01.03.2015 Politik
Griechenland – Schicksal des Euro?
Durch den Wahlausgang wird das Scheitern der bisherigen Rettungsbemühungen offensichtlich
Ende Januar 2015 haben die Neuwahlen in Griechenland mit dem Sieg der Linkspartei Syriza das Ergebnis gebracht, das sich niemand gewünscht hat. Bis vor einigen Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass sich gerade in Griechenland als Wiege der Demokratie solche in Teilen radikalen Kräfte durchsetzen und damit die gesamte Zukunft Europas gefährden. Politisch macht sich nun eine Hilflosigkeit breit, da die Ergebnisse Signalwirkungen für alle Euro-Schuldenstaaten haben: Die bisherigen Rettungsbemühungen sind nicht erfolgreich gewesen.
Das Wahlergebnis vom 25.01.2015 mit einem deutlichen Wahlsieg der griechischen Linkspartei Syriza und der Koalition mit den rechtspopulistischen freien Griechen legt den Finger tief in die Wunde, die alle Beschwichtigungen in Europa nicht heilen konnte. Die bisherige Rettungspolitik mit einem massiven Sparprogramm hat die griechische Wirtschaft in eine tiefe Rezession und eine geldpolitische Deflation gestürzt. Immer mehr Menschen in Griechenland verarmen. Das Staatswesen ist finanziell und gesellschaftlich auf dem Stand eines Entwicklungslandes angekommen. Würden beispielsweise Ärzte nicht in ihrer Freizeit unentgeltlich Patienten behandeln, wäre inzwischen das griechische Gesundheitssystem zusammengebrochen.
Dabei hat sich an den finanzwirtschaftlichen Eckdaten nichts verändert. Griechenland ist derzeit immer noch – oder schon wieder – mit 320 Mrd. € verschuldet, obwohl sich Schuldenschnitte, Zinsverzichte u. ä. auf 240 Mrd. € summieren. Entgegen des behaupteten Primärüberschusses des griechischen Haushaltes – also des Saldos der Einnahmen und Ausgaben vor Zins- und Tilgungsleistungen – gibt Griechenland jährlich 60 Mrd. € mehr aus, als es einnimmt. Dies ist auf die Situation zurückzuführen, dass Griechenland spätestens im Jahr 2013 in eine Situation abgerutscht ist, in der jeder eingesparte Euro 1,40 € Folgekosten nach sich gezogen hat. So kann man beispielsweise die Sanierung von Straßen einfach einstellen und spart sofort die damit verbundenen Materialkosten. Wird in der weiteren Folge aber eben diese Straße unpassierbar, sorgen die ggf. notwendigen Umwege und die sich dann in größerem Umfang anschließende Reparatur für höhere Kosten als bei der ursprünglich notwendigen Sanierung. Volkswirtschaftlich ist das Sparprogramm schon lange Unsinn.
Aber genau auf diese Fragestellungen bietet die europäische Politik keine Antworten, sodass dann die Wahl Ende Januar 2015 eben von Kräften gewonnen werden konnte, die die einfachen Botschaften verkündeten. Neben unsinnigen Einzelmaßnahmen, wie beispielsweise die Wiedereinstellung von Beamten, die zwar nicht benötigt, aber damit einzelne Personen wieder versorgt werden, ist der Wunsch eines weiteren Schuldenschnitts in Griechenland zwar nachvollziehbar, inhaltlich aber nicht gerechtfertigt und nicht umsetzbar. Der neue griechische Ministerpräsident Tsipras denkt hierbei sogar in einer europäischen Dimension und will auf dieser Ebene einen Schuldenschnitt durchführen. Er übersieht dabei allerdings, dass Vermögen und Verbindlichkeiten zwei Seiten derselben Medaille sind. Wenn jemand seine Schulden nicht mehr zurückbezahlt, muss jemand anders auf das Geld verzichten. So reduziert sich dann das Vermögen. Ein solcher Ansatz ist in demokratischen Prozessen schlicht nicht vorstellbar und stark risikobehaftet. Deswegen wird man in der aktuellen Situation, in der die Krise – zugeschwemmt von billiger Notenbankliquidität – vor sich her plätschert, solche Maßnahmen kaum ergreifen können. Allerdings zeigen die Beispiele in Griechenland, aber vor allen Dingen in Zypern, dass eine solche Perspektive nicht völlig ausgeschlossen ist. Vermögendere Anleger sollten daher bei allen Anlageentscheidungen überlegen, wie sie ihren Wohlstand auch in schwierigen Szenarien sichern.
Die neue griechische Politik stellt aber Europa vor ein Dilemma. Geht man auch nur in Maßen auf die Forderungen ein, löst dies eine neue Schuldenwelle aus, die dann wiederum die Frage des Vertrauens in die Eurozone nach sich ziehen könnte. Nachdem es Spekulanten gelungen ist, erfolgreich gegen die relativ kleine Notenbank in der Schweiz zu spekulieren, die daraufhin die Wechselkursuntergrenze des Schweizer Franken zum Euro aufgeben musste, könnten dann größere Hedgefonds ein ähnliches Modell mit der EZB versuchen. Dann träfe angeschlagenes Vertrauen auf ungeheure Finanzstärke und würde die europäische Schuldenkrise in einer völlig neuen Dimension wieder explodieren lassen. Folgt man den Vorstellungen auch in Ansätzen nicht, kann die Konfrontation zwischen Eurozone und Griechenland dazu führen, dass es zu einer Staatsinsolvenz Griechenlands oder dem Austritt aus der Eurozone kommen könnte. Dies würde dann in der Folge viele europäische Staaten viel Geld kosten. Deutschland müsste auf bis zu 60 Mrd. € verzichten, was vielleicht politisch diskutiert, aber seitens der Bevölkerung noch akzeptiert würde. Schließlich hat die europäische Gemeinschaft dazu beigetragen, 70 Jahre in Frieden und Wohlstand leben zu können. Die immer stärkere Expansion nach Osten – ohne die Belange Russlands wirklich ernst zu nehmen – sorgt hier aber auch zunehmend für politische Risiken. Deswegen kann sich dann in Europa die Stimmung sehr schnell gegen eine intensive Zusammenarbeit und damit vor allem gegen den gemeinsamen europäischen Währungsraum wenden. Dann bestünde das Risiko, dass mit Finnland ein Staat, der die gemeinsame Währung nicht unbedingt benötigt, diese aber stark stützt, aus dem Euro austritt. Dies wäre dann wirklich der Anfang vom Ende einer Europäischen Gemeinschaftswährung, da alle gemeinsamen Währungsräume bislang an dem Ausscheiden eines starken Mitglieds zerbrochen sind.
Umgekehrt würden schwächere Eurostaaten natürlich sehr genau beobachten, wie sich Griechenland nach einer Staatsinsolvenz bzw. dem Austritt aus der Eurozone entwickelt. Da man dann von einer sehr niedrigen Basis kommt und von einem Großteil der Schuldenlast befreit wäre, ist eine positive Entwicklung Griechenlands in diesem Fall denkbar. Dies würde dann natürlich auch Überlegungen von Staaten wie Spanien oder selbst Italien befeuern, ob eine gemeinsame Währung wirklich ein anzustrebendes Ziel ist. Damit drohen auch von dieser Seite Gefahren für die europäische Zukunft.
Das griechische Wahlergebnis hat damit die Eurozone vor weitere finanzielle, politische und gesellschaftliche Herausforderungen gestellt, für die die tatsächlichen Antworten bislang nicht gefunden worden sind. Man muss dabei vermutlich zu der Entscheidung kommen, dass Frieden und Freiheit einen Wert haben, der dann in der Fortführung einer Währungsgemeinschaft nur dann gewährleistet sein kann, wenn man gemeinsam ähnliche Rahmenbedingungen schafft. Durch die völlig unterschiedlichen Leistungsfähigkeiten der beteiligten Volkswirtschaften wird dies dann vermutlich ohne Transferzahlungen – ähnlich wie schon beim innerhalb Deutschlands kritisch beurteilten Länderfinanzausgleich – nicht möglich sein.
Neben dem Buch „Europa 2029 – Das Ende?“, das unter der ISBN-Nr. 978-3-86386-574-0 bestellbar ist, bietet der wöchentlich per Mail erscheinende DVAM-Finanzmarkt-Newsletter, der BDC-Mitgliedern kostenlos zur Verfügung steht und unter [email protected] angefordert werden kann, wöchentlich aktuelle Informationen zu wesentlichen Entwicklungen an den Kapitalmärkten.
Schön M. Griechenland – Schicksal des Euro? Passion Chirurgie. 2015 März; 5(03): Artikel 06_01.
Autor des Artikels
Markus Schön
GeschäftsführerDVAM Deutsche Vorsorge Asset Management GmbHKlingenbergstr. 432758Detmold kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
20.03.2018 Krankenhaus
Krankenhaus-Report 2018
Bei der Krankenhausplanung in Deutschland ist es schon heute möglich, die Klinikstrukturen qualitätsorientiert zu zentralisieren und zu spezialisieren. Darauf weisen der AOK-Bundesverband und das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) bei der Vorstellung des Krankenhaus-Reports 2018 zum Thema "Bedarf und Bedarfsgerechtigkeit" hin. Das Krankenhaus-Strukturgesetz hat den Bundesländern dafür schon vor zwei Jahren umfangreiche Möglichkeiten eingeräumt.
19.03.2018 Politik
So denken Ärzte über Gesundheitsminister Spahn
Im Gesundheitsministerium steht nun also Jens Spahn am Ruder. Ist der CDU-Politiker der richtige Mann für den Job? Hat er das Fachwissen und die richtigen Pläne? Der Ärztenachrichtendienst (änd) aus Hamburg fragte in der vergangenen Woche nach der Meinung der niedergelassenen Ärzte. Das Resultat: Zahlreiche Mediziner bescheinigen dem ehemaligen gesundheitspolitischen Sprecher der Unionsfraktion das nötige Vorwissen - bleiben aber trotzdem skeptisch.
16.03.2018 Politik
Online-Fernbehandlung: Chancen der Digitalisierung
Der Bundesverband Medizintechnologie, BVMed, fordert die intelligente Nutzung neuer Technologien in der medizinischen Versorgung. Beispielsweise könnten durch die Lockerung des Fernbehandlungsverbotes, das in der Ärzteschaft aktuell diskutiert wird, die Chancen der Digitalisierung besser genutzt werden. Als einen Bereich nennt der BVMed die Wundversorgung mit Bildübertragungen von Wunden an den behandelnden Arzt und gemeinsamen Videosprechstunden mit Wundspezialisten.
12.03.2018 Politik
AWMF fordert Gesundheitspolitik auf Basis evidenzbasierter Medizin
Das Patientenwohl soll für die künftige Bundesregierung der entscheidende Maßstab aller gesundheitspolitischen Entscheidungen werden. Die AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) e. V. begrüßt diese Aussage im neuen Koalitionsvertrag, kritisiert jedoch, dass unerwähnt bleibt, auf welcher Basis gesundheitspolitische Entscheidungen künftig getroffen werden sollen. Die wissenschaftliche Medizin und die Notwendigkeit wissenschaftlich belegbarer Maßnahmen ist mit keinem Wort erwähnt. Patientenwohl kann nur dann erreicht werden, wenn sich künftige gesundheitspolitische Entscheidungen an wissenschaftlichen Fakten orientieren: Nur wenn nachweisbar ist, dass eine gesetzgeberische Maßnahme im Gesundheitswesen im Sinne der evidenzbasierten Medizin ausreichend, zweckmäßig und notwendig ist, dient sie auch dem Wohl von Patientinnen und Patienten. Um das zu gewährleisten, ist eine enge Zusammenarbeit mit der wissenschaftlichen Medizin – wie sie in der AWMF versammelt ist – unverzichtbar. „Wir müssen mehr und früher als bislang in gesundheitspolitische Entscheidungen einbezogen werden“, fordert AWMF-Präsident Professor Dr. med. Rolf Kreienberg. Zwar wird im Koalitionsvertrag betont, dass der Dialog auch mit der Wissenschaft intensiviert werden muss, die evidenzbasierte Medizin findet als Grundpfeiler einer wissenschaftlich begründeten Prävention, Diagnostik und Therapie in dem 177-Seiten starken Vertrag jedoch keinerlei Erwähnung. Das sieht die AWMF angesichts der zu lösenden Aufgaben äußerst kritisch. „Die alternde Gesellschaft, die Zunahme chronischer Erkrankungen, Antibiotika-Resistenzen, aber auch die Digitalisierung und der Nachwuchsmangel in vielen Teilen der Medizin stellen uns vor große gesamtgesellschaftliche Herausforderungen“, so Kreienberg. Diese seien nur zu bewältigen, wenn die künftige Bundesregierung bei gesundheitspolitischen Entscheidungen die Ebenen und Akteure einbinde, die die höchste Kompetenz und Expertise zu einem Thema mitbringen. In der AMWF mit ihren 177 wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften sind alle medizinischen Fächer, die meisten interdisziplinären Themenbereiche und neben Ärzten auch weitere Gesundheitsberufe vertreten. Von diesen wird Wissen gemäß der evidenzbasierten Medizin entwickelt, evaluiert und verbreitet. Daraus entstehen unter anderem Leitlinien, die heute die Basis des ärztlichen Handelns darstellen. Die AWMF garantiert daher mir ihren Aktivitäten und Akteuren eine Gesundheitsversorgung, bei der die Prinzipien der evidenzbasierten Medizin auf alle Gesundheitsberufe und alle Versorgungsbereiche angewandt werden. Die AWMF begrüßt auch das Anliegen der Koalitionsparteien, die Gesundheitsforschung auszubauen. Damit haben diese eine zentrale Forderung der AWMF in ihrem künftigen Regierungsprogramm verankert. Doch auch hier komme es auf die Ausgestaltung an: Hochschulmedizin, Versorgungsforschung und Medizininformatik können nur im Sinne der Patienten gestärkt werden, wenn auch hier die Grundpfeiler der wissenschaftlichen Medizin zum Maßstab des Handelns werden. Dazu gehöre, dass wissenschaftliches Arbeiten innerhalb der Medizin in Ausbildung und Beruf einen höheren Stellenwert bekomme, wissenschaftliche Studien und Netzwerke gefördert, die individuellen Bedürfnisse der Patienten und das Erfahrungswissen der Experten regelmäßig abgefragt werde und in Aktivitäten einfließen. „Dafür ist die AWMF in Deutschland das Expertengremium, das sich im Interesse des Patientenwohls gerne in die künftige Regierungsarbeit einbringt“, betont Kreienberg.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.