06.11.2024 Presse
Ambulantisierung kann die Weiterbildung bereichern, wenn die Finanzierung geregelt ist
In der Chirurgie wird der Nachwuchs knapp. Gleichzeitig steigen die Herausforderungen in der fachärztlichen Weiterbildung, etwa durch die zunehmende Ambulantisierung. Wie eine gelungene Weiterbildung durch Kooperation gelingen kann, beschreibt der Berufsverband der Deutschen Chirurgie (BDC) anhand zweier Erfolgsgeschichten.
Anlässlich des 47. Deutschen Krankenhaustags, der vom 11. – 14. November 2024 unter dem Motto „Menschen machen Medizin“ stattfindet, zeigt der BDC, wie die fachärztliche Weiterbildung durch das Engagement einzelner gelingen kann. Die Phase der fachärztlichen Weiterbildung ist für angehende Chirurginnen und Chirurgen per se anspruchsvoll. Durch die zunehmende Ambulantisierung kommen weitere Herausforderungen auf sie zu. Wie niedergelassene Weiterbildende dafür sorgen können, dass in ihrer Praxis die fachärztliche Weiterbildung qualitativ hochwertig und in der vorgegebenen Zeit absolviert werden kann, zeigen zwei Beispiele aus der Chirurgie. Klar ist: Die Finanzierung muss auf beiden Seiten – Praxis wie Klinik – geregelt sein.
Der Unfallchirurg und Orthopäde Dr. Ralf Schmitz ist leitender Arzt am Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) Chirurgie Kiel. In einem Modellprojekt kooperiert er mit dem UKSH Campus Kiel und nimmt aktuell pro Jahr einen Weiterzubildenden auf. Im 4. oder 5. Weiterbildungsjahr wechseln die Assistenzärztinnen und –ärzte ins MVZ Chirurgie Kiel und kehren dann wieder in die Klinik zurück. Obwohl das Programm erst seit Juli dieses Jahres läuft, ist das Interesse von allen Seiten sehr groß. Das MVZ zahlt nach TV-Ärzte Kommunale Arbeitgeber, aktuell sind das etwa im 5. Weiterbildungsjahr 6.361,32 € im Monat an die Weiterzubildenden. Im Gegenzug erhält das MVZ über den § 75a SGB V eine Förderung in Höhe von 5.400 € pro Monat.
Die angehenden Chirurgen und Chirurginnen erlernen am MVZ die Eingriffe, die erfahrungsgemäß in Kliniken nur sehr eingeschränkt durchgeführt werden, etwa Arthroskopien, Materialentfernungen und zahlreiche hand- und fußchirurgische Eingriffe. „Dadurch ergibt sich eine Win-win-Situation: Die Weiterzubildenden werden medizinisch in Ambulanz und OP geschult und weniger in Bürokratie und Stationsarbeit. Wir als Praxis bekommen eine Kollegin oder einen Kollegen, der schon Erfahrung im Fachgebiet Orthopädie und Unfallchirurgie gesammelt hat und uns so natürlich auch in der Ambulanztätigkeit entlastet“, erklärt Schmitz.
Schmitz ist sich sicher: „Neben der Zufriedenheit bei Weiterzubildenden und Praxisinhabern wird in einer strukturierten Verbundweiterbildung die zu erreichende Qualität und Erfahrung am Ende höher sein als bisher. Ein Sekundäreffekt ist sicherlich auch, dass für die jungen Kolleginnen und Kollegen der ambulante Sektor transparenter und greifbarer wird.“ Als entscheidenden Faktor für eine gelungene fachärztliche Weiterbildung sieht Schmitz die geregelte Finanzierung: „Eine strukturierte Verbundweiterbildung muss grundsätzlich sowohl im Krankenausbereich als auch in der Niederlassung finanziell gesichert sein – denn sonst wird sie nicht stattfinden. Aus unserer Sicht sind die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Gesetzlichen Krankenkassen, von denen das Geld paritätisch kommt, die falschen Geldgeber. Hier muss die Politik endlich Verantwortung übernehmen und für die Finanzierung neue, tragbare Lösungen entwickeln.“
Dr. Ralph Lorenz ist Viszeralchirurg und betreibt eine chirurgische Praxis in Berlin. Er arbeitet in Kooperation mit der Charité, dem Campus Benjamin Franklin Berlin und seit Oktober 2024 mit dem Ernst von Bergmann Klinikum Potsdam. Pro Jahr nimmt er bis zu vier Weiterzubildende auf. Die Assistenzärztinnen und -ärzte rotieren für zwei Tage pro Woche für durchschnittlich zehn Wochen in Praxis und Klinik. Laut Lorenz ist das Interesse riesig. Alle, die bisher an der Rotation teilgenommen haben, sind äußerst zufrieden, sagt er.
Die Finanzierung ist so geregelt, dass die Weiterzubildenden in der betreffenden Klinik angestellt bleiben und für die fachspezialisierte Rotation von der Klinik freigestellt werden. Lorenz sieht in der Rotation in die Ambulanz den Vorteil, dass die Weiterzubildenden sehr komprimiert die ganze Bandbreite der Hernienchirurgie, einschließlich komplexer und komplizierter Fälle sehen. „Sie sehen bei mir zwei Tage lang nur Hernien, mit vielen Wiederholungen.“ Die Weiterzubildenden dürfen unter seiner Anleitung einfache Hernieneingriffe im Verlauf selbstständig durchführen. Im Verlauf haben alle zehn bis zwanzig Hernien operiert.
Auch für Lorenz ist die Rotation ein Gewinn für alle Beteiligten. Alle drei Beteiligten – die Universität als Weiterbildungseinrichtung, die Weiterzubildenden und ich als Weiterbilder – „finden diese fachspezifische Rotation klasse und sind begeistert!“ Dieses Projekt könnte, so Lorenz auch für andere chirurgische Teilgebiete etwa die Proktologie, Venenchirurgie und die Hand- und Fußchirurgie als Modell dienen. Bedingung: „Es muss immer einen Goodwill der weiterbildenden Klinik geben, damit die Weiterzubildenden trotz Personalengpässen unentgeltlich freigestellt werden. Eine Universität muss einsehen, dass sie nicht mehr alle Gebiete der Chirurgie vorhalten und vernünftig ausbilden können!“ Sein Plädoyer ist daher, vertrauensvolle Netzwerke zwischen Praxen und Kliniken zu bilden und Möglichkeiten mit den Klinikverwaltungen ausloten.
BDC-Verbandspräsident Professor Dr. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer bestätigt: „Solange es noch keine Verpflichtung zur Implementierung von Weiterbildungsverbünden gibt, können wir nur an die Verantwortlichen in Klinik und Praxis appellieren, aufeinander zuzugehen und Ideen zu entwickeln, wie man in der dortigen Situation konkret einen solchen Verbund gestalten könnte. Die Landesärztekammern werden dabei sicherlich unterstützen.“
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