Die Selbstverwaltung wird immer mehr eingeschränkt. Mit welchen Maßnahmen wollen Sie das ändern?
Reinhardt: Die Ärzteschaft muss die sich ergebenden und absehbaren Herausforderungen im Gesundheitswesen und in der ärztlichen Versorgung in viel stärkerem Maße antizipieren und eigenständige Lösungen anbieten – und zwar bevor die Politik das Problem als lösungsbedürftig erkannt hat. Dazu müssen die ärztlichen Organisationen, d. h. ausdrücklich auch Verbände und Fachgesellschaften, durch die Bundesärztekammer moderiert in einen internen Reflexionsprozess eintreten und aus diesem heraus der Politik politisch praktikable Lösungen anbieten. Das politische „Pfund“, mit dem wir die Politik bewegen müssen, ist die gute ärztliche Versorgung und der emphatische Umgang mit den Patientinnen und Patienten, die sich uns anvertrauen. Das Thema „ausreichende Zeit für gutes ärztliches Handeln“ und das vertrauensvolle Arzt-Patienten-Verhältnis, das frei von Fremdeinflüssen ist, spielt auch an dieser Stelle eine zentrale Rolle.
Lundershausen: Die ärztliche Selbstverwaltung ist immer noch stark. Ärztinnen und Ärzte organisieren über ihre Selbstverwaltung die gesundheitliche Versorgung in Deutschland auf hohem Niveau. Der Staat hat diese Aufgabe an die Selbstverwaltung mit gutem Grund übertragen. Das ist für uns Auftrag und Verpflichtung. Erwarten dürfen Ärzte und med. Personal dafür auch Wertschätzung. Mehr Sorgen bereitet mir die Überregulierung der gemeinsamen Selbstverwaltung. Einzelne Vorgaben, wie sie derzeit über den Gemeinsamen Bundesausschuss oder das IQTIG erfolgen, sind schlicht und einfach nicht praxistauglich, verprellen junge Ärzte und werden der Patientenversorgung nicht gerecht. Gegen derartige Beschränkungen müssen wir opponieren/rebellieren.
Gitter: Siehe Frage 1. Das heißt auch, dass wir immer wieder in der BÄK eine Aufgabenkritik machen müssen, um schnell reagieren zu können aber auch um mehr proaktiv zu agieren. Wenn wir keine eigenen Lösungsvorschläge entwickeln, müssen wir uns nicht wundern, wenn es andere machen.
Wenker: Sowohl die gemeinsame Selbstverwaltung als auch die berufsständische Selbstverwaltung in den (Landes-)Ärztekammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts sind in einem staatlichen Rechtsrahmen eingebunden. Dies birgt die Chance effektiver Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen des ärztlichen Berufsstandes, aber auch das Risiko der Einschränkung des Handlungsrahmens durch den Gesetzgeber. Die freien ärztlichen Verbände unterliegen diesen Einschränkungen nicht. Aus diesem Grund bin ich als Fachärztin für Innere Medizin seit vielen Jahren Mitglied im Berufsverband Deutscher Internisten. Wir werden in Zukunft unsere ärztlichen Interessen am effektivsten vertreten, wenn wir die konstruktive Zusammenarbeit zwischen Körperschaften und Verbänden ausbauen und gegenüber der Politik und den anderen Akteuren im Gesundheitswesen mit einer Stimme sprechen!
Quitterer: Indem wir unsere originären Aufgaben weiterhin verantwortungsvoll wahrnehmen. Wir haben die ärztliche Selbstverwaltung seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Übernahme von Aufgaben im Gesundheitswesen war dem Staat so wichtig, dass er Ärztekammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts eingerichtet hat mit Pflichtmitgliedschaft und weitgehender Satzungsautonomie. Darin liegt unsere Stärke. Daran wird nicht gerüttelt. Auch nicht durch Private-Equity-Gesellschaften.
Jonitz: 1. Wir müssen der Politik zeigen, dass wir es besser können, sowohl strategisch als auch mit konkreten Maßnahmen. Die neue Strategie hat der Ärztetag 2017 aufgezeigt (Antrag Ia-03).
2. Wir müssen den Wert unserer Arbeit besser darstellen. Probleme lösen wir Ärztinnen und Ärzte immer gerne, uns öffentlich über Erfolge freuen gehört noch nicht zu unserem Programm. Dabei sind es die Erfolge, die unseren Beruf so wertvoll und angesehen machen. Ein „Tag der guten Botschaft“, ein Weißbuch für jedes Fachgebiet, das die größten Erfolge sichtbar macht, motiviert und zeigt gleichzeitig, was auf dem Spiel steht. Und, 3., wir brauchen eine deutlich bessere Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit. Die gesundheitspolitische Diskussion gewinnt der, der glaubhaft Anwalt der Patientenversorgung ist. Da ist vieles ungenützt.