25.08.2020 Politik
Wann muss getestet werden vor elektivem ambulanten Eingriff?
Ist ein Abstrich auf SARS-CoV-2 vor einer elektiven ambulanten Operation grundsätzlich erforderlich?
Die Covid-19-Pandemie bestimmt weiterhin das tägliche Leben und hat eine ganze Reihe von Restriktionen im privaten und natürlich auch im beruflichen Umfeld zur Folge. Dies gilt im Besonderen für das Gesundheitssystem. In der Chirurgie betrafen die Einschränkungen in erster Linie das Krankenhaus, wo es darum ging möglichst schnell zusätzliche Beatmungskapazitäten zu schaffen, um den befürchteten Ansturm von intensivpflichtigen Covid-19-Patienten bewältigen zu können. Aus diesem Grund wurden planbare Operationen im Krankenhaus in der Regel eingestellt. Damit wurde einer Empfehlung der zuständigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften in Zusammenarbeit mit dem RKI und auch den Berufsverbänden gefolgt. Aber auch der ambulante Bereich war betroffen. So kam es nicht nur zu einem verständlichen Rückgang an elektiv zu operierenden Patienten, sondern es wurden in einigen Bundesländern sogar per Allgemeinverfügung des zuständigen Ministeriums elektive ambulante Operationen grundsätzlich untersagt.
Mit sinkenden Infektionszahlen und massivem Ausbau von Beatmungskapazitäten konnten dann schrittweise Lockerungsmaßnahmen vorgenommen werden – und dies betraf natürlich auch das Operieren. In den Krankenhäusern wurde schnell ein System etabliert, wobei Covid-19 Patienten von nichtinfizierten oder möglicherweise infizierten Patienten separiert wurden, um so eine Ausbreitung des Virus im Krankenhaus zu verhindern. Grundlage einer solchen Kohorten-Isolation ist das konsequente Testen der Patienten auf das SARS-CoV-2 Virus, sowohl bei Aufnahme als auch einige Tage später.
S1-Leitlinie der medizinischen Fachgesellschaften
Dieses Vorgehen folgt einer Anfang Juni veröffentlichten S1-Leitlinie der AWMF, erstellt von den zuständigen medizinischen Fachgesellschaften und unter maßgeblicher Beteiligung unseres Präsidenten als Vertreter von DGCH und BDC [2]. Die Leitlinie entstand insbesondere unter dem Eindruck der sogenannten „Birmingham-Studie“. Diese im Lancet publizierte Arbeit untersuchte im ersten Quartal 2020 operierte Patienten aus diversen chirurgischen Fachbereichen und fand im Ergebnis bei SARS-CoV-2 positiv getesteten Patienten eine deutlich erhöhte 30-Tage Letalität von 27,1 Prozent bei großen Eingriffen, aber eben auch von 16,4 Prozent bei kleineren Operationen [5]. Letztgenannte Eingriffe werden häufig im ambulanten Setting durchgeführt. Daraus ergibt sich die Frage, wie möglichst zuverlässig verhindert werden kann, dass SARS-CoV-2 positive Patienten unerkannt auf dem Operationstisch eines niedergelassenen Operateurs landen.
Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit, einen Abstrich vor jeder Operation zwingend zu veranlassen. Dieses Vorgehen findet man oft in einem ambulanten von einer Klinik betriebenen Operationszentrum. Hintergrund ist die verständliche Befürchtung, dass nicht erkannte SARS-CoV-2 positive Patienten in den klinikeigenen OP-Saal gelangen und möglicherweise eine Infektion von Personal und anderen Patienten verursachen, mit erheblichen Auswirkungen auf die Versorgung und Funktionsweise der Klinik. Problematisch ist hier die Finanzierung der Laborkosten. Für stationäre Patienten erhält das Krankenhaus für zusätzliche Hygieneanforderungen im Rahmen der Pandemie eine kürzlich in der Höhe auf 100 € angehobene Zusatzpauschale, welche zumindest einen Teil der Test-Kosten abdecken soll. Für ambulante Operationen am Krankenhaus gilt dies aber nicht. Nach derzeitiger Rechtslage müssen die Kosten bei fehlendem Verdacht auf Vorliegen einer Infektion vom Patienten selbst getragen werden oder sie werden dem Operateur vom Krankhaus in Rechnung gestellt.
Bei rein ambulant betriebenen Operationseinheiten besteht grundsätzlich auch ein Risiko, dass das Personal infiziert werden kann oder der Patient selbst einen ungünstigen postoperativen Verlauf durchlebt. Gleichwohl ist eine Testung im ambulanten Bereich zur Verhinderung solcher Ereignisse nur bedingt praktikabel. Zum einen müsste der Patient sich nach erfolgtem Abstrich konsequent in häusliche Quarantäne begeben, denn er könnte sich ja bis zum Operationsdatum andernorts noch infizieren. Dann müsste in einem kurzen Intervall vor der Operation nochmalig getestet werden. Erst dann könnte man mit großer Wahrscheinlichkeit sagen, dass der Patient auch wirklich frei von einer Infektion ist. Auch wenn mit der Rückkehr von Reisenden aus Risikogebieten am Ende des Sommers steigende Infektionszahlen vom RKI gemeldet werden, so ist die Wahrscheinlichkeit einer solchen Infektion über alles als sehr gering zu betrachten.
Empfehlung des BDC
Vor diesem Hintergrund empfiehlt der BDC an Stelle einer regelhaften Testung vor ambulanten elektiven Eingriffen eine Risikoanalyse für die einzelne operative Einrichtung vorzunehmen. Berücksichtigt werden müssen dabei das Risikoprofil der Eingriffe, die Anästhesie-Art und die lokale Infektionshäufigkeit. So stellt es einen Unterschied dar, ob sich das ambulante Operationszentrum im windverwöhnten Schleswig-Holstein befindet, wo über Wochen keine oder kaum Neu-Infektionen zu verzeichnen waren oder ob in unmittelbarer räumlicher Nähe sich ein Infektionscluster befindet. In dieser Situation gilt es die Lage mit dem örtlichen Gesundheitsamt zu analysieren. Dieses Vorgehen wird sowohl in der schon zitierten Leitlinie als auch in einer aktuellen Verordnung aus dem BMG vom Juli 2020 so empfohlen [1,2]. Sollte dann von Amts wegen eine Testung als notwendig erachtet werden, so ist auch die Finanzierung der Laborkosten geregelt und würde vom öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) übernommen werden. Zu Lasten der GKV kann der präoperative Abstrich auf SARS-CoV-2 ausdrücklich nicht verordnet werden, darauf hatte die KBV in einer Mitteilung vom 18. August 2020 hingewiesen [4]. Dies wäre nur im Verdachtsfall auf eine vorliegende Infektion oder nach Rückkehr aus einem Risikogebiet möglich – aber solche Patienten gehören sowieso nicht auf den Operationstisch für eine elektive Operation.
Abschließend ist den ambulant tätigen Chirurginnen und Chirurgen zu empfehlen, jeden ihrer Patienten bzgl. einer vorliegenden oder stattgehabten Covid-19 Infektion zu evaluieren. Dafür eignen sich Kurzfragebögen, wie sie in Kliniken regelhaft zur Anwendung kommen und die vom Patienten selbst ausgefüllt werden können [3]. Bei begründetem Verdacht auf Vorliegen einer Infektion liegt eine Indikation für einen elektiven Eingriff, sei es ambulant oder stationär, nicht mehr vor. Alle anderen Patienten können im ambulanten Setting bei der derzeit in Deutschland vorliegenden Infektionslage ohne vorherigen Abstrich auf SARS-CoV-2 operiert werden, sofern nicht in Abstimmung mit den lokalen Gesundheitsbehörden ein verpflichtendes Test-Regime festgelegt wurde.
(1) Bundesministerium für Gesundheit: Verordnung zur Änderung der Verordnung zum Anspruch auf bestimmte Testungen für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 Bundesanzeiger. Veröffentlicht am 31. Juli 2020
(2) https://www.AWMF.org: Interdisziplinär abgestimmte Empfehlungen zum Personal- und Patientenschutz bei Durchführung planbarer Eingriffe zur Zeit der SARS-CoV-2-Pandemie. Registrierungsnummer: 017-080, Entwicklungsstufe: S1 Stand: 03.06.2020
(3) https://www.divi.de/aktuelle-meldungen-intensivmedizin/neuer-anamnesebogen-bei-verdacht-auf-sars-cov-2-covid-19
(4) https://www.kbv.de/html/1150_47566.php Übersicht: Test auf SARS-CoV-2 in der Arztpraxis (Stand 18.08.2020)
(5) Nepogodiev, D., Glasbey, J.C., Li, E., Omer, O., Simoes, J.F.F., Abbott, T.E.F., …. Dolores del Toro, M.: Mortality an pulmonary copmplications in patients undergoing surgery with perioperative SARS-CoV-2 infection: an international cohort study. The Lancet (2020) 396: 27-38 published online May 29, https://www.thelancet.com/pdfs/journals/lancet/PIIS0140-6736(20)31182-X.pdf
Autor des Artikels
Dr. med. Ralf Wilhelm Schmitz
Referatsleiter Niedergelassene ChirurgenMVZ Chirurgie KielSchönberger Str. 1124148Kiel kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
22.05.2019 Krankenhaus
Krankenhaus Rating Report 2019
Die wirtschaftliche Lage deutscher Krankenhäuser war im Jahr 2017 schlechter als im Vorjahr. 12 Prozent lagen im „roten Bereich“ mit erhöhter Insolvenzgefahr. Auch ihre Ertragslage hat sich verschlechtert, wohl auch aufgrund der erstmals gesunkenen Anzahl stationärer Fälle. Der damit zusammenhängende Handlungsdruck dürfte im nächsten Jahrzehnt weiter steigen. Es ist an der Zeit, statt der bestehenden ambulanten und stationären Vergütungssysteme ganzheitliche Vergütungsmodelle anzustreben. Der eingeschlagene Weg in die Selbstkostendeckung ist allerdings ein Irrweg. Zu diesen und vielen weiteren Ergebnissen kommt die fünfzehnte Ausgabe des „Krankenhaus Rating Report“, der im Rahmen des „Hauptstadtkongress 2019 – Medizin und Gesundheit“ in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Er wurde gemeinsam vom RWI, der Institute for Healthcare Business GmbH (hcb) in Kooperation mit Deloitte und der HIMSS erstellt.
20.05.2019 Politik
Kulturwandel pro Organspende gefordert
Die einen sehen den Grund für die seit Jahren rückläufigen Transplantationen in der geringen Zahl aktiver Organspender, andere halten organisatorische Probleme in den Kliniken für entscheidend: Ob man eine doppelte Widerspruchslösung braucht, wie jetzt von Bundesgesundheitsminister Spahn und einigen Abgeordneten gefordert, darüber diskutierten Ärzte und Juristen des gleichnamigen Arbeitskreises der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) e. V.. Bei ihrem Treffen Mitte April brachten Befürworter wie Gegner wichtige Argumente vor.
17.05.2019 Politik
Ärzte sollen Apps verschreiben
Mit einem neuen Referentenentwurf will Bundesgesundheitsminister Spahn die digitale Versorgung verbessern. Dabei geht es um Anwendungen wie digitale Tagebücher für Diabetiker oder Apps für Menschen mit Bluthochdruck. Außerdem sollen sich Daten der Patienten in absehbarer Zeit in einer elektronischen Patientenakte speichern lassen. Und auch die Videosprechstunde soll Alltag werden.
15.05.2019 Politik
Umfrage: Verhalten bei der Verordnung von Heilmitteln
Der Ausschuss Versorgung, Qualität und Sicherheit der DGOU hat eigens eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich mit der Problematik der Heil- und Hilfsmittelversorgung auseinandersetzt. Denn Regresse bedrohen nicht nur niedergelassene Kollegen sondern auch ermächtigte Krankenhausärzte. Um Lösungen erarbeiten zu können, soll jetzt eine Umfrage den Istzustand bei der Verordnung von Heil- und Hilfsmitteln erfassen. Nur so können weitere Aktivitäten ergriffen werden, um den aktuellen Zustand zu verbessern.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.