01.01.2014 Politik
Die Illusion steigender Unternehmensgewinne
Wie niedrige Zinsen auf mehreren Ebenen Unternehmensgewinne schönen
Das Anlagejahr 2013 wird allen als starkes Aktienjahr in Erinnerung bleiben, weil beispielsweise der US-Leitindex Dow Jones oder der in Deutschland für börsennotierte Unternehmen Orientierung gebende DAX neue Rekordstände erreichten. Anders werden dies Aktienanleger in Schwellenstaaten sehen. Selbst die chinesischen Aktienindizes konnten keinen nachhaltigen Wertzuwachs erzielen. Deswegen lohnt sich ein besonders intensiver Blick auf die börsennotierten Unternehmen in den USA, da dort die Indizes wirkliche Allzeithochs erzielt haben. Anders als der DAX, der als sogenannter Performance-Index auch Dividenden berücksichtigt und daher eigentlich rund 20 % unter seinem Allzeithoch vor 13 Jahren notiert, wurden dort wirklich Höchststände erreicht.
Als Begründung für die starken Kursgewinne wurden die nochmals höheren Unternehmensgewinne und das niedrige Zinsniveau herangezogen. Besonders Letzteres lässt sich einfach erklären. Bei einem Leitzinsniveau in den USA von nahe 0 % p. a. und zehn Jahre laufenden US-Staatsanleihen, die im letzten Jahr im Tief bei ca. 2 % p. a. notierten, ist eine Aktie mit einer Dividendenrendite von 4 % bis 5 % pro Jahr deutlich attraktiver. Dieser Mehrertrag führt auch dazu, dass Schwankungen leichter akzeptiert werden, zumal viele Anleger nur Aktienkurssteigerungen wahrgenommen haben und die teilweise hohen Wertschwankungen innerhalb einzelner Aktien ignorierten.
Allerdings hat diese Beschränkung auf die Dividendenrendite zwei weitere Aspekte, die man nicht unterschätzen sollte. Zum einen stellt sich die Frage, wie nachhaltig eine solche Dividendenrendite ist. Wenn sie mit steigenden Unternehmensgewinnen einhergeht, ist dies ein Indikator für eine gute Anlage – wenn die Gewinnsteigerungen tatsächlich auf operative Verbesserungen zurückzuführen sind. Zum anderen ist diese Betrachtung sehr stark davon abhängig, dass es eine dauerhaft nachhaltig positive Differenz zwischen Dividendenrendite und Zinsniveau gibt. Nun behaupten aber viele Fachleute, die Aktie sei als „Basis-Investment“ unverzichtbar, damit man Wertzuwächse erzielen kann. Die Zinsen auf der Anleihenseite würden nicht einmal die – allerdings immer weiter sinkende – Inflation ausgleichen oder die Zinsen würden steigen, so dass man bei Investitionen Kursverluste hinnehmen müsse. Jede dieser Pauschalierungen ist gefährlich, weil es gerade im Bereich der Zinspapiere eine große Bandbreite möglicher Anlagen gibt und neben dem allgemeinen Zinsniveau noch Fragestellungen wie Laufzeiten, Bonität des Emittenten und Währungskomponenten Einfluss nehmen können. Unterstellt man allerdings einfach die These, die Anleihenkurse werden in den nächsten Monaten fallen, werden auch die Zinsen steigen. Falls dann die Unternehmensgewinne nicht analog weiter steigen, verliert die Aktie dann zumindest bei einem Teil der Anleger wieder an Attraktivität.
Nun gehen volkswirtschaftliche Theorien häufig von steigenden Zinsen aus, wenn sich die Konjunktur besser entwickelt. In Phasen, die nicht so stark durch politische Einflussnahmen und Marktverzehrungen durch die Notenbanken geprägt sind, ist dies häufig richtig. Dann würde eine Zinssteigerung mit einer verbesserten konjunkturellen Situation einhergehen, die wiederum von einer besseren wirtschaftlichen Entwicklung der Unternehmen herrührt. Dies hätte mindestens selektiv steigende Unternehmensgewinne zur Folge. Aktuell wird allerdings das Zinsniveau eben durch politische Einflussnahme und Notenbankpolitik niedrig gehalten. Ändert sich diese Ausrichtung, können die Zinsen steigen und so die Differenz zwischen dem allgemeinen Zinsniveau und einer Dividendenrendite von börsennotierten Unternehmen reduzieren. Viel entscheidender sind allerdings die Auswirkungen möglicher Zinssteigerungen auf die Unternehmensgewinne. Betrachtet man die Unternehmensberichte des Jahres 2013 genau, fällt in den USA, aber insbesondere bei deutschen Unternehmen auf, dass die Gewinnsteigerungen i. d. R. nicht mit einem Umsatzwachstum einhergehen, sondern aus Produktivitätsgewinnen oder günstigen Refinanzierungskosten entstanden sind. Hier gibt es etliche Unternehmen, die ihre Zinskosten um mehr als ein Drittel durch Anschlussfinanzierungen, vorzeitige Ablösungen bestehender Anleihen oder günstigere Kreditmittel aus dem Finanzsektor refinanzieren konnten.
Steigt nun das Zinsniveau, relativiert sich dieser Vorteil sehr schnell und kann dann – ohne Kompensation in anderen Bereichen – ein Belastungsfaktor für die Unternehmensgewinne werden und dann zu einer Reduzierung der Dividende oder zu einer Tendenz führen, in deren Folge dann unternehmerische Substanz ausgeschüttet wird. In der Vergangenheit war hierfür in Deutschland ein bekanntes Beispiel die Aktie der Deutschen Telekom. Dies hat sich in den letzten Jahren allerdings stark relativiert. Aktuell erlebt man dies noch sehr stark bei offenen Immobilienfonds, deren erzielte Rendite häufig zwischen 1 % p. a. und 1,5 % p. a. liegt, aber bis zu 2 % p. a. ausgeschüttet werden. Bei solchen laufenden Zahlungen zu Lasten der Substanz wird – etwas vereinfacht formuliert – den Anlegern die Anlagesumme teilweise wie ein Gewinn ausgezahlt. Wenn man gleichzeitig die Ausweitung der Preisabschläge bei in Abwicklung befindlichen Immobilienfonds betrachtet, weiß man, wie viele Risiken in vordergründig noch gut laufenden Immobilienfonds stecken, die weiterhin insbesondere von einigen Institutsgruppen gerade Privatanlegern als Alternative für Sparanlagen angeboten werden. Damit ist natürlich ein hohes Risiko verbunden.
Dies gilt auch für die aktuell vielfach zu hörende, pauschale Aussage, Aktien profitieren von steigenden Zinsen. Neben den bereits genannten Aspekten gibt es ein wesentliches Argument, mit dem diese These zumindest in Frage gestellt wird. Manche Unternehmen wissen derzeit einfach nicht, was sie mit der zur Verfügung stehenden unternehmerischen Liquidität tun sollen. Gerade aufgrund der schwierigen politischen Situation in den USA schrecken dort Unternehmen vor Investitionen zurück. Die Kreditseite ist dort neu strukturiert, sodass sich dort neben schon erfolgten Rückführungen von Verbindlichkeiten auch keine Handlungsoptionen anbieten. Also entscheidet man sich – teilweise auf Druck von Finanzinvestoren –, eigene Aktien zurückzukaufen. Die so entstehende Nachfrage führt zu steigenden Kursen. Die geringe Anzahl an umlaufenden Aktien erhöht den Gewinn pro Aktie, allerdings nicht den Unternehmensgewinn. Für den einzelnen Aktionär ist dies unproblematisch, so lange das so agierende Unternehmen die eigenen Aktien zu einem angemessenen Preis zurückgekauft hat. War dieser Preis zu hoch, hat man so mehr Liquidität aufgewendet, als notwendig wäre und so faktisch die Unternehmenssubstanz gemindert. Wenn man sich dann in einigen Jahren bei einem ggf. niedrigeren Kurs und höherem Zinsniveau diese Liquidität durch eine Refinanzierung wieder neu beschaffen will, ist dies durch eine dann erfolgende Kapitalerhöhung in Relation ein teurer Weg. Insofern muss man die mittel- und langfristige Strategie eines solchen Weges kritisch hinterfragen.
Das niedrige Zinsniveau stützt Unternehmensgewinne dann, wenn die Umsätze steigen, weil die Investitions- oder Konsumneigung zunimmt. Diese Tendenz ist stärker in den USA und teilweise China als in Europa zu erkennen. Dies führt dann zu steigenden Umsätzen, die sich im Gewinnwachstum des jeweiligen Unternehmens bemerkbar machen können, wenn neben den günstigen Refinanzierungskosten auch in allen anderen Bereichen eine hohe Kostendisziplin herrscht. Allerdings stellt sich auch hier die Frage, was passiert, wenn das Zinsniveau steigt, weil in diesem Fall die Investitions- und Konsumneigung zurückgehen könnte, was zu sinkenden Umsätzen führen würde, die dann möglicherweise eher Ertragsrückgänge als –steigerungen nach sich ziehen würden.
Als Fazit ist festzuhalten, dass auch das Anlagejahr 2014 Herausforderungen mit sich bringen wird und die einfachen Antworten häufig eben nicht die richtigen Lösungen darstellen. Viel mehr wird auch im gerade begonnenen Anlagejahr der Schlüssel zum Anlageerfolg in einer adäquaten Diversifikation mit einer Einbeziehung von Anleihen und Aktien liegen.
Nähere Informationen bietet der aktuell von der DVAM Deutsche Vorsorge Asset Management GmbH herausgegebene Finanzmarktausblick 2014. Noch näher am Marktgeschehen sind Sie mit dem DVAM-Finanzmarkt-Newsletter, der wöchentlich per Mail erscheint. Beides können Sie per Mail unter [email protected] oder telefonisch 05231 603-578 anfordern.
Autor des Artikels
Markus Schön
GeschäftsführerDVAM Deutsche Vorsorge Asset Management GmbHKlingenbergstr. 432758Detmold kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
20.03.2018 Krankenhaus
Krankenhaus-Report 2018
Bei der Krankenhausplanung in Deutschland ist es schon heute möglich, die Klinikstrukturen qualitätsorientiert zu zentralisieren und zu spezialisieren. Darauf weisen der AOK-Bundesverband und das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) bei der Vorstellung des Krankenhaus-Reports 2018 zum Thema "Bedarf und Bedarfsgerechtigkeit" hin. Das Krankenhaus-Strukturgesetz hat den Bundesländern dafür schon vor zwei Jahren umfangreiche Möglichkeiten eingeräumt.
19.03.2018 Politik
So denken Ärzte über Gesundheitsminister Spahn
Im Gesundheitsministerium steht nun also Jens Spahn am Ruder. Ist der CDU-Politiker der richtige Mann für den Job? Hat er das Fachwissen und die richtigen Pläne? Der Ärztenachrichtendienst (änd) aus Hamburg fragte in der vergangenen Woche nach der Meinung der niedergelassenen Ärzte. Das Resultat: Zahlreiche Mediziner bescheinigen dem ehemaligen gesundheitspolitischen Sprecher der Unionsfraktion das nötige Vorwissen - bleiben aber trotzdem skeptisch.
16.03.2018 Politik
Online-Fernbehandlung: Chancen der Digitalisierung
Der Bundesverband Medizintechnologie, BVMed, fordert die intelligente Nutzung neuer Technologien in der medizinischen Versorgung. Beispielsweise könnten durch die Lockerung des Fernbehandlungsverbotes, das in der Ärzteschaft aktuell diskutiert wird, die Chancen der Digitalisierung besser genutzt werden. Als einen Bereich nennt der BVMed die Wundversorgung mit Bildübertragungen von Wunden an den behandelnden Arzt und gemeinsamen Videosprechstunden mit Wundspezialisten.
12.03.2018 Politik
AWMF fordert Gesundheitspolitik auf Basis evidenzbasierter Medizin
Das Patientenwohl soll für die künftige Bundesregierung der entscheidende Maßstab aller gesundheitspolitischen Entscheidungen werden. Die AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) e. V. begrüßt diese Aussage im neuen Koalitionsvertrag, kritisiert jedoch, dass unerwähnt bleibt, auf welcher Basis gesundheitspolitische Entscheidungen künftig getroffen werden sollen. Die wissenschaftliche Medizin und die Notwendigkeit wissenschaftlich belegbarer Maßnahmen ist mit keinem Wort erwähnt. Patientenwohl kann nur dann erreicht werden, wenn sich künftige gesundheitspolitische Entscheidungen an wissenschaftlichen Fakten orientieren: Nur wenn nachweisbar ist, dass eine gesetzgeberische Maßnahme im Gesundheitswesen im Sinne der evidenzbasierten Medizin ausreichend, zweckmäßig und notwendig ist, dient sie auch dem Wohl von Patientinnen und Patienten. Um das zu gewährleisten, ist eine enge Zusammenarbeit mit der wissenschaftlichen Medizin – wie sie in der AWMF versammelt ist – unverzichtbar. „Wir müssen mehr und früher als bislang in gesundheitspolitische Entscheidungen einbezogen werden“, fordert AWMF-Präsident Professor Dr. med. Rolf Kreienberg. Zwar wird im Koalitionsvertrag betont, dass der Dialog auch mit der Wissenschaft intensiviert werden muss, die evidenzbasierte Medizin findet als Grundpfeiler einer wissenschaftlich begründeten Prävention, Diagnostik und Therapie in dem 177-Seiten starken Vertrag jedoch keinerlei Erwähnung. Das sieht die AWMF angesichts der zu lösenden Aufgaben äußerst kritisch. „Die alternde Gesellschaft, die Zunahme chronischer Erkrankungen, Antibiotika-Resistenzen, aber auch die Digitalisierung und der Nachwuchsmangel in vielen Teilen der Medizin stellen uns vor große gesamtgesellschaftliche Herausforderungen“, so Kreienberg. Diese seien nur zu bewältigen, wenn die künftige Bundesregierung bei gesundheitspolitischen Entscheidungen die Ebenen und Akteure einbinde, die die höchste Kompetenz und Expertise zu einem Thema mitbringen. In der AMWF mit ihren 177 wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften sind alle medizinischen Fächer, die meisten interdisziplinären Themenbereiche und neben Ärzten auch weitere Gesundheitsberufe vertreten. Von diesen wird Wissen gemäß der evidenzbasierten Medizin entwickelt, evaluiert und verbreitet. Daraus entstehen unter anderem Leitlinien, die heute die Basis des ärztlichen Handelns darstellen. Die AWMF garantiert daher mir ihren Aktivitäten und Akteuren eine Gesundheitsversorgung, bei der die Prinzipien der evidenzbasierten Medizin auf alle Gesundheitsberufe und alle Versorgungsbereiche angewandt werden. Die AWMF begrüßt auch das Anliegen der Koalitionsparteien, die Gesundheitsforschung auszubauen. Damit haben diese eine zentrale Forderung der AWMF in ihrem künftigen Regierungsprogramm verankert. Doch auch hier komme es auf die Ausgestaltung an: Hochschulmedizin, Versorgungsforschung und Medizininformatik können nur im Sinne der Patienten gestärkt werden, wenn auch hier die Grundpfeiler der wissenschaftlichen Medizin zum Maßstab des Handelns werden. Dazu gehöre, dass wissenschaftliches Arbeiten innerhalb der Medizin in Ausbildung und Beruf einen höheren Stellenwert bekomme, wissenschaftliche Studien und Netzwerke gefördert, die individuellen Bedürfnisse der Patienten und das Erfahrungswissen der Experten regelmäßig abgefragt werde und in Aktivitäten einfließen. „Dafür ist die AWMF in Deutschland das Expertengremium, das sich im Interesse des Patientenwohls gerne in die künftige Regierungsarbeit einbringt“, betont Kreienberg.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.