01.06.2021 Fachgebiete
Executive Summary – Perioperativen Schmerztherapie mit Nichtopioidanalgetika
PERIOPERATIVE SCHMERZTHERAPIE MIT NICHTOPIOIDANALGETIKA – GEMEINSAME EMPFEHLUNG DER DEUTSCHEN SCHMERZGESELLSCHAFT, DER DGAI UND DER DGCH
Hintergrund: Nichtopioidanalgetika werden bei vielen Patienten zur perioperativen Analgesie eingesetzt. Zu einigen praktischen Fragen beim Einsatz von Nichtopioidanalgetika liegen z. T. nur wenig Informationen aus Studien vor, und in Krankenhäusern existieren häufig keine Konzepte zum Vorgehen, z. B. zur Patientenaufklärung und zum Zeitpunkt der perioperativen Gabe.
Methodik: Eine Expertengruppe der beteiligten Fachgesellschaften hat konsensbasierte Empfehlungen zum perioperativen Einsatz von Nichtopioidanalgetika erarbeitet und in einem strukturierten formalen Konsensus Prozess verabschiedet.
Ergebnisse: Die Arbeitsgruppe stimmt überein, dass Nichtopioidanalgetika Bestandteil eines perioperativen multimodalen Analgesiekonzepts sein sollen und Patienten präoperativ über Nutzen, Risiko und alternative Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt werden sollen. Die päoperative Patienteninformation und -edukation soll auch eine Schmerz- und Analgetikaanamnese umfassen und Patienten mit Risikofaktoren für starke Schmerzen und eine Schmerzchronifizierung identifiziert werden. Unter Berücksichtigung Kontraindikationen können Nichtopioidanalgetika abhängig von der Operationsdauer auch schon prä- oder intraoperativ gegeben werden, um nach Beendigung der Anästhesie ausreichende Plasmakonzentrationen zu erzielen. Nichtopioidanalgetika oder Kombinationen von (Nichtopioid)-Analgetika sollen nur für einen begrenzten Zeitraum gegeben werden. Ein gemeinsam erarbeiteter abteilungsübergreifender Behandlungsstandard mit dem Nichtopioidanalgetikum erster Wahl, weiteren Therapieoptionen sowie adäquaten Dosierungen, ergänzt durch eingriffsspezifische Konzepte, soll schriftlich hinterlegt werden. Bei Entlassung aus dem Krankenhaus soll der nachbehandelnde Arzt zu perioperativ gegebenen und aktuell noch eingenommenen Analgetika schriftliche Informationen erhalten. Patienten sollen zu möglichen Nebenwirkungen der Analgetika und ihrer Symptome, die auch nach Krankenhausentlassung auftreten können, und die befristete Einnahmedauer informiert werden.
Schlussfolgerung: Die Anwendung von Nichtopioidanalgetika soll als Bestandteil eines perioperativen multimodalen Analgesiekonzepts mit klaren Vorgaben zu Indikationen, Kontraindikationen, Dosierungen und Behandlungsdauer in einem abteilungsübergreifenden Behandlungsstandard schriftlichen hinterlegt werden.
Die perioperative Gabe von Nichtopioidanalgetika (NOPA) bei Erwachsenen ist etabliert und wird im Kontext analgetischer Konzepte von verschiedenen nationalen und internationalen Leitlinien empfohlen [18, 79].
Zu den NOPA zählen Paracetamol, Metamizol und die NSAIDs (nonsteroidal anti-inflammatory drugs), welche in nichtselektive Cyclooxygenase (COX)-Inhibitoren (traditionelle NSAIDs) und selektive COX-2-Inhibitoren (Coxibe) unterteilt werden. In der perioperativen Phase dienen NOPA meist als Basis einer systemischen Analgesie und können mit Opioiden und ggf. Ko-Analgetika in ein multimodales Analgesiekonzept integriert werden. Zusätzlich benötigte Opioide sollten in der frühen postoperativen Phase bedarfsabhängig titriert werden und können im weiteren Verlauf als orale Medikation fortgeführt werden. Durch Kombination von NOPA und Opioiden können der Opioidbedarf und zum Teil auch opioidtypische Nebenwirkungen, wie Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit und Sedierung reduziert werden [27, 48, 49]. Für NOPAs wurden in den letzten Jahren zunehmend schwerwiegende oder gar tödliche Nebenwirkungen diskutiert. Hierzu zählen z. B. kardiovaskuläre Ereignisse, die zunächst für Coxibe, später auch für traditionelle NSAIDs beschrieben wurden, oder die Agranulozytose unter Metamizol. Zu einigen konkreten Fragen der perioperativen Anwendung von NOPA bei Erwachsenen liegt jedoch keine oder wenig Evidenz aus klinischen Studien vor. Dabei geht es häufig um praktische Fragen in der täglichen klinischen Anwendung, z. B. um die Patientenaufklärung oder den Zeitpunkt der perioperativen Gabe. Oftmals liegen nur wenig Informationen aus Studien vor und in Krankenhäusern existieren häufig keine Konzepte zum Vorgehen.
Die Empfehlungen umfassen keine detaillierte Nutzen-Risiko-Analyse von NOPA im Vergleich zu alternativen Maßnahmen in der perioperativen Akutschmerztherapie, wie Opioide, Ko-Analgetika, Verfahren der Regional- bzw. Lokalanästhesie und psychologische Interventionen. Hierfür verweisen wir auf die bald erscheinenden, überarbeiteten S3-Leitlininne „Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen“. Die S3-Leitlinien können möglicherweise einige der hier ausgesprochenen Empfehlungen in ihrem Empfehlungsgrad geringfügig modifizieren…
Hier finden Sie den Originalbeitrag
Dieser Beitrag erscheint parallel in den Zeitschriften A&I Anästhesiologie & Intensivmedizin, Der Anästhesist, Der Chirurg und Der Schmerz.
Weitere Beteiligte an der Expertengruppe:
P Ahrens (Aller-Weser Klinik Verden), M Dusch, M Gehling (Praxis für Schmerzmedizin Kassel), HJ Gerbershagen (Marienkrankenhaus Gelsenkirchen), S. Heitfeld (Universität Dresden), W. Koppert (Medizinische Hochschule Hannover), EA Lux (St.-Marien-Hospital Lünen), W Meißner (Universität Jena), E Pogatzki-Zahn (Universität Münster), U. Ringeler (Paracelsus-Klinik Golzheim, Düsseldorf ), H Rittner (Universität Würzburg und Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Berlin), A. Wiebalck (Bochum).
Stamer U, Erlenwein J, Freys SM, Stammschulte T, Stichtenoth D, Wirz S: Executive Summary – Perioperative Schmerztherapie mit Nichtopioidanalgetika. Passion Chirurgie. 2021 Juni; 11(06): Artikel 03_03.
Autoren des Artikels
Prof. Dr. U. M. Stamer
Klinik für Anästhesiologie und SchmerztherapieUniversitätsklinik BernFreiburgstrasse3010Bern kontaktierenPD Dr. med. Joachim Erlenwein
Klinik für Anästhesiologie, GFSchmerzmedizinUniversitätsmedizin GöttingenRobert-Koch-Str. 4037075Göttingen kontaktierenProf. Dr. med. Stephan M. Freys
Vorsitzender der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft Akutschmerz (CAAS) der DGCHChirurgische KlinikDIAKO Ev. Diakonie-Krankenhaus BremenGröpelinger Heerstr. 406-40828239Bremen kontaktierenDr. med. Thomas Stammschulte
Arzneimittelkommission der Deutschen ÄrzteschaftProf. Dr. med. Dirk Stichtenoth
Institut für Klinische PharmakologieMedizinische Hochschule HannoverPD Dr. Stefan Wirz
Abteilung für Anästhesie, Interdisziplinäre Intensivmedizin, Schmerzmedizin/Palliativmedizin, Zentrum für SchmerzmedizinCURA - GFO-Kliniken Bonn, Bad HonnefWeitere Artikel zum Thema
20.04.2021 Fachübergreifend
BDC-Praxistest: Video-Sprechstunden in der Chirurgie
Wer hat in den letzten Monaten der COVID-Pandemie nicht mit dem Gedanken gespielt, seinen ambulanten Patienten eine Video-Sprechstunde anzubieten – und musste dann nach einer ersten Recherche unter dem Stichwort „Telemedizin“ feststellen, dass alles gar nicht so einfach ist, wie von den Protagonisten dieses Formats immer propagiert wird. Deswegen dieser Beitrag „Video-Sprechstunde“, der für den niedergelassen wie klinisch tätigen Chirurgen die rechtlichen Grundlagen, technische Umsetzung, ökonomische Aspekte sowie Praktikabilität und Akzeptanz im chirurgischen Alltag darstellen und bewerten soll.
20.04.2021 Fachübergreifend
IT-Sicherheits-Richtlinie der KBV
Die Bundesregierung treibt die Digitalisierung im Gesundheitswesen (und nicht nur dort) mit erheblichem Druck voran. Der zwangsweise Anschluss aller Arztpraxen an die Telematik-Infrastruktur (TI) hat bei vielen Vertragsärzten zu großem Verdruss geführt, zumal die Ärzte dabei jahrelang nur als kostenlose Dienstleister für den Stammdatenabgleich der Krankenkassen fungiert haben. Für das Jahr 2021 sind nunmehr weitere Funktionen der TI in der Pipeline, die wenigstens für die Patientinnen und Patienten (Notfalldaten-Management) und hoffentlich im Verlauf des Jahres auch durch die verbesserte innerärztliche Kommunikation (KIM-Dienste) einen gewissen Benefit versprechen.
20.04.2021 Fachübergreifend
Die Digitalisierung im Bereich der Chirurgie hat große Chancen
Die Digitalisierung hat die medizinische Versorgung auf internationaler und nationaler Ebene erreicht und führt zu grundlegenden Prozessveränderungen im Gesundheitssystem. Das Ziel für die medizinische Betreuung ist dabei eine schnelle und effiziente, individualisierte, sichere, sowie eventuell auch kosteneinsparende Behandlung. Auch in der Chirurgie stellt die Digitalisierung eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung dar.
20.04.2021 Fachübergreifend
Die Zukunft des Digitalen im chirurgischen Training – Good Practise Sharing
Nicht erst seit der Coronakrise hat sich der Vormarsch digitaler Technologien auch in der Chirurgie gezeigt. Schon seit einigen Jahren werden für Kongresse, Messen, Tagungen oder Symposien, innovative Web-Applikationen und Tools eingesetzt.Für das Training in der Chirurgie wurden bis dato nur wenige digitale Tools oder Konzepte entwickelt, bzw. gibt es unseres Wissens noch keine Anwendung, welche sich nachhaltig in der Community durchsetzen konnte. Die Herausforderung der Fusion digitaler Möglichkeiten mit dem handwerklichen und kognitiven Training bei der Ausbildung der Chirurgie sind nachvollziehbar, jedoch komplex zu lösen.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.