Personalbedarfsberechnungen, kurz „Personalbemessungen“, in chirurgischen Kliniken sind heute ein unverzichtbares Element der Kostensteuerung durch Krankenhaus-Geschäftsführungen. Diese Berechnungen und besonders deren Umsetzungen – meist verbunden mit Personalreduktion – führen oft zu Konflikten innerhalb eines Klinikums. Chefärzte und die leitenden Ärzte müssen sich daher mit der Methodik, den Berechnungen und den Konsequenzen auseinandersetzen, so schwer dies auch angesichts des täglichen Arbeitspensums fallen mag. Ein chirurgisches Team kann eine hohe Behandlungsqualität, für die letztlich der Chefarzt verantwortlich ist, nur gewährleisten, wenn ausreichendes und gut qualifiziertes Personal bereitgestellt wird. Folgen einer Minderbesetzung können gravierend sein, sie werden in der Regel dem Chefarzt angelastet:
- Unzufriedenheit und Fluktuation,
- Leistungsminderung,
- Fehler und Beinahe-Fehler,
- Patientenbeschwerden,
- rechtliche Auseinandersetzungen.
Geschäftsführungen dagegen haben unter dem derzeit herrschenden Kostendruck im Gesundheitssystem ein erhebliches Interesse, die Personaldecke im Krankenhaus über alle Bereiche hinweg möglichst am unteren Minimum des „Vertretbaren“ zu halten, da Personalkosten ca. 70 % der Gesamtkosten ausmachen. Die erbrachte Leistung einer Klinik und die dafür eingesetzten Personalkosten müssen in einem adäquaten Verhältnis stehen. Erschwerend sind hier knappe und fraglich kostendeckende Personalstärken-Empfehlungen, z. B. auf INEK-Basis.
Diese Arbeit soll die Methodik der Personalbemessung für Chirurginnen und Chirurgen kursorisch darstellen, einen Erfahrungsbericht des Autors über unterschiedliche Berechnungen in seiner Klinik über einen 10-Jahres-Zeitraum liefern und Hilfestellungen für eine transparente und für beide Seiten konfliktarme Lösung des Problems „Stellenschlüssel“ liefern.
Methoden zur Berechnung der Personalstärke
„Personalbemessung“ lässt sich relativ einfach definieren: Wie viele Mitarbeiter werden wie lange benötigt, um eine Summe definierter Leistungen zu erbringen? Für eine chirurgische Klinik bedeutet das konkret: Wie viele Vollkräfte müssen in der Klinik angestellt sein, um die anfallende Arbeit, die sich aus sehr differenzierten Komponenten zusammensetzt, einschließlich Urlaubs-, Fehl- Krankheits- und Wegezeiten zu erledigen? Dies wird in der Regel als „Stellenschlüssel“ (früher auch „Stellenkegel“), z. B. 1-5-10 (1 Chefarzt, 5 Oberärzte, 10 Assistenzärzte), ausgedrückt. Der Personalbedarf wird in Vollkräften (VK) ausgedrückt.
In deutschen Kliniken werden üblicherweise vier unterschiedliche Methoden zur Personalbemessung angewendet, die auch in kombinierter Form eingesetzt werden können [1]:
1) Kennzahlen-Methode
Welcher Personalbedarf wird bei entsprechender Leistungsstruktur benötigt? Hierbei werden Kennzahlen vergleichbarer Kliniken zugrunde gelegt. Diese Methode ist relativ rasch und einfach z. B. im Rahmen von Benchmarkings anwendbar, misst jedoch für detaillierte Betrachtungen zu grob. Eine typische Kennzahl ist die „erreichte Anzahl an CM-Punkten im Jahr pro ärztlicher VK“.
2) Leistungseinheiten-Methode
Welche Leistungen sind in welcher Zeit zu erbringen? Hierzu ist eine aufwändige und genaue Zusammenstellung aller erbrachten Leistungen einer Klinik, der hierfür erforderlichen Personalstärke (z. B. drei Chirurgen pro Kolonresektion) und der durchschnittlichen Zeitbindung (z. B. 30 Minuten pro Ultraschalluntersuchung inkl. Befunderstellung) erforderlich.
3) Arbeitsplatz-Methode
Wie viele Arbeitsplätze sind in welchen Zeiträumen zu besetzen? Hierbei ist entscheidend, wie viele Arbeitsplätze zeitgleich über welchen Zeitraum pro Tag zu besetzen sind und ob an diesem Arbeitsplatz durchgängig eine Leistung erbracht wird oder zwischendurch andere Leistungen erbracht werden (ein Chirurg in der Ambulanz, der „nebenher“ endoskopiert, sonografiert, Konsile erledigt). Für einheitlich strukturierte Fachgebiete wie die Anästhesie erscheint die Methode anwendbar, für die Chirurgie ist sie zu undifferenziert (z. B. „täglich fünf Chirurgen in zwei OP-Sälen“), da das Leistungsspektrum und der Arbeitstag höchst variabel sein können.
4) Organisationsanalytische Methode
Die Bedarfsermittlung erfolgt wie bei der Arbeitsplatzmethode, jedoch werden Anpassungen nach Struktur- und Ablaufoptimierung klinik-individuell vorgenommen. Beispielsweise werden an den Arbeitsplätzen verschiedene Leistungen kombiniert oder mit gestaffelten Diensten bestückt.
Konkrete Berechnung der Personalstärke
Die differenzierteste und gleichzeitig aufwändigste Methode ist die Leistungseinheiten-Methode, die hier beispielhaft angewendet werden soll. Alle Leistungen, die in der Klinik erbracht werden, werden in übersichtlichen Blöcken strukturiert und deren Zeitbedarf ermittelt (Abb. 1). Beispiele für konkrete Bemessungen sind in den Abb. 2, 3 und 4 aufgelistet. Dabei ist folgendes zu beachten:
Keine Personalbedarfsberechnung ist exakt; das bedeutet, dass das Ergebnis diskutierbar sein muss und besondere Aspekte, die den VK-Bedarf erhöhen, durch den Chefarzt geltend gemacht werden sollten.
Besondere Aspekte und Fragen müssen rechtzeitig berücksichtigt werden, denn sie beinhalten Konfliktpotential:
- Blutabnahmen durch Ärzte müssen mitberechnet werden
- Individueller Zeitbedarf für zertifizierte Zentren, QM-Maßnahmen, Verschlüsselungen erfasst?
- Umkleide- und Wegezeiten sind neu und bedarfserhöhend (ca. 1/3 VK).
- Bei operativen Fächern muss der Gleichzeitigkeitsfaktor im OP genau analysiert werden. Das bedeutet: Wie viele Chirurgen sind zeitgleich im Durchschnitt bei den unterschiedlichen Eingriffen für welche Zeit gebunden, einschließlich Einschleusungszeiten, Befundsichtung, Diktat, Eingriffsdokumentation, Lagerung, Telefonaten etc.? Für die Klinik ist es ungünstig, wenn die Anzahl der Mitarbeiter auf die Zahl der Eingriffe bezogen wird, da viele kleine Eingriffe mit einer geringen Personalstärke erbracht werden. Günstiger ist es, wenn der Gleichzeitigkeitsfaktor nach der Zeitbindung des Personals gewichtet wird, denn große Eingriffe sind zwar seltener, binden jedoch mehr Personal über eine längere Zeit als kleinere Eingriffe.
- Bei Besprechungen (Röntgenbesprechung, Teambesprechung, MM-Konferenz, Fortbildung etc.) muss ebenfalls der Gleichzeitigkeitsfaktor mit entsprechender Zeitbindung berücksichtigt werden (wie viele VK sind im Durchschnitt anwesend?). Daraus erklärt sich, dass die heute übliche hohe Anzahl unterschiedlichster Besprechungen und das Beauftragtenwesen in einer entsprechenden VK-Zahl abgebildet sein müssen.
- Der Zeitbedarf für Funktionsleistungen sollte kritisch geprüft werden, auch die heute meist digitale Berichterstellung muss berücksichtigt werden: Ein Konsil in der Inneren Klinik erfordert die telefonische Ankündigung (um den Patienten dort auch anzutreffen), die Aktensichtung, die Befunderhebung, das Patienten- und Konsilgespräch, Wegezeiten und schließlich die Konsilberichterstellung (z. B. 30 Minuten pro Konsil).
- Von der VK-Summe werden wiederum pauschal z. B. 0,2 VK für die „persönliche Leistungserbringung des Chefarztes“ abgezogen. Dieser Wert muss individuell diskutiert werden, denn der Chefarzt leistet einerseits unterschiedlich hohe Abgaben und setzt andererseits unterschiedlich viele Mitarbeiter für diese Leistungen ein
- Sind Dienstzeiten, Überstunden, Fehlzeiten, Urlaubszeiten, Fortbildungszeiten und Weiterbildungszeiten in der VK-Zahl enthalten oder werden sie getrennt ausgewiesen?
Personalbemessungen in chirurgischen Kliniken sind heute unverzichtbar. Sie verlangen den Beteiligten ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen und Wertschätzung ab. Die Methodik der Berechnung muss transparent und für den verantwortlichen Chefarzt nachvollziehbar sein. Die Möglichkeit, dabei seine Kritikpunkte an der Berechnung einbringen zu können, muss bestehen. Die intensive Auseinandersetzung mit den Details der Berechnung ist Voraussetzung, um etwaige Fehler aufspüren zu können. Es muss eine Vertrauensbasis gegeben sein, dass die (in aller Regel vom Controlling gelieferten) Rohdaten bezüglich erbrachter Leistungen der Mitarbeiter glaubwürdig sind. Bestehen Zweifel, so bleibt noch die Möglichkeit von stichprobenhaften Selbsterhebungen. Es ist demnach zu raten, präzise mit seinem Team zu prüfen, ob qualitativ alle Leistungen erfasst und quantitativ die angesetzten Bindungszeiten realistisch sind. Von Seiten der Geschäftsführung ist der offene Dialog mit den Betroffenen über die Personal-Analyse zu fordern, ebenso wie die Bereitschaft, bei guter Begründung von der erhobenen Personalbemessung abzuweichen. Die für jede Klinik individuell anzugleichende Personalbemessung muss in regelmäßigen Abständen hinterfragt und aktualisiert werden. Werden diese Regeln von beiden Seiten gleichermaßen befolgt, lässt sich eine Personalbemessung relativ konfliktarm in einer chirurgischen Klinik umsetzen.