01.10.2011 Politik
Health 2.0 als Klinik- und Praxismagnet: online Arzt-Patienten-Kommunikation und Terminmanagment
Vom Web 2.0 zum Health 2.0
Auch im Gesundheitswesen ist die Internetnutzung in den letzten Jahren stark gestiegen. Mehr als 141 Millionen deutschsprachige Treffer in 0,12 Sekunden findet man über Google bei der Suche nach „Gesundheit“. Health 2.0 und der häufig synonym verwendete Begriff Medicine 2.0 beschreiben dabei nichts anderes als die Übertragung der Möglichkeiten des Web 2.0 auf das Gesundheitswesen [2]. Insgesamt werden Health 2.0 und Medicine 2.0 unter dem Begriff „eHealth“ eingeordnet. Darunter werden die modernen Verfahren der Informations- und Kommunikationtechnologie im Gesundheitswesen subsumiert. Der Begriff „eHealth“ wurde bereits Anfang dieses Jahrhunderts durch die Telemedizinanwendungen geprägt [3].
Merkmale von Health 2.0 Anwendungen:
- webbasierte Software mit Gesundheitsbezug, die nicht auf lokalen Rechnern ausgeführt wird,
- Endgeräteunabhängige Nutzung der Webdienste,
- leistungsstarke und benutzerfreundliche Oberflächen,
- Vernetzung von Patienten, Ärzten und anderen Dienstleistern im Gesundheitswesen,
- Verwendung von einfachen Web Service Komponenten, die bei Bedarf neu verbunden werden können.
Unterscheiden kann man die Health 2.0 Technologien nach ihren Anwendungsschwerpunkten. Diese reichen von Social Media mit Gesundheitsthemen (z. B. www.mbcnetwork.org, www.bcaction.de) über Such- und Bewertungsportale für Ärzte und Kliniken (z. B. www.weisse-liste.de, www.docinsider.de) bis hin zum Daten- und Informationsaustausch von Patienten mit Ärzten und anderen Gesundheitsdienstleistern (z. B. www.fallakte.de, www.samedi.de).
Herausforderungen der sektorenübergreifenden Arzt-Patienten-Kommunikation
Die telefonische Erreichbarkeit und Terminvereinbarung ist in vielen Kliniken eine alltägliche Herausforderung. Meist ist sie für planbare Termine auf wenige Sunden pro Tag limitiert und aufgrund einer eingeschränkten Nutzbarkeit des Terminmanagements so mancher KIS-Systeme sehr personengebunden [4]. Daher dominiert auch heute noch vielerorts der Papierkalender. Eine „echte“ Ressourcenplanung mit Integration von Personal, Räumen und Geräten entsprechend des Behandlungspfades findet dabei meist weder auf Papier noch in vielen KIS-Systemen statt. Auch automatisierte Terminerinnerungen via E-Mail oder SMS sind nicht möglich. Nicht aufeinander abgestimmte Ambulanzbesuche und lange Wartezeiten in der Diagnostik für die Patienten sind die alltägliche Folge.
Auch bei der OP-Terminierung werden selbst bei gut planbaren Interventionen längst nicht alle Ressourcen berücksichtigt. Warte- und Leerzeiten für Patienten, Personal und ungenutzte teure Raum- und Geräteressourcen sind auch hier keine Seltenheit.
Der allgemeine Informationsaustausch mit den Patienten und den am Behandlungsprozess beteiligten Ärzten ist im Zeitalter von Web 2.0 ebenfalls im Wesentlichen papiergebunden. Arztbriefe und allgemeine Informationen werden meist zeit- und kostenaufwändig per Post oder via Fax zwischen den Gesundheitsdienstleistern und den Patienten ausgetauscht, um inzwischen anschließend wieder als pdf in die KIS-Systeme eingescannt zu werden.
Folgende Herausforderungen der analogen Kommunikation im Gesundheitswesen lassen sich zusammenfassen:
- zeit- und kostenaufwändige Bürokratie,
- fehlende integrierte Ressourcenplanung (u.a. Arzt, Pflege, Räume und Geräte),
- Informationen sind häufig personengebunden, unvollständig und nicht an mehreren Orten zeitgleich verfügbar,
- eingeschränkte Erreichbarkeit und Servicequalität,
- keine automatisierten Terminerinnerungen,
- kein automatisierter Versand von allgemeinen Informationen,
- kein integriertes Case-Management.
Integration von Health 2.0 in den Klinikalltag
In einer Umfrage von Deloitte® in Deutschland befürworteten 42 % der Befragten einen Online-Überweisungsservice mit Informationen über Diagnosen, Behandlungskosten, Behandlungsqualität und geographischer Lage der Gesundheitsdienstleister. 38 % wünschen sich die Möglichkeit Arzttermine online zu buchen und einen sicheren Online-Zugang zu ihrer Krankenakte [5].
Die Chancen von Health 2.0 für die Integration in den Klinikalltag liegen damit in der sektorenübergreifenden Kommunikation mit integrierter Termin- und Ressourcenplanung und der elektronischen Krankenakte (rein technisch künftig auch Zugang für Patienten möglich). Darüber hinaus bedeutend ist die automatisierte Terminerinnerung, deren Einfluss auf die Verbesserung der Behandlungsqualität bereits in mehreren Veröffentlichungen beschrieben wurde [6].
Wie bei „google“ und „apple“ wird die Leistungsstärke und Einfachheit der Bedienung eines solchen Systems über den Erfolg entscheiden und von den Nutzern bestimmt werden. Datensicherheit und -verfügbarkeit sind im Gesundheitswesen ebenfalls wesentliche Aspekte. Darauf ist bei der Implementierung von Health 2.0 Anwendungen für die sektorenübergreifende Kommunikation besonders zu achten. Je nach Integrationstiefe einer Health 2.0 Anwendung in die Behandlungsaktivitäten, das KIS-System oder die Praxissoftware nehmen dabei die Potentiale für die Steigerung von Qualität und Effizienz und gleichzeitig die Anforderungen an Datensicherheit und -verfügbarkeit zu.
Abb. 1: Health2.0-Anwendungen mit ihrer Anforderung an Datensicherheit und Verfügbarkeit, sowie die Qualitäts- und Effizienzpotentiale
Health 2.0 am Comprehensive Cochlear Implant Center (CCIC) Tübingen
Nicht nur, aber ganz besonders auch für schwerhörige und gehörlose Patienten eignet sich die internetbasierte Kommunikation, um mit niedergelassenen Patienten, Ärzten und Kliniken zu kommunizieren. Online-Überweisungen, Terminbuchungen und -erinnerungen, ein Ressourcenplanungssystem sowie der Austausch von Informationen von der Anfahrtsbeschreibung bis hin zum Anamnesebogen leisten hier einen enormen Beitrag zu Verbesserung der Servicequalität und der Behandlungsabläufe in der Klinik. Bei Einführung der Health 2.0 Anwendung (Samedi®) wurden zu Beginn die Behandlungsabläufe mit den benötigten Ressourcen und die Sprechstundenzeiten in das einfach bedienbare Konfigurationsmenü eingegeben. Entsprechend der Verknüpfung der einzelnen Ressourcen mit ihren zeitlichen Erfordernissen kalkuliert die Anwendung automatisch verfügbare Sprechstundenslots und Diagnostikslots für die Patienten.
Abb. 2: Konfigurationsmenü zur Eingabe der Ressourcen und Behandlungsabläufe am CCIC Tübingen
Die Terminhoheit über die Sprechstundenzeiten bleibt damit weiterhin in der Klinik. Patienten und Zuweiser buchen lediglich selbstständig freie Slots ohne dass zeitaufwändige Telefonate anfallen. Ebenfalls einmalig definiert wurden automatisierte SMS-Erinnerungen und der Versand von allgemeinen Informationen (u.a. Anfahrtsbeschreibung, Hinweis auf evtl. erforderliche Unterlagen/Vorbefunde für die jeweilige Sprechstunde, etc.) via E-Mail für die jeweiligen Sprechstunden.
Allgemeine Fragen und Termine können von Patienten und niedergelassenen Ärzten nun selbstständig zu jeder Tages- und Nachtzeit online getätigt werden. Für alle buchbaren Sprechstunden sind die dazugehörigen Behandlungsabläufe hinterlegt. Damit werden je nach gebuchtem Termin die klinikinternen Ressourcen (Arzt, Raum, Audiologie etc.) für die jeweiligen Zeitfenster belegt und die entsprechenden Informationen automatisiert versandt. Vor allem die Terminerinnerung wenige Tage vor dem geplanten Besuch findet bei den Patienten großen Anklang.
Abb. 3: Online-Terminbuchung für die Patienten
Kommt es zu einem ungeplanten Ressourcenausfall, können die medizinischen Fachangestellten der Klinik im Kalender den Termin per Drag&Drop verschieben und auch darüber erhält der Patient just-in-time die Information via SMS zugesandt. Bereits nach sechs Monaten wurden im Cochlear Implant Centrum Tübingen ohne Werbemaßnahmen und trotz des in der Regel höheren Alters der Patienten mit Schwerhörigkeit über 10 % der Termine online gebucht. Entscheidend dabei ist, dass die online vergebenen Termine verbindlich gebucht werden, so dass von Seiten der Klinik kein zusätzlicher Verwaltungsaufwand entsteht. Die Online-Arzt-Patientenkommunikation steigert damit nicht nur die Servicequalität, sondern erleichtert den klinikinternen Organisationsprozess, vereinfacht die Ressourcenplanung und unterstützt die Effizienzsteigerung. Weitere Vorteile liegen in der Stabilität des Systems und der hohen Datensicherheit, die mit verschlüsselten Datenbanken und Festplatten die Anforderungen des Online-Bankings übertrifft.
Für die weitere Unterstützung des klinikinternen Organisationsprozesses wird derzeit die Erweiterung der Health 2.0 Anwendung auf komplette Behandlungspfade vorbereitet. Die Integration sämtlicher benötigter Ressourcen von der OP-Vorbereitung durch die Chirurgie und Anästhesie, der präoperativen Diagnostik über die OP-Ressourcen bis zur postoperativen Nachsorge auf Station und in den Sprechstunden soll künftig eine wesentliche Unterstützung von Case- und Belegungsmanagement ermöglichen.
Health 2.0 in der Gynäkologie
Vorreiter ist hier die Kaiserswerther Diakonie in Düsseldorf. In der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe entbinden jährlich rund 1600 Mütter. Mit Hilfe der Health 2.0 Anwendung können die werdenden Mütter Termine z. B. für eine CTG-Kontrolle, eine geburtsvorbereitende Akupunktur, den Dopplerultraschall etc. selbstständig von zu Hause übers Internet oder von unterwegs per iPhone-App buchen. Bereits nach vier Monaten konnte hier eine online Buchungsquote von 30 % erreicht werden. Hinzu kommen die Vorteile der 24h/7d Verfügbarkeit, der automatisierte Versand von Terminerinnerungen und allgemeinen Informationen ohne zusätzlichen Personalaufwand für die Klinik. Überzeugt haben Dr. Göring und die leitende Hebamme Fr. Wendel das positive Feedback der Patientinnen und die wesentliche Erleichterung bei der Terminkoordination. Der Telefondienst konnte um fast ein Drittel reduziert und gleichzeitig durch die Selbsteingabe der Patientinnen die Qualität und Vollständigkeit der Daten deutlich erhöht werden.
Health 2.0 in ambulanten Operationszentren
Die Interaktive OP-Planung erleichtert auch im ambulanten Sektor die Zusammenarbeit in Anästhesie- bzw. OP-Zentren. Statt unidirektionaler Abstimmung zwischen den Operateuren, Anästhesisten und dem Assistenzpersonal ermöglicht Health 2.0 eine interaktive Ressourcenplanung mit automatisierter Terminbestätigung an alle Beteiligten. Bereits sehr tief in die Behandlungsabläufe integriert ist eine Health 2.0 Anwendung im OP-Zentrum Oldenburg. Dort gelang es Dr. Auerbach und seinem Team nicht nur, den Aufwand für die Terminabstimmung deutlich zu reduzieren, sondern auch die Planungssicherheit und OP-Auslastung mit geplanten Interventionen signifikant zu steigern. Von knapp 2300 terminierten Eingriffen im Jahr 2009 stieg diese Zahl auf über 4400 im Jahr 2010 bei einer gleichzeitigen Reduktion der „organisatorischen Notfälle“.
Ausblick
Ständig steigende Nutzerzahlen bestätigen die zunehmende Akzeptanz von Health 2.0 Anwendungen. Sie ermöglichen eine stärkere Einbindung der Patienten in den ärztlichen und pflegerischen Behandlungsprozess und bieten enorme Potentiale für eine Verbesserung der sektorenübergreifenden Kommunikation und Versorgungskontinuität im Gesundheitswesen. Datenschutz und Datenverfügbarkeit müssen dabei sorgfältig evaluiert und sichergestellt werden. Mögliche Zukunftsszenarien sind nicht nur die Ausdehnung von Health 2.0 Anwendungen für die virtuelle Nachsorge nach Operationen via Online-Sprechstunden, Wundkontrollen mittels Smartphone-Kamera, sondern auch intersektorale online Tumorkonferenzen und die Online-Beratung von Patienten und Angehörigen in themenspezifischen Online-Expertengruppen und anderen Foren.
Dafür müssen die Chancen der Health 2.0 Anwendungen von den IT-Abteilungen der Kliniken vermehrt erkannt werden, um sich künftig intensiver mit deren Integration in die bestehende IT-Landschaft zu befassen. Darüber hinaus wird die Einbindung von Health 2.0 in die Aus- und Weiterbildung der Gesundheitsberufe erforderlich sein. Nur so können künftig die Potentiale der sich rasant weiterentwickelnden Informations- und Kommunikationstechnologien im Gesundheitswesen für die Sicherung der Versorgungsqualität ausgeschöpft werden.
Literatur:
[1] Forschungsgruppe Wahlen 1/2011; n= 4006 deutsche Erwachsene
[2] Van De Belt, T.H. et al. Definition of Health2.0 and Medicine2.0: A Systematic Review. J Med Internet Res, 2010.12(2):p.e18
[3]Mitchell, J. Increasing the cost-effectiveness of telemedicine by embracing e-health. Journal of telemedicine and telecare, 2000.16(1):p. 16-19
[4] Persönliche Informationen aus Fokusinterviews mit Personal des Terminmanagements verschiedener Kliniken
[5] Deloitte Center for Health Solutions. 2010 Survey of Health Care Consumers in Germany. (n= 1000)
[6] Hogan AM. et al. Potential impact of text message reminders on non-attendance at outpatient clinics. Ir J Med Sci (2008) 177:255-358
Holderried M. Health 2.0 als Klinik- und Praxismagnet. Passion Chirurgie. 2011 Oktober; 1(10): Artikel 02_02.
Autor des Artikels
Dr. Martin Holderried
Stv. LeitungMedizinplanung und StrukturfragenUniversitätsklinikum TübingenOtfried-Müller-Str. 5172076Tübingen kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
20.03.2018 Krankenhaus
Krankenhaus-Report 2018
Bei der Krankenhausplanung in Deutschland ist es schon heute möglich, die Klinikstrukturen qualitätsorientiert zu zentralisieren und zu spezialisieren. Darauf weisen der AOK-Bundesverband und das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) bei der Vorstellung des Krankenhaus-Reports 2018 zum Thema "Bedarf und Bedarfsgerechtigkeit" hin. Das Krankenhaus-Strukturgesetz hat den Bundesländern dafür schon vor zwei Jahren umfangreiche Möglichkeiten eingeräumt.
19.03.2018 Politik
So denken Ärzte über Gesundheitsminister Spahn
Im Gesundheitsministerium steht nun also Jens Spahn am Ruder. Ist der CDU-Politiker der richtige Mann für den Job? Hat er das Fachwissen und die richtigen Pläne? Der Ärztenachrichtendienst (änd) aus Hamburg fragte in der vergangenen Woche nach der Meinung der niedergelassenen Ärzte. Das Resultat: Zahlreiche Mediziner bescheinigen dem ehemaligen gesundheitspolitischen Sprecher der Unionsfraktion das nötige Vorwissen - bleiben aber trotzdem skeptisch.
16.03.2018 Politik
Online-Fernbehandlung: Chancen der Digitalisierung
Der Bundesverband Medizintechnologie, BVMed, fordert die intelligente Nutzung neuer Technologien in der medizinischen Versorgung. Beispielsweise könnten durch die Lockerung des Fernbehandlungsverbotes, das in der Ärzteschaft aktuell diskutiert wird, die Chancen der Digitalisierung besser genutzt werden. Als einen Bereich nennt der BVMed die Wundversorgung mit Bildübertragungen von Wunden an den behandelnden Arzt und gemeinsamen Videosprechstunden mit Wundspezialisten.
12.03.2018 Politik
AWMF fordert Gesundheitspolitik auf Basis evidenzbasierter Medizin
Das Patientenwohl soll für die künftige Bundesregierung der entscheidende Maßstab aller gesundheitspolitischen Entscheidungen werden. Die AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) e. V. begrüßt diese Aussage im neuen Koalitionsvertrag, kritisiert jedoch, dass unerwähnt bleibt, auf welcher Basis gesundheitspolitische Entscheidungen künftig getroffen werden sollen. Die wissenschaftliche Medizin und die Notwendigkeit wissenschaftlich belegbarer Maßnahmen ist mit keinem Wort erwähnt. Patientenwohl kann nur dann erreicht werden, wenn sich künftige gesundheitspolitische Entscheidungen an wissenschaftlichen Fakten orientieren: Nur wenn nachweisbar ist, dass eine gesetzgeberische Maßnahme im Gesundheitswesen im Sinne der evidenzbasierten Medizin ausreichend, zweckmäßig und notwendig ist, dient sie auch dem Wohl von Patientinnen und Patienten. Um das zu gewährleisten, ist eine enge Zusammenarbeit mit der wissenschaftlichen Medizin – wie sie in der AWMF versammelt ist – unverzichtbar. „Wir müssen mehr und früher als bislang in gesundheitspolitische Entscheidungen einbezogen werden“, fordert AWMF-Präsident Professor Dr. med. Rolf Kreienberg. Zwar wird im Koalitionsvertrag betont, dass der Dialog auch mit der Wissenschaft intensiviert werden muss, die evidenzbasierte Medizin findet als Grundpfeiler einer wissenschaftlich begründeten Prävention, Diagnostik und Therapie in dem 177-Seiten starken Vertrag jedoch keinerlei Erwähnung. Das sieht die AWMF angesichts der zu lösenden Aufgaben äußerst kritisch. „Die alternde Gesellschaft, die Zunahme chronischer Erkrankungen, Antibiotika-Resistenzen, aber auch die Digitalisierung und der Nachwuchsmangel in vielen Teilen der Medizin stellen uns vor große gesamtgesellschaftliche Herausforderungen“, so Kreienberg. Diese seien nur zu bewältigen, wenn die künftige Bundesregierung bei gesundheitspolitischen Entscheidungen die Ebenen und Akteure einbinde, die die höchste Kompetenz und Expertise zu einem Thema mitbringen. In der AMWF mit ihren 177 wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften sind alle medizinischen Fächer, die meisten interdisziplinären Themenbereiche und neben Ärzten auch weitere Gesundheitsberufe vertreten. Von diesen wird Wissen gemäß der evidenzbasierten Medizin entwickelt, evaluiert und verbreitet. Daraus entstehen unter anderem Leitlinien, die heute die Basis des ärztlichen Handelns darstellen. Die AWMF garantiert daher mir ihren Aktivitäten und Akteuren eine Gesundheitsversorgung, bei der die Prinzipien der evidenzbasierten Medizin auf alle Gesundheitsberufe und alle Versorgungsbereiche angewandt werden. Die AWMF begrüßt auch das Anliegen der Koalitionsparteien, die Gesundheitsforschung auszubauen. Damit haben diese eine zentrale Forderung der AWMF in ihrem künftigen Regierungsprogramm verankert. Doch auch hier komme es auf die Ausgestaltung an: Hochschulmedizin, Versorgungsforschung und Medizininformatik können nur im Sinne der Patienten gestärkt werden, wenn auch hier die Grundpfeiler der wissenschaftlichen Medizin zum Maßstab des Handelns werden. Dazu gehöre, dass wissenschaftliches Arbeiten innerhalb der Medizin in Ausbildung und Beruf einen höheren Stellenwert bekomme, wissenschaftliche Studien und Netzwerke gefördert, die individuellen Bedürfnisse der Patienten und das Erfahrungswissen der Experten regelmäßig abgefragt werde und in Aktivitäten einfließen. „Dafür ist die AWMF in Deutschland das Expertengremium, das sich im Interesse des Patientenwohls gerne in die künftige Regierungsarbeit einbringt“, betont Kreienberg.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.