01.11.2021 Aus-, Weiter- & Fortbildung
Nachwuchs: Mehr als Schönheitsoperationen
MEHR ALS SCHÖNHEITSOPERATIONEN
Für das Fach Chirurgie begeistern, ganzheitlich informieren und unterstützen – das ist die Mission der Nachwuchskampagne „Nur Mut! Kein Durchschnittsjob: ChirurgIn“ des BDC. In der neu aufgelegten Interviewreihe wollen wir die Facetten der Chirurgie transparent machen und zeigen, wie junge Chirurgen und Chirurginnen ihren Beruf leben.
INTERVIEW MIT DR. MED. ARNE HENDRIK BÖCKER, OBERARZT HAND-, PLASTISCHE UND REKONSTRUKTIVE CHIRURGIE, LUDWIGSHAFEN
Passion Chirurgie: Faszination Plastische und Rekonstruktive Chirurgie – was ist für Sie das Beste am Fach?
Arne Hendrik Böcker: In die Plastische Chirurgie bin ich eigentlich eher durch Zufall gekommen. Ich wollte gern promovieren. Meine Promotion sollte eine experimentelle Arbeit sein und es sollte etwas Chirurgisches sein. Durch eine Doktorandenstelle, die beides vereinte, bin ich in die Plastische Chirurgie gekommen. Ich muss zugeben, dass ich vor meiner Promotion ein gänzlich anderes, vielleicht sogar falsches Bild der Plastischen und Rekonstruktiven Chirurgie hatte. Sie ist ein sehr faszinierendes Fach und extrem vielfältig. Die Breite des Spektrums hat mich überrascht und meine Erwartungen übertroffen. Man braucht selbst als Chirurg auch ein differenziertes Skillset – von filigranen bis flächigeren Eingriffen ist alles dabei. Das ist toll. Wissenschaftlich hat man ebenfalls viele Möglichkeiten. Mir persönlich haben es die peripheren Nerven angetan, aber wer will kann genauso gut in der Rekonstruktion, Verbrennung oder Handchirurgie das passende wissenschaftliche Feld für sich finden.
PC: Aus heutiger Perspektive: Was würden Sie Ihrem jüngeren Ich im Studium mitgeben?
AHB: Nutze die Zeit zum umfassenden Kennenlernen! Nie wieder wird es in der medizinischen Ausbildung so viel Freiheit geben, wie im Studium. Man darf nicht vergessen: Die Spezialisierung kommt unweigerlich im Laufe der Ausbildung. Ich selbst habe nicht von Beginn an gewusst, was mein Ziel sein wird und welcher Bereich der Medizin mich besonders interessiert. Deshalb habe ich mein Studium genutzt, um mir unterschiedliche Disziplinen anzugucken. Konkret heißt das bei mir, dass ich meine Famulatur in der Kardiologie gemacht habe, danach habe ich mir den gastroenterologischen Bereich angesehen. Im fünften Semester kam mit der Doktorandenstelle dann der Durchbruch und das Gefühl der Leidenschaft fürs Fach. Meine Empfehlung lautet daher: Am Ende des Studiums sollte man definitiv wissen, in welche Richtung es geht und was einen am meisten interessiert.
PC: Hand aufs Herz: Wie gelingt die Balance zwischen Beruf & Privatleben?
AHB: Man bewegt sich bei diesem Thema immer in einem Spannungsfeld. Das finde ich aber ganz normal. Mein Beruf als Chirurg ist ein arbeitsintensiver Job, der geprägt ist von Eigeninitiative und Engagement. Für mich persönlich ist die strikte Trennung zwischen Beruf und Privatleben nicht unbedingt erforderlich, weil mein Job mich erfüllt. Mir war es immer wichtig, am Ende des Tages für jemanden einen Unterschied gemacht zu haben. Das Ergebnis meiner Arbeit zählt. Die große Frage des Sinns des Berufes hat sich mir noch nie gestellt. Allerdings gibt es auch immer Lebensphasen, in denen man familiär mehr gefordert ist. Moderne chirurgische Kliniken sollten hier auch Lösungsmodelle (beispielsweise Elternzeit) anbieten, um motivierte Mitarbeiter langfristig zu halten und die plastische Chirurgie dauerhaft als Fach attraktiv zu halten.
PC: In schwierigen Zeiten – was oder wer hat Sie motiviert dranzubleiben?
AHB: Ich arbeite in einem großen Klinikum mit einem tollen Team. Wir stützen uns gegenseitig und stehen füreinander ein. Das ist auch ein prägender Teil, der die Chirurgie ausmacht: Sie ist Teamarbeit. Zwischen Erfolg und Scheitern ist der Grat sehr schmal manchmal. In meinem Team habe ich immer Ansprechpartner, im Zweifel ist auch immer mein Chef für mich da, wenn ich mal ein chirurgisches Problem nicht gelöst kriege. Das kommt vor. Wir alle lernen dazu und so sollte es sein. Ich habe das auch schon ganz anders kennengelernt – in Strukturen, die andere nicht stützen – im Gegenteil. Das ist sehr abschreckend und gerade in Bezug auf die Nachwuchsgewinnung ein echtes Problem: Teilweise werden ausgeprägte Hierarchien und tradierte Strukturen in der Chirurgie gelebt, die Einzelne sich oft nicht weiterentwickeln lassen. Das aber ist gerade wichtig. Es braucht eine gute Kommunikationskultur, die auch gelebt wird. Gemachte Fehler sollten sich im besten Fall nicht wiederholen. Hierzu braucht es allerdings eine offene Fehler- und professionelle Feedbackkultur. Ich glaube, hier sollte ein Umdenken in der Chirurgie passieren.
PC: Gab es ein entscheidendes Erlebnis, das Sie motiviert hat?
AHB: Als Assistenzarzt habe ich eine junge Frau operiert, die eine schwerste Handverletzung hatte. Seither kommt sie regelmäßig in die Sprechstunde, manchmal nur um die gute Heilung ihrer Hand zu zeigen. Das bewegt und das ist es, was ich meine: Am Ende des Tages habe ich für jemanden durch meinen Beruf einen Unterschied gemacht. Solche Erlebnisse motivieren sehr lange.
PC: Haben Sie Tipps für die Zeit als Assistenzarzt?
AHB: Das Klügste aus meiner Sicht ist ein Mentorprogramm. Eine Mentorin an seiner Seite zu haben, um immer wieder die eigenen Ziele zu überprüfen und Unterstützung bei der Reflektion der eigenen Arbeit zu erhalten ist sehr effektiv. Man lernt aus erster Hand und bekommt oft weitsichtige Perspektiven, die für einen in dieser Phase noch nicht absehbar sind. Ich hatte das Glück, Menschen als Vorbilder in meinem direkten Umfeld zu haben, die mich immer wieder motiviert haben. Auch Kritik im Sinne des Mentorings hat oft weitergeholfen.
PC: Wie wichtig war für Sie ein Netzwerk?
AHB: Ein eigenes Netzwerk auszubauen kann hilfreich sein. Beispielsweise, indem man schon während des Studiums Fachkongresse besucht und Kontakte aufbaut. Das fand ich hilfreich. Vor allem ist in der Plastischen Chirurgie der Nachwuchsmangel noch nicht so extrem und der Einstieg recht kompetitiv.
Hier geht´s zur Nachwuchskampagne des BDC
Böcker, A: Nachwuchskampagne NurMut! Mehr als Schönheitsoperationen. Passion Chirurgie. 2021 November; 11(11): Artikel 04_02.
Autor des Artikels
Dr. med. Arne Böcker
Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, SchwerbrandverletztenzentrumBG Unfallklinik LudwigshafenLudwig-Guttmann-Str. 1367071Ludwigshafen am Rhein kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
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Letzter Halt PJ – Nachwuchs für die Klinik motivieren
Das Thema Nachwuchsmangel wird bei Kongressen, Sitzungen, Fachgesellschaften und Berufsverbänden weiterhin viel diskutiert und die Neuauflage des Berufsmonitorings bestätigt es [1, 2]: Je mehr die Studierenden Kontakt mit dem klinischen Alltag in einem chirurgischen Fach haben, desto höher ist die Gefahr, dass man sie von einer Karriere in diesem Fach abschreckt. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von mangelnder Betreuung über als unnötig empfundene Aufgaben bis hin zum Kontakt mit unzufriedenen Mitarbeitenden [3].
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Fragen zum Medizinstudium
Was fasziniert Sie am Medizinstudium? Tillman Krones: Das vielfältige und detaillierte Wissen über den menschlichen Körper, und damit ja dann auch über den eigenen, hat mich schon immer fasziniert. Und auch das Allumfassende, denn früher oder später kommt ja eigentlich jeder Mensch mal mit der Medizin in Kontakt. Außerdem werden Mediziner immer gebraucht und auch das entsprechende Ansehen hat durchaus eine Rolle bei der Wahl meines Studiums gespielt.
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