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Gibt man folgende Suchanfrage: OPs wegen Personalmangel verschoben in eine beliebige Suchmaschine ein, erscheint eine Vielzahl von Beiträgen aus zahlreichen Kliniken, großen Universitätsklinika und auch kleinen Krankenhäusern in Deutschland und dem europäischen Ausland. Eine ebenso große Anzahl erhält die Leserin oder der Leser bei der Suchanfrage: Medizinische Abteilungen und Stationen wegen Personalmangel geschlossen.

Eine langfristige Möglichkeit dem Problem des Personalmangels in Krankenhäusern zu begegnen, ist der unterstützende Einsatz von Robotik. Insbesondere bei repetitiven Aufgaben kann auf diese technischen Hilfen zurückgegriffen werden. Alle Anwendungen, die einen niedrigen Autonomiegrad erfordern, können theoretisch von einem Roboter übernommen werden. Klar ist aber auch: Assistenzroboter können medizinisches Personal nicht vollständig ersetzen.

Vielmehr stellen diese eine Erweiterung der Fähigkeiten von Operateuren dar. Deshalb wird neben der Werkzeugentwicklung ein immer stärkerer Fokus auf die Verbesserung der Mensch-Maschine-Schnittstelle gesetzt [6].

Bei einem Einsatz im Operationssaal stehen die Robotik-Systeme unter der direkten Kontrolle eines Operateurs und unterstützen diesen, daher der korrekte Name „Roboterassistierte Chirurgie“. Der größte Teil der Operation wird nach wie vor manuell durchgeführt:

Einrichten der Technik – Platzieren/Kalibrieren/Registrieren der Geräte

Schaffung des Zugangs zum Operationsgebiet (Situs)

Überwachung des Ablaufs und Ausführung von Roboteraktionen

Abschließen der Operation (z. B. Zunähen des Patienten)

Einsatz der Technik

In den 1980er-Jahren kamen die ersten medizinischen Roboter auf den Markt, die im chirurgischen Bereich mithilfe von Roboterarmen assistieren konnten. Die Roboterarme dieser Systeme sind mit verschiedenen Instrumenten ausgestattet und werden vom Operateur über eine Schnittstelle gesteuert.

Mittlerweile werden Roboter nicht nur im Operationssaal eingesetzt, sondern auch vermehrt in klinischen Umgebungen, um das Personal im Krankenhaus zu unterstützen und zu entlasten. Einige Unternehmen bieten für die Entwicklung von medizinischen Robotern ein vielfältiges Technikportfolio, das chirurgische Assistenz-, modulare und autonome mobile Roboter umfasst.

Roboter können zum Beispiel im medizinischen Bereich die Versorgung und Desinfektion des Verbrauchmaterials optimieren und ermöglichen den medizinischen Fachkräften, sich vermehrt auf die Behandlung, Betreuung und Pflege der Patienten zu konzentrieren. Die Verbesserung der Arbeitsabläufe und die Risikominderung durch die medizinische Robotik bieten Vorteile in vielen klinischen Bereichen. So können Roboter beispielsweise Patientenzimmer eigenständig säubern und vorbereiten, sodass persönliche Kontakte auf Stationen für Infektionskrankheiten minimiert werden und dadurch wertvolle Zeit für andere Aufgaben gewonnen werden kann. Jeder Mitarbeitende auf einer Station für Infektionserkrankungen weiß schließlich, wie zeitaufwändig das An- und Ablegen der Schutzbekleidung ist.

Roboter mit KI-fähiger Arzneierkennungssoftware reduzieren die Zeit in den Krankenhausapotheken, die benötigt wird, um Medikamente zu identifizieren, zuzuordnen und an Patienten in Krankenhäusern zu verteilen. Das pharmazeutische Fachpersonal hat somit wieder mehr zeitliche Ressourcen für die therapeutische Beratung und Unterstützung des medizinischen Personals. Leider sind diese Unit-Dose-Systeme noch nicht flächendeckend in den Krankenhausapotheken im Einsatz, was möglicherweise durch die Nutzung der EPA (elektronische Patientenakte) ermöglicht und beschleunigt wird. Derzeit nutzen nur große Kliniken und Klinikverbünde die Unterstützung durch die Unit-Dose-Systeme.

Das Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum hat zum Beispiel ein solches Unit-Dose-System im Einsatz. Für die Patienten wird in einem Flyer alles Wissenswerte zusammengefasst und unter anderem die Handhabung der Dosierungsbeutel erläutert [3]:

Dank fortschreitender technologischer Entwicklung werden Roboter zunehmend autonomer agieren und bestimmte Aufgaben schließlich vollständig selbst ausführen können. So haben Ärzte, Pflegekräfte und anderes medizinisches Fachpersonal mehr Zeit für die direkte Patientenversorgung. Robotik und Künstliche Intelligenz bieten dabei ein enormes Potenzial.

Menschliche Kompetenzen wie Intuition, Kreativität, Empathie und Zuwendung können sie nicht ersetzen, aber als wichtige Erfolgsfaktoren in die Entwicklung sinnhafter Werkzeuge eingebunden werden. Ihr Einsatz kann überdies die Gesundheit der Patienten sowie der Gesundheitsfachkräfte verbessern, indem körperlich schwere Hebe- und Tragearbeiten übernommen werden oder KI-gesteuerte Pflegebetten bei Bedarf entlastende Liegepositionen für die gefährdeten Patienten vorschlagen und durchführen, um schmerzhafte Druckgeschwüre zu vermeiden. Zusätzlich kann der Personalmangel zum Beispiel durch Serviceroboter oder sprachgesteuerte Pflege- und medizinische Dokumentation abgemildert werden [1].

Ein Forschungsprojekt der Forschungsgruppe MITI (Minimal-invasive Interdisziplinäre Therapeutische Intervention), das sich mit dem Einsatz eines autonom fahrenden Serviceroboters im OP beschäftigt, wird gerade beendet. Der Name „Aurora“ steht dabei für autonavigierende robotische Operationsassistenz. Der Roboter übernimmt Tätigkeiten der unsterilen Assistenz, dem sogenannten „OP-Springer“. „Aurora“ erledigt das Holen von steril verpackten Bedarfsgütern aus dem Lager; Materialien, die benötigt werden, öffnet er und reicht sie dem Operateur an. Mit dieser technischen Unterstützung lassen sich fehlende personelle Ressourcen im OP optimieren.

Ein ähnliches Forschungsprojekt mit dem Namen Sasha-OR (Situation Aware Sterile Handling Arm for the OR) ist im Oktober 2021 gestartet und soll im September 2024 enden. Die Aufgabe des Roboters wird von Lars Wagner von der Forschungsgruppe MITI so beschrieben: „Aufgabe des Roboters ist es, im sicherheitskritischen, sterilen OP-Bereich Instrumente und Sterilgut zum richtigen Zeitpunkt anzureichen und wieder entgegenzunehmen.“ Auch dies stellt einen Beitrag zum besseren Einsatz von gut ausgebildeten OP-Pflegekräften und OTAs dar [5].

Die Unterstützung, die „Roboter Chirurgen“ leisten können, beginnt bei ganz einfachen Dingen. So können sie zum Beispiel während minimal-invasiver Eingriffe zum Einsatz kommen. Bei diesen Eingriffen muss immer ein zweiter Arzt das Endoskop halten. Das kann ein Assistenz-Roboter auch und sogar noch besser. Denn schließlich hält dieser das Endoskop ohne Zittern, wird dabei noch nicht einmal müde und muss nicht abgelöst werden. Die so gewonnene Personal- und Zeitressource kann ein hochqualifizierter Mensch im Krankenhaus für andere Aufgaben nutzen, beispielsweise bei einer weiteren Operation oder bei der Behandlung eines anderen Patienten auf der Intensivstation [2].

Damit ist das Entscheidende auch schon gesagt: OP-Roboter werden zu unverzichtbaren Assistenten. Es ist jedoch noch nicht denkbar, dass das medizinische Personal nur noch die OP-Diagnose stellt, den Patienten zum geplanten operativen Eingriff aufklärt, sein Einverständnis einholt und ihn auf die Operation (OP) vorbereitet, die Narkose vornimmt und ein Roboter den „Rest“ – also den operativen Eingriff – erledigt. Zu viele individuelle Entscheidungen müssen während einer OP getroffen werden. Zudem lässt sich jahrelange ärztliche und pflegerische Erfahrung nicht einfach in eine Programmiersprache übersetzen, um dann die „stählernen Kollegen“ damit zu füttern. Auf längere Sicht soll der Einsatz von Robotern in der Chirurgie die Qualität einer Operation ähnlich zur produktiven Industrie sichern. Der Ablauf einer Operation (häufig durch Bildgebung unterstützt) wird als Workflow bezeichnet. Dieser kann durchgehend protokolliert und dokumentiert werden, um einen Qualitätszyklus aufzubauen, der hin zur evidenzbasierten Chirurgie führt.

Weitere mögliche Einsatzfelder für Robotersysteme im Krankenhaus

Robotische Assistenzsysteme bieten das Potenzial, das Personal innerhalb und außerhalb des OPs sowohl zeitlich als auch körperlich zu entlasten und somit dem zunehmenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Der Robotereinsatz verbessert die Arbeitsbedingungen und schafft eine kontinuierliche, gute Versorgungsqualität. Roboter werden weder müde noch krank und unterliegen dadurch keinen Leistungsschwankungen. Sie können nur aus technischen Gründen ausfallen, beispielsweise wenn die Energiequelle fehlt.

Allerdings muss vor dem Einsatz eines Robotersystems die Haftungsfrage bei einer Verletzung eines Patienten geklärt werden. Ein Hinweis auf den Einsatz der OP-Roboter sowie die Einwilligung des Patienten muss im Rahmen des Aufklärungs- und Einwilligungsgesprächs vor dem operativen Eingriff, mit ausreichend Zeit zum Überlegen, erfolgen. Vor der Anschaffung des robotischen OP-Systems muss der technische Support und der Ersatz bei einem Ausfall vertraglich geregelt werden. Dazu sind verschiedene Ausfallszenarien durchzuplanen.

Mobile Roboter können auch fern von kranken oder pflegebedürftigen Personen Aufgaben im Warentransport und in der Reinigung übernehmen, sodass qualifiziertes Pflegepersonal von diesen Routinetätigkeiten entlastet wird. Ferner können Roboter das medizinische Personal bei der Rehabilitation sowie bei der täglichen Versorgung der Patienten auf der Station unterstützen, wie in der folgenden Darstellung aufgeführt ist.

Die smarten Helfer leisten somit einen erheblichen Beitrag, um dem Personalmangel in der Pflege und Medizin entgegenzuwirken. Sie sind in der Lage, die Folgen des demografischen Wandels abzuschwächen.

Vertrauen wir auf die Zukunft und sind gespannt, welche Potenziale die Technik haben wird!

Abb. 1: Einsatzfelder für Robotersysteme im Krankenhaus [4]

Literatur

[1]   Oswald, J., Neumeyer, H., Visarius, M. (2023). Rahmenbedingungen und Herausforderungen im Personalmanagement. In: Klauber, J., Wasem, J., Beivers, A., Mostert, C. (Hrsg.) Krankenhaus-Report 2023. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-66881-8_6. Quelle: https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-662-66881-8_6Krankenhausreport 2023

[2]   https://www.planet-wissen.de/technik/computer_und_roboter/roboter_mechanische_helfer/pwieroboterimoperationssaal100.html

[3]   https://www.kkbochum.de/de/Patienten_Besucher/Downloadbereich/_doc/FL_Apotheke_Unit-Dose.pdf „Wenn der Roboter die Medikamente stellt“ – Höhere Patientensicherheit durch automatisierte Medikamentenversorgung.

[4]   https://www.springermedizin.de/robotik-im-krankenhaus/25804928.

[5]   https://www.vdi-nachrichten.com/technik/gesundheit/wenn-der-roboter-dem-arzt-den-tupfer-reicht/ (25.08.2023)

[6]   https://www.zukunftstechnologien.info/life-sciences/roboter-im-op/ Fachzeitschrift Life Sciences: Zukunftstechnologie Medizintechnik: „Roboter im OP“.

Sabine Kraft

Risiko-Beraterin

GRB Gesellschaft für Risiko-Beratung mbH

[email protected]

Chirurgie+

Kraft S: Safety Clip: „Wenn der Roboter den Tupfer reicht“: Das Potenzial der Robotik im Gesundheitswesen. Passion Chirurgie.
2024 Juni; 14(06/II): Artikel 04_02.

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