30.07.2018 Politik
„Wie es dem Patienten gerade einfällt“
![](https://www.bdc.de/wp-content/uploads/2016/06/notaufnahme_teaser-e1476975824362.jpg)
Kassenärzte finden für Notfallgebühr keine Verbündeten
Um die zunehmend überlasteten Notaufnahmen in Deutschland zu entlasten, schlägt der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Andreas Gassen vor, eine Gebühr einzuführen und erntet dafür viel Kritik. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) lehnt diese Idee ab.
Die Gebühr soll überflüssige Besuche in der Notaufnahme von Krankenhäusern vermeiden. „Eine finanzielle Steuerung wäre genau der Hebel, der helfen würde. In vielen anderen Ländern Europas ist so etwas längst üblich“, sagt der KBV-Chef laut Medienberichten. „Wenn sich bestimmte Patienten dem Angebot der niedergelassenen Ärzte dauerhaft entziehen und das System nach Gusto nutzen, wie es ihnen gerade einfällt, muss das finanzielle Sanktionen nach sich ziehen.“ Viele der Patienten in den Notaufnahmen der Krankenhäuser seien keine echten Notfälle. „Ziel muss sein, dass wir nur noch diejenigen in den Notaufnahmen haben, die später auch stationär behandelt werden müssen“. Alle weiteren Patienten müssten ambulant versorgt werden. Gassen komme es grundsätzlich nicht darauf an, Patienten zur Kasse zu bitten. Versicherte, die krank seien, müssten nur schnellstmöglich die richtige Versorgung erhalten. Der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN), Mark Barjenbruch, schlägt eine Gebühr von 50 Euro vor.
DKG spricht von „Strafgebühr“
„Eine solche Strafgebühr ist aus unserer Sicht schlicht falsch“, teilt die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) in einer Pressemeldung mit. Grund für die hohen Patientenzahlen in den Kliniken – rund 25 Millionen pro Jahr – sei das nicht ausreichende Angebotan Sprechstundenzeiten niedergelassener Ärzte. Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) kämen ihrem Sicherstellungsauftrag nicht überall nach. Wenn sie keine Termine mehr freihätten, schickten Ärzte Patienten auch zum Krankenhaus. Eine Gebühr käme einer Bestrafung der Versicherten gleich, meint auch SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach. „Wir haben ein verändertes Verhalten der Patienten. Mehr von ihnen wollen ins Krankenhaus, um dort versorgt zu werden. Wir können die Patienten nicht umerziehen“, sagt Lauterbach und fordert, Krankenhäuser stärker zu Anlaufstellen für gesetzlich Versicherte zu machen, die keine Notfälle sind. Normale Praxen und Notfallpraxen sollten in Kliniken vorgehalten werden. Dafür brauche es entsprechende gesetzliche Regelungen. „Mit einem Trommelfeuer versuchen die Kassenärzte, von ihrem eigenen Versagen abzulenken“, sagt Eugen Brysch, Chef der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Hausbesuche und Öffnungszeiten von Praxen nähmen ab, während zeitgleich die Einnahmen der KVen jährlich stiegen. Die Reaktion der Gesetzlichen Krankenversicherung fällt ähnlich aus: „Erst kümmern sich die KVen jahrelang nicht ordentlich um den Bereitschaftsdienst in der Nacht, an den Abenden und den Wochenenden und jetzt, wo die kranken Menschen die Kliniken aufsuchen, will der Chef der Kassenärzte sie dafür mit Zusatzkosten bestrafen.“
Grüne fordern Reformvorschläge der Regierung
Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Sprecherin für Gesundheitsförderung der Grünen im Bundestag unterstreicht noch einmal den dringenden Reformbedarf. „Statt Eintrittsgelder zu verlangen, muss die Notfallversorgung verbessert werden. Wir fordern Bundesminister Spahn auf, bis Ende des Jahres Vorschläge zu einer umfassenden Reform der Notfallversorgung auf den Tisch zu legen, so wie es der Sachverständigenrat jüngst gefordert hat.“ Viele der Probleme in den Notaufnahmen ließen sich lösen, wenn es ein klar verständliches Angebot aus einer Hand gebe mit einer Notrufnummer, Anlaufstelle, einer einheitlichen Ersteinschätzung. Am Rande eines Hintergrundgesprächs vor Journalisten erteilt Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dem Ansinnen der KBV eine Absage: „Von Notaufnahmegebühren halte ich nichts.“ Er setzt auf die Zusammenlegung von ambulanter und stationärer Versorgung und verweist auf das aktuelle Gutachten des Sachverständigenrates: „Ein Tresen, eine Triage, eine Nummer – dieses Ziel verfolgen wir.“
Quelle: Presseagentur Gesundheit, Albrechtstraße 11, 10117 Berlin, www.pa-gesundheit.de, 25.07.2018
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