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Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) e.V. in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Klinische Ernährung (AKE) Österreichs, der Gesellschaft für Klinische Ernährung der Schweiz (GESKES) und den Fachgesellschaften Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) e.V., Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) e.V. und Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) e.V.

Die Vermeidung einer ausgeprägten Katabolie nach chirurgischen Eingriffen mit frühem postoperativen Kostaufbau und Mobilisierung zur raschen Rekonvaleszenz ist heute der Standard des perioperativen Managements im sogenannten Enhanced-Recovery-After-Surgery-(ERAS-)Konzept. So ist die frühe orale Nahrungszufuhr auch die bevorzugte Form der postoperativen Ernährung, und die medizinische, ggf. auch „künstliche“ Ernährungstherapie erscheint sehr traditionell. Mangel- und Unterernährung stellen signifikante Risikofaktoren für postoperative Komplikationen dar. Dies gilt ganz besonders bei bereits präoperativ bestehendem ernährungsmedizinischem Defizit. Gemessen am Kalorienbedarf ist zudem gerade nach viszeralchirurgischen Eingriffen die Nahrungsaufnahme oftmals für längere Zeit vermindert. Vor allem im Fall von Komplikationen birgt dies das Risiko eines zunehmenden Gewichtsverlusts und einer Unterernährung der Patienten im weiteren postoperativen Verlauf. Bei diesen Risikopatienten ist ein flexibles Vorgehen erforderlich, sodass auch die Indikation zur supplementierenden enteralen/parenteralen Ernährung geprüft werden muss [1, 2]. Deswegen wird auch in den ERAS-Leitlinien empfohlen, schon bei der chirurgischen Aufnahme ein ernährungsmedizinisches Risikoscreening durchzuführen [3].

Eine frühe Ernährungstherapie ist gerade auch für chirurgische Patientinnen und Patienten mit bereits bestehendem Ernährungsrisiko wichtig. Der Fokus dieser Leitlinie liegt besonders auf ernährungstherapeutischen Aspekten im ERAS-Konzept (Plan A). Dies betrifft präoperativ auch Strategien zur Konditionierung („Prähabilitation“). Postoperativ können Komplikationen mit der Notwendigkeit zur Reoperation und Intensivtherapie eintreten, die eine enterale und parenterale Ernährung erforderlich machen (Plan B).

Aus der Stoffwechsel- und Ernährungsperspektive sind folgende Aspekte in der perioperativen Versorgung zentral:

Integration der Ernährung in das gesamte perioperative Management des Patienten

Vermeidung von längeren perioperativen Nüchternheitsperioden

Möglichst frühe Wiederaufnahme der oralen Ernährung nach chirurgischen Eingriffen

Früher Start einer Ernährungstherapie bei Patienten mit metabolischem Risiko

Metabolische Kontrolle, z. B. Blutzucker

Reduzierung von Faktoren, die Stress und Katabolie induzieren oder die gastrointestinale Funktion beeinträchtigen

Zurückhaltende Gabe von Medikamenten mit ungünstigem Einfluss auf die Darmperistaltik

Frühe Mobilisation zur Stimulierung der Proteinsynthese und der Muskelfunktion

Eine supplementierende Ernährung findet ihre Indikation auch ohne offensichtliche krankheitsspezifische Mangelernährung, wenn vorhersehbar ist, dass der Patient für eine längere postoperative Zeitdauer unfähig sein wird zu essen oder eine adäquate orale Kalorienmenge zu sich zu nehmen. Auch in diesen Situationen wird zum Beginn einer medizinischen Ernährungstherapie geraten. Insgesamt gilt, nicht erst bis zur Manifestation einer krankheitsspezifischen Mangelernährung zu warten, sondern bereits bei Bestehen eines metabolischen Risikos frühzeitig eine Ernährungstherapie zu beginnen. Bilanzierte Trinknahrungen (ONS), enterale und parenterale Ernährung bieten die Möglichkeit im Falle einer unzureichenden oralen Nahrungsaufnahme, eine adäquate Kalorienzufuhr sicherzustellen. Dies gilt besonders für Patienten mit

metabolischem Risiko bzw. mit manifester Mangelernährung,

großen Tumoroperationen,

schweren Komplikationen trotz bestmöglicher perioperativer Betreuung.

Bereits 2019 ist von der Global Leadership Initiative on Malnutrition (GLIM) eine neue Definition der Mangelernährung erarbeitet worden, die von allen großen Fachgesellschaften weltweit getragen wird [4].

Hierbei wird nach phänotypischen und ätiologischen Kriterien unterschieden:

Phänotypische Kriterien sind:

Unfreiwilliger Gewichtsverlust

Niedriger BMI

Verminderte Muskelmasse

Ätiologische Kriterien sind:

Verminderte Nahrungsaufnahme und -resorption

Inflammation

Krankheitsschwere

Nach dem Screening auf eine Mangelernährung werden die phänotypischen und ätiologischen Kriterien erhoben. Dabei bleibt es dem Untersucher überlassen, welche Methoden zur Erhebung der Muskelmasse (z. B. Computertomografie) herangezogen werden.

Ist jeweils ein phänotypisches und ein ätiologisches Kriterium erfüllt, kann die Diagnose „Mangelernährung“ gestellt und auch der Schweregrad eingeteilt werden.

Für den im klinischen Alltag häufigen Fall, dass die Messung der Muskelmasse nicht zur Verfügung steht, stimmt die Definition eines hohen metabolischen Risikos der ESPEN-Leitlinie mit den GLIM-Kriterien überein.

Gewichtsverlust > 10–15 % innerhalb von 6 Monaten

Body Mass Index (BMI) < 18,5 kg/m²

Nutrition Risk Score (NRS) > 5

Präoperatives Serumalbumin < 30g/l (sofern keine Leber- oder Nierenerkrankung besteht)

KKP = Klinischer Konsens-Punkt; BM = Biomedizinisch; IE = Integration of classical and patient-reported Endpoints; HE = Health Care; QL = Quality of Life

In einer großen Registerstudie aus Norwegen, einem Land mit hoher ERAS-Implementierung, wurden für Patienten mit abdominellen Operationen bei 35,4 % Zeichen der Mangelernährung anhand von Gewichtsverlust und niedrigem BMI gezeigt. Die so diagnostizierte Mangelernährung war ein signifikanter Risikofaktor für das Auftreten postoperativer Komplikationen und eine erhöhte Letalität [5].

In vielen Aspekten ist die Evidenz für den Nutzen der perioperativen Ernährungstherapie noch unbefriedigend. Ein Problem ist vor allem die erhebliche Heterogenität der Studien.

Eine Metaanalyse von 56 randomisierten kontrollierten Studien (RCT) mit insgesamt 6.370 Patientinnen und Patienten mit Operationen wegen eines gastrointestinalen Karzinoms zeigte bei ernährungsmedizinischer Supplementierung (Glukosedrink, Erhöhung der Proteinzufuhr, Immunonutrition) die Senkung der postoperativen Komplikationen (RR 0,74, 95 %, CI 0,69–0,80); postoperativen Infektionen (RR 0,71, 95 %, CI 0,64–0,79, n = 4.582, I² = 4 %) und nichtinfektiösen Komplikationen (RR 0,79, 95 %, CI 0,71–0,87, n = 4.883, I² = 16 %) mit Verminderung der Krankenhausverweildauer (MD 1,58 d; 95 %, CI 1,83–1,32; I² = 89 %) [6]. Eine weitere Metaanalyse von zehn Studien mit 1.838 Patientinnen und Patienten mit Magenkarzinom hat Vorteile für die Gabe von Trinknahrungen und enteraler Ernährung vor allem bezüglich des Gewichtsverlusts gezeigt [7].

Es besteht weiterhin ein Bedarf an prospektiven, randomisierten Studien mit ausreichender Zahl homogener Patienten mit klar definierten Endpunkten. In vielen Studien wurde als Einschlusskriterium nicht das metabolische Risiko bzw. eine bereits bestehende Mangelernährung definiert. Ein Dilemma ist, dass eine Nichtintervention in der Kontrollgruppe dann ethisch problematisch sein kann.

Die Leitlinie basiert auf der ins Deutsche übersetzten und aktualisierten Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für klinische Ernährung und Stoffwechsel (ESPEN) „Clinical Nutrition in Surgery“ von 2017 [2], die aus der 2013 für den deutschsprachigen Raum entwickelten S3-Leitlinie „Klinische Ernährung in der Chirurgie“ hervorgegangen ist [8]. Die Leitlinie präsentiert insgesamt 38 Empfehlungen für die tägliche klinische Praxis.
Allgemein

1. Ist präoperative Nüchternheit notwendig?

Empfehlung 1
Patienten ohne besonderes Aspirationsrisiko sollen vor einem chirurgischen Eingriff die Einnahme klarer Flüssigkeiten bis 2 h, die Einnahme von leicht verdaulichen, festen Speisen bis 6 h vor Beginn der Anästhesie erlaubt sein (BM, IE, QL).

Empfehlungsgrad A, Starker Konsens 100 % Zustimmung

2. Ist bei elektiven Eingriffen eine präoperative metabolische Vorbereitung mittels Kohlenhydratgabe sinnvoll?

Empfehlung 2
Vor großen elektiven abdominellen Operationen sollten gezielt die Kohlenhydratspeicher aufgefüllt werden. (B) (QL). Die flüssige Kohlenhydratgabe kann nach Beginn am Vortag bis 2 h vor Anästhesiebeginn gegeben werden (0) (QL).

Empfehlungsgrad B/0, Starker Konsens 100 % Zustimmung

3. Ist eine Pause der oralen/enteralen Nahrungseinnahme nach einem chirurgischen Eingriff prinzipiell notwendig?

Empfehlung 3
Die orale/enterale Nahrungsaufnahme soll nach chirurgischen Eingriffen frühzeitig begonnen werden (BM, IE).

Empfehlungsgrad A, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Empfehlung 4
Der orale Kostaufbau soll an die Art des chirurgischen Eingriffs und die individuelle Toleranz adaptiert werden.

Empfehlungsgrad KKP, Starker Konsens 100 % Zustimmung
Indikation zur Ernährungstherapie

1. Wann ist eine Ernährungstherapie beim chirurgischen Patienten indiziert?

Empfehlung 5
Der Ernährungsstatus soll vor und nach größeren Eingriffen erhoben werden.

Empfehlungsgrad KKP, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Empfehlung 6
Bei Patienten, die voraussichtlich 5 d oder mehr postoperativ keine orale Nahrung aufnehmen können, soll eine Ernährungstherapie unverzüglich begonnen werden.

Die Indikation besteht auch für Patienten, die für mehr als 7 d nicht in der Lage sind, mehr als 50 % der empfohlenen Energiemenge oral aufzunehmen.

Empfehlungsgrad KKP, Starker Konsens 100 % Zustimmung

2. Wann ist eine kombiniert enterale/parenterale („duale“) Ernährung beim chirurgischen Patienten indiziert?

Empfehlung 7a
Sofern der Energie- und Substratbedarf nicht durch eine orale und/oder enterale Ernährung allein gedeckt werden kann (< 50 % des Energiebedarfs für mehr als 7 d), kann ab Tag 3–4 die Kombination von enteraler und (supplementierender) parenteraler Ernährung erfolgen. (BM)

Empfehlungsgrad KKP, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Empfehlung 7b
Die supplementierte parenterale Ernährung soll so bald wie möglich begonnen werden, wenn bei Indikation zur Ernährungstherapie eine Kontraindikation zur enteralen Ernährung besteht (z. B. intestinale Obstruktion). (BM)

Empfehlungsgrad A, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Empfehlung 7c
Wenn die voraussichtliche Dauer der Supplementierung zwischen 4 und 7 d liegt, kann die Ernährung über einen peripheren Zugang parenteral zugeführt werden. (BM)

Empfehlungsgrad 0, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Empfehlung 7d
Wenn die Implantation eines zentralvenösen Katheters ausschließlich zur Durchführung einer parenteralen Ernährung erforderlich ist, soll diese Indikation kritisch in Bezug auf die voraussichtliche Ernährungsdauer gestellt werden. (BM)

Empfehlungsgrad A, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Empfehlung 7e
Eine totale parenterale Ernährung soll begonnen werden, wenn eine enterale Ernährung nicht durchführbar oder kontraindiziert ist.

Empfehlungsgrad KKP, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Empfehlung 8
Bei der parenteralen Ernährung sollten Dreikammerbeutel (all-in-one) den Einzelkomponenten (Mehrflaschensystemen) vorgezogen werden. (BM, HE)

Empfehlungsgrad B, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Empfehlung 9
Für das Qualitätsmanagement bei der Durchführung einer klinischen Ernährung sollen Standardarbeitsanweisungen (SOP) verwendet werden.

Empfehlungsgrad KKP, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Gibt es eine Indikation zur Supplementierung mit Glutamin?

Empfehlung 10a
Eine parenterale Glutamin-Supplementierung kann nicht bei Patienten empfohlen werden, die ausreichend enteral ernährt werden können. (BM, HE)

Empfehlungsgrad 0, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Empfehlung 10b
Patienten mit schwerem Leber-, Nieren- oder Multiorganversagen sollen keine zusätzliche Glutamin-Supplementierung erhalten. (BM, HE)

Empfehlungsgrad A, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Empfehlung 10c
Eine zusätzlich enterale Pharmakotherapie mit Glutamin sollte generell nicht durchgeführt werden. (BM, HE)

Empfehlungsgrad B, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Gibt es eine Indikation für die orale Supplementierung mit Glutamin?

Empfehlung 10d
Für oder gegen die orale Supplementierung mit Glutamin kann keine generelle Empfehlung gegeben werden. (BM)

Empfehlungsgrad 0, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Gibt es eine Indikation für eine alleinige enterale oder parenterale Supplementierung mit Arginin?

Statement 1
Derzeit kann keine Empfehlung bezüglich der intravenösen oder enteralen Ergänzung von Arginin als Einzelsubstanz gegeben werden.

Starker Konsens 100 % Zustimmung

Gibt es eine Indikation für eine parenterale Supplementierung mit Omega-3-Fettsäuren?

Empfehlung 11
Eine postoperative parenterale Ernährung mit Supplementierung von Omega-3-Fettsäuren sollte bei Patienten eingesetzt werden, die enteral nicht ausreichend ernährt werden können und daher eine überwiegend parenterale oder kombiniert enteral/parenterale Ernährung benötigen. (BM, HE)

Empfehlungsgrad B, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Gibt es eine Indikation für eine bestimmte orale/enterale Formel, die mit unterschiedlichen immunologisch wirksamen Nährstoffkombinationen (Immunonutrition) angereichert ist?

Empfehlung 12
Patienten, die sich einer größeren Tumoroperation unterziehen, kann präoperativ oder perioperativ eine Immunonutrition (angereichert mit Arginin, Omega-3-Fettsäuren, Ribonukleotiden) angeboten werden. (BM, HE)

Empfehlungsgrad 0, Starker Konsens 91 % Zustimmung
Präoperative Ernährung

Welche Patienten profitieren von einer präoperativen Ernährungstherapie?

Empfehlung 13
Patienten mit hohem metabolischem Risiko sollen eine Ernährungstherapie präoperativ erhalten (A), sogar dann, wenn dadurch die Operation verschoben wird (BM).

Ein Zeitraum von 10–14 d kann empfohlen werden (0)

Empfehlungsgrad A/0, Starker Konsens 92 % Zustimmung

Empfehlung 14
Die orale/enterale Zufuhr soll gegenüber der parenteralen Ernährung bevorzugt werden. (A) (BM, HE, QL).

Empfehlungsgrad A, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Wann besteht die Indikation zur präoperativen Einnahme einer Trinknahrung oder enteralen Ernährung?

Empfehlung 15
Bei Patienten mit Mangelernährung und/oder hohem metabolischen Risiko soll vor großen abdominellen Eingriffen eine Trinknahrung (Oral Nutritional Supplement Fragen) verabreicht werden. (BM, HE)

Empfehlungsgrad A, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Empfehlung 16
Patienten mit gastrointestinalem Karzinom sollten eine mit Arginin, Omega-3-Fettsäuren, Ribonukleotide angereicherte Trinknahrung präoperativ für 5–7 Tage angeboten werden. (BM, HE).

Empfehlungsgrad B: Konsens 92% Zustimmung

Empfehlung 17
Eine enterale Ernährung einschließlich der Einnahme von Trinknahrung sollte prähabilitativ prästationär erfolgen. (BM, HE, QL)

Empfehlungsgrad KKP, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Wann besteht die Indikation zur präoperativen parenteralen Ernährung?

Empfehlung 18
Bei Patienten mit Mangelernährung und/oder hohem metabolischem Risiko, bei denen eine bedarfsgerechte orale/enterale Ernährung nicht möglich ist, soll eine präoperative parenterale Ernährung durchgeführt werden (A) (BM).

Ein Zeitraum von 10–14 d kann empfohlen werden (0).

Empfehlungsgrad A/0, Starker Konsens 100 % Zustimmung
Postoperative Ernährung

Welche Patienten profitieren besonders von einer frühen postoperativen Ernährung?

Empfehlung 19
Eine enterale Ernährung soll innerhalb von 24 h bei denjenigen Patienten begonnen werden, bei denen ein oraler Kostaufbau noch nicht möglich ist (A).

Dies gilt insbesondere bei:

•Patienten, bei denen die orale Kalorienzufuhr voraussichtlich in den nächsten 7 d < 50 % sein wird (BM) (KKP)

•Patienten nach großen Kopf-Hals-Operationen und gastrointestinalen Resektionen wegen eines Tumors (BM) (KKP)

•Patienten mit Polytrauma und/oder schwerem Schädel-Hirn-Trauma (BM) (KKP)

•Patienten mit Mangelernährung zum Zeitpunkt der Operation (BM) (KKP)

Empfehlungsgrad A/KKP, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Welche Sondennahrung sollte zur enteralen Ernährung eingesetzt werden?

Empfehlung 20
Bei einer enteralen Ernährung sollte eine voll bilanzierte Standardnahrung gegeben werden.

Empfehlungsgrad KKP, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Welche Patienten profitieren von einer enteralen Sondennahrung?

Empfehlung 21
Bei Patienten mit Mangelernährung und/oder hohem metabolischem Risiko sollte insbesondere bei Ösophagus- und Magenresektion sowie partieller Duodenopankreatektomie die intraoperative Platzierung einer nasojejunalen Sonde oder Feinnadelkatheterjejunostomie (FKJ) erfolgen (BM).

Empfehlungsgrad B, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Empfehlung 22
Eine Sondenernährung soll innerhalb von 24 h begonnen werden (BM)

Empfehlungsgrad A, Starker Konsens 97 % Zustimmung

Empfehlung 23
Bei Patienten mit Mangelernährung und/oder metabolischem Risiko sollte die Sondenernährung mit einer niedrigen Zufuhrrate (10–20 ml/h) begonnen und vorsichtig unter Beobachtung der individuellen intestinalen Toleranz gesteigert werden. So kann die Zeit bis zum Erreichen des Kalorienziels individuell sehr verschieden sein und 5–7 d dauern.

Empfehlungsgrad KKP, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Empfehlung 24
Wenn bei Patienten mit Mangelernährung und/oder metabolischem Risiko eine Sondenernährung für mehr als 4 Wochen erforderlich ist, wie z. B. bei einem schweren Hirn-Trauma, sollte die Platzierung einer perkutanen endoskopischen Gastrostomiesonde (PEG/PEJ) erfolgen.

Empfehlungsgrad KKP, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Welchen Patienten nutzt eine enterale Ernährung nach der Entlassung aus dem Krankenhaus?

Empfehlung 25
Bei Patienten, die perioperativ einer Ernährungstherapie bedurften, sollte die regelmäßige Erfassung des Ernährungsstatus während des Krankenhausaufenthalts mit poststationärer Fortsetzung einschließlich Ernährungsberatung sowie ggf. oraler/enteraler Supplementierung erfolgen. (BM)

Empfehlungsgrad B, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Empfehlung 26
Eine intraoperativ platzierte FKJ kann zum Zeitpunkt der Entlassung vorübergehend in Abhängigkeit vom Gewichtsverlauf belassen werden.

Empfehlungsgrad KKP, Starker Konsens 100 % Zustimmung
Bariatrische Chirurgie

Empfehlung 27
Nach bariatrischer Chirurgie soll ein früher oraler Kostaufbau durchgeführt werden. (BM)

Empfehlungsgrad A, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Empfehlung 28
Bei Patienten mit bariatrischer Chirurgie und Komplikationen mit Indikation zur Relaparoskopie/-tomie kann der Einsatz einer nasojejunalen Sonde oder Feinnadelkatheterjejunostomie erwogen werden.

Empfehlungsgrad KKP, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Empfehlung 29
Für alle weiteren Fragestellungen können die Empfehlungen für Patienten mit großen viszeralchirurgischen Eingriffen zur Anwendung kommen. (BM)

Empfehlungsgrad 0, Starker Konsens 100 % Zustimmung
Organtransplantation

Wann ist eine enterale Ernährung vor Organtransplantation notwendig?

Empfehlung 30
Bei Mangelernährung soll vor Organtransplantation eine Optimierung des Ernährungsstatus erfolgen. (BM)

Empfehlungsgrad A, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Empfehlung 31
Bei manifester Mangelernährung sollten zunächst ein strukturierter Ernährungsplan und erst danach die Supplementierung mit Trinknahrung oder eine enterale Sondenernährung erfolgen. (BM)

Empfehlungsgrad B, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Empfehlung 32
Bei Verlaufskontrollen von Patienten auf der Transplantationswarteliste sollte auch eine Erfassung des Ernährungsstatus durchgeführt werden.

Empfehlungsgrad KKP, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Wann ist eine medizinische Ernährung nach Organtransplantation indiziert?

Empfehlung 33
Nach Organtransplantationen sollte ein früher oraler Kostaufbau bzw. eine enterale Ernährung gemäß individueller Toleranz innerhalb von 24 h erfolgen. (BM)

Empfehlungsgrad B, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Empfehlung 34
Nach Dünndarmtransplantationen kann frühzeitig mit der oralen/enteralen Zufuhr begonnen werden, wobei innerhalb der ersten Woche auf eine vorsichtige Steigerung zu achten ist. (BM)

Empfehlungsgrad 0, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Empfehlung 35
Wenn vor oder nach Organtransplantation die enterale Ernährung nicht ausreicht, sollte eine supplementierende parenterale Ernährung erfolgen. (BM)

Empfehlungsgrad B, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Empfehlung 36
Im Rahmen der Verlaufskontrolle nach Transplantation soll der Ernährungsstatus mitbeobachtet werden. Für diese Patienten soll eine Ernährungsberatung angeboten werden.

Empfehlungsgrad KKP, Starker Konsens 100 % Zustimmung
Besondere Aspekte in der Kinderchirurgie

Empfehlung 37
Ein frühzeitiger postoperativer oraler Kostaufbau kann bei Kindern und Jugendlichen erfolgen. (BM, QL)

Empfehlungsgrad 0, Starker Konsens 100 % Zustimmung
Besonderheiten in der Wundheilung

Wird eine Supplementierung bei Wundheilungsstörungen und chronischen Wunden empfohlen?

Empfehlung 38
Bei chronischen Wunden sollte frühzeitig eine orale/enterale eiweißreiche Ernährung, ggfs. mit Substitution von Spurenelementen, verabreicht werden. (BM)

Empfehlungsgrad B, Starker Konsens 100 % Zustimmung

Korrespondierender Autor
Prof. Dr. med. Arved Weimann
1 Klinikum St. Georg GmbH
Abteilung für Allgemein-, Viszeral- und Onkologische Chirurgie
Delitzscher Str. 141
04129 Leipzig
Arved.Weimann@sanktgeorg.de

Weitere Autor:innen
Stefan Breitenstein2, Sabine Gabor3, Stefan Holland-Cunz4, Matthias Kemen5,
Friedrich Längle6, Marc Martignoni7, Nada Rayes8, Bernd Reith9, Anna Schweinlin10,
Wolfgang Schwenk11, Daniel Seehofer8, Metin Senkal 12, Christian Stoppe13,14

2 Klinik für Viszeral- und Thoraxchirurgie, Klinischer Bereich B, Kantonsspital Winterthur, Winterthur, Schweiz

3 Abteilung für Chirurgie, KRAGES Burgenländische Krankenanstalten Gesellschaft m. b. H., Oberwart, Österreich

4 Klinik für Kinderchirurgie des Universitätskinderspitals beider Basel, Basel, Schweiz

5 Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Lehrkrankenhaus der RUB Bochum, Evangelisches Krankenhaus, Herne, Deutschland

6 Chirurgische Abteilung, Landesklinikum Wr. Neustadt, Wiener Neustadt, Österreich

7 Klinik und Poliklinik für Chirurgie, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München, München, Deutschland

8 Klinik und Poliklinik für Viszeral-, Transplantations-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Universitätsklinikum Leipzig, Leipzig, Deutschland

9 Klinik für Allgemein-, Viszeralchirurgie und Proktologie, Agaplesion Diakonie Kliniken Kassel, Kassel, Deutschland

10 Institut für Ernährungsmedizin, Universität Hohenheim, Stuttgart, Deutschland

11 Gesellschaft für Optimiertes PeriOperatives Management mbH – GOPOM GmbH, Düsseldorf, Deutschland

12 Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Marien Hospital Witten, Lehrkrankenhaus der Ruhr-Universität Bochum, Witten, Deutschland

13 Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Deutschland

14 Klinik für Kardioanästhesiologie und Intensivmedizin, Deutsches Herzzentrum Berlin, Charité Berlin, Berlin, Deutschland

 

Literatur

[1] Weimann A, Breitenstein S, Gabor S, Holland-Cunz S, Kemen M, Längle F, Martignoni M, Rayes N, Reith B, Schweinlin A, Schwenk W, Seehofer D, Senkal M, Stoppe C (2023) S3-Leitlinie Klinische Ernährung in der Chirurgie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) e. V .in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Klinische Ernährung (AKE), der Gesellschaft für Klinische Ernährung der Schweiz (GESKES) und den Fachgesellschaften Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) e. V., Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) e. V., Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) e. V. Aktuel Ernahrmed 2023; 48: 237–290

[2] Weimann A, Braga M, Carli F, Higashiguchi T, Hübner M, Klek S, Laviano A, Lobo DN, Ljungqvist O, Martindale R, Waitzberg D, Bischoff SC, Singer P (2017) ESPEN Guideline Clinical Nutrition in Surgery, Clin Nutr 36: 623–650

[3] Gustafsson UO, Scott MJ, Hubner M, Nygren J, Demartines N, Francis N, Rockall TA, Young-Fadok TM, Hill AG, Soop M, de Boer HD, Urman RD, Chang GJ, Fichera A, Kessler H, Grass F, Whang EE, Fawcett WJ, Carli F, Lobo DN, Rollins KE, Balfour A, Baldini G, Riedel B, Ljungqvist O. Guidelines for Perioperative Care in Elective Colorectal Surgery: Enhanced Recovery After Surgery (ERAS®) Society Recommendations: 2018. World J Surg. 2019 Mar;43(3):659–695. doi: 10.1007/s00268-018-4844-y. PMID: 30426190.

[4] Cederholm T, Jensen GL, Correia MITD, Gonzalez MC, Fukushima R, Higashiguchi T, Baptista G, Barazzoni R, Blaauw R, Coats A, Crivelli A, Evans DC, Gramlich L, Fuchs-Tarlovsky V, Keller H, Llido L, Malone A, Mogensen KM, Morley JE, Muscaritoli M, Nyulasi I, Pirlich M, Pisprasert V, de van der Schueren MAE, Siltharm S, Singer P, Tappenden K, Velasco N, Waitzberg D, Yamwong P, Yu J, Van Gossum A, Compher C; GLIM Core Leadership Committee; GLIM Working Group. GLIM criteria for the diagnosis of malnutrition – A consensus report from the global clinical nutrition community. Clin Nutr. 2019 Feb;38(1):1–9. doi: 10.1016/j.clnu.2018.08.002. Epub 2018 Sep 3. PMID: 30181091.

[5] Skeie E, Tangvik RJ, Nymo LS, Harthug S, Lassen K, Viste A. Weight loss and BMI criteria in GLIM’s definition of malnutrition is associated with postoperative complications following abdominal resections – Results from a National Quality Registry. Clin Nutr. 2020 May;39(5):1593–1599. doi: 10.1016/j.clnu.2019.07.003. Epub 2019 Jul 20. PMID: 31375303.

[6] Zhang B, Najarali Z, Ruo L, Alhusaini A, Solis N, Valencia M, Sanchez MIP, Serrano PE. Effect of Perioperative Nutritional Supplementation on Postoperative Complications-Systematic Review and Meta-Analysis. J Gastrointest Surg. 2019 Aug;23(8):1682–1693. doi: 10.1007/s11605-019-04173-5. Epub 2019 May 6. PMID: 31062270.

[7] Rinninella E, Cintoni M, Raoul P, Pozzo C, Strippoli A, Bria E, Tortora G, Gasbarrini A, Mele MC. Effects of nutritional interventions on nutritional status in patients with gastric cancer: A systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Clin Nutr ESPEN. 2020 Aug;38:28–42. doi: 10.1016/j.clnesp.2020.05.007. Epub 2020 Jun 16. PMID: 32690170.

[8] Weimann A, Breitenstein S, Breuer JP, Gabor S, Holland-Cunz S, Kemen M, Längle F, Rayes N, Reith B, Schwenk W, Senkal M und das DGEM Steering Committee (2013) S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin Klinische Ernährung in der Chirurgie. Aktuel Ernährungsmed 38: e155-e197

Weimann A et al.: S3-Leitlinie: Klinische Ernährung in der Chirurgie. Passion Chirurgie. 2024 Juni; 14(06/II): Artikel 03_01.

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