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Zweitmeinung vor elektiver Schulterarthroskopie

Aufgrund gesetzlicher Vorgaben (§27b SGB V) hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) seine Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren [1] auf die elektive Schulterarthroskopie ausgeweitet.

In der Versorgungsrealität wird das Recht auf die Einholung einer Zweitmeinung schon immer und in den letzten Jahren zunehmend von Patientinnen und Patienten in Anspruch genommen. Nicht immer legen sie dabei den Anlass für einen weiteren Arztbesuch offen. Oft wird dieser erst deutlich, wenn nach früheren Untersuchungen und Befunden gefragt wird. Gefühlt nimmt diese extensive Inanspruchnahme gerade fachärztlicher Leistungen permanent zu, ohne dass darüber verlässliche Zahlen vorliegen. Der unbeschränkte Einsatz der Versichertenkarte könnte nur durch die Krankenkassen kontrolliert und reguliert werden, was jedoch offensichtlich nicht erfolgt. Andererseits propagieren einzelne Krankenkassen über die gesetzlich festgelegten Indikationen hinaus weitere eigene Zweitmeinungsverfahren, z. B. vor Wirbelsäulen-Operationen.

Neu in der G-BA-Richtlinie ist die gesetzliche Verankerung des Rechts auf die Einholung einer Zweitmeinung jetzt auch vor geplanten Schulter-Arthroskopien. So sehr dies aus Patientensicht nachvollziehbar ist, so sehr wird berechtigter Weise von der Fachärzteschaft kritisiert, dass damit auch der Generalverdacht einer nicht sachgerechten Indikationsstellung für diese Operation verbunden ist.

Auswirkungen auf den indikationsstellenden Facharzt („Erstmeiner“)

Die Richtlinie des G-BA schreibt verbindlich vor, dass der indikationsstellende Arzt die Patientinnen und Patienten auf ihr gesetzliches Recht auf die Einholung einer Zweitmeinung hinweisen muss. Darüber hinaus soll auf das entsprechende Merkblatt des G-BA [2] verwiesen werden. Der BDC empfiehlt dringend, die erfolgte Information schriftlich zu dokumentieren, z. B. als Ergänzung in der schriftlichen Operationseinwilligung.

Zu beachten ist die Frist von mindestens 10 Tagen vor der Operation, die eine entsprechende Bedenkzeit und eine Frist zur Suche eines Zweitmeiners einräumen soll. Der Anspruch auf Zweitmeinung umfasst sämtliche arthroskopischen Operationen an der Schulter, auch Rupturen der Rotatorenmanschette.

Sofern von Patientenseite eine Zweitmeinung gewünscht wird, ist der Erstmeiner verpflichtet, die relevanten medizinischen Unterlagen zusammenzustellen und auszuhändigen. Dafür kann er eine Aufwandspauschale nach EBM 01645 (75 Punkte, z. Zt. 8,24 €) abrechnen. Der Erstmeiner braucht keine potenziell geeigneten Zweitmeiner zu benennen, kann aber die Patientinnen und Patienten auf die Internet-Quellen hinweisen. Der im G-BA Merkblatt aufgeführte Link auf die KBV-Homepage führt zurzeit für die Schulter-ASK noch ins Leere (Stand 16.06.2020): https://www.116117.de/de/zweitmeinung.php

Dagegen findet man zum Beispiel über die Homepage der KV Niedersachsen den Verweis auf insgesamt 9 zugelassene Zweitmeiner in Niedersachsen (Stand: 16.06.2020): https://www.kvn.de/internet_media/Patienten/Arztsuche/Zweitmeinungsverfahren_+Schulterarthroskopien-p-23562.pdf

Auswirkungen auf den „Zweitmeiner“

Die Zulassung als „Zweitmeiner“ muss bei der zuständigen kassenärztlichen Vereinigung beantragt werden. Sofern keine Vertragsarzt-Zulassung oder Ermächtigung vorliegt, wird der Zweitmeiner ausdrücklich nur für diese Leistung für vertragsärztliche Leistungen ermächtigt. Voraussetzung ist eine Facharztqualifikation in Orthopädie und Unfallchirurgie oder Orthopädie oder Chirurgie mit Schwerpunkt/Teilgebiet Unfallchirurgie oder Physikalische Medizin und Rehabilitation. Darüber hinaus werden mindestens 5 Jahre Erfahrung in der unmittelbaren Patientenversorgung im Fachgebiet und „Kenntnisse über den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschung“ vorausgesetzt. Beurteilungskriterien dafür sind entweder die Erfüllung der Fortbildungsverpflichtung (!) oder eine Weiterbildungsbefugnis oder eine akademische Lehrbefugnis. Eigene praktische Erfahrungen mit der zu beurteilenden Operationsmethode werden nicht explizit gefordert.

Die Beurteilung der Op.-Indikation soll gemäß der G-BA Richtlinie in der Regel lediglich auf der Grundlage einer Anamneseerhebung und auf der Durchsicht der beim Erstmeiner erhobenen und zur Verfügung gestellten Befunde erfolgen. Es erscheint weltfremd, dass dabei keine körperliche Schulteruntersuchung durchgeführt wird. Gemäß der Richtlinie ist ein persönliches Beratungsgespräch erforderlich. Telefonische Beratungen oder Internet-basierte Verfahren sind nicht vorgesehen. Somit findet regelmäßig ein persönlicher Kontakt beim Zweitmeiner statt und dieser dürfte kaum auf die Gelegenheit verzichten, zur Beurteilung eine eigene orientierende Schulteruntersuchung durchzuführen.

Für die genannten Leistungen kann der zugelassene Zweitmeiner lediglich die Grundpauschale seines Fachgebietes abrechnen. (Für das Kapitel 18 des EBM also zwischen 20,00 € und 24,39 €). Diese wird extrabudgetär vergütet, wobei sich dieser „Vorteil“ durch die Regelungen des TSVG relativiert, weil es sich stets um „Neupatienten“ handeln dürfte, die ohnehin extrabudgetär vergütet werden. Weitere technische Untersuchungen sind möglich und auch abzurechnen, sofern nach Einschätzung des Zweitmeiners die überlassenen Unterlagen nicht ausreichen. Eine wesentliche Grundlage der Beurteilung dürfte dabei einem technisch einwandfreien MRT zukommen, für besondere Fragestellungen auch als Arthro-MRT, z. B. bei Läsionen am Labrum glenoidale.

Die Leistung des Zweitmeiners soll gemäß der Richtlinie auch die umfassende Beratung sowie eine schriftliche Zusammenfassung der Beurteilung zur Mitgabe und auf Wunsch des Patienten auch zur Weiterleitung an den Erstmeiner umfassen.

Diese im Grunde gutachterliche Leistung wird nicht gesondert vergütet.

Summa summarum ist die Zweitmeinung aus betriebswirtschaftlicher Sicht in keiner Weise auskömmlich bewertet, insbesondere, wenn man das Honorar für GKV Patienten mit der Bewertung in anderen Gebührenordnungen vergleicht. So gewährt die DGUV seit einiger Zeit für Zweitmeinungen im D-Arzt-Verfahren ein Honorar in Höhe von 65,00 € gemäß der UV-GOÄ Nr. 34, hier allerdings einschließlich einer umfassenden (und in der Realität auch notwendigen und durchgeführten) Untersuchung. Die Erstellung einer Zweitmeinung bei GKV-Versicherten ist somit überwiegend als Serviceleistung zu beurteilen. Die Motivation des Zweitmeiners kann somit vermutlich nur entweder mit Idealismus erklärt werden oder mit dem Wunsch, die eigene Einrichtung als Kompetenzzentrum für Schulterchirurgie zu profilieren.

Fazit

Die Einbeziehung der Schulter-Arthroskopie in das „strukturierte Zweitmeinungsverfahren“ seit Februar 2020 bietet für die Patientinnen und Patienten eine zusätzliche Möglichkeit, Sicherheit bei der Indikationsstellung vor diesen Operationen zu erlangen. Für die Operateure bedeutet das Verfahren eine zusätzliche zeitliche und bürokratische Belastung und das Ärgernis der Vermutung einer unsauberen Indikationsstellung. Die Tätigkeit als Zweitmeiner ist betriebswirtschaftlich unattraktiv. Der G-BA hat sich im § 10 der Richtlinie selbst die Aufgabe gestellt, die Umsetzung, die Auswirkungen und den Nutzen dieses Verfahrens wissenschaftlich durch ein externes Institut zu evaluieren. Erst wenn dazu erste Ergebnisse vorliegen, wird man sich ein definitives Urteil über die Auswirkungen dieses Verfahrens bilden können.

Literatur

1. Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Konkretisierung des Anspruchs auf eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung gemäß § 27b Absatz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) https://www.g-ba.de/downloads/62-492-2044/Zm-RL_2019-11-22_iK-2020-02-20.pdf zuletzt zugegriffen: 7.6.2020

2. Patientenmerkblatt Zweitmeinungsverfahren bei geplanten Eingriffen https://www.g-ba.de/downloads/17-98-4765/2019-10-28_G-BA_Patientenmerkblatt_Zweitmeinungsverfahren_bf.pdf zuletzt zugegriffen: 7.6.2020

Kalbe P: Zweitmeinung vor elektiver Schulterarthroskopie. Passion Chirurgie. 2020 Juni,10(7/8): Artikel 04_06.

Wann muss getestet werden vor elektivem ambulanten Eingriff?

Ist ein Abstrich auf SARS-CoV-2 vor einer elektiven ambulanten Operation grundsätzlich erforderlich?

Die Covid-19-Pandemie bestimmt weiterhin das tägliche Leben und hat eine ganze Reihe von Restriktionen im privaten und natürlich auch im beruflichen Umfeld zur Folge. Dies gilt im Besonderen für das Gesundheitssystem. In der Chirurgie betrafen die Einschränkungen in erster Linie das Krankenhaus, wo es darum ging möglichst schnell zusätzliche Beatmungskapazitäten zu schaffen, um den befürchteten Ansturm von intensivpflichtigen Covid-19-Patienten bewältigen zu können. Aus diesem Grund wurden planbare Operationen im Krankenhaus in der Regel eingestellt. Damit wurde einer Empfehlung der zuständigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften in Zusammenarbeit mit dem RKI und auch den Berufsverbänden gefolgt. Aber auch der ambulante Bereich war betroffen. So kam es nicht nur zu einem verständlichen Rückgang an elektiv zu operierenden Patienten, sondern es wurden in einigen Bundesländern sogar per Allgemeinverfügung des zuständigen Ministeriums elektive ambulante Operationen grundsätzlich untersagt.

Mit sinkenden Infektionszahlen und massivem Ausbau von Beatmungskapazitäten konnten dann schrittweise Lockerungsmaßnahmen vorgenommen werden – und dies betraf natürlich auch das Operieren. In den Krankenhäusern wurde schnell ein System etabliert, wobei Covid-19 Patienten von nichtinfizierten oder möglicherweise infizierten Patienten separiert wurden, um so eine Ausbreitung des Virus im Krankenhaus zu verhindern. Grundlage einer solchen Kohorten-Isolation ist das konsequente Testen der Patienten auf das SARS-CoV-2 Virus, sowohl bei Aufnahme als auch einige Tage später.

S1-Leitlinie der medizinischen Fachgesellschaften

Dieses Vorgehen folgt einer Anfang Juni veröffentlichten S1-Leitlinie der AWMF, erstellt von den zuständigen medizinischen Fachgesellschaften und unter maßgeblicher Beteiligung unseres Präsidenten als Vertreter von DGCH und BDC [2]. Die Leitlinie entstand insbesondere unter dem Eindruck der sogenannten „Birmingham-Studie“. Diese im Lancet publizierte Arbeit untersuchte im ersten Quartal 2020 operierte Patienten aus diversen chirurgischen Fachbereichen und fand im Ergebnis bei SARS-CoV-2 positiv getesteten Patienten eine deutlich erhöhte 30-Tage Letalität von 27,1 Prozent bei großen Eingriffen, aber eben auch von 16,4 Prozent bei kleineren Operationen [5]. Letztgenannte Eingriffe werden häufig im ambulanten Setting durchgeführt. Daraus ergibt sich die Frage, wie möglichst zuverlässig verhindert werden kann, dass SARS-CoV-2 positive Patienten unerkannt auf dem Operationstisch eines niedergelassenen Operateurs landen.

Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit, einen Abstrich vor jeder Operation zwingend zu veranlassen. Dieses Vorgehen findet man oft in einem ambulanten von einer Klinik betriebenen Operationszentrum. Hintergrund ist die verständliche Befürchtung, dass nicht erkannte SARS-CoV-2 positive Patienten in den klinikeigenen OP-Saal gelangen und möglicherweise eine Infektion von Personal und anderen Patienten verursachen, mit erheblichen Auswirkungen auf die Versorgung und Funktionsweise der Klinik. Problematisch ist hier die Finanzierung der Laborkosten. Für stationäre Patienten erhält das Krankenhaus für zusätzliche Hygieneanforderungen im Rahmen der Pandemie eine kürzlich in der Höhe auf 100 € angehobene Zusatzpauschale, welche zumindest einen Teil der Test-Kosten abdecken soll. Für ambulante Operationen am Krankenhaus gilt dies aber nicht. Nach derzeitiger Rechtslage müssen die Kosten bei fehlendem Verdacht auf Vorliegen einer Infektion vom Patienten selbst getragen werden oder sie werden dem Operateur vom Krankhaus in Rechnung gestellt.

Bei rein ambulant betriebenen Operationseinheiten besteht grundsätzlich auch ein Risiko, dass das Personal infiziert werden kann oder der Patient selbst einen ungünstigen postoperativen Verlauf durchlebt. Gleichwohl ist eine Testung im ambulanten Bereich zur Verhinderung solcher Ereignisse nur bedingt praktikabel. Zum einen müsste der Patient sich nach erfolgtem Abstrich konsequent in häusliche Quarantäne begeben, denn er könnte sich ja bis zum Operationsdatum andernorts noch infizieren. Dann müsste in einem kurzen Intervall vor der Operation nochmalig getestet werden. Erst dann könnte man mit großer Wahrscheinlichkeit sagen, dass der Patient auch wirklich frei von einer Infektion ist. Auch wenn mit der Rückkehr von Reisenden aus Risikogebieten am Ende des Sommers steigende Infektionszahlen vom RKI gemeldet werden, so ist die Wahrscheinlichkeit einer solchen Infektion über alles als sehr gering zu betrachten.

Empfehlung des BDC

Vor diesem Hintergrund empfiehlt der BDC an Stelle einer regelhaften Testung vor ambulanten elektiven Eingriffen eine Risikoanalyse für die einzelne operative Einrichtung vorzunehmen. Berücksichtigt werden müssen dabei das Risikoprofil der Eingriffe, die Anästhesie-Art und die lokale Infektionshäufigkeit. So stellt es einen Unterschied dar, ob sich das ambulante Operationszentrum im windverwöhnten Schleswig-Holstein befindet, wo über Wochen keine oder kaum Neu-Infektionen zu verzeichnen waren oder ob in unmittelbarer räumlicher Nähe sich ein Infektionscluster befindet. In dieser Situation gilt es die Lage mit dem örtlichen Gesundheitsamt zu analysieren. Dieses Vorgehen wird sowohl in der schon zitierten Leitlinie als auch in einer aktuellen Verordnung aus dem BMG vom Juli 2020 so empfohlen [1,2]. Sollte dann von Amts wegen eine Testung als notwendig erachtet werden, so ist auch die Finanzierung der Laborkosten geregelt und würde vom öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) übernommen werden. Zu Lasten der GKV kann der präoperative Abstrich auf SARS-CoV-2 ausdrücklich nicht verordnet werden, darauf hatte die KBV in einer Mitteilung vom 18. August 2020 hingewiesen [4]. Dies wäre nur im Verdachtsfall auf eine vorliegende Infektion oder nach Rückkehr aus einem Risikogebiet möglich – aber solche Patienten gehören sowieso nicht auf den Operationstisch für eine elektive Operation.

Abschließend ist den ambulant tätigen Chirurginnen und Chirurgen zu empfehlen, jeden ihrer Patienten bzgl. einer vorliegenden oder stattgehabten Covid-19 Infektion zu evaluieren. Dafür eignen sich Kurzfragebögen, wie sie in Kliniken regelhaft zur Anwendung kommen und die vom Patienten selbst ausgefüllt werden können [3]. Bei begründetem Verdacht auf Vorliegen einer Infektion liegt eine Indikation für einen elektiven Eingriff, sei es ambulant oder stationär, nicht mehr vor. Alle anderen Patienten können im ambulanten Setting bei der derzeit in Deutschland vorliegenden Infektionslage ohne vorherigen Abstrich auf SARS-CoV-2 operiert werden, sofern nicht in Abstimmung mit den lokalen Gesundheitsbehörden ein verpflichtendes Test-Regime festgelegt wurde.

(1) Bundesministerium für Gesundheit: Verordnung zur Änderung der Verordnung zum Anspruch auf bestimmte Testungen für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 Bundesanzeiger. Veröffentlicht am 31. Juli 2020

(2) https://www.AWMF.org: Interdisziplinär abgestimmte Empfehlungen zum Personal- und Patientenschutz bei Durchführung planbarer Eingriffe zur Zeit der SARS-CoV-2-Pandemie. Registrierungsnummer: 017-080, Entwicklungsstufe: S1 Stand: 03.06.2020

(3) https://www.divi.de/aktuelle-meldungen-intensivmedizin/neuer-anamnesebogen-bei-verdacht-auf-sars-cov-2-covid-19

(4) https://www.kbv.de/html/1150_47566.php Übersicht: Test auf SARS-CoV-2 in der Arztpraxis (Stand 18.08.2020)

(5) Nepogodiev, D., Glasbey, J.C., Li, E., Omer, O., Simoes, J.F.F., Abbott, T.E.F., …. Dolores del Toro, M.: Mortality an pulmonary copmplications in patients undergoing surgery with perioperative SARS-CoV-2 infection: an international cohort study. The Lancet (2020) 396: 27-38 published online May 29, https://www.thelancet.com/pdfs/journals/lancet/PIIS0140-6736(20)31182-X.pdf

 

Webinar-Termin im September 2020: S1-Leitlinie „Verletzungen der oberen Halswirbelsäule“

S1-Leitlinie „Verletzungen der oberen Halswirbelsäule”
03.09.2020, 18:00 Uhr
Dr. med. Matti Scholz

Vorstellung der neuen DGU S1-Leitlinie „Verletzungen der oberen Halswirbelsäule“ um die Zuschauer über die Diagnostik, die Klassifikation und die Behandlungsoptionen von Verletzungen der oberen Halswirbelsäule (C0-C2) zu Informieren.

www.bdc-webinare.de

Seit September 2017 gibt es die BDC|Webinare (www.bdc-webinare.de). Bisher wurden auf der Plattform insgesamt 28 Leitlinien von Experten erfolgreich vorgestellt und besprochen. Jeden Monat wird von einem 45-minütigen Webinar eine chirurgisch relevante Leitlinie in ihren Grundzügen vorgestellt. Anschließend kann mit dem Referenten und anderen Teilnehmern via Chat diskutiert werden, selbstverständlich kostenfrei für alle BDC-Mitglieder. Und jede Teilnahme wird in der Regel mit zwei CME-Punkten zertifiziert.

Webinare im Archiv abrufen

Auch wenn einmal ein Termin verpasst wird, ist das kein Problem, denn der aufgezeichnete Vortrag mit Diskussion kann jederzeit aus dem Webinar-Archiv abgerufen werden. Detaillierte Informationen und Termine zu diesem Lernangebot und allen Webinaren sind unter www.bdc-webinare.de zu finden.

Geplante Webinar-Termine

  • S2k-Leitlinie „Koxarthrose“ Do, 24. September, 2020, 18:00 Uhr PD Dr. med. Oliver Pieske , Dr. med. Michael Breul

Weitere spannende Webinare für 2020 sind in der Vorbereitung

ZDF-Morgenmagazin: OP-Aufkommen normalisiert sich

Das MOMA berichtete am 20. August 2020 über die Situation in deutschen OP-Sälen nach dem Lockdown. Dabei gab Prof. Joachim Jähne, Chefarzt Chirurgie, Viszeralchirurgie, spezielle Viszeralchirurgie und chirurgische Intensivmedizin am DIAKOVERE-Klinikum in Hannover seine Einschätzung stellvertretend für den Berufsverband der Deutschen Chirurgen und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie: „Seit Mitte Juni arbeitet das Klinikum wieder im Normalbetrieb. Eine deutliche Entspannung ist zu verzeichnen.“ Patienten, deren Eingriffe verschoben werden mussten, würden wieder einbestellt. „Wir sind auf einem guten Weg“, so Professor Joachim Jähne.

Hier geht’s zum Beitrag:

https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/morgenmagazin/videos/corona-aktuell-aufgeschobene-ops-100.html

Juli/August-Ausgabe: PASSION CHIRURGIE

Seit Februar 2020 gilt die Ausweitung des Zweitmeinungsverfahrens auf die elektive Schulterarthroskopie – was sollten der indikationsstellende Facharzt und der hinzugezogene „Zweitmeiner“ dabei beachten? Eine ausführliche Betrachtung der unterschiedlichen Positionen gibt BDC-Vorstandsmitglied Dr. Peter Kalbe in der frisch veröffentlichten Passion Chirurgie.

Sie erfahren auch in dieser Sommerausgabe, welche Ziele und Wünsche der neue DGCH-Präsident Professor Michael Ehrenfeld für seine Amtszeit, den kommenden DCK und die Chirurgie hat.

Juli/August-Ausgabe PASSION CHIRURGIE
Alle Ausgaben PASSION CHIRURGIE

Chirurg aus Leidenschaft

zur Artikelserie …

Prof. Dr. med. Carsten Krones ist Leiter des Themen-Referats Leitende KrankenhauschirurgInnen” des BDC und Mitglied im erweiterten Vorstand. In unserer Artikelserie erzählt er seine persönliche Geschichte, warum er Chirurg geworden ist – und warum er seither für diesen Beruf brennt.

In meinen frühen Grundschultagen erkrankte meine Mutter schwer. Auch ein wochenlanger Krankenhausaufenthalt meiner Mutter brachte für uns keine befriedigende Klärung. Da gab es also etwas zu lösen, und wenn es kein anderer macht… Und so hatte ich im zarten Alter von acht Jahren meinen Beruf gefunden. „Ich werde Arzt!“, antwortete ich in schönster Regelmäßigkeit – auch nachdem meine Mutter bereits lange genesen war – auf die immer wiederkehrende Tanten-Onkel-Oma-Opa-Nachbar-Frage nach dem späteren Berufswunsch mit leicht überheblichem, aber unbeirrbaren Selbstverständnis, was je nach Zugeneigtheit der fragenden Person wechselnd beeindruckte oder brüskierte.

Meine restliche Kindheit verlief völlig normal, und wurde – wie es einem Vorstadtjungen aus dem Ruhrgebiet geziemt – von regelmäßigen, größeren und kleineren Unfällen unterbrochen, die meinen Vater und mich zu genauso regelmäßigen Besuchen in die Chirurgie des lokalen Krankenhauses führten. Und woran mein Vater sich nie gewöhnen konnte, dass Knochen beim Sturz vom Baum, beim Fußball oder bei der Kollision mit wohlgemerkt stehenden Autos bei Kindern leider brechen und die Haut platzt. Mein Augenmerk als routinierter Stammgast der Unfallambulanz fiel dagegen bald auf anderes.

Während Papa also wieder mal blass auf der Liege neben mir lag –mein Unterarm war gebrochen –wurde ihm in den goldenen 70ern als Kreislaufstütze sogar ernsthaft ein Cognac angeboten, meine Aufmerksamkeit gehörte jedoch mehr und mehr den handelnden Personen. Die vom ärztlichen und pflegerischen Ambulanzpersonal ausgestrahlte, gesunde Mischung aus gelassener Souveränität und stringenter Handlungsbereitschaft beeindruckte mich gepaart mit einer Prise lässigen Draufgängertums tief und vor allem nachhaltig. „Ich werde Chirurg!“, lautete für mich als Spross einer Handwerkerfamilie nicht mehr ganz überraschend nun die Lösung im Familien- und Freundeskreis.

Nach meinem Abitur folgte das Studium und mit fortschreitenden Erfahrungen und Kontakten verfestigte sich das unbedarfte Motto des Adoleszenten zu einem veritablen Ziel. Denn auch die angestrebte Peergroup stimmte, konnten Chirurgen doch beides: Pflicht und Kür, also viel arbeiten und fröhlich feiern. Aus dem Beruf wurde Berufung. Heute, 27 Jahre nach dem Start in einer kleinen Kölner Klinik, nach Stationen in allen Versorgungsstufen, nach dem Überstehen von 27 Ober- und vier Chefärzten, arbeite ich jetzt knapp zehn Jahre als Chefarzt: Ein solider Realitätssinn überstrahlt die juvenile Naivität von einst. Doch geblieben ist die Begeisterung für die Kraft des Faktischen, für den befreienden Charakter der Tat, für die Konsequenz stringenten Handelns, für die Kombination von Härte und Empathie, für die unmittelbare Beteiligung an echter Heilung und für die damit verbundene, tiefe und ganz persönliche Bedeutung im Leben der anvertrauten Patienten. Chirurg zu sein, ist ein ganz wunderbarer Beruf, und die Chirurgie eine ganz wunderbare Berufung. Selbst die mittlerweile fast unzähligen deutschen Gesundheitsreformen konnten diese Faszination nicht brechen. Und so würde ich alles wieder so machen. Übrigens auch Chefarzt werden, doch das ist eine eigene Geschichte.

Kleinlicher Streit um Erfolge in der Pandemiebewältigung

Bislang erzielte medizinische Erfolge in der Pandemiebewältigung sind auf die sachgerechte und sektorenübergreifende  Kooperation zwischen Praxen und Kliniken zurückzuführen

Die aktuelle Auseinandersetzung zwischen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und den Kassenärztlichen Vereinigungen um bisher erreichte Erfolge in der Pandemiebewältigung ist unangemessen und wird der Tragweite dieser weltweiten medizinischen Krise nicht gerecht.

Prof. Dr. Dr. Hans-Joachim Meyer, Präsident des Berufsverbands der Deutschen Chirurgen: „Der Streit darum, ob die niedergelassenen Ärzte, die nach eigenen Aussagen sechs von sieben Covid-19-Patienten erfolgreich behandelt haben oder ob die Ärzte in den Notfallambulanzen und auf den Intensivstationen der Krankenhäuser den Ausbruch des Sars-CoV-2 maßgeblich haben bewältigen können, ist wenig nachvollziehbar und schadet dem Ansehen unseres Gesundheitssystems insgesamt. Die niedergelassenen Kollegen konnten einen hohen Anteil der Patienten behandeln, weil Patienten mit vergleichsweise milden Verläufen vor allem in die Praxen gekommen sind; so ist es gelungen, Kapazitäten in Krankenhäusern primär für Patienten mit schweren Symptomen vorzuhalten.

Darüber hinaus konnte im Gegensatz zu anderen Ländern ein Großteil der Abstrichdiagnostik und damit eine potenzielle Infektionsquelle von den Kliniken ferngehalten werden. Dies zeigt einmal mehr, wie leistungsstark das deutsche Gesundheitswesen insgesamt im Zusammenspiel der Sektoren ist.

Auch der weitere medizinische Erfolg im Umgang mit der weiterhin bestehenden Bedrohung durch das Virus bei erneut ansteigenden Infektionszahlen wird entscheidend  davon abhängen, wie gut die verschiedenen Sektoren in der medizinischen Versorgung der Covid-19-Patienten kooperieren.

Diese ernste Thematik zu instrumentalisieren, um etwa Gesetzesentwürfe, wie die Reform der Notfallversorgung oder anstehende Strukturdiskussionen im Gesundheitswesen generell, in die eine oder andere Richtung beeinflussen zu wollen, lehne ich entschieden ab und halte eine solche Diskussion für wenig zielführend.“

Katarakt – am häufigsten verschobene Op

Das Ziel des medizinischen Shutdowns wurde erreicht. Auswirkungen der Verschiebungen müssen genau untersucht und Pandemiepläne künftig regional und lokal angepasst werden.

Berlin, den 28.07.2020 – Die Auswertung von Daten eines bundesweiten Benchmarking-Programms für OP-Prozesszeiten hat einen Rückgang der Operationen während des Shutdowns im April von 41 Prozent ergeben. Am häufigsten unter den verschobenen Eingriffen waren Katarakt-operationen mit -79 Prozent, die Entfernung der Rachenmandeln mit -82 Prozent und die Implantation von Kniegelenkendoprothesen mit -80 Prozent. Etwas häufiger unter den verschobenen Operationen wurden noch Kniegelenkathroskopien, -67 Prozent, durchgeführt sowie Osteosynthesematerial, also beispielsweise Schrauben und andere Befestigungen, -51 Prozent entfernt. Demgegenüber hat die Anzahl der Kaiserschnitte, der versorgten Knochenbrüche und Blinddarment-zündungen gar nicht beziehungsweise nur sehr geringfügig abgenommen.

Prof. Dr. Dr. Hans-Joachim Meyer, Präsident des Berufsverbands der Deutschen Chirurgen kommentiert die Ergebnisse: „Das Ziel des medizinischen Shutdowns, elektive Operationen weitestgehend zu verschieben und den medizinischen Betrieb von Volllast in einen auf Covid-19 ausgerichteten Notbetrieb umzusteuern, wurde in den Krankenhäusern vorbildlich umsetzt. Wir sehen jetzt aber auch, dass viele Betten, die für Covid-19-Patienten freigehalten, dafür nicht benötigt wurden.

Die Epidemie ist jedoch noch nicht ausgestanden und jetzt geht es darum, Lehren aus dieser Zeit für eine etwaige zweite Welle zu ziehen. Dazu gehört auch, die Pandemiepläne so umzuarbeiten, dass bei einem Anstieg des Infektionsgeschehens, die Krankenhäuser ihren Betrieb mit einem Anteil elektiver Operationen weiter aufrechterhalten können. Einen nahezu vollständigen Shutdown mit einer Priorisierung der Behandlung von Patienten mit Covid-19 sollte möglichst vermieden werden – insbesondere auch, um nicht Patientengruppen mit komplexen Krankheitsbildern zu verunsichern.

Dies könnte unter anderem erreicht werden, indem bundesweit Pläne für die Steuerung von Patienten unter Pandemiebedingungen entwickelt werden. Diese sollten dann lokal und regional, durch sektorenübergreifende Gremien auf die Rahmenbedingungen vor Ort angepasst werden.“

„Unsere Auswertung der OP-Prozesszeiten zeigt einen verantwortungsvollen Umgang der Ärzte bei der Verschiebung planbarer Operationen. Jetzt geht es darum, den Stau der aufgeschobenen Operationen abzuarbeiten. Es wird selbst bei einer Steigerung des OP-Aufkommens auf 110 Prozent des Vor-Corona-Niveaus zirka 27 Wochen dauern“, so Dr. Enno Bialas, Geschäftsführer von digmed und Autor der Studie.

Zum Benchmarking-Programm für OP-Prozesszeiten:

Das Programm gibt es seit 2009: Es analysiert perioperative Prozesszeiten wie zum Beispiel Schnitt-Naht-Zeiten im OP. Tragende Verbände bzw. Fachgesellschaften sind der Berufsverband Deutscher Anästhesisten (BDA), die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie (DGAI), der Verband für OP-Management (VOPM) sowie der Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC). Insgesamt wurden Daten von 170 Krankenhäusern aller Versorgungsstufen für die Auswertung zu den Auswirkungen des Lockdowns berücksichtigt.

Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC)

Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC) ist mit über 17.600 Mitgliedern die größte europäische Chirurgenvereinigung. Er vertritt die berufspolitischen Interessen deutscher Chirurginnen und Chirurgen in Klinik und Praxis.

digmed GmbH

digmed ist eine Hamburger Unternehmensberatung im Gesundheitswesen mit Schwerpunkt auf OP-Management. Das Unternehmen hat 2009 ein bundesweites Benchmarkingprogramm aufgesetzt zur Optimierung der OP-Prozesszeiten. Knapp 300 Kliniken von der Grund- und Regelversorgung über Maximalversorger und Universitätskliniken nutzen das Internetportal zur Analyse ihrer Daten.

Der BDC – Meine Zukunftsvision

Ein runder Geburtstag bietet Anlass zu feiern, Vergangenes zu würdigen, den Moment zu schätzen und Zukunftspläne zu schmieden. Wo sehen wir uns in den nächsten fünf bis zehn Jahren? Schöpfen wir unser volles Potenzial aus? Am 23. April 2020 wird der BDC 60 Jahre alt – sind wir auch für den 65. Geburtstag gerüstet?

Diese Frage haben wir uns am Beispiel der BDC-Aktivitäten in den Jahren 2019 und 2020 gestellt. Extrapolieren wir diese für die kommenden Jahre, blicken wir sehr zuversichtlich auf die Weiterentwicklung unseres Verbandes. Besonders freut uns: Die Mitgliederzahlen steigen stetig, mittlerweile etwas langsamer, aber dennoch kontinuierlich an. Aktuell bietet der BDC mehr als 17.500 ChirurgInnen ein berufspolitisches Dach.

Eines unserer Aushängeschilder ist die BDC|Akademie. Sie hat 2019 ca. 170 Veranstaltungen mit über 4.800 Teilnehmern ausgerichtet. Möglich gemacht haben dies insbesondere die zahlreichen Kolleginnen und Kollegen, die sich auf fachlich hohem und höchstem Niveau für die Fort- und Weiterbildung der Akademie engagieren. Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt! Neu in das Angebot 2020 kommen ein Fachseminar zur Robotik, der „Der ökonomische Notfallkoffer für Chirurgen“ und ein Webinar zur Nachlese des Deutschen Chirurgenkongresses (DCK). Der Nachwuchsbereich produziert aktuell Lernvideos zur gezielten Prüfungsvorbereitung, die Website www.chirurg-werden.de wurde hinsichtlich Layout und Technik überarbeitet und nun schrittweise mit neuen Inhalten bestückt. Zusätzlich arbeitet der BDC gerade am Ausbau einer neuen eLearning-Plattform, die noch in diesem Jahr als sogenannte eAkademie an den Start gehen wird. So können künftig Präsenzseminare noch besser durch elektronische Angebote ergänzt werden. Damit greift die Akademie aktuelle und spannende Themen wie Robotik und Digitalisierung, Ökonomisierung wie auch die Bedürfnisse des Nachwuchses durch eLearning konstruktiv auf.

In enger Zusammenarbeit mit unserem Kooperationspartner, der Ecclesia med GmbH, erarbeitet der BDC kontinuierlich neue, attraktive Versicherungspakete und Rahmenverträge zu vergünstigten Konditionen für seine Mitglieder. Die Rechts- und Karriereberatung durch die Kanzlei Dr. Heberer erfreut sich seit Jahren höchster Beliebtheit und für Vertragsärzte wird in Kürze ein neuer Rahmenvertrag im Bereich Hygiene hinzukommen – um nur einige interessante Entwicklungen und Angebote aus unserem Verband zu nennen. Seine Mitglieder und die (Fach-)Öffentlichkeit informiert der BDC zielgerichtet und regelmäßig über unterschiedliche Medienkanäle, wie die PASSION CHIRURGIE, die BDC-Website, Newsletter, Pressemitteilungen und Social Media-Plattformen. Als Verband spielen die Lobbyingaktivitäten des BDC eine besondere Rolle: Bei den einschlägigen Körperschaften und Organisationen wie auch beim Gesetzgeber setzt sich der BDC beharrlich für den Erhalt und die Verbesserung der wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen seiner Mitglieder ein. Die Erfolge politischen Handelns sind nicht am nächsten Tag sichtbar: Für Lobbyisten zählt deswegen immer die Langstrecke – nicht der Sprint. Unsere Ausgangslage ist also durchaus positiv zu bewerten.

Wählen wir eine andere Perspektive: „Grundlage und Ausgangspunkt eines Konzepts (…) der strategischen Verbandsführung sollte (…) die Einigung auf grundlegende Überzeugungen und Werthaltungen sowie grundsätzliche Ziele des Verbandes sein. Diese Elemente können in einem Grundsatzprogramm (…) dokumentiert werden (…).“, so ist es in der Managementliteratur zu lesen. Auch hier können wir positive Nachrichten vermelden: Das Grundsatzprogramm des BDC findet sich – wie im Editorial dargestellt – prägnant und seit 60 Jahren nahezu unverändert und weiterhin zutreffend in unserer Satzung und den Gründungsstatuten wieder: Im Mittelpunkt aller Aktivitäten des BDC stehen originär die Unterstützung von ChirurgInnen sowie der Erhalt des Fachs Chirurgie. Keine Frage: Der BDC ist und bleibt damit ein wichtiger Akteur im Bereich der Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit, fachlicher, rechtlicher und wirtschaftlicher Interessenvertretung sowie der Fort- und Weiterbildung. Trotzdem muss die Frage erlaubt sein, ob der BDC für die Zukunft strategisch optimal aufgestellt ist.

Lassen Sie uns daher konkreter werden! Es kann also hervorgehoben werden, dass die BDC-Mitglieder, einschließlich Vorstand und Geschäftsführung, eine Wertegemeinschaft bilden, und das ist gut so. Bemerkenswert ist weiterhin, dass diese Werte und Überzeugungen so stabil sind, dass sie seit 60 Jahren im Grundsatz bestehen. Und genau diese Tatsache bietet Chancen und Herausforderungen zugleich. Eine besondere Herausforderung besteht darin, sich bei konstanter Zielsetzung kontinuierlich von innen heraus zu erneuern. Chance hingegen ist, dass wir mit einer stabilen Wertegemeinschaft von über 17.500 ChirurgInnen die Stimme erheben, Stimmungen erzeugen können!

Denn, was sind die drängenden Fragen der Zeit? Wie stellen Sie sich die Versorgung der Zukunft vor? Fühlen Sie sich durch den Gesetzgeber repräsentiert? Was halten Sie von der Politik unseres durchaus umtriebigen Gesundheitsministers? Und was halten Sie davon, dass Jens Spahn agiert und zwar in Bereichen, in denen zuvor Stillstand angesagt war? Soll der BDC weiterhin primär in Serviceangebote investieren (was eine gute Sache ist)? Oder soll sich der BDC stärker in die politische Gestaltung einbringen? Hierzu eine kleine Anekdote. Frisch in der Funktion als Geschäftsführerin des BDC wurde ich nach meinen Vorstellungen gefragt. Meine Antwort lautete: Während meines Großbritannienaufenthaltes an der London School of Economics, wo ich einen Masterstudiengang absolvierte, war in der Presse regelmäßig zu lesen: „Surgeons say (….)“, und was die britischen ChirurgInnen sagen, wird in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Das also ist meine Vision für den BDC! Dass wir vermehrt auch in Hinblick auf Politik und Öffentlichkeitsarbeit das Potenzial nutzen, welches dem BDC, welches ChirurgInnen gegeben ist – aufgrund der Wertegemeinschaft, aufgrund der großen Hingabe in Bezug auf Ihre anspruchsvolle Tätigkeit, aufgrund Ihrer Faszination und Passion für Ihr Fach, trotz bestehender Differenzen im Detail! Dass der BDC Gesicht zeigt!

Der BDC besitzt unzweifelhaft die notwendigen strategischen Instrumente, um seine Ziele zu erreichen. Gleichzeitig gilt es, den BDC immer wieder neu auszurichten und auf die aktuellen Rahmenbedingungen und Fragestellungen vorzubereiten. Vor diesem Hintergrund haben sich der erweiterte Vorstand und die Geschäftsführung dazu entschlossen, 2020 einen Strategieprozess einzuleiten, an dessen Ende als Arbeitsergebnis idealerweise eine konkrete Agenda 2025 steht. Ziel ist es, auf Basis des satzungsgemäßen Grundsatzprogramms, neue Handlungsfelder zu identifizieren und die entsprechenden Prioritäten und Maßnahmen abzuleiten.

Deswegen interessiert mich: Was treibt Sie um, wenn Sie in Ihre chirurgische Zukunft blicken? Welche Fragen verlangen nach Antworten? Zweifelsohne gehören dazu Fragen nach dem Umgang mit:

  • dem Nachwuchsmangel,
  • den Problemen in strukturschwachen Regionen,
  • den vielen z. T. kleinen Krankenhäusern in Ballungsgebieten,
  • der zunehmend möglichen ambulanten Versorgung von PatientInnen,
  • der Abwanderung des ärztlichen Nachwuchses in Anstellungsverhältnisse,
  • der zunehmenden Abgabe chirurgischer Praxen an klinikgeführte Medizinische Versorgungszentren aus wirtschaftlichen Gründen,
  • der fortschreitenden Ökonomisierung einschließlich dem Spannungsverhältnis zwischen leitenden Ärzten und Geschäftsführungen
  • der Zunahme IT-technischer Möglichkeiten,

um nur einige zu nennen. All diese Rahmenbedingungen prägen in der einen oder anderen Weise bereits jetzt Ihre chirurgische Tätigkeit und Ihre Wahrnehmung derselben.

In dem geplanten Strategieprozess wird es nun darum gehen zu priorisieren, welcher Handlungsfelder sich der BDC verstärkt annehmen wird. Interessant wird es vor allem werden, wenn es darum geht, den jeweiligen Handlungsfeldern konkrete Maßnahmen zuzuordnen. Eine wichtige Weichenstellung wird dabei sein, ob – wie bereits ausgeführt – der BDC wie bislang primär auf Service-Leistungen setzen will, um Sie als Mitglieder so gut es geht in Ihrer Tätigkeit zu unterstützen, oder ob sich der BDC zukünftig auch politisch und medial stärker einbringen soll, um auf Basis abgestimmter Positionen und Konzepte die politischen Rahmenbedingungen der chirurgischen Tätigkeit noch sichtbarer mitzugestalten und deren Weiterentwicklung zu prägen und einzufordern. Ich plädiere ganz klar für Letzteres! In diesen Diskussionen werden wir uns auch von den Ergebnissen der aktuellen Mitgliederbefragung leiten lassen, an der Sie sich dankenswerterweise so zahlreich beteiligt haben. Die Mitgliederbefragung stellt für uns eine sehr wichtige Arbeitsgrundlage im Strategieprozess dar. Genauso wichtig sind für uns auch die Anregungen, die uns über das Präsidium im November 2019 erreicht haben. Auch hierfür bedanken wir uns sehr herzlich!

Unabhängig von der durch den Strategieprozess initiierten Agenda sind schließlich die Fragen nach der grundsätzlichen Ausrichtung des BDC immer wieder neu zu beantworten: Derzeit erwägt der BDC eine Ausweitung seiner Angebote auch für medizinnahe Berufsbilder. Dies geschieht nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die Themen Kooperation, Koordination und auch Delegation stetig an Bedeutung zunehmen werden und der BDC diese Entwicklungen konstruktiv begleiten möchte. Auf die Fortschritte der Einheit der Chirurgie, auch im Zuge der Personalunion des Generalsekretärs der DGCH und des BDC-Präsidenten durch Prof. Dr. med. Dr. h.c. Meyer, wurde bereits in diesem Editorial eingegangen. Hieran soll angeknüpft werden. Last but not least wird der Repräsentanz aller Säulen, einschließlich der Orthopädie und Unfallchirurgie, und natürlich des niedergelassenen und des stationären Versorgungsbereichs, deren Grenzen zunehmend unschärfer werden, unter dem Dach des BDC ein unverändert hoher Wert beigemessen und auch zukünftig mit Nachdruck weiterverfolgt und gelebt werden.

Zusammenfassend ist der BDC also solide und zukunftssicher aufgestellt. Gleichzeitig sollten Handlungsfelder und Maßnahmen mit Blick auf aktuelle Entwicklungen priorisiert und angepasst werden. Dabei sollten die Signale klar zu Gunsten von Strategie, Politik und Öffentlichkeitsarbeit gestellt werden. Damit wir die Rahmenbedingungen chirurgischen Handelns wieder mitgestalten und nicht nur Gesicht zeigen, sondern auch Gehör finden. Das ist und wird künftig eine der Hauptaufgaben unseres Berufsverbandes sein!

Burgdorf F: Der BDC wird 60 – wir gratulieren und blicken in die Zukunft! Passion Chirurgie. 2019 März, 9(03): Artikel 07_01.

Mit Arroganz und Ignoranz kann kein Nachwuchs akquiriert werden

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Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen feiert in diesem Jahr sein 60-jähriges Bestehen. Präsident Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer im Gespräch über Veränderungen in der Arbeitskultur und ihre Auswirkungen auf das Fach, über Effekte der Kommerzialisierung in der Medizin und wie Nachwuchskräfte gewonnen werden können.

 

Aus der Perspektive des Mediziners, aber auch der des Funktionärs, wo sehen Sie den stärksten Wandel in berufspolitischer Hinsicht?

Meyer: Den Gedanken an ein Arbeitszeitschutzgesetz in der Chirurgie gab es früher weitgehend nicht. Es war egal, ob man um 22 oder 24 Uhr nach Hause gekommen ist. Am nächsten Tag wurde weiter gearbeitet. Familie und Beruf waren auch damals von Bedeutung. Heute werden die Bereiche aber sehr viel intensiver eingefordert und es ist selbstverständlich sinnvoll, Arbeitszeitbeschränkungen vorzugeben. Zu meiner Zeit in der Weiterbildung oder auch als Oberarzt hat nur keiner darüber geredet.

Diese Einstellung der nachfolgenden Generationen ist auch gut, aber in der Realität eben mitunter schwer umzusetzen. Oft können die Vertreter der Generation Y oder Z ihre Eingriffe wegen der Arbeitszeitgesetze nicht im ausreichenden Umfang durchführen.

Ist das ein internationales Phänomen?

Meyer: Es ist ein internationales Phänomen. Wenn ich mit Kollegen aus Italien, aus England spreche bis hin nach Asien – bei der berühmten Arbeitsbereitwilligkeit der Asiaten – höre ich gleichlautende Schilderungen. Auch was die Feminisierung der Medizin betrifft, entwickeln sich die Zahlen ähnlich wie in Deutschland, wo 66 Prozent der Medizinstudierenden weiblich sind. Das sind Herausforderungen, die wir versuchen, bestmöglich zu regeln.

Wir haben jetzt knapp 400.000 Ärzte in der Bundesrepublik, von denen aber immer mehr in Teilzeit arbeiten möchten. Und das bewundere ich wieder an der jüngeren Generation: Sie sagt, hoppla, wir wollen ja, aber bitte auch zu unseren Bedingungen. Das hätte sich vor 50 Jahren keiner zu sagen getraut.

Wie wirkt sich die vielzitierte Ökonomisierung im Gesundheitswesen auf das Fach Chirurgie aus?

Meyer: Der Einfluss der Ökonomie ist generell sicherlich auch gut und notwendig in der Medizin. Aber nach meiner Definition gehört er abgekoppelt von der Kommerzialisierung. Nicht nur in einem Haus der Grund- und Regelversorgung, bei einem Maximalversorger oder einer Universitätsklinik hat die Einführung des DRG-Systems negative Effekte gezeigt, so dass sich manche Eingriffe finanziell gar  nicht mehr lohnen. Und dann gibt es wiederum Eingriffe, die besonders attraktiv sind und entsprechend das Einkommen für das Krankenhaus sichern. Ich bin der festen Überzeugung, die Ökonomisierung darf nicht darin gipfeln, dass in den Krankenhäusern reizvollen, kostensparenden oder einkommenssteigernden Eingriffen der Vorzug gegeben wird. Das Vergütungssystem ist zu holzschnittartig und produziert so enorme Verwerfungen.

Prof. Dr. Dr. hc. Hans-Joachim Meyer im Kurzporträt

Präsident des Berufsverbands der Deutschen Chirurgen und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie

Prof. Dr. Dr. hc. Hans-Joachim Meyer blickt auf eine jahrzehntelange Karriere als Chirurg in der Transplantations- und Abdominalchirurgie zurück. 1974 begann er seine Facharztausbildung an der Medizinischen Hochschule Hannover. 1981 erfolgte seine Habilitation. 1996 wechselte Prof. Hans-Joachim Meyer als Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie an das Städtische Klinikum Solingen.  Zu seinen wissenschaftlichen Schwerpunkten zählen die Laserchirurgie und multimodale Behandlungsverfahren bei malignen Tumoren des Gastrointestinaltraktes mit besonderem Schwerpunkt der Ösophagus- und Magenkarzinome.

Im Jahr 2012 wurde Prof. Hans-Joachim Meyer zum Generalsekretär der DGCH gewählt. 2015 trat er das Amt des BDC-Präsidenten an. Er repräsentiert damit in Personalunion die angestrebte „Einheit der Chirurgie“. Ebenfalls seit 2015 vertritt er das Fach Chirurgie im Präsidium der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF).

Er ist darüber hinaus Träger der Ehrendoktorwürde der Jagiellonien Universität Krakau.

Wo sehen Sie die Trennlinie zwischen einer Kommerzialisierung und einer Ökonomisierung in der Medizin?

Meyer: Wir sehen ganz klare Veränderungen in der Krankenhauslandschaft. Seit Jahren konstatieren wir eine Zunahme der privatwirtschaftlichen Krankenhausträger im Vergleich zu den gemeinnützigen und den kommunalen. Und bei privaten Krankenhausträgern haben wir in der Vergangenheit teilweise deutliche Maßnahmen zur Kostenreduktion gesehen. Zuerst wurde die Kostensäule Pflege ausgedünnt, dann ist man zur Kostensäule Ärzte übergegangen. Ein Beispiel hierfür ist auch der sogenannte Physician Assistant als Arztersatz, den ich klar ablehne, als Unterstützung für den Arzt im Sinne einer Delegation habe ich nichts dagegen. Bei einigen privatwirtschaftlichen Trägern ist die Problematik erkannt worden. Ein Punkt trifft allerdings eindeutig zu: Die Zahl der Mitarbeiter, die ich noch zu meiner Zeit hatte, sind heute bei weitem nicht mehr möglich.

Schauen wir in die Zukunft, Herr Prof. Meyer. Über Jahrhunderte hat sich an der Art und Weise wie am Menschen operiert worden ist wenig geändert. Dann war sicherlich ein großer Meilenstein die minimalinvasive Chirurgie und heute sprechen wir von der robotergestützten Chirurgie. Wie wird sich das Fach Chirurgie dadurch verändern?

Meyer: Es hat sich seit den 80er Jahren sehr viel verändert. Als wir in der MHH die ersten Entfernungen der Gallenblase minimalinvasiv durchgeführt haben, hat mein damaliger Chef gesagt: Das ist furchtbar. Das ist kein Operieren, das ist ein – in bayerisch – Gezutzel. Das lag aber vor allem daran, dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht die geeigneten Instrumentarien zur Verfügung standen, die’s heute gibt.

Wir sollten allerdings auch Entwicklungen im Blick haben wie diese: Mittlerweile bieten die amerikanischen Kollegen Kurse an: How to do it in open surgery? Die junge Generation hat zum Teil gar nicht mehr gelernt, offen zu operieren. Durch technische Verbesserungen ist in der Vergrößerung bei minimalinvasiven Eingriffen alles ganz wunderbar zu sehen. Aber es geht auch das Gefühl, das Haptische verloren, das meiner Meinung nach auch sehr wichtig ist, wenn im Zweifelsfall ein Patient dann doch offen operiert werden muss.

Gegen robotergestützte Chirurgie, die heute in aller Munde ist, ist nichts einzuwenden, aber es muss immer noch ein Mensch dahinterstehen, der das Ganze kontrolliert, der auch vorgibt, wo wird der Clip gesetzt, was wird durchgeschnitten. Insgesamt ist es natürlich angenehmer, wenn man vor einer Konsole sitzt und das ganze Operationsfeld vergrößert vor sich sieht und auch die Instrumente besser bewegen kann. Fazit ist aber auch: Wir können heute noch nicht eindeutig belegen, dass die roboterassistierte Chirurgie bessere Ergebnisse aufweist als eine gut durchgeführte minimalinvasive Chirurgie.

Zur Zukunft gehört auch der Nachwuchs. Hat die Chirurgie ein Imageproblem? Studien belegen, dass angehende Mediziner, gerade im PJ, sich vom chirurgischen Fach abwenden. Ist das so und was könnte man dagegen tun?

Meyer: Das ist ein Problem, welches nicht neu ist. Die Zahlen schwanken, je nach Umfrage. Ich halte es für illusorisch, in der Chirurgie auf ein hierarchisches Gefüge völlig verzichten zu können. Einer muss das Ruder in der Hand halten und sagen: Hier geht’s lang. Meiner Meinung nach ist das der Erfahrenste,  der den Eingriff sicher beherrscht. Den in Weiterbildung befindlichen Kollegen müssen die Erfahrenden also helfen und ihm die nächsten Schritte vorgeben. Wir müssen die jungen Leute vielmehr begeistern. Das heißt, es liegt an uns, die jungen Leute zu motivieren. Nur so können wir den Nachwuchs für das facettenreiche Gebiet Chirurgie begeistern. Denn mit Arroganz und Ignoranz kann mit Sicherheit kein Nachwuchs gewonnen werden.