu können, 2018/2019 waren es hingegen 17 %. Ungefähr die Hälfte der Verabredungen erfolgt nach wie vor mit einem zeitlichen Vorlauf von bis zu einer Woche.

Die langfristige Planung von Terminen oder Routineterminen sind generell positiv zu werten, da sich sowohl GeschäftsführerInnen als auch ÄrztInnen dadurch vorbereitet auf Augenhöhe begegnen können.

Typische Gesprächsgruppen-Situation

Dass ein großer Teil der Gespräche als Vier-Augen-Gespräch durchgeführt werden, hat sich auch in der aktuellen Umfrage nicht geändert. Allerdings ist der Anteil der Beantwortungen zu dieser Frage von 37 % (2011/2012) auf 45 % (2018/2019) gestiegen. Demnach ist der Anteil der Unterredungen mit mehr als zwei Personen gesunken: in 50 % aller Gespräche sind mehr als zwei Personen anwesend, als Klein- oder multiprofessionelle Gruppen.

Wichtige Ergebnisse – Themenbereich 2

Fragen zum Arbeitsalltag ärztlicher Führungskräfte

Ziel der Datenerhebung in dieser Themengruppe war es herauszufinden, wie strukturiert die betriebliche Zusammenarbeit zwischen leitenden ÄrztInnen und der Krankenhaus-Geschäftsleitung im Alltag organisiert ist:

  • In welchem Rahmen arbeiten leitende ÄrztInnen überwiegend mit der Geschäftsführung/Geschäftsleitung zusammen?
  • Was sind die typischen Themen der Zusammenarbeit?
  • Wie schätzen ärztliche Führungskräfte die routinemäßige Umsetzung der praktischen Betriebssteuerung/Controlling ein?

Hintergrundthese ist die Annahme, dass sich eine effiziente und partnerschaftlich orientierte Zusammenarbeit ärztlicher und kaufmännischer Führungskräfte in Form und Inhalt auf alle wichtigen betrieblichen Fragestellungen beziehen muss. Die gemeinsam vereinbarten Ziele und Vorgehensweisen sollten wirksam und nachhaltig umgesetzt werden.

Rahmen der Zusammenarbeit zwischen leitenden ÄrztInnen und der Geschäftsführung

Die TeilnehmerInnen wurden in der Befragung aufgefordert, die Häufigkeit der Nutzung der einzelnen Kommunikationswege einzuschätzen. Der typische Rahmen der Zusammenarbeit ist in dem nachfolgenden Diagramm (Abb. 8) dargestellt und hat sich im Vergleich zur Umfrage aus 2011/2012 nur um wenige Prozentpunkte verändert: Sehr häufig oder häufig treffen sich die Führungskräfte bei Gremienbesprechungen (64 %), tauschen E-Mails (64 %) aus oder sprechen persönlich miteinander (55 %). Die größte Veränderung der beiden Umfragen bezüglich des Rahmens der Zusammenarbeit ist beim Verfassen von Briefen zu beobachten: Der Anteil derer, die sehr häufig/häufig den Briefverkehr nutzen, ist von 11 % auf 4 % gesunken. Diese Entwicklung entspricht dem Trend der Digitalisierung.

Abb. 8: 2018/2019: „In welchem typischen Rahmen arbeiten Sie überwiegend mit der Geschäftsführung/Geschäftsleitung zusammen?“

Was sind die typischen Themen der Zusammenarbeit?

Die typischen Themen der Zusammenarbeit zwischen leitenden ÄrztInnen und kaufmännischen Führungskräften sind in Abbildung 9 dargestellt:

Abb. 9: 2018/2019: Häufigkeit der besprochenen Themen während der Treffen von GeschäftsführerInnen und leitenden ÄrztInnen

Wie bei der ersten Umfrage fällt auf, dass sich häufigkeitsbezogen drei große Themenblöcke ergeben. In den folgenden Tabellen sind die einzelnen Angaben aus den jeweiligen Schwerpunkten aufgeschlüsselt und im Vergleich zur ersten Erhebung dargestellt. Die Ergebnisse von mehr als der Hälfte der Einzelthemen haben sich in der neuesten Umfrage um maximal drei Prozentpunkte nur marginal geändert. Die meisten Inhalte sind in ihrer Häufigkeit gleichgeblieben (v. a. im Geld-Finanzen-Block, Tab. 1). Bei fünf Themen war die Änderung zwischen beiden Umfragen relevant größer bzw. kleiner. Die deutlichsten Abweichungen sind im Betrieb-Block zu beobachten (Tab. 2).

Tab. 1: Der „Geld-Finanzen-Block“ mit den sehr häufigen oder häufigen gemeinsamen Themen

2011/2012

2018/2019

Strategische Leistungsplanung

70 %

68 %

Wirtschaftlichkeit

66 %

67 %

Budgetfragen/Budgetplanung

62 %

61 %

Einsparungen/Sanierung

57 %

54 %

Personalmanagement

48 %

51 %

Tab. 2: Der „Betrieb-Block“ mit den seltenen oder sehr seltenen gemeinsamen Themen

2011/2012

2018/2019

OP-Management

43 %

42 %

Qualitätsmanagement

42 %

40 %

Klinik-Marketing

40 %

34 %

Marktbearbeitung

38 %

37 %

Sachmittel-Management

38 %

32 %

Infrastruktur (Bau/Geräte)

34 %

33 %

Zusammenarbeit mit MVZ und Niedergelassenen

30 %

28 %

Führungsthemen der Geschäftsführung/Geschäftsleitung

24 %

29 %

Führungsthemen leitender ÄrztInnen

22 %

33 %

Diagnostische Ausstattung

22 %

12 %

Stationsbetrieb

19 %

24 %

Betrieb Intensiv-Bereich(e)/Aufwachräume

17 %

21 %

Klinik-Marketing, Sachmittel-Management und Diagnostische Ausstattung sind Themen, die im Vergleich häufiger besprochen werden. In Anbetracht der vielerorts manifesten Unterfinanzierung der Krankenhäuser sind diese Ergebnisse plausibel. Dafür treten Führungsthemen und klinische Betriebsabläufe in den Hintergrund.

Drittmittel, Forschung und Lehre stellen in beiden Umfragezeiträumen seltene Gesprächsinhalte dar (Tab. 3). Es bleibt anzumerken, dass die Angaben der 33 beteiligten Unikliniken in der aktuellen Gesamtstichprobe der Erhebung wiederum – statistisch bedingt – unterrepräsentiert sind.

Tab. 3: Der „Wissen-Block“ mit den laut Erhebung so gut wie nie besprochenen gemeinsamen Themen

2011/2012

2018/2019

Drittmittel-Themen

3 %

2 %

Forschung und Lehre

2 %

2 %

Wie schätzen ärztliche Führungskräfte die routinemäßige Umsetzung der praktischen Betriebssteuerung/Controlling ein?

Damit leitende ÄrztInnen in einem arbeitsteilig angelegten Managementprozess ihren Steuerungsbeitrag zum Gesamtunternehmen einbringen können, ist es unverzichtbar, diese Personengruppe hierfür auch situationsbezogen und „Werkzeug-bezogen“ in die Lage zu versetzen. Die in dieser Frage betrachteten Sachverhalte wurden deshalb vor dem Hintergrund der Annahme nachgefragt, dass vor allem fünf wesentliche Managementbereiche wichtige Schnittstellen bzw. Vorbedingungen einer konstruktiven und effizienten Zusammenarbeit zwischen leitenden ChirurgInnen und kaufmännischen Führungskräften darstellen sollten:

  1. Erfolgsfaktor Information: Wird den leitenden ÄrztInnen ein strukturiertes monatliches Reporting von der Geschäftsführung/Geschäftsleitung bereitgestellt?
  2. Erfolgsfaktor Projektmanagement: Werden für gemeinsame Themen (verantwortungsadressierend) sogenannte Themen-Verantwortliche benannt?
  3. Erfolgsfaktor Transparenz I: Haben die ärztlichen Führungskräfte eine klinische Kostentransparenz für ihre Fachabteilung?
  4. Erfolgsfaktor Transparenz II: Gibt es eine Datentransparenz Top-Down (ChefärztIn -> AssistenzärztIn) in der Fachabteilung?
  5. Erfolgsfaktor Steuerung vor Ort: Werden den leitenden ÄrztInnen Steuerungstools zur Verfügung gestellt?

Das Befragungsergebnis hierzu ist in Abbildung 10 dargestellt.

Abb. 10: 2018/2019: Praktische Betriebssteuerung/Controlling: Wie schätzen Sie die routinemäßige Umsetzung in Ihrem Haus ein?

Das für leitende ChirurgInnen unerfreuliche Befragungsergebnis hat sich im Vergleich noch verschärft:

  • Beim Thema Klinische Kostentransparenz empfinden mittlerweile 50 % der Befragten die Situation als „schlecht/sehr schlecht“ oder sagen schlichtweg: Nicht vorhanden! Bei der Umfrage im Jahr 2011/2012 waren es „nur“ 41 %.
  • Bei der Frage nach existierenden Steuerungsinstrumenten, also letztlich nach den entscheidenden Hebeln ärztlichen Ressourcenmanagements, gaben im Vergleich sogar 55 % (2011/2012: 49 %) der Befragten an, dass diese „schlecht/sehr schlecht“ oder „nicht vorhanden“ seien.

Wichtige Ergebnisse – Themenbereich 3

Typische Konflikte und Konfliktmanagement

Dass die berufliche Zusammenarbeit zwischen Berufsgruppen sehr unterschiedlicher professioneller Konditionierung nicht immer konfliktfrei sein kann, ist offensichtlich. Deshalb wurde in dieser Erhebung auch danach gefragt, was besonders stört in der Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung/Geschäftsführung des Hauses:

  • Themenkreis „(persönliche) Beziehungsebene“
  • Themenkreis „Managementrahmen als ÄrztIn“
  • Themenkreis „Erlebte problematische Wirkungen“

Für alle drei Fragestellungen wurde eine vertiefende Auswertung der Befragungsergebnisse durchgeführt.

Themenkreis „(persönliche) Beziehungsebene“

Abbildung 11 fasst die Antworten zusammen. Auffällig zur letzten Befragung ist, dass der hohe Anteil des häufigen Anstoßnehmens leitender ÄrztInnen am persönlichen Benehmen der kaufmännischen Führungskräfte aktuell von 41 % auf 28 % gesunken ist. Verspürte Wertschätzungsdefizite und stattfindende Dominanz- statt Sachkonflikte sind hingegen in der Häufigkeit gestiegen: Wertschätzungsdefizite von 35 % auf 39 % und Angaben zu Dominanz von 32 % auf 36 %.

Abb. 11: 2018/2019 Themenkreis „Beziehungsebene“

Themenkreis „Managementrahmen als Arzt“

Abbildung 12 fasst die Befragungsantworten zusammen. Faktoren für den absehbaren Misserfolg ärztlicher Managementbemühungen (Tab. 4) wurden auch in der aktuellen Umfrage mit relevanten Anteilen als „sehr häufig“ bzw. „häufig“ angegeben und sind größtenteils im zeitlichen Verlauf sogar noch angestiegen. Besonders bemerkenswert ist das weit verbreitete Gefühl des „Verantwortlichseins ohne Aktionsmöglichkeit“ (67%)!

Tab. 4: Faktoren für den absehbaren Misserfolg ärztlicher Managementbemühungen

2011/2012

2018/2019

Verantwortlich-sein ohne Aktionsmöglichkeit

61 %

67 %

Fehlende Datentransparenz für Sie (ltd. Ärztinnen)

49 %

55 %

Fehlende Informationen von der GF/GL

47 %

51 %

Zeitdruck bei der Entscheidungsvorbereitung

47 %

42 %

Unklares Leitbild der Zusammenarbeit ltd. Arzt/Ärztin/GL

43 %

46 %

Unklare persönliche Werthaltungen der GL/GF

40 %

43 %

Die egozentrische Selbstdarstellung

31 %

34 %

Abb. 12: 2018/2019 Themenkreis „Ihr Managementrahmen als Arzt/Ärztin“

Themenkreis „Erlebte problematische Wirkungen“

Abbildung 13 betrachtet die konkreten Eindrücke und Auswirkungen der optimierungsfähigen Management-Schnittstelle zwischen ärztlichen Führungskräften und Krankenhausmanagern:

Abb. 13: 2018/2019 Welche problematischen Wirkungen erleben Sie?

Die hier signifikant mit „sehr häufig“ oder „häufig“ ausgeprägten Befragungsergebnisse sind ein klarer Katalog derjenigen Sachverhalte und Situationen, die einen wirksamen Managementbeitrag Leitender ChirurgInnen zum Gesamterfolg des Krankenhauses nach wie vor massiv behindern. Auch bei dieser Frage hat die Häufigkeit bei sechs von acht den klinischen Alltag prägenden Themen zugenommen.

Zusammenfassung

Das Interesse an dem Thema „Zusammenarbeit ChefärztInnen und Geschäftsführung“ ist nach wie vor groß.

Geschlecht, Altersstruktur, Einkommen und Klinikstruktur

Die deutlich höhere Beteiligung von weiblichen Chefärzten in der aktuellen Umfrage spiegelt den zunehmenden Anteil an Frauen in der Chirurgie wider. Der Anstieg des Altersdurchschnitts aller Befragten entspricht dem zu erwartenden demographischen Wandel. Der variable Part des ärztlichen Einkommens ist innerhalb der letzten Jahre nachweisbar kleiner geworden, gleichbedeutend mit einem verlässlicheren Gehalt für unseren Berufsstand. Leistungsbezogene Boni stellen per se einen legitimen Anreiz dar. Auch die jüngste Umfrage ist in Hinblick auf strukturelle Klinikdaten als repräsentativ anzusehen. Flächendeckend hat die Größe der einzelnen chirurgischen Fachabteilungen faktisch abgenommen.

Organisation des Gesprächsrahmens

Bezüglich der Organisation des Gesprächsrahmens zwischen ärztlichen Führungskräften und GeschäftsführerInnen besteht nach wie vor Verbesserungspotential. Lediglich der zeitliche Vorlauf für vereinbarte Treffen hat sich im Laufe der Jahre nachweisbar verbessert. Fundierte und zielführende Gespräche sind nur durch die adäquate Vorbereitung aller Beteiligten möglich. Unabdingbare Voraussetzung hierfür ist eine ehrliche Fakten- und Datentransparenz des Arbeitgebers.

Themen der Zusammenarbeit

Nach wie vor sprechen Geschäftsführungen mit leitenden ÄrztInnen vor allem über Geld und Wirtschaftlichkeit. Betriebliche Strukturen und Abläufe der einzelnen chirurgischen Fachabteilungen treten oft in den Hintergrund, über Themen wie „Drittmittel“ sowie „Forschung & Lehre“ wird aus Sicht der Gesamterhebung so gut wie nie kommuniziert. Insbesondere die Aspekte des „Betrieb-Blocks“ bergen Ressourcen und Potentiale für die Steigerung von Effizienz und Erlösen im Krankenhaus. Hier ist ein intensiverer kooperativer Austausch zwischen Ökonomie und chirurgischer Zunft dringend erforderlich. Die Stärken der operativen Führungskräfte werden nicht in ausreichendem Maß genutzt.

Tab. 5: Prägende Themen, die den Erfolg behindern

2011/2012

2018/2019

Verlagerung administrativer Arbeit auf Mediziner

68 %

74 %

Unvollständige Umsetzung der Entscheidungen

55 %

61 %

Kein Vorteil aus erfolgreichem Managen erzielbar

48 %

57 %

Unklare Fachkompetenz Ihrer Gesprächspartner

46 %

51 %

Beteiligung an Entscheidung und Umsetzung?

45 %

48 %

Asynchrone Arbeitszeiten Mediziner/Verwaltung

43 %

42 %

Unzureichende fachliche Aussprache

41 %

44 %

Politiklastigkeit statt Unternehmensorientierung

29 %

27 %

Kostentransparenz

Die Hälfte aller chirurgischen ChefärztInnen beklagt eine unzureichende klinische Kostentransparenz. Das ist ein eindeutiger Appell an die Geschäftsführungen. Es stellt für das Medizincontrolling des Krankenhauses eine leicht lösbare Aufgabe dar, diese Informationsdefizite der ÄrztInnen auszugleichen. Kenntnis der Kosten ist eine der wichtigsten Anforderungen, um operativ tätige Führungskräfte in die Lage zu versetzen, tatsächlich in der Klinik betriebspraktisch steuern zu können.

Wirtschaftliche Steuerungsinstrumente der ärztlichen Führungskräfte

Anders verhält es sich aus Sicht der Autoren mit den existierenden Steuerungsinstrumenten. Hier liegen Lösungen nicht so offenkundig auf der Hand. Die Erlösmargen im stationären Bereich sind bei Deutschlandweit rückläufigen Fallzahlen limitiert. Die Ambulantisierung der Chirurgie schreitet entsprechend ausländischer Vorbilder stetig voran. Es wird in Zukunft eine sinnvolle und qualitativ hochwertige Verzahnung des ambulanten und stationären Sektors in Deutschland praktisch umgesetzt werden müssen. Zudem ist die Wertschöpfungskette im vor- und nachstationären Bereich als alternative Einnahmequelle zu identifizieren. Die Möglichkeiten der Digitalisierung und die Chancen der künstlichen Intelligenz runden die notwendigen Veränderungen ab. Nichtsdestotrotz gilt: So wenig wie ChirurgInnen ohne OP-Besteck erfolgreich operieren könnten, so wenig können sie als „Nicht-Kaufleute“ ihre Kliniken im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten ohne geeignete betriebswirtschaftliche Steuerungsinstrumente managen. Dass hier häufig Hilflosigkeit empfunden wird, z. B. ein Gefühl des Verantwortlichseins ohne Aktionsmöglichkeit, sollte dem Krankenhausmanagement 2020 zu denken geben.

Typische Konflikte und Konfliktmanagement

Die Kernbotschaft der vorliegenden Umfrage stellt die Tatsache dar, dass „Störfeuer“ auf der persönlichen Beziehungsebene zwischen Ökonomen und chirurgischen Führungskräften nach wie vor den Klinikalltag prägen. Dieses Problemfeld ist Träger-unabhängig und besteht Deutschlandweit. Auch die zeitliche Latenz von sieben Jahren zwischen den beiden vorliegenden Studien hat daran nichts verändert. Im Gegenteil, die kritischen Antworten der leitenden ÄrztInnen hat nochmals zugenommen. Lösungen hierzu sind als Kern eines Katalogs von fachlichen und menschlichen Anforderungen zu sehen, welche zukünftig eine zielführende Zusammenarbeit von „Managementexperten“ und „Medizinexperten“ ermöglichen. Partnerschaftlichkeit und vertrauensvolle Kooperation zwischen den beiden Berufsgruppen funktioniert friktionsarm nur dann, wenn die Beziehungsebene zwischen den Protagonisten intakt ist. Dafür Sorge zu tragen, gehört zu den wichtigsten professionellen Pflichten von Führungskräften, die miteinander erfolgreich sein wollen und müssen.

Ausblick

Die aktuellen Ergebnisse sind ernüchternd. Jeder von uns kennt Krankenhäuser, in denen das Direktorium vertrauensvoll, partnerschaftlich und kooperativ zusammenarbeitet. Die täglichen Herausforderungen des Klinikalltags und der Gesundheitspolitik werden mit ehrlicher Zahlentransparenz gemeinsam angegangen und bestenfalls gelöst. Warum gelingt es uns nicht, von den funktionierenden Vorbildern als Erfolgsmodell zu lernen? Wo ist die Nachhaltigkeit, auch der handelnden Personen, in der Medizin geblieben? Sowohl die Akzeptanz der jeweiligen Akteure als auch die Umsetzung von Konzepten benötigen Zeit, um das Vertrauen der PatientInnen und ZuweiserInnen zu gewinnen. Kurzfristige Wechsel in der Geschäftsführung und/oder auf der CA-Position konterkarieren oftmals das Bedürfnis unserer PartnerInnen im Gesundheitssystem nach Verlässlichkeit.

Um diesem Artikel einen versöhnlichen und inspirierenden Abschluss zu verleihen, sei der Hinweis auf die letzten beiden Tabellen zum Themenbereich „Konflikte und Konfliktmanagement“ gestattet. Jeder einzelne Gesichtspunkt birgt handfestes Potential, das es nur zu heben gilt. Für GeschäftsführerInnen und chirurgische ChefärztInnen!

Tonus C: BDC|Umfrage: Die Zusammenarbeit zwischen leitenden ChirurgInnen und Klinik-Geschäftsleitungen: Was hat sich verändert? Passion Chirurgie. 2020 März, 10(03): Artikel 04_0X.

Literaturhinweis: Kapitza T. / Tonus C. Kooperation oder Konflikt – Die Zusammenarbeit zwischen leitenden Chirurgen und Klinik-Geschäftsleitungen. Passion Chirurgie. 2012 März; 2(03): Artikel 02_03

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BDC|Landesverband Westfalen-Lippe: Jahrestreffen 2020

Neue Entwicklung wegen der Covid-19-Pandemie:

Aufgrund der Empfehlungen des Gesundheitsamtes Dortmund wegen der COVID19-Pandemie müssen wir leider unsere auf dem Viszeralmedizin NRW-Tagung geplante Jahrestagung des BDC-Landesverbandes Westfalen-Lippe absagen. Wir sind dabei neue Möglichkeiten für unserer Jahrestagung 2020 zu evaluieren und bitten diesbezüglich um Geduld. Wir werden Sie sowie wir „Licht am Ende vom Tunnel“ sehen, mit einem alternativen Termin melden. In die bestehende Tagungsordnung wird dann auch die Wahl für beiden BDC-Vertreter des Landesverbandes  Westfalen-Lippe integriert werden.

Waldemar Uhl, Vorsitzender und Jerzy Wielowiejski, Stellv. Vorsitzender und Regionalvertreter NL des BDC-Landesverbandes WL

Hiermit laden wir Sie zum BDC-Jahrestreffen des Landesverbands Westfalen-Lippe beim diesjährigen Viszeralmedizin NWR 2020-Kongress in Dortmund ein.

Herr Kollege Berthold Gerdes aus dem Johannes Wesling Klinikum Minden (Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum) hat mit seinem gastroenterologischen Kollegen Herrn Carsten Gartung einen sehr interessanten und vielversprechenden Kongress unter dem Titel „Viszeralmedizin NRW 2020: Indikationsbereich Bauch – Gemeinsam Konzepte gestalten“ organisiert.
Das Tagungsprogramm ist auf der Homepage: www.viszeralmedizin-nrw.de einsehbar.

Eingebettet in diesem Rahmen laden wir alle Mitglieder des BDC-Landesverbands Westfalen-Lippe zu einem Treffen ein:

05.06.2020
Kongresszentrum Dortmund, Saal 4/5
8:30 – 10:00 Uhr

Themen

  • Pflexit – erste Erfahrungen und wie geht es weiter nach Corona?
  • Umsetzung der neuen WB: Allgemein- und Viszeralchirurgie in ÄKWL
  • Wie wird/soll sich die Krankenhauslandschaft in NRW verändern?
  • Niederlassung als Chirurg/Chirurgin: noch lohnend, wo und wie?
  • EBM und GOÄ neu: wo stehen wir?

Über eine rege Teilnahme zu dieser außergewöhnlichen Jahrestagung mit aktuellen Themen der Zeit würden wir uns sehr freuen.

Programm

Prof. Dr. W. Uhl, Vorsitzender BDC-Landesverband WL
J. Wielowiejski, Regionalleiter der niedergelassenen Chirurgen WL

BDC: Schutzmasken sinnvoll einsetzen

Berlin, den 1. April 2020 – Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC) warnt vor einer weiteren Verknappung von Schutzmasken durch die Schutzmaskenpflicht in öffentlichen Räumen. Die Stadt Jena hat als erste deutsche Großstadt das Tragen von Schutzmasken in Verwaltungsgebäuden, beim Einkauf und in öffentlichen Verkehrsmitteln angeordnet. In Österreich ist das Tragen von Schutzmasken in Supermärkten bereits Pflicht.

Die Masken dienen nicht, wie vielfach fälschlich angenommen, dem Eigenschutz, sondern sollen eine Übertragung vom Träger auf Dritte vermeiden. Sinnvoll und notwendig im täglichen Leben ist es, Abstand zum Gegenüber zu wahren und den Mindestabstand von 1,5 Metern auch einzuhalten. Masken sind erforderlich, wenn dieser Abstand nicht eingehalten werden kann. Dies ist vor allem im medizinischen Bereich der Fall, insbesondere bei operativen Eingriffen. Denn trotz des Verzichts auf plan- und aufschiebbare Eingriffe gibt es immer noch eine Vielzahl von notwendigen und lebensrettenden Operationen, die medizinisch absolut indiziert sind.

„Wir weisen deswegen daraufhin, dass Schutzmasken für den medizinischen Gebrauch primär den Krankenhäusern, Arztpraxen und Pflegeheimen vorbehalten sein sollten in Zeiten, in denen diese Medizinprodukte nur schwer zu beschaffen sind“, so Prof. Dr. med. Dr. med. h.c. H.-J. Meyer, Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen (BDC) und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH). „Eine Priorisierung bei der Zuteilung medizinischer Schutzmasken ist dringend geboten.“

Um nicht Ärzte und Pflegepersonal sowie Patienten, die erkrankungsbedingt zur Risikogruppe gehören, zu gefährden, müssen Schutzmasken, sofern sie überhaupt beschafft werden können, vordringlich dem medizinischen Versorgungssektor zugeteilt werden – bevor sie anderenorts zwar sinnvoll, aber nicht zwingend verbraucht werden. Insgesamt begrüßt der BDC jede Vorsichtsmaßnahme, die die weitere Ausbreitung des Corona-Virus eindämmt, so zum Beispiel das Tragen selbstgefertigter Masken.

Editorial: Was bringt die Zukunft?

Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege,

„Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen!“ – dieses Zitat wird verschiedenen Autoren zugeschrieben – in Zeiten wie diesen wird es einmal mehr nachdrücklich bestätigt. Im Kommentar der ­Märzausgabe unserer Mitgliederzeitschrift habe ich mir Mitte Februar bei der Manuskripterstellung die Frage gestellt, was uns die Zukunft mit Beginn der zwanziger Jahre des 21. Jahrhunderts bringen wird und was wir bei meist neuen Herausforderungen tun können. Abschließend habe ich noch die Hoffnung ausgesprochen, dass das damals noch epidemisch grassierende „Corona-Virus“ die Durchführung des Deutschen Chirurgenkongresses 2020 nicht beeinträchtigen möge. Dieses hat sich allerdings leider nicht realisieren lassen; im Gegenteil: Wir erleben derzeit eine gesellschaftliche Krise, die in der Geschichte der Bundesrepublik einmalig ist und nach Meinung vieler medizinischer Experten erst am Anfang steht. Das Sars-CoV-2-Virus, das sich mittlerweile pandemisch ausgebreitet hat, bestimmt aktuell den Alltag der Menschen auf der ganzen Welt.

Mit dem Ziel einer Eindämmung der Infektionsraten und einer möglichen Vermeidung der exponentiellen Ausbreitung von Covid-19 herrscht, so auch in Deutschland, ein fast vollständiger „Shutdown“ mit Ausgangsbeschränkungen, physischem Abstand halten, Reiseverboten, Schließung von Geschäften und Betrieben, Einführung von Kurzarbeit und beruflichen Arbeitens im Homeoffice. Außergewöhnliche Notlagen erfordern nun einmal außergewöhnliche Maßnahmen durch die Politik und nach jüngst veröffentlichten Umfragen werden diese von 75 Prozent der Bundesbürger auch als sinnvoll angesehen, ebenso wie der im Eiltempo verabschiedete Nachtragshaushalt zur Finanzierung der vorgesehenen Hilfspakete. Die Regierungsparteien verfolgen damit verschiedene Ziele, wie beispielsweise eine weiterhin gute Gesundheitsversorgung – wobei die Rettung von Menschenleben Priorität haben muss – die Sicherung des Lebensunterhalts der Betroffenen und der Schutz von Arbeitsplätzen und Unternehmen.

Erfreulicherweise erleben wir in vielen Fällen auch eine Zeit des Zusammenhalts, der Solidarität und der Humanität. Insbesondere die Gesundheitsberufe, Ärzte und Pflegekräfte, stehen in dieser globalen Krise ganz besonders im Fokus. Es gibt keine wirklichen Alternativen: In allen Gesundheitssystemen in der Welt kommt es auf ihren Einsatz, ihre Expertise, Leistungsbereitschaft, Empathie und Mut an. Auch in Deutschland arbeiten Ärzte in Kliniken und Arztpraxen, im öffentlichen Gesundheitsdienst und in den Forschungseinrichtungen rund um die Uhr. Kollegen melden sich aus dem Ruhestand zurück und auch Medizinstudierende helfen, wo es notwendig ist. Der Krisenmodus ist deutschlandweit auf allen Intensivstationen, die zudem erweitert werden, angelaufen. In einem der besten Gesundheitssysteme der Welt bereiten wir uns so optimal wie möglich vor, um das Schlimmste zu verhindern. Dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich Ihnen allen – auch im Namen des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie – ganz herzlich danken.

Auf der BDC-Website halten wir Sie mit wichtigen Informationen, Hinweisen und Tipps rund um Covid-19 und seinen Auswirkungen auf dem Laufenden. Wir haben eine ­Übersicht für Sie zusammengestellt, die stets aktualisiert wird. Wenn Sie weiteren Informationsbedarf haben, wenden Sie sich gern an die BDC-Geschäftsstelle. Das Team ist für Sie da! Selbstverständlich steht auch unser Justitiar, Herr Dr. J. Heberer, in diesen Krisenzeiten in allen juristischen Fragen zur Verfügung.

Die BDC|Akademie, die mit einem aktuellen und interessanten Fort- und Weiterbildungsangebot in dieses Jahr gestartet ist, muss leider entsprechend der derzeitigen Vorgaben zunächst alle Seminare bis zum 16. Mai 2020 absagen. Wann und wie es dann weitergeht, bleibt abzuwarten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Zeiten eines Ausnahmezustandes ist es hilfreich, bestimmte Regeln, so z. B. einheitliche Verhaltensmaßnahmen, zu haben. Auch berufspolitische Empfehlungen, planbare Eingriffe, wann immer es medizinisch vertretbar ist, zu verschieben, sind sinnvoll. Helfen Sie also dabei mit, unser Gesundheitssystem stabil zu halten, wobei zu hoffen ist, dass die verantwortlichen politischen Parteien ad hoc und nach überstandener Krise ihre Versprechungen umsetzen!

Bleiben Sie, Ihre Familien und Teams gesund!

Meyer HK: Editorial Was bringt die Zukunft? Passion Chirurgie. 2020 April; 10(04): Artikel 01.

Zukunft der Allgemeinen Chirurgie – aus der Sicht des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen

Wenn hier zum Thema Stellung genommen wird, dann im Sinne des Facharztes für Allgemeine Chirurgie nach der neuen WBO und nicht im Sinne des Begriffes Allgemeine Chirurgie. Die derzeitigen Standpunkte zum Facharzt für Allgemeine Chirurgie und die Entwicklung dieser Facharztsäule sind durch einige Besonderheiten charakterisiert:

  • nahezu alle, die sich dazu geäußert haben, sind selbst noch Fachärzte für Chirurgie, haben also eine breite schwerpunktübergreifende chirurgische Weiterbildung erfahren. Sie haben sich erst nach Erhalt des Facharztstatus eine oder mehrere Schwerpunktbezeichnungen erworben und mehr oder weniger stringent einer Spezialrichtung (Schwerpunkt) zugewandt.
  • der Facharzt für Allgemeine Chirurgie wird vorwiegend von Spezialisten als nicht notwendig angesehen.
  • der Anteil der Schwerpunktinhaber bzw. -fachärzte nimmt zwar deutlich zu, nach wie vor überwiegt aber der Anteil der Fachärzte für Chirurgie alter Art ohne und mit Spezialisierung den Anteil der reinen Spezialisten.
  • im europäischen Umfeld ebenso wie in den USA und anderen Ländern ist nach wie vor eine breite chirurgische schwerpunktübergreifende Weiterbildung der Qualifizierung als Spezialist vorgeschaltet.
  • in der Bundesrepublik Deutschland gibt es chirurgische Tätigkeiten, die den Status eines Facharztes für Allgemeine Chirurgie erfordern.
  • beim Lesen von Annoncen für die Besetzung bestimmter Chefarztpositionen entsteht immer häufiger der Eindruck, dass von den Bewerbern zunehmend schwerpunktübergreifende Kenntnisse und Erfahrungen gefordert werden. Inhaber mehrerer Schwerpunktbezeichnungen haben offenbar bessere Chancen.

Es besteht kein Zweifel daran, dass die Spezialisierung notwendig ist und weiter voranschreiten wird. Stelzner (1997) hat aber aus amerikanischer Sicht auf den Kostenaspekt der Spezialisierung hingewiesen. Seiner Meinung nach würden die Kostenüberlegungen in Deutschland in der Diskussion über die chirurgische Spezialisierung eine zunehmende Rolle spielen. Zuvor hatte schon Stremmel (1995) formuliert: “Wenn auch die Schwerpunktdisziplinen in der Chirurgie diesen Zustand bedauern mögen, so wird in der Zukunft die Kostenfrage den Trend bestimmen.“

Mit dem Voranschreiten der Spezialisierung nahm die Skepsis gegenüber dem Facharzt für Allgemeine Chirurgie zu. Noch 1995 nach Neuformulierung des Facharztes für Chirurgie wurde die Notwendigkeit der Allgemeinchirurgie für das Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung überwiegend bejaht (Arbogast, Eser, Rückert, Siewert, Stremmel). Rückert formulierte damals, dass die Allgemeinchirurgie am Regelkrankenhaus das integrative Konzept der Chirurgie verkörpere.

1999 beschäftigte sich das 9. Eichstätter Symposium mit dem Thema: „Allgemeinchirurgie – ein Auslaufmodell?“. Sänger stellt in der Einleitung des von ihm redigierten Kongressbandes die Frage: „Steht die Allgemeinchirurgie, stehen die Allgemeinchirurgen also vor dem Aus?“ Er wies daraufhin, dass die Allgemeinchirurgie europaweit Grundlage und wesentlicher Bestandteil der Weiterbildung auch in den Gebieten sein soll.

Bauer kommt am Ende seines Vortrages „Allgemeinchirurgie – (k)ein Auslaufmodell“ noch zu dem Schluss: “Die ungeteilte Krankenhausabteilung ist somit kein Auslaufmodell. Derzeit noch unverzichtbar, wird sie sich auch in Zukunft behaupten, wenn es ihr gelingt, die aktuellen Trends in der Medizin und damit auch in der Chirurgie aufzunehmen und umzusetzen“. 2002 fand aus Anlass des zehnjährigen Jubiläums des Konventes der Leitenden Krankenhauschirurgen ein Disput zur neuen Facharztsäule Allgemeine Chirurgie statt, an der Vertreter der DGCH, der Lehrstuhlinhaber, der Viszeralchirurgie, der Unfallchirurgie und des BDC beteiligt waren. Hier begründete Hartel lt. Sänger als einziger Referent das für ihn selbstverständliche Fortbestehen des Allgemeinchirurgen. Vom Berichterstatter wird dann aber mitgeteilt, dass man sich in der abschließenden Diskussion rasch einig darüber war, dass die „Allgemeine Chirurgie“ von Anfang an ein Fach zur „Nekrobiose“ sein werde. Der Markt werde darüber entscheiden. Dennoch wurde letztlich von Siewert seitens der DGCH im Konsens mit den Anwesenden ein Bekenntnis zur chirurgischen Grundversorgung abgegeben (Sänger 2002).

Es gibt also noch keine wirkliche Klarheit und Einigkeit über den Facharzt für Allgemeinchirurgie in Deutschland! In allen Mitgliedstaaten der EU ist laut Richtlinie 93/16 EEG der UEMS die Arztbezeichnung für Chirurgie vorgegeben. In den USA gibt es den Allgemeinchirurgen mit einer fünfjährigen breiten chirurgischen Ausbildung, wobei aber dann etwa 60 bis 70 % der Allgemeinchirurgen Zusatzbezeichnungen in einem Fellowship erwerben, sich also spezialisieren (Stelzner 1997). Aber auch in den USA wird über den „General Surgeon“ und den Spezialisten in der Chirurgie diskutiert (Polk 2002).

Witte hat auf dem Disput über die Säule „Allgemeine Chirurgie“ erklärt, dass der Auftrag aus Europa und von der BÄK ausgegangen sei, die Allgemeinchirurgie strukturell und inhaltlich zu gestalten. Dieser Auftrag sei dann von der gemeinsamen Weiterbildungskommission der DGCH und des BDC erfüllt worden. Danach begann eine bis heute nicht abgeschlossene Diskussion. Sie kann auch noch gar nicht abgeschlossen sein, da die strukturellen und organisatorischen Entwicklungen der medizinischen Versorgung und die sich daraus ergebenden Erfordernisse in der chirurgischen Betreuung in der Bundesrepublik Deutschland in den nächsten Jahren noch nicht absehbar sind. Ursache ist der stetige Wandel aufgrund des sich ständig erhöhenden ökonomischen Druckes auf das Gesundheitswesen. Auch wenn die Zahl ungeteilter Abteilungen à conto selbständiger viszeralchirurgischer und traumatologischer Abteilungen abnimmt, ist es sicher nicht zuletzt auch aus traditionellem Verständnis heraus schwer vorstellbar, dass die chirurgische Grund- und Notfallversorgung nur von Spezialisten durchgeführt werden könnte. Das Problem steht ja zur Zeit noch nicht, da die derzeitigen Schwerpunktinhaber Viszeralchirurgie und Traumatologie noch überwiegend Fachärzte für Chirurgie und damit breit einsetzbar sind. Die begrenzt einsetzbaren „Säulenfachärzte“ sind noch in absoluter Minderzahl. Die Situation könnte dann problematisch werden, wenn in den Kliniken nur noch Spezialisten ohne breite chirurgische Weiterbildung vorhanden sind.

Die Aufgabe der Chirurgen, ihrer wissenschaftlichen Gesellschaften und des Berufsverbandes sollte es sein, diese Diskussion um den Facharzt für Allgemeine Chirurgie aktiv und offensiv zu führen. Spezialisierung ist weltweit notwendig und schreitet voran, andererseits muss allein schon die Tatsache, dass in allen EU-Ländern und auch in den USA und vielen anderen Ländern am Arzt für Chirurgie (Allgemeinchirurg, General Surgeon) festgehalten wird, als Indiz für die Notwendigkeit seiner Existenz gewertet werden. In diesen Ländern werden ihm offenbar wichtige Aufgaben zugeschrieben. Hierbei sollte auch beachtet werden, dass Spezialisierung und Integration in einem Wechselverhältnis stehen müssen, d.h. dass bezogen auf die Relation Spezialisierung in der Chirurgie zur Allgemeinchirurgie auch die Inhalte der Allgemeinchirurgie immer wieder angepasst und qualifiziert werden sollten. Offenbar wurde und wird dem Prozess der Integration des Facharztes für Allgemeinchirurgie seitens der Spezialisten zu wenig oder keine Bedeutung beigemessen. Es geht nicht darum, den Allgemeinchirurgen zu einem chirurgischen Alleskönner hoch zu stilisieren, sondern ihn mit soliden Kenntnissen und Erfahrungen auszustatten, die er für seinen Einsatz braucht.

Welche Möglichkeiten des Einsatzes eines Facharztes für Allgemeine Chirurgie können unter den heutigen Bedingungen gesehen werden?

Der Autor bezieht hier Überlegungen ein, die in einem Vortrag anlässlich der Teupitzer Gespräche 2005 angestellt wurden(Rupprecht 2006).

  • Nach wie vor ist der Facharzt für Allgemeine Chirurgie Voraussetzung für die Niederlassung als Chirurg, wenn dies auch derzeit nur Sinn macht mit dem Erwerb der zweiten Facharztbezeichnung Unfallchirurgie.
  • Der Allgemeinchirurg ist ein Chirurg für die häufigen chirurgischen Erkrankungen und den chirurgischen Notfall (Hartel 2002), sicher auch für das, was unter die sogenannte „Kleine Chirurgie“ eingeordnet wird. Insofern ist er für Häuser der Grund- und Regelversorgung prädestiniert. Es sollte ihm auch möglich sein, in dieser Position eine enger begrenzte spezialisierte Versorgung nach entsprechender Qualifikation anbieten zu können. Hier wird die Zukunft zeigen, ob Häuser der Grund- und Regelversorgung oder adäquate Einrichtungen weiter gebraucht werden.
  • Zum Betrieb einer chirurgischen Ambulanz an einem Krankenhaus bietet sich der Allgemeinchirurg als Bindeglied zu den Spezialisten an. Auch die jetzt entstehenden Medizinischen Versorgungszentren und andere angedachte Einrichtungen werden Allgemeinchirurgen benötigen. Besonders in einer chirurgischen Notfallambulanz kann die Einbindung von Allgemeinchirurgen bei Bereitschaft von Spezialisten von Vorteil sein.
  • Bereitschaftsdienste in Häusern mit mehreren chirurgischen Disziplinen (Abteilungen/Kliniken) können häufig nur durch einen teilgebietsübergreifenden Bereitschaftsdienst aufrechterhalten werden. Das kann ein Allgemeinchirurg mit dem entsprechenden Hintergrund realisieren.
  • Der Facharzt für Allgemeine Chirurgie bietet sich durchaus auch als kompetenter Mitarbeiter jeder chirurgischen Spezialklinik an, zumal er bei Eignung dann auch den Teilgebietsfacharzt im verkürzten Verfahren erwerben kann.
  • Letztlich sollte nicht vergessen werden, dass in den Entwicklungsländern und in Krisensituationen breit ausgebildete Chirurgen gefragt sind. Loefler vom Nairobi Hospital in Kenia hat auf dem vorletzten Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie 2005 betont, dass sich in Kenia, wie in den meisten Gegenden der Welt, der Schwerpunkt der chirurgischen Versorgung in den Kreiskrankenhäusern befindet und in den meisten Kreiskrankenhäusern der Welt der Auftrag der Chirurgen darin besteht, mit allen häufig vorkommenden Notfällen fertig zu werden, von Kopf bis Fuß sozusagen (Loefler 2005). Er plädiert für den Spezialisten und den Allgemeinchirurgen. Beide müssten aber entsprechend ausgebildet sein. Aus seiner Sicht bestehe kein Zweifel daran, dass der Allgemeinchirurg heute mit den Kenntnissen der Mitte des 20. Jahrhunderts hoffnungslos überfordert wäre.

Ist das nicht ein Plädoyer für mehr Integration des Allgemeinchirurgen in die Entwicklung der Chirurgie?

Sicher wird es in der Zukunft noch mehr Einsatzbereiche für den Facharzt für Allgemeine Chirurgie geben. Die Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeine Chirurgie wird u.a. aus der Sicht diskutiert, dass die jetzt konfigurierte Säule sich nicht aus sich selbst komplett reproduzieren könne. Sie habe auch keinen Forschungsbackground(sieh e bei Sänger 2002). Dazu muss man feststellen, dass die bisherige Weiterbildung zum Facharzt für Chirurgie in aller Regel auch durch Rotation in den Teilgebieten Viszeralchirurgie, Unfallchirurgie, Gefäßchirurgie, evtl. auch Thoraxchirurgie sowie der chirurgischen Intensivtherapie/Anästhesie realisiert wurde. Wenn die entsprechenden Voraussetzungen im eigenen Hause nicht gegeben waren, mussten entsprechende Hospitationen bzw. Weiterbildungsabschnitte organisiert werden. Warum sollte die Rotation nicht auch zukünftig möglich sein?

Der Facharzt für Allgemeine Chirurgie soll und kann kein chirurgischer Alleskönner sein. Aber er ist notwendig, sicher nicht zuletzt auch zur Wahrung der Chancengleichheit unseres Nachwuchses in Europa und der Welt.

Es ist sicher an der Zeit, den Facharzt für Allgemeine Chirurgie zu akzeptieren. Die neue WBO bietet hierzu durchaus den Rahmen und Raum einer qualifizierten breiten Weiterbildung im Sinne schwerpunktübergreifender Chirurgie. Dazu ist es aber notwendig, die Inhalte der WBO neu zu wichten, eine detailiertere Strukturierung vorzunehmen und Einsatzbereiche klarer zu definieren. Hier sollten sich Spezialisten und die „noch vorhandenen“ Generalisten wieder treffen. Die Befürchtung von Post sollte beherzigt werden, dass Defizite in der Weiterbildung für die Bevölkerung und die Politiker erst langfristig sichtbar werden (Post 2005). Lassen wir es nicht erst zu einem Defizit kommen!