01.09.2015 Politik
Unabhängigkeit in der Vermögensanlage – Ein wirklicher Kundenmehrwert?
![](https://www.bdc.de/wp-content/uploads/ebook/2511/OEBPS/images/04-Passion_Chirurgie_Prototype_Verguetung_und_Oekonomie-1.jpg)
Wie schwierig die Definition wirklicher Unabhängigkeit ist und warum so viele Anbieter sich als unabhängig bezeichnen
Die Finanzbranche ist schon ein verrücktes Segment. Während niemand bei einem Automobilhändler damit rechnen würde, Autos anderer Marken angeboten zu bekommen, suchten in der Vergangenheit viele Kreditinstitute die Unterscheidung vom Wettbewerb, indem sie genau dies taten. Man beschränkte sich beispielsweise nicht mehr auf Investmentfonds aus der eigenen Unternehmensgruppe oder der eigenständigen Kreditvergabe, sondern gab an, die besten Angebote aus dem gesamten Markt zu finden und allen Kunden zur Verfügung zu stellen. Im Kreditbereich mag dies unter Umständen sogar nachvollziehbar sein, weil die reine Vermittlung von Finanzierungen nicht die Bereitstellung von Eigenkapital erfordert. Im Bereich der Anlageberatung mutet dies schon grotesk an. So dürfte jedem finanzinteressierten Menschen in Deutschland noch der Streit zweier Finanzvertriebe vor einigen Jahren vor Augen sein, in dem sie sich wechselseitig die Unabhängigkeit absprachen. Bei Kreditinstituten wird dies zwar öffentlich weniger stark wahrgenommen, ist aber vielleicht wesentlich entscheidender, da u. a. die Vergütung der Vorstände bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken auch durch die jeweilige Bilanzsumme beeinflusst wird. Diese wiederum resultiert u. a. auch aus den Spareinlagen, sodass eine wirklich unabhängige Beratung in der Vermögensanlage schon alleine durch die unterschiedlichen Interessenlagen kaum gewährleistet sein kann.
Dabei stellt sich die Frage, ob aus Unabhängigkeit tatsächlich ein Mehrwert bzw. Nutzen für den jeweiligen Kunden entstehen kann. Möglicherweise wird hier in der Finanzbranche eine Scheindiskussion geführt, um letztlich ein Abgrenzungsmerkmal von Wettbewerbern zu finden. Davor macht auch der Vermögensverwaltungssektor nicht halt. Dort wird die gesamte Situation des jeweiligen Kunden zu Beginn der Vertragsbeziehung sehr detailliert aufgenommen und darauf eine individuelle Vermögensanlagestrategie entwickelt, die durch das Vermögensverwaltungsmandat ohne weitere Beratung durch den Vermögensverwalter selbst umgesetzt werden kann. Gerade für Mediziner ist dies eine hoch attraktive Möglichkeit, von den Entwicklungen an den Kapitalmärkten zu profitieren, ohne übermäßige Verlustrisiken eingehen zu müssen oder von den ohnehin knappen zeitlichen Ressourcen noch weitere Stunden für die Auswahl von Wertpapieren zu verwenden. Aber trotz diesem für den Kunden sehr attraktiven Geschäftsmodell, wird ein hoher Wert auf die Unabhängigkeit gelegt. So heißt der Verband der die Vermögensverwalter in Deutschland repräsentiert VuV – Verband unabhängiger Vermögensverwalter. Dies führt allerdings sehr schnell zu der Frage, was Unabhängigkeit überhaupt definiert.
So dürfte es offensichtlich sein, dass ein Anbieter, der mehrheitlich einem Produktgeber wie einem Kreditinstitut oder einer Fondsgesellschaft gehört, nicht unabhängig ist. Ebenso kann man einen Anbieter als nicht unabhängig bezeichnen, wenn dieser für die Kundenportfolios mehr als 50 % eigene Produkte kauft. Eigene Produkte sind dann aber nicht nur Produkte der Bank, der Fondsgesellschaft oder des Vermögensverwalters, sondern auch mit ihr verbundene Unternehmen. In der täglichen Analysepraxis erlebt man es nicht selten, dass in Fremddepots 30 % eigene Bankprodukte, 20 % Konzern- bzw. verbundeigene Investmentfonds und weitere 30 % Zertifikate enthalten sowie andere strukturierte Wertpapiere aus dem Anbieterumfeld sind. Mit Quoten, die selbst bei renommierten Vermögensverwaltungsinstituten bei deutlich über 50 % liegen können und vor allem für Kunden nicht immer offensichtlich zu erkennen sind, ist die Unabhängigkeit mit Sicherheit in Frage zu stellen und der Kundennutzen kritisch zu beurteilen. Gerade solche Extremszenarien zeigen, dass Unabhängigkeit tatsächlich einen Kundennutzen schaffen kann, selbst wenn dieser häufig nur darin liegt, Schaden von Anlegern abzuwenden.
Dies haben auch zunehmend die Aufsichtsbehörden erkannt und versuchen mit immer neuen Regelwerken diese Entwicklung zu stoppen. Vordergründig einfache Lösungen wie Provisionsverbote oder die Offenlegung möglicherweise bestehender Abhängigkeiten haben das Problem, dass sie – wie so häufig – nicht funktionieren. Für komplexe Herausforderungen gibt es keine einfachen Antworten. Zudem gilt: Wenn es einen wirklichen Bedarf nach unabhängigen Lösungen gibt wird sich dies am Markt auch etablieren. Man mag einwenden, dass genau diese Transparenz an den Märkten für Kunden wahrnehmbar fehlt. Umgekehrt muss aber auch die Frage gestattet sein, warum dies dann nicht stärker nachgefragt wird. Deutschland ist in vielen Bereichen ein gesättigter Markt, was auch gerade im Vermögensanlagesektor gilt. Die Anzahl an wirklichen Neukunden ist gering. Vielmehr findet ein Verdrängungswettbewerb im Finanzsektor statt, der es gerade für Kreditinstitute attraktiv gemacht hat, unabhängige Anbieter zu kaufen oder sich an diesen maßgeblich zu beteiligen. Genau hier besteht aber das Problem, dass solche Beteiligungen oder „Produktpartnerschaften“ nicht transparent gemacht werden. Wenn hier der Gesetzgeber eine stärkere Regulierung schaffen würde, wäre dies ausdrücklich zu begrüßen. Dieser einfache Schritt, explizit auf Beteiligungen, Partnerschaften und Vergütungen hinzuweisen, steckt nach wie vor in den Kinderschuhen. Stattdessen versucht man komplexe Regulierungen zu schaffen, von denen dann angeblich Kunden profitieren sollen. Der Blick nach Groß Britannien zeigt aber, dass dort faktisch 25 % der Bevölkerung von einer tatsächlichen Beratung im Finanzsektor abgeschnitten sind, gerade weil ein Provisionsverbot geschaffen wurde.
Von so dramatischen Entwicklungen sind wir in Deutschland glücklicherweise noch weit entfernt. Gute Beratung ist hier aber auch eher die Ausnahme als die Regel. Dies ist aber gerade der Mehrwert, den wirklich unabhängige Anbieter für Kunden bieten können. Dieser macht sich dann auch in einer i. d. R. besseren Wertentwicklung bemerkbar. Daher ist für Anleger die Information über wirklich unabhängige Anbieter sehr wesentlich. Gleichzeitig sollten aber bei der Auswahl die Erfahrung des Anbieters zum Risikoprofil passen und auch weitere Kriterien, wie der Erfolg, die Bonität und die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells geprüft werden. So ist sichergestellt, dass man nicht nur mit einem unabhängigen, sondern auch seriösen und erfahrenen Anbieter zusammen arbeitet.
Einen nahezu tagesaktuellen Blick auf die Marktentwicklungen bietet der wöchentlich per Mail erscheinende DVAM-Finanzmarkt-Newsletter. Mitglieder des BDC können den DVAM-Finanzmarkt-Newsletter kostenlos und unverbindlich unter [email protected] anfordern.
Schön M. Unabhängigkeit in der Vermögensanlage – Ein wirklicher Kundenmehrwert?. 2015 September; 5(09): Artikel 04_01.
Autor des Artikels
![Profilbild von Markus Schön](https://www.bdc.de/wp-content/uploads/avatars/24/1abe98c020a00acf5c750f3318508fd2-bpfull.jpg)
Markus Schön
GeschäftsführerDVAM Deutsche Vorsorge Asset Management GmbHKlingenbergstr. 432758Detmold kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
19.09.2018 Politik
Neue elektronische Gesundheitsakte
Bis zu 13,5 Millionen Versicherte von 14 gesetzlichen Krankenkassen und zwei privaten Krankenversicherern haben seit Montag (17.09.2018) kostenfrei die Möglichkeit zur digitalen Verwaltung ihrer persönlichen Gesundheitsdaten mittels Smartphone oder Tablet. Gemeinsam setzen die Versicherer auf eine App der Berliner Betreibergesellschaft.
12.09.2018 Politik
Ärztemonitor 2018: Bürokratielast ist ungebrochen hoch
Bürokratie ist ein echter Zeitfresser in den Praxen der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten. Das belegen neue Zahlen, die die KBV vorab aus dem Ärztemonitor 2018 veröffentlicht hat.
07.09.2018 Politik
Warum digitale und internationale Ansätze die Patientensicherheit erhöhen
Die Kosten für vermeidbare Patientenschäden belaufen sich hierzulande auf rund 15 Prozent aller Gesundheitsausgaben – das hat eine Schätzung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ergeben. Das APS-Weißbuch Patientensicherheit beschreibt notwendige Maßnahmen zum Ausbau der Patientensicherheit.
04.09.2018 Politik
Zweiter Konnektor auf dem Markt
Zur Anbindung der Praxen an die Telematikinfrastruktur steht ein zweiter Konnektor bereit. Der Hersteller T-Systems will eigenen Angaben zufolge im September mit dem „Massenrollout“ beginnen.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.