01.05.2019 Safety Clip
Safety Clip: SWOT-Analyse – ein Instrument des Qualitäts- und Risikomanagements
Wie gut eignet sich das Instrument der SWOT-Analyse zur Verbesserung der Patientensicherheit?
Betrachtet man neuere Qualitäts- und Risikomanagementvorgaben, so wird deutlich, dass sich die Einrichtungen nicht nur mit ihren Risiken und Schwächen, sondern auch mit ihren Chancen und Stärken auseinandersetzen sollen. Die DIN EN ISO 9001:2015 fordert zum Beispiel die gleichberechtigte Auseinandersetzung mit Risiken und Chancen und verweist auf die SWOT-Analyse als wichtiges Instrument zur Steuerung.
Abgeleitet aus der ISO 9001:2015 geht es darum, Risiken und Chancen im Vorfeld zu identifizieren, Maßnahmen zur Umsetzung in einen Plan aufzunehmen und die Wirksamkeit zu beurteilen. In Verbindung mit der neuen Anforderung des „risikobasierten Denkens“ müssen auch Ansprüche an das Patientensicherheitsmanagement berücksichtigt werden.
Im Kontext der Zertifizierung nach EN ISO 9001:2015 wird an verschiedenen Stellen explizit auf die Nutzung von Chancen und Risiken hingewiesen. So soll zum Beispiel unter Punkt 9 zur Bewertung der Leistung eine SWOT-Analyse durchgeführt werden. Außerdem soll die Methode innerhalb der Managementbewertung genutzt werden.
Tab. 1: Bei der SWOT-Analyse werden interne und externe Faktoren einbezogen.
Stärken =
|
Schwächen =
|
Chancen =
|
Risiken =
|
Die SWOT-Analyse ist ferner fester Bestandteil im Rahmen des Peer-Review-Berichtes der Bundesärztekammer und wird im Zusammenhang mit den aktuellen Qualitätsindikatoren der DIVI (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin) genutzt. So sollen Themen wie Personal, Reporting, SOPs/Standards, Team/Kommunikation etc. mit der SWOT-Analyse beleuchtet werden (Leitfaden Ärztliches Peer Review 2014).
Die SWOT-Analyse ist als Teil der Managementbewertung geeignet, die Chancen herauszuarbeiten und generell eine positivere, auf die Stärken und Chancen ausgerichtete Arbeitsweise in den Qualitätsmanagement-Teams zu unterstützen. Sie ist ein strategisches Instrument, das primär die „Ist-Situation“ der Organisation sieht und das Ziel hat, Prozesse und Strukturen in der Organisation zu verbessern. Wobei positive und negative Tendenzen gleichermaßen berücksichtigt werden. Eine klare Zielvorgabe mit Entwicklungszielen ist Voraussetzung für die erfolgreiche Nutzung dieses Analyse-Werkzeugs.
Identifizierte klinische Risiken und Prozessmängel können mit der SWOT-Analyse aus unterschiedlichen Blickwinkeln bewertet werden. Die Qualitätsverantwortlichen sind bemüht, im Vorfeld eine möglichst einfache Anwendung der Instrumente zu ermöglichen, um eine hohe Akzeptanz auf Seite der Mitarbeitenden für das Verfahren zu erzielen.
Folgende Schwerpunkte der Analyse betreffen die Gesamtorganisation und sollen herausgestellt werden.
- Marktsituation, Wettbewerbsvorteile und Strategieentwicklung
- Wachstum und Zukunftsperspektive für die Organisation und ihre Mitarbeitenden
- Perspektiven
- Handlungsoptionen für die Geschäftsführung
- Optimierung klinischer Prozesse
Stärken und Schwächen
Stärken der SWOT-Analyse sind die gute Visualisierung und einfache Nutzung, wenn zuvor die Zielsetzung, mit der die Analyse eingesetzt wird, erläutert worden ist. Das Instrument fördert Transparenz und übergreifende Kommunikation. Der Einsatzbereich ist besonders groß, sollte aber bei der Nutzung eingegrenzt werden. Im Rahmen der Bearbeitung sollen die Teilnehmenden auch einen Perspektivwechsel (Außensicht) nutzen und somit die Sichtweise Externer auf die eigenen Strukturen reflektieren.
Schwächen der SWOT-Analyse sind der hohe Zeitaufwand durch Recherche und die Gefahr subjektiver Bewertungen, falls Mitarbeitende ohne erforderliche Expertise aus den klinischen Bereichen beauftragt werden. Die Methode muss den Mitarbeitenden gut erklärt werden. Entscheidend ist, dass vom Moderator die richtigen Fragen gestellt werden.
Ziel ist es, eine strategische Analyse durchzuführen und die internen Stärken zu fördern, Schwächen/Gefahren und Risiken zu reduzieren sowie Chancen herauszuarbeiten und zu nutzen. Im Risikomanagement-Prozess sollen auf den Ergebnissen der SWOT-Analyse aufbauend weitere Instrumente zur Risikobewertung genutzt werden. Besonderes Augenmerk liegt auf der Erkennung und Ausschaltung von Bedrohungen für die Organisation.
Tab. 2: Neues Behandlungsverfahren – Fragen für eine SWOT-Analyse
Wo liegen unsere Stärken?Profitieren wir von der neuen Methode? Ist unser Verfahren besser als das der Mitbewerber? Sind unsere Alleinstellungsmerkmale bekannt? Verfügen wir über ausreichend Ressourcen? Was führt uns zum Erfolg? Ist unsere Reputation sicher? Wie sehen interessierte Parteien unsere Stärken? |
Wo finden sich Schwächen?Haben wir die Behandlungsprozesse ganzheitlich und umfassend geprüft? Was müssen wir unbedingt beachten? Wo sehen unsere eigenen Mitarbeitenden die Schwächen für die neue Methode? Welche Situationen, Faktoren könnten zum Misserfolg führen? |
Welche Chancen bestehen?Können wir die Methode gut vermarkten? Haben wir die Marktentwicklung im In- und Ausland bewertet? Haben wir aktuelle und zukünftige gesetzliche Entwicklungen berücksichtigt? Kennen wir die Kundenbedürfnisse? Wie werden wir in der Region wahrgenommen? |
Welche Risiken bestehen?Haben wir die Prozessrisiken sicher bewertet? Sind die erforderlichen Ressourcen gegeben? Was steht uns im Weg? Wie verhalten sich Mitbewerber? Haben wir alle nationalen Anforderungen, internationalen Trends, Qualitätsvorgaben (G-BA, Leitlinien, Fachgesellschaften…), Normen, Gesetze beachtet? Sind die Erlössituation und Erlöserwartung sicher kalkuliert? Sind wir auf den Technologiewandel vorbereitet? |
Eingrenzung des Themas auf den klinischen Bereich
Beispiel: „Einführung des neuen Behandlungsverfahrens: Minimalinvasive Behandlungsmethode“
Generelle Fragestellung: Haben wir die Stärke, Risiken zu vermeiden? Haben wir die Stärken, unsere Chancen zu nutzen? Welche Chancen verpassen wir aufgrund unserer Schwächen? Welchen Risiken sind wir aufgrund unserer Schwächen ausgesetzt?
Fazit
Die Nutzung der SWOT-Analyse führt zur differenzierten Darstellung und Gegenüberstellung der Risiken und Chancen. In Verbindung mit gezielten klinischen Risikoanalysen kann die SWOT-Analyse eine tiefgehende Risikobetrachtung vorbereiten. Die für das Patientensicherheitsmanagement zuständigen Mitarbeitenden profitieren bei Nutzung der SWOT-Analyse zusätzlich von der Betrachtung der Stärken und Chancen. Diese Herangehensweise hilft den Teams, da sie nicht nur die Risiken in den Blick nehmen. Regelmäßig über die Stärken und Chancen zu berichten, fällt erfahrungsgemäß nicht immer leicht, sollte aber genutzt werden.
Denn schließlich heißt es ja: „Tue Gutes und rede darüber!“.
Literatur
[1] Leitfaden Ärztliches Peer Review 2014. https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/Leitfaden_Aerztliches-Peer-Review_2014.pdf
[2] Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). https://www.divi.de/empfehlungen/qualitaetssicherung-intensivmedizin/peer-review/qualitaetsindikatoren
Krause A: Safety Clip: SWOT-Analyse – ein Instrument des Qualitäts- und Risikomanagements. Passion Chirurgie. 2019 Mai, 9(05): Artikel 04_03.
Autor des Artikels
Axel Krause
GRB Gesellschaft für Risiko-Beratung mbHKlingenbergstr. 432758DetmoldWeitere Artikel zum Thema
01.11.2021 Qualitätssicherung
Safety Clip: Early Warning Scores retten Leben – Systematische Erfassung und standardisierte Analyse von Vitalparametern führt zur prospektiven Verbesserung der Patientensicherheit
Die zentrale Aufgabe aller in der Patientenversorgung Tätigen besteht darin, Krankheiten zu heilen und Leiden zu lindern. Genauso wesentlich ist das Anliegen, akute, vital bedrohende Verschlechterungen des Patientenzustandes frühzeitig wahrzunehmen und ihnen effektiv und so rechtzeitig entgegenzuwirken, dass eine unmittelbare Lebensbedrohung vermieden und das eigentliche Therapieziel erreicht wird.
25.08.2021 Qualitätssicherung
Safety Clip: Arzneimitteltherapiesicherheit im Kontext der Risikomanagementbemühungen
Wie können Medikationsfehler vermieden werden? 1. Definition: Was heißt Arzneimitteltherapiesicherheit
01.06.2021 Qualitätssicherung
Safety-Clip: Der Patientensicherheitsindex – angewandt am Kernprozess „Interdisziplinäres perioperatives Management“
Reifegrad des klinischen Risikomanagements transparent machen Nicht nur das Management eines Krankenhauses hat großes Interesse an einer hohen Patientensicherheit. Auch Versicherungsunternehmen wollen sehen, ob und wie sich Aktivitäten des Qualitätsmanagements und des klinischen Risikomanagements auf die Patientensicherheit auswirken. Einige Versicherer haben angefangen, eigene Anforderungskataloge zum klinischen Risikomanagement zu erstellen und fordern Antworten von ihren Bestandskunden und potentiellen Kunden ein, denn sie möchten das Risiko, welches sie übernehmen sollen, besser einschätzen können. Manche Versicherungsunternehmen organisieren sogar eigene oder externe Audits in Kliniken. Nicht zuletzt deswegen ist es für das Krankenhausmanagement notwendig, Aktivitäten des Risikomanagements vor allem in den Hochrisikobereichen und in den Kernprozessen zu etablieren und die Ergebnisse gegenüber den Stakeholdern – zum Beispiel den Haftpflichtversicherern – transparent darzustellen.
01.03.2021 Safety Clip
Safety Clip: Im Alltäglichen liegt das Risiko
Mit einem Großschaden, zum Beispiel in der Geburtshilfe, ist nur etwa alle zehn Jahre zu rechnen. Das zeigen die Statistiken zu Schadenereignissen im Krankenhaus. In der alltäglichen Praxis ereignen sich aber immer wieder Patientenschäden bei pflegerischen und therapeutischen Behandlungen. Wie kommt es dazu?
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.