19.08.2019 Politik
Versichertenbefragung: Vertrauen in Ärzte hoch, „Ressource“ Arzt wird knapper
![](https://www.bdc.de/wp-content/uploads/2017/09/iStock-668617538-750x489.jpg)
„Die Versichertenbefragung zeigt es immer wieder: Ganz gleich, welches Bild die Politik von der ambulanten Versorgung in Deutschland zeichnet, das Vertrauen der Versicherten in ihre Ärzte kann das nicht erschüttern. 91 Prozent der Patienten geben an, ein gutes oder sehr gutes Vertrauensverhältnis zu ihrem behandelnden Arzt oder ihrer Ärztin zu haben“, sagte Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), bei der heutigen Vorstellung der Versichertenbefragung in Berlin. Die Forschungsgruppe Wahlen Telefonfeld hatte im Auftrag der KBV von Mitte März bis Ende April mehr als 6.100 Versicherte befragt.
Die Meinungsforscher befragen die Versicherten auch regelmäßig zum Thema Wartezeiten. „Wenn man sich die Ergebnisse der letzten Jahre anschaut, stellt man fest: Die Unterschiede bei den Wartezeiten auf einen Termin waren bei gesetzlich und privat Versicherten nie so gravierend, wie gerne kolportiert wird. Das hindert einige Leute aber nicht daran, gebetsmühlenartig die Behauptung vorzutragen, dass gesetzlich Versicherte zu lange auf Termine warten und dies dann auch noch mit der Forderung nach einer Bürgerversicherung zu verbinden“, konstatierte Gassen.
29 Prozent der gesetzlich und 30 Prozent der privat Versicherten mussten bei ihrem letzten Arztbesuch überhaupt keine Wartezeit in Kauf nehmen. Jeder vierte gesetzlich Versicherte bekam innerhalb von einem Tag bis zu einer Woche einen Termin, bei den privat Versicherten war es jeder dritte. Die Wartezeiten haben sich im Lauf der Jahre angeglichen. Dies liegt vor allem daran, dass auch privat Versicherte häufiger als früher längere Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. „Der Grund ist simpel: Arztzeit wird immer knapper. Die Tatsache, dass wir einen nahezu barrierefreien Zugang zu ärztlichen Leistungen haben, ohne Steuerung, bei gleichzeitig steigendem medizinischen Bedarf, führt dabei auch noch zwangsläufig zu einer höheren Nachfrage“, kommentierte KBV-Chef Gassen. Dabei sei es wichtig, bei der Dringlichkeit von Terminen zu unterscheiden, betonte er: „Auf eine routinemäßige Vorsorgeuntersuchung muss ich als Patient im Zweifel tatsächlich länger warten als wenn ich eine Grippe habe.“
Erstmals fragten die Meinungsforscher die Bürgerinnen und Bürger danach, wie dringend sie selbst ihren letzten Arztbesuch einschätzten. Zwei Drittel stuften diesen als dringend oder sehr dringend ein – unabhängig davon, aus welchem Grund er erfolgte. Auch Anlässe wie eine Vorsorgeuntersuchung oder eine Impfung empfanden 36 Prozent der Befragten noch als eilig oder sehr eilig. „Die ‚gefühlte‘ Dringlichkeit ist in vielen Fällen höher als die tatsächliche – auch wenn das aus medizinischer Sicht nicht angebracht ist“, sagte Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV.
Die Versicherten wurden auch gefragt, wie sie die Versorgungssituation mit Haus- und Fachärzten einschätzen. In den letzten zwei Jahren ist der Anteil derjenigen, die angaben, nicht genügend Hausärzte in Wohnortnähe zu haben, von 22 Prozent auf 27 Prozent gestiegen, bei den Fachärzten ist der Anteil von 43 auf 44 Prozent gestiegen. „Obwohl die Arztzahlen absolut gesehen steigen, führt dies nicht automatisch zu einer besseren Versorgungssituation. Jüngere Ärztinnen und Ärzte bevorzugen vermehrt Angestelltenverhältnisse und Teilzeitarbeit. Das hat Auswirkungen auf ihre Verfügbarkeit in der Praxis“, sagte Hofmeister und ergänzte: „Die große Ruhestandswelle bei den jetzigen Praxisinhabern steht uns erst noch bevor. Es gilt also, die Versorgung so zu organisieren, dass die verbleibenden Kräfte und deren Zeit so effizient wie möglich eingesetzt werden. Oder anders ausgedrückt: Die Ressource Arzt ist ein hohes Gut, mit dem wir sorgsam umgehen müssen.“
Das positive Verhältnis zwischen Ärzten und Patienten spiegelt sich auch in der Beurteilung der Videosprechstunde seitens der Versicherten wider. 62 Prozent lehnen diese für sich selbst ab. „Die meisten Menschen wünschen sich den persönlichen Kontakt zu ihrem Arzt und stehen einer Fernbehandlung oder auch nur -beratung skeptisch gegenüber“, kommentierte Dr. Thomas Kriedel, Mitglied des KBV-Vorstands. 72 Prozent der Personen, welche die Videosprechstunde ablehnen, nannten als wichtigsten Grund, den direkten Kontakt zum Arzt zu bevorzugen.
Die Versichertenbefragung wird seit 2006 regelmäßig von der Forschungsgruppe Wahlen Telefonfeld GmbH im Auftrag der KBV durchgeführt. Im Zeitraum vom 11. März bis 29. April 2019 wurden telefonisch mehr als 6.100 Versicherte ab 18 Jahren zu ihrer Einschätzung der Versorgungssituation in Deutschland befragt.
Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Herbert-Lewin-Platz 2, 10623 Berlin, www.kbv.de, 16.08.2019
Weitere Artikel zum Thema
28.04.2022 Sektorübergreifend
Wie sehen KBV und DKG die geplante Neuordnung an der Sektorengrenze ambulant/stationär?
In ihrem Koalitionsvertrag von Anfang Dezember 2021 haben SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP einen Abschnitt auch der Thematik „Ambulante und stationäre Gesundheitsversorgung“ gewidmet. Darin geht es um die sogenannte sektorenübergreifende Patientenversorgung. Dort ist unter anderem von der „Ambulantisierung bislang unnötig stationär erbrachter Leistungen“ die Rede, die zügig über eine sektorengleiche Vergütung durch „Hybrid-DRGs“ gefördert werden soll.
22.04.2022 Akademie aktuell
Fortbildung mit Zukunft – eine Umfrage zur Digitalisierung chirurgischer Fort- und Weiterbildung
Die Frage nach der richtigen Strategie zur Bewältigung der Pandemie bestimmt nach wie vor die gegenwärtige gesellschaftliche Debatte, und noch immer scheint kein Licht am Ende des Tunnels sichtbar. Tiefgreifende Veränderungen, welche die Pandemie wohl überdauern, sind jedoch jetzt schon auf allen sozialen, gesundheitspolitischen und ökonomischen Ebenen unverkennbar zu spüren.
19.04.2022 Aus- & Weiterbildung
BDC-Praxistest: Leitende Chirurginnen – how I made it to the top
Ein 2017 veröffentlichter Bericht der AllBright Stiftung [1], die sich für Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft einsetzt, zeigte, dass der Männeranteil in den Chefetagen großer deutscher Unternehmen bei über 90 Prozent liegt. Eine von vielen Erkenntnissen des Berichts: In den Vorständen gibt es mehr Männer allein mit den Namen Thomas und Michael als Frauen insgesamt. Und in der Medizin?
07.04.2022 Pressemitteilungen
Sektorenkluft überwinden, Patienten bedarfsgerecht versorgen
„Ob es uns gelingt, Patienten in der Zukunft sektorunabhängig und verstärkt am medizinischen Nutzen orientiert zu versorgen, hängt entscheidend davon ob, wie erfolgreich wir mit neuen Konzepten die strikte Sektorentrennung zwischen ambulant und stationär im deutschen Gesundheitswesen überwinden.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.