01.10.2023 Krankenhaus
Berufspolitik Aktuell: Ersteinschätzungsrichtlinie des G-BA für Notfallpatienten vom BMG beanstandet
Das Bundeskabinett hat das Krankenhaustransparenzgesetz beschlossen. Es muss aber noch vom Parlament verabschiedet werden und angesichts des Widerstands vor allem aus den Ländern ist mit zahlreichen Änderungen zu rechnen. Nach aktuellem Stand soll das Transparenzverzeichnis der Bevölkerung Informationen bieten: Fallzahlen von Leistungen (differenziert nach 65 Leistungsgruppen), vorgehaltenes ärztliches und pflegerisches Personal, personelle Ausstattung im Verhältnis zum Leistungsumfang, Komplikationsraten für ausgewählte Eingriffe, Zuordnung der einzelnen Krankenhausstandorte zu Versorgungsstufen (Level). Zwar behauptet das BMG, die Veröffentlichung durch das BMG habe keine Auswirkungen auf die Krankenhausplanung der Länder und die Krankenhausvergütung. Das mag allenfalls formal so sein, in der Praxis bedeutet das nichts anderes als ein Ranking der Kliniken im Sinne eines staatlichen Bewertungsportals im Stile von „jameda“ und anderen. Die Auswirkungen werden am Ende zu einem „kalten“ Kliniksterben führen.
Zwei Tage vor Ablauf der Frist hat das Bundesministerium für Gesundheit die intensiv diskutierte Ersteinschätzungsrichtlinie für Notfälle des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) als Aufsicht beanstandet. Somit kann die Richtlinie für ein standardisiertes und qualifiziertes Ersteinschätzungsverfahren nicht wie vorgesehen kommendes Jahr in Kraft treten.
Das BMG kritisiert vor allem:
- Die Kategorisierung des G-BA von Notfällen in drei „Dringlichkeitsstufen“ sowie das dafür anzuwendende, aber noch nicht vorhandene System eines „qualifizierten und standardisierten Verfahrens“ zur Einschätzung. Dieses liege beim Start der Richtlinie zum 1. Juni 2024 noch nicht vor, Kliniken könnten sich bis dahin auf keine Vorgaben verlassen. Etabliert seien bisher die validierten Triagesysteme zur Behandlungspriorisierung, „nicht jedoch Verfahren, welche weiter in ‚Dringlichkeitsgruppen‘ differenzieren.“
- Auch sei unklar, wie die Dringlichkeitsgruppen vergütet werden, dies schaffe Unsicherheiten. Das BMG kritisiert die Einschätzung, dass Krankenhäuser bis zur Einführung eines Ersteinschätzungsinstrumentes einen Probebetrieb nutzen sollen – sowie die vage Aussage, dass der G-BA zum 1. März 2025 ein solches Instrument erwartet.
- Ebenso als rechtswidrig bewertet das BMG, dass die Ersteinschätzung auch für die Menschen gelten sollte, die mit dem Rettungsdienst in ein Krankenhaus gebracht werden, und nicht nur für die, die selbst das Krankenhaus aufsuchen.
- Als ebenfalls rechtswidrig stuft das BMG die räumlichen Vorgaben des G-BA ein, eine Zentrale Notaufnahme zu errichten. Es stehe laut Gesetz den Krankenhäusern frei, an der Notfallversorgung nach dem gestuften System von Notfallstrukturen des G-BA teilzunehmen.
- Deutliche Kritik auch an der geplanten Vorgabe, dass Menschen, die mit ihrem Anliegen in die künftige Dringlichkeitsstufe 1 eingruppiert werden, „grundsätzlich auch an ein Medizinisches Versorgungszentrum in Trägerschaft des Krankenhauses weitergeleitet werden müssen“.
Nach wie vor bleibt damit die Organisation der Notfallversorgung eine Dauerbaustelle, sehr zum Ärger der Beteiligten KBV und DKG. Im Kern beanstandet das BMG die Richtlinie wohl deshalb, weil sie den Plänen einer Krankenhausreform eine offenbar nicht gewünschte Richtung geben würde.
Zum Schluss noch ein Wort zu den jüngsten Honorarabschlüssen zwischen KBV und GKV-Spitzenverband: Die vereinbarte Steigerung (nur unter Anrufung des Schiedsamts) bedeutet mit knapp 4 % Plus eine Anpassung auf dem Niveau der Klinikärzte, aber natürlich bei Weitem nicht einen Ausgleich der inflationsbedingten Kostensteigerung. Die Proteste einiger Ärzteorganisationen haben nicht lange auf sich warten lassen. Im Grunde das sattsam bekannte Spiel. Protest immer gern, aber aktive Gegenmaßnahmen scheitern an der nicht ausreichend vorhandenen Solidarität.
Rüggeberg JA: Ersteinschätzungsrichtlinie für Notfälle vom G-BA beanstandet. Passion Chirurgie. 2023 Oktober; 13(10): Artikel 05_02.
Autor des Artikels
Dr. med. Jörg-Andreas Rüggeberg
Vizepräsident des BDCReferat Presse- & Öffentlichkeitsarbeit/Zuständigkeit PASSION CHIRURGIEPraxisverbund Chirurgie/Orthopädie/Unfallchirurgie Dres. Rüggeberg, Grellmann, HenkeZermatter Str. 21/2328325Bremen kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
19.11.2021 BDC|News
Umfrage zum Projekt „Einheitliche, sektorengleiche Vergütung”
Das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) und das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) führen derzeit innerhalb des Innovationsfondsprojektes „Einheitliche, sektorengleiche Vergütung (ESV)“ gemeinsam eine Befragung unter operativ tätigen Ärztinnen und Ärzten durch.
01.11.2021 Krankenhaus
Studie belegt differenzierten und situationsgerechten Umgang mit Operationen in deutschen Kliniken während der SARS-CoV-2-Pandemie
Während der SARS-CoV-2-Pandemie haben deutsche Kliniken - insbesondere nach der ersten Welle - differenziert und situationsgerecht auf die jeweiligen Inzidenzen reagiert und in Abhängigkeit von der Dringlichkeit Eingriffe nachvollziehbar reduziert. Das geht aus einer Studie hervor, welche die Auswirkungen der SARS-CoV-2 Pandemie auf das operative Leistungsgeschehen in der Allgemein- und Viszeralchirurgie sowie in der Unfallchirurgie/Orthopädie beschreibt.
01.11.2021 Krankenhaus
BDC-Praxistest: Wie finde und binde ich meine Mitarbeiter? Personal- und Organisationsentwicklung am Beispiel einer Universitätsklinik
Die demographische Entwicklung und der Generationenwandel haben die Rekrutierung und Bindung qualifizierter Mediziner:innen trotz steigender Studienplätze zu einer echten Herausforderung gemacht. Mittlerweile betrifft das Thema nicht nur kleine Häuser an unbeliebten Orten, sondern auch Universitätsklinika auf dem Niveau der Spitzenmedizin (Schweitzer und Bossmann, 2013: Systemisches Demografiemanagement. Springer). Die „Arbeitgeberattraktivität“ der Klinik ist so zu einem sehr kostbaren Gut geworden, in das es sich zu investieren lohnt.
11.06.2021 Krankenhaus
G-BA verlängert Corona-Sonderregelungen zum Entlassmanagement
Krankenhausärztinnen und -ärzte können weiterhin im Rahmen des Entlassmanagements eine Arbeitsunfähigkeit für bis zu 14 Kalendertage statt bis zu 7 Tage nach einer Entlassung aus dem Krankenhaus bescheinigen.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.