10.06.2020 Krankenhaus
DGTI: Blutspendenrückgang durch Corona-Krise verstärkt
![](https://www.bdc.de/wp-content/uploads/ebook/42209/OEBPS/images/p39-750x500.jpg)
Demografischer Wandel gefährdet Blutversorgung
Aktuelle Daten belegen, dass eine ausreichende regionale Versorgung mit Blutprodukten aufgrund des demografischen Wandels zu einer immer größeren Herausforderung wird. Dies zeigen Ergebnisse einer Studie, in der Forscher die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Blutversorgung im Saarland untersuchten. Anlässlich des Weltblutspendentages am 14. Juni 2020 ruft die Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie e.V. (DGTI) zur regelmäßigen Blutspende auf. Zugleich fordert die Fachgesellschaft ein bundesweites Monitoring, um den Bedarf und die Verfügbarkeit von Blutprodukten zu koordinieren.
Die Zahl der möglichen Blutspender zwischen 18 und 65 Jahren nimmt konstant ab. Gleichzeitig gibt es immer mehr ältere Menschen, die einen höheren Bedarf an Blutprodukten haben. „Seit Jahren beobachten wir in den Kliniken eine Zunahme älterer Patienten, die deutlich mehr Blut brauchen als Jüngere“, erläutert Professor Dr. med. Hermann Eichler, 1. Vorsitzender der DGTI. Die Anzahl der über 65-Jährigen nimmt in der Bevölkerung stetig zu, während die Zahl der möglichen Blutspender zwischen 18 und 65 Jahren konstant abnimmt. „Diese Fakten der demografischen Entwicklung sind entscheidend für die weitere Blutversorgung Deutschlands“, sagt Eichler, der auch Direktor des Instituts für Klinische Hämostaseologie und Transfusionsmedizin am Universitätsklinikum des Saarlandes ist.
Um die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Verfügbarkeit und den Verbrauch von Blutprodukten zu untersuchen, startete Eichler gemeinsam mit weiteren Forschern eine Studie. „Zur Durchführung bot sich das Saarland als Modellregion besonders an, da dort der demografische Wandel in Westdeutschland am schnellsten voranschreitet“, erläutert Eichler die Hintergründe. Eine vergleichbare Untersuchung wird bereits seit einigen Jahren in Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt.
Die Autoren der Studie haben über 40.000 Bluttransfusionen und 43.000 Blutspenden aus dem Saarland im Jahr 2017 ausgewertet. Dabei untersuchten die Forscher die Altersstruktur von Transfusionsempfängern und Blutspendern und erstellten eine Hochrechnung für die Blutversorgung im Jahr 2030. So zeigt sich, dass der aktuelle Blutbedarf pro 1000 Einwohner von weniger als 20 Transfusionen bei den unter 50-jährigen auf 140 Transfusionen bei den über 80-jährigen Patienten ansteigt. „Das liegt am hohen medizinischen Versorgungsniveau auch bei älteren Patienten in Deutschland“, erläutert Eichler. Bei gleichbleibender Spendenbereitschaft wird dies im Jahr 2030 aber zu einer erheblichen Unterversorgung mit Blut führen. Dies liegt daran, dass die Baby-Boomer-Generation, also die geburtenstarken Jahrgänge in den 1950er und -60er Jahren, die momentan noch zu den Spendern zählt, in einigen Jahren aber selbst verstärkt auf Bluttransfusionen angewiesen sein wird“, erläutert Eichler. „Die Ergebnisse dieser und vergleichbarer Studien zeigen eindeutig, wie wichtig es ist, dass insbesondere jüngere Menschen regelmäßig zur Blutspende gehen, um den aktuellen und künftigen Blutbedarf decken zu können“, unterstreicht der Experte.
Aktuell habe auch die Corona-Pandemie Auswirkungen auf die Spendenbereitschaft und damit auf die Verfügbarkeit von Blutprodukten. „Viele gehen aus Sorge vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 nicht zur Blutspende. Die Blutspendedienste haben ihre ohnehin schon strengen Hygienemaßnahmen jedoch nochmals verstärkt, sodass gesunde Spendenwillige ohne Sorgen zur Blutspende gehen können“, so Eichler.
Der DGTI-Experte erwartet für die nächsten Jahre erhebliche Engpässe in der regionalen Blutversorgung. „Wir benötigen dringend ein bundesweites Monitoring, um festzustellen, wo Blutkonserven benötigt werden und wo noch Einsparpotenziale bestehen“, sagt Eichler. Auch den Kliniken muss es möglich sein, den künftigen Bedarf besser als bisher abzuschätzen zu können. Dann werde auch in Zukunft jeder Patient die Bluttransfusion erhalten, die er dringend benötigt. „Parallel dazu ist es wichtig, vor allem bei jüngeren Menschen für das Blutspenden zu werben, wozu wir den Weltblutspendentag als Anlass nutzen“, so der Experte abschließend.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI), Postfach 331120, 70451 Stuttgart, www.dgti.de
Weitere Artikel zum Thema
27.05.2022 Krankenhaus
BÄK strebt Paradigmenwechsel beim ärztlichen Personalbedarf in Kliniken an
Mit Hilfe eines Kalkulationstools möchte die Bundesärztekammer (BÄK) nach Möglichkeit schon ab Mai 2023 den im Krankenhaus tatsächlich anfallenden Bedarf an ärztlichen Leistungen errechnen.
23.02.2022 Krankenhaus
BDC-Praxistest: Künstliche Intelligenz in der Chirurgie
Künstliche Intelligenz (KI, engl. artificial intelligence) ist eine Technologie, die aktuell in aller Munde ist. Viele Branchen setzen große Hoffnungen in KI für die Weiterentwicklung ihrer Dienstleistungen und Produkte. Eine Vorreiterrolle spielt dabei natürlich die Informationstechnologie selbst: Sind Sie sich bewusst, dass die Auswahl der Bücher, die Ihnen zum Kauf empfohlen werden, der Vorschlag der Abendunterhaltung durch Online-Streaming-Dienste oder die Nachrichten, die Ihnen in den sozialen Medien angezeigt werden, Resultate von KI sind? Dieser Artikel erläutert die wichtigsten technischen Begriffe der KI und gibt eine Übersicht über die Erforschung und den Einsatz von KI in der Chirurgie.
21.01.2022 Krankenhaus
NRW-Krankenhäusern fehlen jährlich 1,85 Milliarden
Den Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen fehlen 1,85 Milliarden Euro pro Jahr an Investitionen. Das berichtet das Deutsche Ärzteblatt am 20.1.2022 unter Berufung auf das Investitionsbarometer NRW 2021 des RWI – Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung und der hcb GmbH.
11.01.2022 Krankenhaus
Roboter im OP: Kassen für bessere Datenlage und Zentrenbildung
Laut einer Meldung des Deutschen Ärzteblattes (11.1.2022) können sich Vertreter der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) einen breiteren Einsatz robotergestützter Operationssysteme einschließlich Kostenübernahme vorstellen, sofern ausreichend Daten zur Verfügung stehen, die den Nutzen und die Überlegenheit der Technik belegen.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.