Die hier signifikant mit „sehr häufig“ oder „häufig“ ausgeprägten Befragungsergebnisse sind ein klarer Katalog derjenigen Sachverhalte und Situationen, die einen wirksamen Managementbeitrag Leitender ChirurgInnen zum Gesamterfolg des Krankenhauses nach wie vor massiv behindern. Auch bei dieser Frage hat die Häufigkeit bei sechs von acht den klinischen Alltag prägenden Themen zugenommen.
Zusammenfassung
Das Interesse an dem Thema „Zusammenarbeit ChefärztInnen und Geschäftsführung“ ist nach wie vor groß.
Geschlecht, Altersstruktur, Einkommen und Klinikstruktur
Die deutlich höhere Beteiligung von weiblichen Chefärzten in der aktuellen Umfrage spiegelt den zunehmenden Anteil an Frauen in der Chirurgie wider. Der Anstieg des Altersdurchschnitts aller Befragten entspricht dem zu erwartenden demographischen Wandel. Der variable Part des ärztlichen Einkommens ist innerhalb der letzten Jahre nachweisbar kleiner geworden, gleichbedeutend mit einem verlässlicheren Gehalt für unseren Berufsstand. Leistungsbezogene Boni stellen per se einen legitimen Anreiz dar. Auch die jüngste Umfrage ist in Hinblick auf strukturelle Klinikdaten als repräsentativ anzusehen. Flächendeckend hat die Größe der einzelnen chirurgischen Fachabteilungen faktisch abgenommen.
Organisation des Gesprächsrahmens
Bezüglich der Organisation des Gesprächsrahmens zwischen ärztlichen Führungskräften und GeschäftsführerInnen besteht nach wie vor Verbesserungspotential. Lediglich der zeitliche Vorlauf für vereinbarte Treffen hat sich im Laufe der Jahre nachweisbar verbessert. Fundierte und zielführende Gespräche sind nur durch die adäquate Vorbereitung aller Beteiligten möglich. Unabdingbare Voraussetzung hierfür ist eine ehrliche Fakten- und Datentransparenz des Arbeitgebers.
Themen der Zusammenarbeit
Nach wie vor sprechen Geschäftsführungen mit leitenden ÄrztInnen vor allem über Geld und Wirtschaftlichkeit. Betriebliche Strukturen und Abläufe der einzelnen chirurgischen Fachabteilungen treten oft in den Hintergrund, über Themen wie „Drittmittel“ sowie „Forschung & Lehre“ wird aus Sicht der Gesamterhebung so gut wie nie kommuniziert. Insbesondere die Aspekte des „Betrieb-Blocks“ bergen Ressourcen und Potentiale für die Steigerung von Effizienz und Erlösen im Krankenhaus. Hier ist ein intensiverer kooperativer Austausch zwischen Ökonomie und chirurgischer Zunft dringend erforderlich. Die Stärken der operativen Führungskräfte werden nicht in ausreichendem Maß genutzt.
Tab. 5: Prägende Themen, die den Erfolg behindern
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2011/2012
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2018/2019
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Verlagerung administrativer Arbeit auf Mediziner
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68 %
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74 %
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Unvollständige Umsetzung der Entscheidungen
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55 %
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61 %
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Kein Vorteil aus erfolgreichem Managen erzielbar
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48 %
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57 %
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Unklare Fachkompetenz Ihrer Gesprächspartner
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46 %
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51 %
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Beteiligung an Entscheidung und Umsetzung?
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45 %
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48 %
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Asynchrone Arbeitszeiten Mediziner/Verwaltung
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43 %
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42 %
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Unzureichende fachliche Aussprache
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41 %
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44 %
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Politiklastigkeit statt Unternehmensorientierung
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29 %
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27 %
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Kostentransparenz
Die Hälfte aller chirurgischen ChefärztInnen beklagt eine unzureichende klinische Kostentransparenz. Das ist ein eindeutiger Appell an die Geschäftsführungen. Es stellt für das Medizincontrolling des Krankenhauses eine leicht lösbare Aufgabe dar, diese Informationsdefizite der ÄrztInnen auszugleichen. Kenntnis der Kosten ist eine der wichtigsten Anforderungen, um operativ tätige Führungskräfte in die Lage zu versetzen, tatsächlich in der Klinik betriebspraktisch steuern zu können.
Wirtschaftliche Steuerungsinstrumente der ärztlichen Führungskräfte
Anders verhält es sich aus Sicht der Autoren mit den existierenden Steuerungsinstrumenten. Hier liegen Lösungen nicht so offenkundig auf der Hand. Die Erlösmargen im stationären Bereich sind bei Deutschlandweit rückläufigen Fallzahlen limitiert. Die Ambulantisierung der Chirurgie schreitet entsprechend ausländischer Vorbilder stetig voran. Es wird in Zukunft eine sinnvolle und qualitativ hochwertige Verzahnung des ambulanten und stationären Sektors in Deutschland praktisch umgesetzt werden müssen. Zudem ist die Wertschöpfungskette im vor- und nachstationären Bereich als alternative Einnahmequelle zu identifizieren. Die Möglichkeiten der Digitalisierung und die Chancen der künstlichen Intelligenz runden die notwendigen Veränderungen ab. Nichtsdestotrotz gilt: So wenig wie ChirurgInnen ohne OP-Besteck erfolgreich operieren könnten, so wenig können sie als „Nicht-Kaufleute“ ihre Kliniken im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten ohne geeignete betriebswirtschaftliche Steuerungsinstrumente managen. Dass hier häufig Hilflosigkeit empfunden wird, z. B. ein Gefühl des Verantwortlichseins ohne Aktionsmöglichkeit, sollte dem Krankenhausmanagement 2020 zu denken geben.
Typische Konflikte und Konfliktmanagement
Die Kernbotschaft der vorliegenden Umfrage stellt die Tatsache dar, dass „Störfeuer“ auf der persönlichen Beziehungsebene zwischen Ökonomen und chirurgischen Führungskräften nach wie vor den Klinikalltag prägen. Dieses Problemfeld ist Träger-unabhängig und besteht Deutschlandweit. Auch die zeitliche Latenz von sieben Jahren zwischen den beiden vorliegenden Studien hat daran nichts verändert. Im Gegenteil, die kritischen Antworten der leitenden ÄrztInnen hat nochmals zugenommen. Lösungen hierzu sind als Kern eines Katalogs von fachlichen und menschlichen Anforderungen zu sehen, welche zukünftig eine zielführende Zusammenarbeit von „Managementexperten“ und „Medizinexperten“ ermöglichen. Partnerschaftlichkeit und vertrauensvolle Kooperation zwischen den beiden Berufsgruppen funktioniert friktionsarm nur dann, wenn die Beziehungsebene zwischen den Protagonisten intakt ist. Dafür Sorge zu tragen, gehört zu den wichtigsten professionellen Pflichten von Führungskräften, die miteinander erfolgreich sein wollen und müssen.
Ausblick
Die aktuellen Ergebnisse sind ernüchternd. Jeder von uns kennt Krankenhäuser, in denen das Direktorium vertrauensvoll, partnerschaftlich und kooperativ zusammenarbeitet. Die täglichen Herausforderungen des Klinikalltags und der Gesundheitspolitik werden mit ehrlicher Zahlentransparenz gemeinsam angegangen und bestenfalls gelöst. Warum gelingt es uns nicht, von den funktionierenden Vorbildern als Erfolgsmodell zu lernen? Wo ist die Nachhaltigkeit, auch der handelnden Personen, in der Medizin geblieben? Sowohl die Akzeptanz der jeweiligen Akteure als auch die Umsetzung von Konzepten benötigen Zeit, um das Vertrauen der PatientInnen und ZuweiserInnen zu gewinnen. Kurzfristige Wechsel in der Geschäftsführung und/oder auf der CA-Position konterkarieren oftmals das Bedürfnis unserer PartnerInnen im Gesundheitssystem nach Verlässlichkeit.
Um diesem Artikel einen versöhnlichen und inspirierenden Abschluss zu verleihen, sei der Hinweis auf die letzten beiden Tabellen zum Themenbereich „Konflikte und Konfliktmanagement“ gestattet. Jeder einzelne Gesichtspunkt birgt handfestes Potential, das es nur zu heben gilt. Für GeschäftsführerInnen und chirurgische ChefärztInnen!
Tonus C: BDC|Umfrage: Die Zusammenarbeit zwischen leitenden ChirurgInnen und Klinik-Geschäftsleitungen: Was hat sich verändert? Passion Chirurgie. 2020 März, 10(03): Artikel 04_0X.
Literaturhinweis: Kapitza T. / Tonus C. Kooperation oder Konflikt – Die Zusammenarbeit zwischen leitenden Chirurgen und Klinik-Geschäftsleitungen. Passion Chirurgie. 2012 März; 2(03): Artikel 02_03
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