Bundestagswahlkampf bedeutet meist Austausch von Schlagworten, deren substantielle Inhalte sich dem Bürger meist nicht direkt erschliessen. Bürgerversicherung, soziale Gerechtigkeit, Gesundheit für alle auf höchstem Niveau klingt bestens, aber wie sieht es im Detail genauer aus?
Der BDC hat die Wahlprogramme der Bundestagsparteien geprüft und mangels klarer Aussagen zusätzliche Fragen gestellt, die auch von allen beantwortet wurden. Aus diesen Antworten haben wir die Kernaussagen herausgefiltert und im Folgenden jeweils nebeneinander gestellt. Die vollständigen Schreiben der Parteien können Sie gerne auf unserer Homepage unter www.bdc.de nachlesen. Dort haben wir auch die Antworten der PIRATEN eingestellt.
Jeweils im Anschluss an die Fragenblöcke erlaube ich mir, einen kurzen Kommentar abzugeben, da auch die Antworten vieles offen lassen. Sie mögen dieses nutzen, um zumindest auf dem Feld der Gesundheitspolitik die Positionen der Parteien einordnen zu können. Entscheiden müssen Sie mit Ihrem Wahlkreuz selber.
1. Grundsätzliches
Wie wollen Sie das zukünftige Gesundheitssystem ausgestalten, um Mangelversorgung zu verhindern? (Wollen Sie Leistungen ausgliedern? Wollen Sie die Finanzierung des Systems verändern? Wollen Sie Zuzahlungen einführen? Wollen Sie den Bürgern mehr eigenverantwortliche Pflichten geben? Wollen Sie Zuteilungen vornehmen wie in Skandinavien oder England?)
Die Folgen des demografischen Wandels und der medizinische Fortschritt erfordern regelmäßige Anpassungen von Struktur, Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens in Deutschland. Mit der Weiterentwicklung des Gesundheitsfonds und der neuen Beitragsautonomie der Krankenkassen (Zusatzbeiträge/Prämienrückerstattung) setzen wir den erfolgreichen Weg, die Kos-tensteigerungen der Zukunft in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht ausschließlich zu Lasten der abhängig Beschäftigten und Rentner zu finanzieren, kontinuierlich fort.
Der Einstieg in einen steuerfinanzierten Sozialausgleich und die Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen, sind ein wichtiges Element zur Entlastung der Beitragszahler und Ausdruck gesamtgesellschaftlicher Solidarität.
Wir bekennen uns zum Wettbewerb der Kassen. Dazu zählt aus unserer Sicht auch die Möglichkeit der Kassen, sich bei Satzungsleistungen, Wahl- und Zusatztarifen sowie differenzierten Versorgungsangeboten zu unterscheiden. Eine staatliche Einheitsversicherung für alle lehnen wir entschieden ab.
Die private Krankenversicherung ist in unserem freiheitlichen Gesundheitssystem ein wichtiges Element der Nachhaltigkeit. Deshalb wollen wir sie erhalten.
Eine drohende Unterversorgung im deutschen Gesundheitssystem kann durch eine nachhaltige Finanzierung, durch eine Sicherstellung der Versorgung in allen Regionen und durch eine Steigerung der Qualität zur Vermeidung von (v.a. mengenmäßiger) Fehl- und Überversorgung erreicht werden. Bezogen auf die einzelnen Versicherten kann „Mangelversorgung“ verhindert werden, indem soziale Spaltung durch den Abbau gesamtgesellschaftlicher Solidarität in der GKV verhindert wird.
Deshalb will die SPD die Solidarität, die Nachhaltigkeit in der Finanzierung und die Versorgungsgerechtigkeit durch ein einheitliches, solidarisches Krankenversicherungs- und Honorarsystem mit einer Bürgerversicherung stärken.
Wir brauchen eine neue Innovationskultur im Gesundheitswesen. Neue medizinische Behandlungsverfahren und Produkte sind daraufhin zu prüfen, ob sie den Patienten tatsächlich mehr nutzen als die bereits vorhandenen Angebote. Wir müssen in Gesundheit und nicht nur in Krankheit investieren. Durch eine Politik, die auch Anforderungen an die Kinderbetreuung, das Bildungssystem oder die Stadtentwicklung stellt. Und drittens brauchen wir mehr Solidarität bei der Finanzierung der Gesundheitsausgaben. Es geht nicht weiter an, dass sich ausgerechnet die wirtschaftlich leistungsfähigsten Bevölkerungsgruppen nicht am Solidarausgleich innerhalb der Krankenversicherung beteiligen müssen. Zudem ist ihm Rahmen einer Bürgerversicherung die Beitragspflicht auch auf Vermögenseinkommen und Gewinne auszuweiten.
Die FDP steht für ein freiheitliches und vielfältiges Gesundheitssystem, das auf den Prinzipien des Wettbewerbs beruht, Solidarität und Eigenverantwortung miteinander verbindet und das Wohl der Patientinnen und Patienten in den Mittelpunkt der medizinischen Versorgung stellt. Wir setzen uns ein für Wahlfreiheit für den Bürger, mehr Beitragsautonomie der Krankenkassen und den Erhalt der Freiberuflichkeit als Garant für ein leistungsfähiges Gesundheitswesen. Eine Politik der Budgetierung wird im demografischen Wandel zu einem Mangel an Ärzten, Pflegekräften und anderen notwendigen Leistungsangeboten führen. Um dem vorzubeugen, brauchen wir leistungsgerechte Vergütungen, gute Arbeitsbedingungen und den Abbau von unnötiger bürokratischer Regulierung.
Gesundheit ist ein Grund- und Menschenrecht. Anspruch linker Gesundheitspolitik ist es, allen Menschen in Deutschland unabhängig von der Größe des Geldbeutels eine hochwertige Gesundheitsversorgung zu ermöglichen. Jegliche Rationierung verschärft die bestehende gesundheitliche Ungleichheit. Zuzahlungen und Zusatzbeiträge sind zutiefst ungerecht und unsozial. Unter dem neoliberalen Dogma der Eigenverantwortung werden Leistungen gekürzt und Kosten auf Versicherte und Patientinnen und Patienten verlagert.
Wir schlagen eine gerechte und solide Finanzierung vor. Alle in Deutschland lebenden Menschen werden Mitglied der solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung. Sämtliche erforderliche Leistungen werden zur Verfügung gestellt, der medizinische Fortschritt wird einbezogen. Alle entrichten den gleichen Prozentsatz ihres gesamten Einkommens. Niemand soll aus der Verantwortung entlassen werden – weder durch eine Privatversicherung, noch durch eine Beitragsbemessungsgrenze, die die höchsten Einkommen entlastet. Das GKV-Finanzierungsgesetz und jegliche Zuzahlungen, Zusatzbeiträge und Beschränkung medizinisch notwendiger Leistungen gehören abgeschafft.
Nach einer wissenschaftlichen Studie kann so der Beitragssatz um 5 Prozent auf circa 10,5 Prozent sinken und langfristig dort bleiben.
Kommentar:
SPD, Grüne und Die Linke fordern eindeutig die Einführung einer Bürgerversicherung, das heißt Versicherungspflicht für alle in einer einheitlichen (gesetzlichen) Krankenversicherung, damit Abschaffung der privaten Vollversicherung, stattdessen nur noch private Zusatzversicherung. CDU und FDP plädieren für die Beibehaltung des bisherigen Systems aus gesetzlicher und privater Versicherung. Abgesehen von der Partei Die Linke sagt niemand etwas über die konkreten finanziellen Auswirkungen. Zum Thema Bürgerversicherung finden Sie in diesem Heft einen weiteren wichtigen Beitrag, da dies von entscheidender Bedeutung für die Zukunft unseres Sozialsystems sein wird. Die Grünen betonen als Einzige den Zusammenhang zwischen Gesundheit und anderen sozialen Faktoren.
2. Ambulant-Stationär
Planen Sie die Übernahme der ambulanten fachärztlichen Versorgung durch Krankenhäuser mit angestellten Ärzten? Bevorzugen Sie eine Leistungserbringung durch Angestellte oder durch freiberuflich selbständige Ärzte? (Welche Vorstellungen haben Sie von Kooperationsmodellen an der Schnittstelle ambulant – stationär? Befürworten Sie eine (Teil-) Leistungserbringung bei stationären Patienten durch freiberufliche Konsilärzte?)
Für CDU und CSU bilden die Therapiefreiheit, die freie Arzt- und Krankenhauswahl für die Patienten sowie die Unabhängigkeit der freien Gesundheitsberufe im Krankenversicherungssystem den Kern eines freiheitlichen Gesundheitswesens. Die Beschäftigten in den Kliniken, Praxen und ambulanten Diensten stehen für eine qualitativ hochwertige, patientennahe Versorgung. Diese Strukturen wollen wir bewahren. Wir lehnen eine Staatsmedizin ab und wollen, dass die Freien Berufe in einem selbstverwalteten, freiheitlichen System weiterhin eine tragende Säule erstklassiger Patientenversorgung sind.
Versorgungsangebote über die Sektorengrenzen hinweg gilt es im Interesse der Patienten weiter auszubauen. Die integrierte Versorgung wollen wir weiterentwickeln. Durch bessere Versorgungsmodelle werden die Sektorengrenzen durchlässiger gemacht und damit können Synergieeffekte in der Gesundheitsversorgung entstehen.
Wir wollen die bedarfsgerechte Versorgung in strukturschwachen Regionen besonders fördern. Dazu werden wir die flächendeckende hausarztzentrierte Versorgung sowie die Vernetzung zwischen Leistungserbringern der verschiedenen Gesundheitsberufe stärken. Die Primärversorgung ist das Rückgrat einer starken, wohnortnahen Versorgung. Gleichzeitig werden wir die integrierte Versorgung mit einer eigenständigen zweckgebundenen Finanzierung neu anstoßen und verstetigen.
Damit wollen wir eine qualitätsgesicherte Zusammenarbeit zwischen haus-, fach- und spezialärztlichem Bereich, den nicht ärztlichen Heilberufen, dem ambulanten und stationären Sektoren sowie zwischen pflegerischen, rehabilitativen und medizinischem Bereich gewährleisten.
Um die Versorgung regional sicherzustellen, wollen wir in Zukunft eine sektorübergreifende Bedarfsplanung schaffen. Städten und Gemeinden kommt bei der Gestaltung der lokalen Gesundheitsversorgung eine zunehmend stärkere Rolle zu.
Von einer vollständigen Verlagerung der fachärztlichen Versorgung an die Krankenhäuser halten wir wenig. Das wäre vielerorts abträglich für die wohnortnahe Versorgung und würde überdies eher zu höheren als zu niedrigeren Ausgaben führen. Für wichtig halten wir aber eine stärkere Integration von ambulanter und stationärer fachärztlicher Versorgung. Wir wollen die dafür notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. So zum Beispiel durch die Harmonisierung der Vergütungssysteme in beiden Bereichen. Wie diese integrierten Versorgungsformen dann konkret aussehen – einschließlich der Beteiligung von Konsilärzten -, ist nicht in Berlin, sondern von den Akteuren vor Ort zu entscheiden. Das betrifft auch die Frage „selbstständig oder angestellt“. Da haben wir keine Vorlieben.
Die freiberuflich tätigen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sind seit Jahrzehnten der Garant für eine qualitativ gute und flächendeckende Gesundheitsversorgung. Die FDP teilt nicht die Mär der doppelten Facharztschiene. Niedergelassene als auch angestellte Fachärzte sind gleichberechtigt wichtig für eine wohnortnahe Patientenversorgung. Kooperationsmodelle bieten die Möglichkeit, eine über die Gesundheitssektoren hinweg optimierte medizinische Versorgung zu erreichen und damit Qualität und Wirtschaftlichkeit zu steigern.
DIE LINKE will die ineffektive und teure Trennung von ambulanten und stationären Einrichtungen schrittweise überwinden. Niedergelassene Ärzte, Medizinische Versorgungszentren (MVZ), Krankenhäuser, ambulante und stationäre Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen sowie diagnostische Zentren müssen sich regional vernetzen und konsequent am Bedarf der Bevölkerung ausrichten.
Ferner wollen wir das Vordringen profitorientierter Kapitalgesellschaften und Konzerne in die stationäre und ambulante Versorgung unterbinden und dort, wo bereits geschehen, durch Rückführung in kommunales oder freigemeinnütziges Eigentum wieder in das Solidarsystem integrieren. MVZ müssen den poliklinischen Gedanken aufgreifen.
Kommentar:
Grundsätzlich betonen alle Parteien die Notwendigkeit einer ambulanten fachärztlichen Versorgung in freier Praxis. SPD und Die Linke setzen sich aber sehr pointiert für Hausarztmodelle und poliklinische MVZ bzw. Stärkung der integrierten Versorgung ein. FDP und Grüne stellen die Förderung von Kooperationsmodellen in Aussicht, die Grünen zusätzlich die Schaffung sektorübergreifender einheitlicher Abrechnungsbedingungen.
3. Ärztemangel und Weiterbildung
Wie wollen Sie dem drohenden Ärztemangel begegnen? (Wie stellen Sie sich die Finanzierungshilfen für die Facharzt-Weiterbildung vor? Wie wollen Sie die Versorgung der Patienten sicherstellen, bzw. auf welches Niveau soll diese abgesenkt werden? Planen Sie die Herausnahme der Medizinerausbildung aus dem akademischen Studiengang und Ersatz durch eine Fachhochschulqualifikation (Bolognaprozess, Bachelor-Studiengang für Ärzte)?)
Ohne motivierte und leistungsbereite Ärztinnen und Ärzte und andere nicht-ärztliche Gesundheitsberufe lässt sich keine flächendeckende medizinische Versorgung sichern, insbesondere im ländlichen Raum. Mit der Abschaffung der strikten Budgetierung und der Weiterentwicklung des vertragsärztlichen Honorarsystems zu einer verlässlichen und leistungsgerechten ambulanten Vergütung mit dem Versorgungsstrukturgesetz haben wir wichtige Anreize geschaffen, die es für Ärztinnen und Ärzte attraktiver machen, sich an der ambulanten Versorgung in unterversorgten oder drohend unterversorgten Gebieten zu beteiligen.
Angesichts der überwiegenden Anzahl weiblicher Absolventen an medizinischen Hochschulen und dem zunehmenden ärztlichen und pflegerischen Fachkräftebedarf, gewinnen Fragen der Vereinbarkeit von Familien- und Berufstätigkeit sowie der Aufgabenneuordnung und -teilung im Gesundheitswesen immer mehr an Bedeutung. Dies gilt auch für die Rück- und Neugewinnung von Fachkräften aus dem Ausland.
Wir begrüßen die sog. Bologna-Umstellung insgesamt, halten die Umstellung im Bereich Medizin (wie auch Jura und Lehramt) allerdings für besonders schwierig. Sie sollte daher nicht eher erfolgen bis die Gewährleistung des gleichen hohen Ausbildungsniveaus auch in den neuen Strukturen gewährleistet ist.
Es gibt in Deutschland keinen Mangel an Studienbewerbern. Immer noch kommen auf einen Medizinstudienplatz mehrere Bewerber. Problematisch wird die Situation zuerst im Bereich der hausärztlichen Versorgung. Wir müssen den Beruf des Hausarztes attraktiver machen und dazu einen ganzen Kanon an Instrumenten einsetzen. Wir wollen die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Ärztinnen und Ärzte stärken. Dies ist eine fortwährende Aufgabe, die vor allem von und mit den Berufsständischen Verbänden, Kammern und Fachgesellschaften weiterentwickelt werden muss.
Ärztinnen und Ärzte werden auch in Zukunft eine akademische Ausbildung brauchen. Diese Anforderung wird nach unserer Auffassung durch den Bologna-Prozess auch nicht wirklich in Frage gestellt. Allerdings könnte die Aufteilung in Bachelor und Master mehr Raum für berufsgruppenübergreifende Ausbildungsphasen eröffnen. Was den Ärztemangel angeht, betrifft dieser vor allem die hausärztliche Versorgung. Diesem wird mittelfristig nur durch eine stärkere Vernetzung der Versorgung einschließlich der Beteiligung anderer Gesundheitsberufe zu begegnen sein.
Die FDP setzt sich für eine qualitativ gute, flächendeckende ärztliche Versorgung ein. Das setzt voraus, dass junge Menschen sich wieder als Ärztinnen und Ärzte niederlassen wollen. Unterstützen muss man dies durch ein einfaches und transparentes Vergütungssystem, durch leistungsgerechte Finanzierung, durch den Abbau unnötiger bürokratischer Anforderungen und nicht zuletzt durch gezielte Hilfen vor Ort. Mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz haben wir wichtige Maßnahmen ergriffen, um eine gute und flächendeckende Versorgung auch künftig sicherzustellen. Wir haben Anreize für Ärztinnen und Ärzte gesetzt, auch in ländlichen Regionen tätig zu werden und die Rahmenbedingungen für die ärztliche Tätigkeit insgesamt attraktiver gemacht. Mit der Abschaffung der Praxisgebühr hat die FDP dafür gesorgt, dass Arztpraxen und Notfallambulanzen in
Krankenhäusern von erheblichem bürokratischen Aufwand entlastet wurden und wieder mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten bleibt. Nur so wird es uns auch gelingen, wieder mehr junge Medizinabsolventen für die Niederlassung zu gewinnen. Kein gangbarer Weg ist es aus unserer Sicht, die Qualifikation angehender Ärztinnen und Ärzte herabzusetzen. Die Medizin wird auch in den nächsten Jahren an Komplexität zunehmen. Eine Absenkung der Ausbildungsanforderungen ist da die falsche Antwort.
DIE LINKE fordert, dass der Einsatz von Ärztinnen und Ärzten nicht den Interessen einzelner Akteure im Gesundheitssystem unterworfen wird. Das Instrument der Bedarfsplanung bleibt erforderlich. Der Bedarf muss künftig kleinräumig und wohnortnah festgestellt werden. Die Versorgungsanalyse wie die Versorgungsplanung sollten künftig den ambulanten wie stationären Bereich gleichermaßen umfassen.
Die Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten, aber auch die Vergütungsstrukturen und Arbeitsbedingungen begünstigen momentan eher einen Zuwachs im fachärztlichen Bereich.Wir sehen diese Entwicklung sehr kritisch. Nicht nur aufgrund der Verteilung, sondern gerade auch aufgrund der Altersstruktur von Hausärztinnen und Hausärzten im ländlichen Raum ist ein Gegensteuern notwendig. Hausärztinnen und Hausärzte sollten bei der Honorarverteilung in den
Kassenärztlichen Vereinigungen besser berücksichtigt werden, in dem die „sprechende Medizin“ gegenüber der „Gerätemedizin“ höher bewertet wird.
Kommentar:
Die von uns gestellte Frage ist leider von allen nur ausweichend beantwortet worden. Lediglich im hausärztlichen Bereich sehen SPD, Grüne und Die Linke einen drohenden Mangel. Alle Parteien gehen mehr oder weniger übereinstimmend davon aus, dass der Beruf des Arztes weiterhin auf hohem akademischen Niveau erlernt werden soll ohne Absenkung der bisherigen Qualifikationen. Allerdings wird an anderer Stelle dann davon ausgegangen, dass verschiedene bisher rein ärztliche Tätigkeiten auch von anderen Heilberufen übernommen werden könnten.
4. Arzt-Vorbehalt
Wie stehen Sie zur Frage der „De-Professionalisierung“ des Arztberufes? (Welche Tätigkeiten wollen Sie an nichtärztliche Leistungserbringer übertragen? Wo endet für Sie der so genannte Arztvorbehalt?)
Die Therapiefreiheit, die freie Arzt- und Krankenhauswahl für die Patienten sowie die Unabhängigkeit der freien Gesundheitsberufe im Krankenversicherungssystem bilden für CDU und CSU den Kern eines freiheitlichen Gesundheitswesens. Wir wollen die Attraktivität der Gesundheitsberufe steigern. Dazu wollen wir Potenziale, Kompetenzen und Fähigkeiten der im Gesundheitswesen Tätigen stärken und weiterentwickeln und im Interesse der Patientinnen und Patienten möglichst optimal einsetzen. Abgrenzungen zwischen Institutionen und Professionen wollen wir angesichts von Mehrfacherkrankungen und regionaler Ungleichheit auf ihre Notwendigkeit, Wirksamkeit und Zukunftsfähigkeit überprüfen und die Tätigkeiten zugunsten von mehr Kooperation, Delegation und zu neuen Berufsbildern weiterentwickeln. Dabei ist uns die Therapiefreiheit des Arztes ein hohes Gut, das wir schützen und erhalten werden.
Einige Behandlungstätigkeiten, die bislang ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten waren, können im Rahmen von Modellprojekten probeweise auf ausgebildete Kranken- und Altenpflegekräfte übertragen werden. An der Erarbeitung dieser Richtlinie des Gemeinsamen Bundesauschusses haben die Ärzte konstruktiv mitgewirkt. Den in der Richtlinie zur Übertragung vorgesehenen Tätigkeiten muss eine ärztliche Verordnung vorausgehen. Die Diagnose selbst sowie die Therapie bleiben damit weiterhin in ärztlicher Hand.
Die SPD hält grundsätzlich am Arztvorbehalt fest. Arztentlastende Tätigkeiten, i.S. der Delegierung, die zu effizienteren Abläufen und zu Zeitgewinnen für die ärztliche Behandlung am Patienten führen, sollten gefördert werden, weil nur über eine bessere Kooperation und eine stärkere Einbeziehung auch der nichtärztlichen Berufe die Versorgung der Patientinnen und Patienten in der Fläche sichergestellt werden kann.
Angesichts eines sich verändernden Krankheitsspektrums hängt die Qualität der Gesundheitsversorgung immer mehr von einer guten Zusammenarbeit unterschiedlicher Gesundheitsberufe ab. Dieses muss sich auch in einer veränderten Arbeits- und Aufgabenteilung zwischen ihnen widerspiegeln. Dazu wollen wir einen Dialogprozess mit den Vertretungen der Gesundheitsberufe führen, der etwa in ein Allgemeines Heilberufegesetz münden könnte.
Eine moderne Gesundheitsversorgung versteht die Beteiligten nicht als Einzelkämpfer. Vielmehr spielen Kooperation, Zusammenarbeit und Aufgabenverteilung für eine gute Versorgung der Patientinnen und Patienten eine große Rolle. Wir setzen uns dafür ein, dass die Aufgaben zwischen den Beteiligten klar geregelt und verteilt sind und wollen ärztliche und nichtärztliche Berufe insgesamt aufwerten und attraktiver machen. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung wird man zukünftig auch intensiver als bisher darüber nachdenken müssen, welche Aufgaben die Ärztinnen und Ärzte selbst übernehmen müssen und welche Aufgaben von anderen Berufsgruppen und unter welchen Bedingungen wahrgenommen werden können. Dies kann nur gemeinsam mit der Ärzteschaft gelingen.
Neue Versorgungsformen, wie poliklinische Strukturen oder Gemeindeschwesterstationen, sind zu fördern. So sollten erfolgreich erprobte Modellprojekte, wie beispielsweise AGnES (Arztentlastende, Gemeindenahe, E-Health-gestützte, Systemische Intervention) überall angewendet werden, um die Ärztin oder den Arzt vor Ort zu entlasten. Die gesetzlichen Regelungen hierfür sind geschaffen. Sie müssen nun vor Ort genutzt werden. Allerdings müsste die gesetzliche Beschränkung auf unterversorgte Gebiete aufgehoben und die Aufgaben ausgeweitet werden. Das Gemeindeschwestermodell verdient eine Renaissance.
Kommentar:
Alle Parteien sprechen von der Notwendigkeit einer verbesserten Kooperation zwischen allen Gesundheitsberufen, betonen aber (noch) den Arztvorbehalt in der Verordnung medizinischer Leistungen. Lediglich Die Linke spricht sich klar für eine Übertragung auf nichtmedizinische Fachberufe aus, so wie es dem Modell „Schwester Agnes“ aus der vormaligen DDR entspricht. Es ist festzustellen, dass sowohl linksorientierte wie auch konservative Parteien zumindest darüber nachdenken, Teile der Versorgung auch in nichtärztliche Verantwortung zu verlagern.
5. Krankenhaus-Finanzierung
Beabsichtigen Sie, die Krankenhausfinanzierung auf neue Grundlagen zu stellen oder belassen Sie es bei der Fortführung der dualen Finanzierung?
CDU und CSU haben 2013 auch im stationären Bereich die Koppelung der Preisentwicklung für Krankenhausleistungen an die Grundlohnrate beendet und einen Orientierungswert eingeführt, der die tatsächliche Kostenentwicklung im Krankenhausbereich abbildet. Mit der Einführung des DRG-Fallpauschalensystems vor über zehn Jahren wurde ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Wirtschaftlichkeit getan.
Die Sicherung einer wohnortnahen medizinischen und pflegerischen Versorgung vor allem in ländlichen Regionen, aber auch in strukturschwächeren Stadtteilen, ist uns ein besonderes Anliegen. Daher werden wir zukünftig die Krankenhausstruktur insgesamt in den Fokus unserer Betrachtung stellen. Die Leistungsangebote müssen aufeinander abgestimmt werden, um sicherzustellen, dass auch zukünftig jeder Bürger die Leistungen, die er benötigt, in der gebotenen Qualität in zumutbarer Entfernung von seinem Wohnort erhält. Fehlanreize durch nicht morbiditätsbedingte Mengenausweitung sind zu vermeiden. Angesichts der seit Jahren kontinuierlich rückläufigen Investitionsmittel der Bundesländer ist auch die bestehende Trennung zwischen Betriebs- und Investitionskostenfinanzierung auf ihre Zukunftstauglichkeit hin zu überprüfen. In diesem Zusammenhang ist dann allerdings auch über neue Formen der Bedarfsplanung und Verantwortung in der Versorgungssteuerung zu diskutieren.
Die SPD setzt sich für eine qualitativ hochwertige stationäre Versorgung ein. Dazu gehören vor allem gute Arbeitsbedingungen und zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Wir werden die Krankenhausfinanzierung so reformieren, dass die flächendeckende Versorgung und Trägervielfalt gesichert und Qualität besser honoriert wird.
In einem gerechten Finanzierungssystem müssen die Personalkosten ausreichend berücksichtigt werden, damit die Krankenhäuser nicht auf ungerechtfertigte Mengenausweitungen ausweichen.
Wir werden einen Anspruch auf eine Zweitmeinung vor bestimmten Behandlungen verbindlich einführen und damit allen Betroffenen einen Zugang zu den besten Spezialistinnen und Spezialisten ermöglichen. Die Qualitätsberichte der Krankenhäuser werden wir weiterentwickeln. Die Krankenkassen sollen zur Verbesserung der Versorgungsqualität selektive Verträge mit Krankenhäusern abschließen können. Qualität und Patientensicherheit soll bei der Krankenhausplanung und –finanzierung eine stärkere Rolle spielen.
10 Jahre nach Einführung der Fallpauschalen werden wir Unter- und Überdeckungen beseitigen, damit Krankenhäuser sich nicht auf finanziell attraktive Leistungen beschränken. Das dient dem fairen Wettbewerb und der bedarfsgerechten Versorgung.
Großen Reformbedarf sehen wir sowohl bei der Krankenhausplanung als auch bei der Investitionsfinanzierung. Bei der Planung fordern wir die Zusammenführung von stationärer und ambulanter Planung. Darüber hinaus wollen wir Krankenkassen und Ländern die Möglichkeit eröffnen, gemeinsam die Verantwortung für die Investitionsfinanzierung und Planung zu übernehmen. Zugleich sollen die Krankenhäuser weitgehend selbst über die aus ihrer Sicht nötigen Investitionen entscheiden können.
Deutschland braucht leistungsfähige Krankenhäuser für eine innovative, flächendeckende und wohnortnahe Patientenversorgung. Eine hochwertige Krankenhausversorgung kann aber nur gelingen, wenn den Krankenhäusern ausreichende Mittel zur Finanzierung zur Verfügung stehen. Die Länder dagegen kommen ihrer Verpflichtung zur Investitionsfinanzierung immer weniger nach. Die Investitionsmittel sind in den letzten 20 Jahren um 30 Prozent zurückgegangen. Die FDP setzt sich für die künftige Finanzierung von Investitionskosten und Betriebskosten aus einer Hand ein.
Den Vorschlag einer monistischen Krankenhausfinanzierung halten wir für falsch. Wer die Krankenkassen für die Investitionen zahlen lassen will, der muss auch die Planung in die Hände der Kassen legen (Konnexitätsprinzip). Wir halten es für richtig, dass ein demokratisch legitimiertes Organ die Krankenhausplanung und damit auch die Investitionsfinanzierung übernimmt.
DIE LINKE fordert eine öffentlich organisierte, angemessen finanzierte und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung. Die Krankenhausplanung sollte deshalb in der Verantwortung der Länder bleiben. Private Kliniken sind in nicht-kommerzielle Trägerschaften zu überführen, der frei-gemeinnützige Bereich ist zu stärken.
Statt Wettbewerb und Privatisierung müssen Solidarität und Parität Leitgedanken der sozialen Sicherungssysteme und vor allem des Gesundheitswesens insgesamt sein.
Kommentar:
Die eigentliche Kernfrage nach Beibehaltung oder Abschaffung der bisherigen dualen Finanzierung von Kliniken wird eher zwischen den Zeilen beantwortet. Die Union und die SPD sagen dazu eigentlich gar nichts, die FDP setzt sich eher für eine Abschaffung der dualen Finanzierung ein, Die Linke spricht sich im Gegensatz dazu eindeutig gegen eine monistische Finanzierung aus. Die Grünen stellen sich eine gemeinsame Verantwortung von Kassen und Bundesländern vor und denken darüber hinaus auch über eine Zusammenführung der Planung ambulant-stationär nach.
6. Ambulante Versorgung
Wer soll zukünftig den Sicherstellungsauftrag für die ambulante Patientenversorgung gewährleisten, wenn das KV-System dazu nicht mehr in der Lage sein wird? (Wer definiert Art und Umfang des Sicherstellungsauftrages? Wollen Sie Versicherungsmodelle in der Eigenverantwortung des Bürgers reduzieren oder stärken?)
CDU und CSU stehen für ein menschliches Gesundheitswesen. Wir wollen, dass auch in Zukunft jeder in Deutschland – unabhängig von Einkommen, Alter, sozialer Herkunft oder gesundheitlichem Risiko – eine qualitativ hochwertige wohnortnahe medizinische Versorgung erhält und so am medizinischen Fortschritt teilhaben kann. Unabdingbar ist für uns auch künftig eine kollektivvertragliche Regelung zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung vor allem im ländlichen Raum.
Wir halten es weiterhin für den richtigen Weg, dass der Sicherstellungsauftrag für den ambulanten Bereich durch die Kassenärztlichen Vereinigungen erfolgen soll.
Wir sind sowohl gegen eine Staats- wie gegen reine Kassenmedizin und wollen, dass die Beteiligten in einem selbstverwalteten Gesundheitswesen als Partner auf gleicher Augenhöhe handeln.
Die SPD geht davon aus, dass der Sicherstellungsauftrag bei den KVen verbleibt.
Wir gehen davon aus, dass der Sicherstellungsauftrag für die ambulante ärztliche Versorgung auf absehbare Zeit auch weiterhin bei den Kassenärztlichen Vereinigungen liegen wird. Allerdings wird die Versorgungsplanung und die Sicherstellung mehr und mehr sektorenübergreifend erfolgen müssen. Zu erwägen wäre, den mit dem Versorgungsstrukturgesetz ermöglichten „Gemeinsamen Landesgremium“, bestehend aus Kassenärztlicher Vereinigung, Krankenkassen und Landeskrankenhausgesellschaft eine höhere Verbindlichkeit und eine stärkere Stellung einzuräumen. Aus unserer Sicht müsste in diesem Zusammenhang aber auch die Beteiligung von Ländern, Kommunen und Patientenvertretungen gewährleistet sein.
Solange überzeugende Alternativen fehlen, spricht sich die FDP für eine Beibehaltung der bestehenden Strukturen aus. Wer die Kassenärztlichen Vereinigungen abschaffen will, muss beantworten, wer die bisherigen Aufgaben künftig übernehmen soll. Er muss sicherstellen, dass der hohe Versorgungsstandard weiterhin erhalten bleibt und belegen können, dass mit einem neuen System Vorteile verbunden sind.
DIE LINKE befürwortet eine transparente und demokratische Selbstverwaltung. Wir betrachten es grundsätzlich skeptisch, wenn sich die Politik in medizinische Fachfragen einmischt. Stattdessen sollte sie einen normativen Rahmen für eine hochwertige, barrierefreie, diskriminierungsfreie und gerechte Gesundheitsversorgung schaffen. Auch die Übertragung öffentlicher Aufgaben an die Körperschaften der Selbstverwaltung bewährt sich grundsätzlich.
Die Verantwortung für die richtige und angemessene Versorgung trägt die Ärztin und der Arzt als medizinische Fachpersonen und nicht der Patient bzw. die Patientin im Sinne von Eigenverantwortung. Denn das Kostenbewusstsein von Patientinnen und Patienten kann zur Nichtinanspruchnahme von notwendigen Leistungen und zu verminderter Compliance bzw. Adherence führen.
Kommentar:
Offenbar gibt es keine Absichten, den Sicherstellungsauftrag von den Kassenärztlichen Vereinigungen abzuziehen, auch wenn diese das zumindest als Drohpotential selber wollen. Lediglich die Grünen schlagen auch in diesem Zusammenhang vor, die sektoralen Grenzen auch in Bezug auf die Planung und den Sicherstellungsauftrag in einem gemeinsamen Gremium zu überwinden.