22.09.2017 Politik
Für die freiberufliche Berufsausübung im Sinne der Patienten
Ein Positionspapier der Allianz Deutscher Ärzteverbände
Präambel
Unser Gesundheitssystem steht vor großen strukturellen Veränderungen, die der demografischen Entwicklung einerseits und dem zunehmenden Ärztemangel andererseits geschuldet sind. Die Verbände der Allianz Deutscher Ärzteverbände sind bereit, Lösungen zu entwickeln und umzusetzen, mit dem Ziel des Erhalts der wohnortnahen Patientenversorgung durch selbstständige freiberufliche Praxen, angemessene stationäre Strukturen und eine intelligente Vernetzung der Sektoren. Um den Arztberuf wieder attraktiver werden zu lassen, müssen feste und angemessene Preise für die ärztliche Arbeit im ambulanten Bereich gezahlt werden, die Arbeitsbedingungen an den Kliniken müssen verbessert werden. Der Abbau überflüssiger Bürokratie in den Arztpraxen und feste Personalschlüssel auch für das ärztliche Personal an den Kliniken seien hier nur exemplarisch genannt. Geschieht dies nicht, wird die von den Patienten hoch geschätzte Versorgung durch selbstständige und freiberufliche Arztpraxen zum Auslaufmodell und durch den Personalmangel an den Kliniken wird die Versorgung gefährdet.
Positionen der Allianz Deutscher Ärzteverbände:
1. Erhalt des dualen Krankenversicherungssystems – neue GOÄ
Das Nebeneinander von Gesetzlicher (GKV) und Privater Krankenversicherung (PKV) sichert seit Jahrzehnten den Wettbewerb der Versicherungssysteme, der dazu führt, dass Patienten ein schneller Zugang zu Innovationen, und den Versicherten Wahlfreiheit ermöglicht wird. Dies führt im Ergebnis dazu, dass das deutsche Gesundheitswesen heute den umfangreichsten Leistungskatalog, einen niedrigschwelligen Zugang zur Versorgung, die weltweit kürzesten Wartezeiten auf OP-Termine, die niedrigsten Wartezeiten auf Haus- und Facharzttermine und keine Elemente der Priorisierung hat.
Es besteht eine weitestgehend gleiche medizinische Versorgung von GKV- und PKV-Versicherten, nur mit Unterschieden in Komfortbereichen. Die oft behauptete Zwei-Klassen-Medizin gibt es in Deutschland nicht. Eine Vereinheitlichung der Versicherungssysteme wird den Zugang der Patienten zur Versorgung erschweren und Wartezeiten verursachen. Die zahlreichen Beispiele im europäischen Ausland zeigen dies. Wartelistenmedizin sowie Rationierung werden die Folge sein, und es wird ein privat finanzierter ungeregelter „grauer Markt“ entstehen, der dann zu einer wirklichen Zwei-Klassen-Medizin führt beide Systeme müssen jedoch weiterentwickelt und reformiert werden, um das wettbewerbliche Nebeneinander fair und zukunftsgerecht zu gestalten. So ist der Ausbau von Selektivverträgen und der sektorenübergreifenden ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) im GKV-Bereich erforderlich. Parallel dazu bedarf es im PKV-Bereich mehr Wettbewerb durch einen Ausbau der Wechselmöglichkeiten mit einer Portabilität der Alterungsrückstellungen für Versicherte und eine Begrenzung der Provisions-Exzesse im Vertrieb von Krankenversicherungspolicen. Die Wahlmöglichkeiten der Versicherten – beispielsweise durch eine Senkung der Versicherungspflichtgrenze – sind auszubauen.
In dieser Diskussion kommt der Verabschiedung einer neuen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) eine zentrale Bedeutung zu. Ärztinnen und Ärzte arbeiten in Deutschland freiberuflich. Sie haben deshalb wie alle freien Berufe ein Recht auf eine Vergütungsregelung, die einerseits den Patienten nicht überfordert und andererseits dem Arzt eine gerechte Honorierung sichert. Zentrale Bedeutung hat deshalb das Rechtsverhältnis zwischen Arzt und Patient, dass bei einer Neufassung der GOÄ nicht angetastet werden darf. Das Bundesgesundheitsministerium hat aber die Bundesärztekammer aufgefordert, ihren Vorschlag einer neuen GOÄ mit der privaten Krankenversicherung und der Beihilfe im Vorhinein abzustimmen. Über die dabei vorgesehene Änderung der Bundesärzteordnung und des Paragraphenteils der neuen GOÄ erhalten diese indirekten Einfluss auf dieses Rechtsverhältnis. Die vorgesehenen Regelungen erinnern an Strukturen der gesetzlichen Krankenversicherung und leiten damit eine Konvergenz der beiden Systeme ein. Die Ärzteschaft hat dieser für einen freien Beruf ungewöhnlichen Regelung zugestimmt, damit das duale Versicherungssystem erhalten bleiben kann.
Aus dem gleichen Grund wird sie versuchen, bis zur gesundheitspolitischen Standortbestimmung nach der anstehenden Bundestagswahl einen Grobentwurf in die politische Diskussion einzubringen. Der Deutsche Ärztetag hat in seiner GOÄ-Beschlussfassung klargestellt, dass diese Konzessionsbereitschaft der deutschen Ärzte dann nicht mehr besteht, wenn das duale Versicherungssystem abgeschafft wird oder die GOÄ als Einheitsgebührenordnung mit EBMCharakter missbraucht wird. Die Allianz erwartet, dass die Politik die Kompromissbereitschaft der deutschen Ärzte anerkennt.
2. Ende der Budgetierung/feste Preise im Kollektiv- und Selektivvertragssystem
Die Budgetierung ist ein wesentlicher Teil unseres Gesundheitswesens. Dies hat unter anderem auch zu der überzogenen Sektorierung der Versorgung in Deutschland beigetragen, wobei auch das Prinzip der Selbstverwaltung für die Umsetzung dieser Vorgaben regelrecht missbraucht wird. Vertragsärzte wie Krankenhäuser geraten immer stärker unter einen Kostendruck, was in den verschiedenen Versorgungsebenen zu Qualitätsverlusten und zu einer verdeckten Rationierung von Gesundheitsleistungen führt. Die Umsetzung macht immer neue Gesetze und Verordnungen erforderlich, sodass ein bürokratischer Overkill droht. Die Budgetierung als ordnungspolitisches Grundprinzip unseres Gesundheitswesens geht auf den überparteilichen Kompromiss von Lahnstein zurück, der dieses Jahr 25 Jahre alt wird.
Die Folgen der Budgetierung müssen nach der Bundestagswahl Anlass zum Umdenken geben. Das System muss wieder zu festen betriebswirtschaftlich kalkulierten Preisen zurückkehren, um die Kalkulations- und Rechtssicherheit wieder herzustellen. In Zukunft darf das Morbiditätsrisiko der Versorgung der Bevölkerung und die Kosten des medizinischen Fortschrittes nicht mehr bei Ärzten und Krankenhäusern abgeladen werden. Für die Patienten würden feste Preise wieder mehr Transparenz im System bedeuten und das Kostenbewusstsein schärfen. Die Allianz fordert deshalb die politischen Verantwortlichen auf, sich von den strikten Budgetvorgaben des derzeitigen Systems zu verabschieden und feste Preise mit einer betriebswirtschaftlich kalkulierten Vergütung und einem freien Arztberuf angemessenen Honorar einzuführen.
Realisiert werden kann dies auch ohne zusätzliche Beitragsbelastungen der Versicherten, wie das Zusammenspiel von Hausarzt- und Facharztverträgen in Baden-Württemberg zeigt. Dort verzichtet man seit fast 10 Jahren auf eine Budgetierung bei gleichzeitiger Beitragssatzneutralität. Realisiert wird das durch Effizienzsteigerung und bessere Koordinierung der Inanspruchnahme des Systems durch die Patienten.
3. Delegation ja/Substitution nein
Die Allianz Deutscher Ärzteverbände spricht sich für eine geregelte Delegation von Leistungen aus, die nicht den Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit betreffen. Ärzte müssen immer mehr Aufgaben übernehmen, die auch von anderen Berufsgruppen abgedeckt werden könnten. Neben einfachen medizinischen Eingriffen, wie zum Beispiel einer Blutentnahme, müssen Mediziner auch immer mehr Bürokratiearbeiten übernehmen. Ärzte sind keine Sekretär/innen in Weiß! Die Delegation einfacher medizinischer Eingriffe kann Mediziner für die Arbeiten in ihrem Kernaufgabenbereich entlasten. Eine Substitution ärztlicher Leistung wird grundsätzlich abgelehnt, da die ärztliche Verantwortung im Interesse der Versorgungsqualität nicht teilbar ist. Für eine rechtssichere Delegation ist eine konkrete Beschreibung der Tätigkeit ebenso wie ein dazu passender Fähigkeitsnachweis nicht ärztlichen Personals notwendig. Dies kann durchaus durch die Einführung neuer, nicht ärztlicher Berufsbilder erreicht werden. Bei der Delegation bleibt der Arzt verantwortlich.“
4. Koordinierte Inanspruchnahme
Der Gesetzgeber ist aufgefordert, in Abstimmung mit der gemeinsamen Selbstverwaltung intelligente und pragmatische Instrumente zur Steuerung der Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheitssystems zu entwickeln. Diese sollten einerseits dem berechtigten Anspruch der GKVVersicherten auf eine sachgerechte substanzielle medizinische Versorgung (gemäß § 12 SGB V) gerecht werden, andererseits geeignet sein, ein höheres Verantwortungsbewusstsein für die Inanspruchnahme der begrenzten Ressourcen des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung zu entwickeln und einen ungeregelten Zugang zu allen Leistungsebenen zu verhindern. Es ist nicht zuletzt eine Frage der Solidarität in einem gemeinschaftlich finanzierten und nur mit begrenzten Ressourcen ausgestatteten Gesundheitssystem, den ungeregelten Zugang weniger zu Lasten der Mehrzahl von Beitragszahlern zu vermeiden. Primäres Ziel eines Instrumentes zur „Patientensteuerung“ sollte es also sein, die Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen so zu organisieren, dass sie – stets unter Berücksichtigung medizinisch notwendiger Erfordernisse – nicht beliebig und unkoordiniert in Anspruch genommen werden können.
5. Kollektiv-/Selektivverträge – Förderung von Facharztverträgen nach §140 SGB V
Die Allianz Deutscher Ärzteverbände plädiert nach wie vor für Subsidiarität und Wettbewerbe anstelle von zunehmendem Zentralismus. Die neben dem Kollektivvertragssystem aufgebauten Selektivverträge zeigen, dass ein System mit festen betriebswirtschaftlich kalkulierten Preisen – ohne die in der budgetierten Regelversorgung notwendigen Regresse – bei der Behandlungs- und Verordnungsweise möglich ist. So entsteht Kalkulations- und Rechtssicherheit. Dies trägt zu einer auch qualitativ besseren Versorgung maßgeblich bei. Das geordnete Nebeneinander von Kollektiv- und
Selektivverträgen muss deshalb weiter entwickelt werden.
Noch immer sind jedoch die rechtlichen Rahmenbedingungen für die selektiven Versorgungsformen nicht optimal. Die Ausweitung der hausarztzentrierten Versorgung und der Facharztverträge kommt nur zäh voran. Die Selektivverträge müssen für Hausärzte nach § 73b SGB V verpflichtend bleiben, für die fachärztliche Versorgung nach § 140a SGB V verpflichtend werden. In einem ersten Schritt könnte ein Bonusmodell für Kassen eingeführt werden, die Facharztverträge als Vollversorgungsverträge anbieten. Die derzeit noch bestehenden rechtlichen Hindernisse und die Finanzierungsprobleme im Rahmen des Morbi-RSA müssen konsequent beseitig werden.
Zur Finanzierung der verpflichtenden Haus- und Facharztverträge nach § 140 SGB V sollte es im SGB V eine gesetzliche Regelung analog zu den DMP-Programmpauschalen geben, die vorsieht, dass die Krankenkasse für einen in die Selektivversorgung eingeschriebenen Versicherten eine Programmpauschale für die Initial- und Transaktionskosten in Höhe eines Beitrages erhält.
6. Keine institutionelle Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Behandlung
Die Allianz der Ärzteverbände lehnt grundsätzlich eine institutionelle Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung ab. Es macht keinen Sinn, mit einer auf stationäre Behandlung ausgerichteten Struktur Patienten ambulant zu betreuen. Dies ist weder kostengünstig noch patientengerecht. Die Allianz fordert dennoch eine Lockerung und zunehmende Öffnung der Grenze ambulant/stationär. Dazu steht bereits jetzt eine Reihe von gesetzlichen und vertraglichen Möglichkeiten zur Verfügung, die aber nicht ausreichend genutzt werden. So erstickt z. B. die ambulante spezialfachärztliche Versorgung an den bürokratischen Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses, ein reformiertes Belegarztsystem ist unter den derzeitigen gesetzlichen Vorgaben nicht konkurrenzfähig und die Möglichkeiten bei selektiven Verträgen auch die stationäre Versorgung mit einzubinden, werden kaum genutzt, weil die Kostenträger daran zu wenig Interesse zeigen. Unter dem Motto „Gleiches Honorar bei gleicher Leistung und Qualität“ müssen die rechtlichen Vorgaben der ambulanten und stationären Versorgung angeglichen werden. Es sollte durchweg der Verbotsvorbehalt für den Leistungskatalog gelten, wie dies zurzeit bei der stationären Versorgung üblich ist. Die in der Allianz zusammengeschlossenen Verbände bieten an, insbesondere über selektivvertragliche Regelungen zu einer Lockerung und Öffnung der Grenze ambulant/stationär beizutragen.
7. Freiberuflichkeit im Krankenhaus
Die Allianz der Deutschen Ärzteverbände sieht mit Sorge, dass die rein ökonomisch orientierte Steuerung der stationären Versorgung die am freien Beruf orientierte Arbeit des Krankenhausarztes bedroht. Alle Ärzte sind freiberuflich tätig, gleichgültig, ob sie selbstständig oder im Angestelltenverhältnis arbeiten. Nach der für sie verbindlich geltenden Berufsordnung dürfen sie ihre Entscheidungen am Patienten nicht von ökonomischen Interessen abhängig machen. Leider werden Krankenhausärzte zunehmend von der kaufmännischen Führung unter Druck gesetzt, sich mehr nach ökonomischen Vorgaben auszurichten. Die unabhängige ärztliche Entscheidung ist aber das entscheidende Qualitätskriterium für die Qualität der Krankenhausversorgung. Dies sollte von den Krankenhausträgern wieder mehr beachtet werden.
Diese negative Entwicklung in den deutschen Krankenhäusern ist auch dem Ethik-Rat des Deutschen Bundestages aufgefallen, der in einem umfangreichen Papier fordert, wieder eine gleichberechtigte Krankenhausleitung von kaufmännischer und ärztlicher Führung zu installieren. Dieser Forderung schließen sich die ärztlichen Verbände uneingeschränkt an. Gleichzeitig sehen sie auch den Finanzierungsdruck auf die Krankenhäuser und fordern die Länder auf, endlich ihrer gesetzlich verankerten Investitionsverpflichtungen nachzukommen, damit die Krankenhäuser nicht weiter gezwungen sind, zur Kostendeckung überzogene Gewinne aus der DRGAbrechnung zu erzielen. Darunter leidet insbesondere die personelle Ausstattung der Krankenhäuser und damit die Qualität der Versorgung der Patienten.
8. Stärkung der Selbstverwaltung
Der Gesetzgeber muss ein elementares Interesse daran haben, dass die Selbstverwaltung als tragende Säule des Gesundheitssystems auch künftig ihre wichtige Aufgabe – die Sicherstellung der ambulanten Versorgung – verantwortungsvoll wahrnehmen kann. Bei allem Verständnis für den Wunsch nach Transparenz und Erfüllung von Informationspflichten als Grundlage einer funktionierenden Zusammenarbeit von Selbstverwaltung und Aufsichtsbehörden ist darauf zu achten, dass die Schwelle für unmittelbare staatliche Eingriffe nicht „gegen Null“ abgesenkt wird. Staatliche Zwangsmaßnahmen, so wie sie im Selbstverwaltungsstärkungsgesetz formuliert sind, sind eine offene Misstrauenserklärung gegenüber der Selbstverwaltung, aber auch gegenüber dem freien Beruf an sich. Stattdessen muss eine konsequente Stärkung der internen Strukturen – im Besonderen auch mit Blick auf die Rolle der Vertreterversammlungen – dafür sorgen, dass die Selbstverwaltung in die Lage versetzt wird, ohne derartige Eingriffe effektiv und ohne Reibungsverlust arbeiten und ihrem Auftrag gerecht werden zu können. Entsprechende Instrumente können in diesem Sinne nur gemeinsam mit der Selbstverwaltung entwickelt und am Ende im Konsens umgesetzt werden. Diese sind so zu gestalten, dass sie die Selbstverwaltung als entscheidende Säule der Eigenverantwortung eines freien Berufsstandes nicht zerstören.
9. Digitalisierung
Die Allianz Deutscher Ärzteverbände begrüßt den sinnvollen Einsatz der Digitalisierung in der Patientenversorgung. Krankheit und deren Behandlung ist keine Ware, die man im Internet bestellt, sondern oft eine existentiell empfundene Bedrohung, die Emotionen auslöst und deshalb fast immer eine persönliche Zuwendung erfordert. Medizinische Algorithmen alleine werden eine geordnete Diagnostik und Behandlung nicht gewährleisten. Die Einführung sinnvoller Digitalisierungsinstrumente, wie beispielsweise eines telemedizinischen Konsils zur Einholung einer Zweitmeinung bei komplexen Krankheitsfällen oder einer Praxis-App mit integrierter Videosprechstunde, um bei Folgekontakten auch eine Versorgung außerhalb der Praxis zu ermöglichen, sind daher sicherlich geeignet, die Patientenversorgung zu verbessern.
Längst überfällig sind auch die elektronische Vernetzung und die Kommunikation der Praxen untereinander, die bisher bestenfalls Faxstandard erreicht hat. Hier sind die bisherigen gesetzlichen Regelungen nicht ausreichend um z.B. Selektivverträge diskriminierungsfrei abzurechnen oder Versorgungsverträge in Ärztenetzen gegenüber den IT-Anbietern durchzusetzen. Im Hinblick auf die aktuell stattfindende Einführung der Telematik-Infrastruktur dürfen deshalb keine neuen Monopolstellungen aufgebaut werden, die digitale Innovationen z.B. im Rahmen von Selektivverträgen behindern. Zur Telematik-Infrastruktur muss auch ein diskriminierungsfreier Zugang bestehen. Ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis ist und bleibt von zentraler Bedeutung für die Qualität der Gesundheitsversorgung in Deutschland. Idealerweise sollten neue digitale Anwendungen im Gesundheitswesen dieses Vertrauensverhältnis unterstützen und im Konsens und mit Zustimmung der betroffenen Patienten entwickelt werden.
10. Ärztemangel und ärztlicher Nachwuchs
Schon seit Jahren spüren die Patientinnen und Patienten in Deutschland die Folgen des wachsenden Ärztemangels. Kliniken können vakante Stellen nicht mehr besetzen, niedergelassene Ärzte finden keine Nachfolger für ihre Praxen. Um drohende Engpässe in der Versorgung abzuwenden, muss der Arztberuf für den Nachwuchs wieder attraktiv werden.
Erforderliche Maßnahmen sind:
- Angemessene Honorierung ärztlicher Arbeit in Klinik und Praxis, insbesondere endlich feste
- Preise im ambulanten Bereich.
- Schluss mit Budgetierung, Regressen und überbordender Bürokratie.
- Förderung von Kooperationen, z.B. in Ärztenetzen oder in MVZ.
- Förderung von IT-Vernetzung, Telemedizin.
Unter Berücksichtigung ihrer Forderungen sind die Mitgliedsverbände der Allianz bereit, das Nachwuchsproblem gemeinsamen mit den Körperschaften anzugehen. Dies sollte im Rahmen neuer Versorgungskonzepte und neuer freiberuflicher Kooperationsformen geschehen.
Quelle: Allianz Deutscher Ärzteverbände, c/o MEDI GENO Deutschland e.V., Bleibtreustraße 24, 10707 Berlin, 07.09.2017
Weitere Artikel zum Thema
12.03.2018 Politik
AWMF fordert Gesundheitspolitik auf Basis evidenzbasierter Medizin
Das Patientenwohl soll für die künftige Bundesregierung der entscheidende Maßstab aller gesundheitspolitischen Entscheidungen werden. Die AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) e. V. begrüßt diese Aussage im neuen Koalitionsvertrag, kritisiert jedoch, dass unerwähnt bleibt, auf welcher Basis gesundheitspolitische Entscheidungen künftig getroffen werden sollen. Die wissenschaftliche Medizin und die Notwendigkeit wissenschaftlich belegbarer Maßnahmen ist mit keinem Wort erwähnt. Patientenwohl kann nur dann erreicht werden, wenn sich künftige gesundheitspolitische Entscheidungen an wissenschaftlichen Fakten orientieren: Nur wenn nachweisbar ist, dass eine gesetzgeberische Maßnahme im Gesundheitswesen im Sinne der evidenzbasierten Medizin ausreichend, zweckmäßig und notwendig ist, dient sie auch dem Wohl von Patientinnen und Patienten. Um das zu gewährleisten, ist eine enge Zusammenarbeit mit der wissenschaftlichen Medizin – wie sie in der AWMF versammelt ist – unverzichtbar. „Wir müssen mehr und früher als bislang in gesundheitspolitische Entscheidungen einbezogen werden“, fordert AWMF-Präsident Professor Dr. med. Rolf Kreienberg. Zwar wird im Koalitionsvertrag betont, dass der Dialog auch mit der Wissenschaft intensiviert werden muss, die evidenzbasierte Medizin findet als Grundpfeiler einer wissenschaftlich begründeten Prävention, Diagnostik und Therapie in dem 177-Seiten starken Vertrag jedoch keinerlei Erwähnung. Das sieht die AWMF angesichts der zu lösenden Aufgaben äußerst kritisch. „Die alternde Gesellschaft, die Zunahme chronischer Erkrankungen, Antibiotika-Resistenzen, aber auch die Digitalisierung und der Nachwuchsmangel in vielen Teilen der Medizin stellen uns vor große gesamtgesellschaftliche Herausforderungen“, so Kreienberg. Diese seien nur zu bewältigen, wenn die künftige Bundesregierung bei gesundheitspolitischen Entscheidungen die Ebenen und Akteure einbinde, die die höchste Kompetenz und Expertise zu einem Thema mitbringen. In der AMWF mit ihren 177 wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften sind alle medizinischen Fächer, die meisten interdisziplinären Themenbereiche und neben Ärzten auch weitere Gesundheitsberufe vertreten. Von diesen wird Wissen gemäß der evidenzbasierten Medizin entwickelt, evaluiert und verbreitet. Daraus entstehen unter anderem Leitlinien, die heute die Basis des ärztlichen Handelns darstellen. Die AWMF garantiert daher mir ihren Aktivitäten und Akteuren eine Gesundheitsversorgung, bei der die Prinzipien der evidenzbasierten Medizin auf alle Gesundheitsberufe und alle Versorgungsbereiche angewandt werden. Die AWMF begrüßt auch das Anliegen der Koalitionsparteien, die Gesundheitsforschung auszubauen. Damit haben diese eine zentrale Forderung der AWMF in ihrem künftigen Regierungsprogramm verankert. Doch auch hier komme es auf die Ausgestaltung an: Hochschulmedizin, Versorgungsforschung und Medizininformatik können nur im Sinne der Patienten gestärkt werden, wenn auch hier die Grundpfeiler der wissenschaftlichen Medizin zum Maßstab des Handelns werden. Dazu gehöre, dass wissenschaftliches Arbeiten innerhalb der Medizin in Ausbildung und Beruf einen höheren Stellenwert bekomme, wissenschaftliche Studien und Netzwerke gefördert, die individuellen Bedürfnisse der Patienten und das Erfahrungswissen der Experten regelmäßig abgefragt werde und in Aktivitäten einfließen. „Dafür ist die AWMF in Deutschland das Expertengremium, das sich im Interesse des Patientenwohls gerne in die künftige Regierungsarbeit einbringt“, betont Kreienberg.
09.03.2018 Politik
Gesucht: Digitale Ideen für die Zukunftspraxis
„Es gibt tausende von Apps und digitalen Anwendungen rund um das Thema Gesundheit. Doch der Nutzen für Patient und Arzt ist oft unklar. Daher ist es unser Ziel, diejenigen Anwendungen und digitalen Dienste zu identifizieren und zu fördern, die die Arbeit und Abläufe in den Praxen der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen verbessern“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen, zum Start der KBV-Zukunftspraxis.
08.03.2018 Politik
Resolution: Zukunftssichere Versorgung nur mit der Selbstverwaltung
Mit Befremden haben die Delegierten der Vertreterversammlung der KBV auf aktuelle Bestrebungen der Gesundheitspolitik, in die Selbstverwaltung einzugreifen, reagiert. In einer heute verabschiedeten Resolution fordern sie die Politik auf, die bewährten Prinzipien der Freiberuflichkeit und den notwendigen Spielraum für die Selbstverwaltung zu erhalten.
07.03.2018 Aus- & Weiterbildung
6. Chirurgische Woche für Studierende
Zum sechsten Mal findet dieses Jahr die Chirurgische Woche des Universitätsklinikum Tübingen statt – initiiert durch die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie und den Berufsverband der Deutschen Chirurgen.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.