01.03.2019 Versicherungsschutz
Praxisvertretungen können teuer werden – Vorbeugen ist besser als zahlen
Auch der beste Chirurg braucht mal eine Pause und Abstand vom medizinischen Alltag: Das gilt nicht zuletzt für den niedergelassenen Arzt oder die Ärztin. Manchmal sind Pausen sogar erzwungen, zum Beispiel im Krankheitsfall. Aber der Betrieb soll ja weiterlaufen, also muss eine Vertretung bestellt werden. Für beide Seiten – den Vertreter wie auch den zu Vertretenden – heißt es hier aber: Obacht! Denn wenn der Versicherungsschutz für die Vertretungstätigkeiten nicht lückenlos geregelt ist, kann dies ein bitteres Nachspiel haben.
Missverständnis Berufs-Haftpflichtversicherung
Allzu oft sind Ärzte der Meinung, ihre Berufs-Haftpflichtversicherung schließe auch die Tätigkeiten eines Vertreters ein, der vertretende Kollege (Praxisvertreter) brauche sich deshalb wegen einer Haftung keine Sorgen zu machen. Bei genauerer Betrachtung – spätestens im Versicherungsfall – erweist sich diese Auskunft oft als falsch. Das liegt am irreführenden Wortlaut der Versicherungsbedingungen. Die Berufs-Haftpflichtversicherung für niedergelassene Ärzte enthält zwar eine Vertreterklausel. Diese schützt aber nur den Praxis-Inhaber, wenn gegen ihn Schadensersatzansprüche wegen der Tätigkeit eines Vertreters erhoben werden. In den einschlägigen Versicherer-Tarifen für die Berufs-Haftpflicht von niedergelassenen Ärzten regelmäßig nicht mitversichert ist dagegen die eigene, persönliche Haftpflicht des vorübergehend tätig gewordenen Vertreters. Das betrifft zum Beispiel die BGB-Haftung (deliktische Haftung) aus unerlaubter Handlung (§§ 823 ff. BGB) sowie alle strafrechtlichen Aspekte der Vertretungstätigkeit.
Die meisten Krankenhausärzte sind zudem zwar über ihren Arbeitgeber versichert. Die dort vorgehaltenen Betriebs-Haftpflichtversicherungen erstrecken sich in der Regel aber nicht auf die (dienstfremde) Tätigkeit als Praxisvertreter.
Wenn die Berufs-Haftpflichtversicherung des Praxisinhabers keinen ausreichenden Versicherungsschutz für Vertretungen bietet oder der Vertretungsarzt keine eigene oder keine ausreichende Berufs-Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat, sind die finanziellen Folgen möglicher Schadenersatzansprüche Dritter aus der Vertretungstätigkeit vom Praxis-Inhaber und vom Vertreter persönlich zu tragen.
Praxisvertreter-Haftpflichtversicherung vom BDC
Um die bestehenden Unsicherheiten zu beseitigen und Schutz in pauschaler Form zu bieten, hat der BDC über die Ecclesia für seine Mitglieder eine obligatorische Haftpflichtversicherung für vorübergehende Praxisvertretungen abgeschlossen.
Die Praxisvertreter-Haftpflichtversicherung des BDC richtet sich an zwei Personenkreise. Da sind einmal die Praxis-Inhaber, die eine eigene Berufs-Haftpflichtversicherung haben, – allerdings ohne ihre Vertretungstätigkeiten für andere dort ausreichend mitversichert zu haben. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn eigentlich nur ambulant tätige Mediziner im Vertretungsfall einmal Behandlungen an stationär aufgenommenen Patienten vornehmen.
Ferner kann die Praxisvertreter-Haftpflichtversicherung auch für Praxis-Inhaber wichtig sein, die in ihrer Berufs-Haftpflichtversicherung keine Mitversicherung eines bestellten Vertreters aufgenommen haben. Sie haften in diesem Fall möglicherweise für das sogenannte Auswahlverschulden des Praxisinhabers. Davon sprechen Juristen, wenn jemand zur Erfüllung eines Leistungsversprechens einen Dritten hinzuzieht, der dazu aber nicht geeignet ist oder dessen Bestellung zumindest ein Risiko birgt. Beide Fälle sind mitversichert, sofern BDC-Mitglieder ihre Berufs-Haftpflichtversicherung über den BDC-Rahmenvertrag abgeschlossen haben. Bei anderen Berufs-Haftpflichtversicherungen ist das nicht der Marktstandard.
Außerdem ist die Praxisvertreter-Haftpflichtversicherung vor allem auch wichtig für die Vertretungsärzte selbst, die ohne ausreichenden Versicherungsschutz ansonsten persönlich haften.
Für Vertretungsärzte ist die Praxisvertreter-Haftpflichtversicherung auch in anderer Hinsicht wichtig. Dabei stehen diejenigen Mediziner im Fokus, die zwar eine eigene Berufs-Haftpflichtversicherung haben, aber darin keine Vertretungstätigkeiten mitversichert haben und die, die gar keine eigene Berufs-Haftpflichtversicherung abgeschlossen haben, weil sie als angestellte Ärzte in einer Praxis oder in einem Krankenhaus arbeiten. Denn ein Patient kann im Fall eines Schadens nicht nur den Praxis-Inhaber in die Haftung nehmen, sondern immer auch einen Anspruch unmittelbar an den vertretenden Arzt richten.
Alle Mitglieder des BDC, die in einer niedergelassenen Praxis eine Vertretung übernehmen, können die im Mitgliedsbeitrag enthaltene Praxisvertreter-Haftpflichtversicherung in Anspruch nehmen. Dabei ist es egal, ob sie selbst niedergelassene Ärzte sind oder im Rahmen einer Anstellung arbeiten.
Bürger N: Praxisvertretungen können teuer werden – Vorbeugen ist besser als zahlen. Passion Chirurgie. 2019 März, 9(03): Artikel 04_04.
Autor des Artikels
Weitere Artikel zum Thema
01.05.2024 Praxis
Existenzbedrohende Haftpflicht-Lücke bei Durchgangsärzten
Selten, aber im Einzelfall potenziell existenzbedrohend Eine breite Abdeckung der
01.09.2023 BDC|News
Angemessene Summen in der Haftpflichtversicherung
Mit dem Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG), das am 20. Juli 2021 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber eine Versicherungspflicht für Vertragsärztinnen und -ärzte festgeschrieben. Wer also mit den Kassen abrechnet, muss nachweisen, dass sie oder er gegen die Haftpflichtgefahren aus der Berufsausübung ausreichend versichert ist.
01.10.2022 Versicherungsschutz
Teil 6: Unerwarteter Tod des Praxisinhabers – Praxisnachfolger suchen
Die medizinische Patientenversorgung kann nach dem plötzlichen Tod des Praxisinhabers übergangsweise durch einen Vertretungsarzt geregelt werden. Hauptziel sollte jedoch sein, schnellstmöglich einen Praxisnachfolger zu finden. Denn die Zulassung endet grundsätzlich mit dem Tode und die Nachbesetzung muss in den meisten KVen innerhalb von zwei Quartalen erfolgen. Insbesondere für Einzelpraxen ist damit ein hohes Risiko verbunden, denn wenn kein Nachfolger gefunden wird und der Zulassungsausschuss die Vertragsarztzulassung einzieht, kommt dies einer Stilllegung der Praxis gleich.
01.08.2022 Versicherungsschutz
Teil 5: Unerwarteter Tod des Praxisinhabers – Praxisführung sichern
Praxisinhaber haben eine Doppelfunktion: Als Ärzte kümmern sie sich um die medizinische Versorgung ihrer Patienten. Und als Unternehmer bewältigen sie tagtäglich Führungsaufgaben in der eigenen Praxis. Wer aber kann diese beiden wichtigen Aufgaben im Falle eines plötzlichen Todes des Inhabers solange sicherstellen, bis ein Übernehmer für die Praxis gefunden ist?
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.