11.04.2018 Aus- & Weiterbildung
Rentenwelle und Nachwuchsprobleme: Bald gehen uns die Chirurgen aus
Bis 2020 erreichen etwa 11 000 Chirurginnen und Chirurgen das Rentenalter, das betrifft etwa die Hälfte aller niedergelassenen und fast jeden dritten stationär tätigen Chirurgen. Eine Analyse des Wirtschaftsprüfers PricewaterhouseCoopers zeigt, dass 2030 fast jeder vierte chirurgische Arbeitsplatz unbesetzt sein wird – bei stetig steigenden Operationszahlen in Deutschland und fehlendem Nachwuchs. Wie diese große Diskrepanz zwischen Personalbedarf und gesundheitspolitischer Entwicklung behoben werden kann und welche Maßnahmen Krankenhäuser und Universitäten ergreifen müssen, um das Fach „Chirurgie“ wieder beliebter zu machen, werden Experten morgen auf der Vorab-Pressekonferenz anlässlich des 135. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) erläutern.
Im Jahr 2015 führten Chirurgen in Deutschland über 16 Millionen Eingriffe durch, das sind etwa 30 Prozent mehr Operationen als noch zehn Jahre zuvor. Gleichzeitig sinkt die Zahl der jungen Mediziner, die sich für das Fach Chirurgie entscheiden. „Universitäten und Krankenhäuser müssen vor allem an den wichtigen Stellschrauben Work-Life-Balance sowie Forschungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten feilen, um die Chirurgie gegenüber anderen medizinischen Fächern wieder konkurrenzfähig zu machen und im globalen Wettbewerb mitzuhalten“, erklärt DGCH-Präsident Professor Dr. med. Jörg Fuchs. „Nur so können wir die Versorgungsqualität in Deutschland auf einem hohen Standard erhalten.“
Einer der Themenschwerpunkte des diesjährigen Chirurgenkongresses ist daher die erfolgreiche Nachwuchsakquise. Denn derzeit droht ohne strukturelle Änderungen nicht nur ein dramatischer Fachärztemangel, der nur durch ausländische Fachkräfte behoben werden kann. Auch immer mehr ausgebildete Ärzte wandern angesichts unzureichender Arbeitsbedingungen ins Ausland ab.
Dabei beginnt die Nachwuchsförderung bereits im Medizinstudium. Dort ist die Grundbegeisterung für das Fach Chirurgie zunächst hoch. „Etwa 40 bis 60 Prozent aller Medizinstudenten visieren zu Beginn ihres Studiums eine chirurgische Laufbahn an“, berichtet Dr. med. Benedikt Braun, Vertreter des Perspektivforums Junge Chirurgie der DGCH. „Nach dem Praktischen Jahr sinken diese Zahlen jedoch schnell auf erschreckende einstellige Werte.“
Einen wichtigen Grund sieht der Assistenzarzt an der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum des Saarlandes darin, dass Studierende in diesem Abschnitt einen ersten Eindruck vom Arbeitsalltag und dessen physischen und psychischen Belastungen erhalten, die Rahmenbedingungen eines chirurgischen Arbeitsplatzes kennenlernen und sich dann gegen das Skalpell entscheiden. „Um die Faszination für das Fach Chirurgie erfolgreich zu vermitteln, ist es außerdem kontraproduktiv, die Studierenden zu Hakenhaltern zu degradieren“, mahnt Fuchs. Wichtig sei es, den Nachwuchs über ein Mentoring-System in die Entscheidungsprozesse zu integrieren und durch Teilhabe und Wertschätzung frühzeitig zu begeistern.
Darüber hinaus müssten die Rahmenbedingungen für angehende Fachärzte deutlich verbessert werden. „In der Weiterbildung benötigen wir ein flexibleres Arbeitszeitgesetz, mehr finanzielle Unterstützung durch die Krankenhausverwaltungen für Qualifikationskurse, definierte Freiräume für die Forschung sowie die Vermeidung von Kettenverträgen, um eine Karriere- und Familienplanung zu ermöglichen“, so Fuchs. „Dabei müssen auch Arbeitgeber, die qualifizierten Nachwuchs auf einem zunehmend wettbewerbsorientierten Markt anziehen wollen, moderne Konzepte der Arbeitszeit ermöglichen und entsprechende Rahmenbedingungen für Forscher wie Kliniker schaffen“, ergänzt Braun. „Es ist weniger die Chirurgie, die für den Nachwuchs unattraktiv ist, es sind vielmehr ihre Arbeitsbedingungen.“
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Chirurgie e.V., Luisenstraße 58/59, 10117 Berlin, www.dgch.de, 11.04.2018
Weitere Artikel zum Thema
01.10.2019 Aus- & Weiterbildung
Bausteine der chirurgischen Weiterbildung
Eine einheitliche Weiterbildungsordnung (WBO) ist in Deutschland nicht etabliert. Vielmehr wird die ärztliche Weiterbildung durch die Landesärztekammern auf föderaler Ebene geregelt. Daraus ergibt sich, dass die Mindestanforderungen hinsichtlich Dauer, Inhalten, Zielen und Dokumentation in den WBO der einzelnen Landesärztekammern niedergelegt sind. Diese sind wiederum an die (Muster-)Weiterbildungsordnung (Muster-WBO) der Bundesärztekammer angelehnt, welche vom Deutschen Ärztetag erarbeitet und verabschiedet wird.
01.10.2019 Aus- & Weiterbildung
Chirurgische Versorgung für alle – Studentisches Engagement in der Globalen Chirurgie
Seit Anfang 2019 gibt es eine deutsche Gruppe des „International Student Surgical Network InciSioN“, InciSioN Germany-junge DTC, die sich zum Thema Globale Chirurgie engagiert. Doch was heißt das genau?
29.08.2019 Aus- & Weiterbildung
APS und Medizinstudierende fordern feste Einbindung des Themas Patientensicherheit
Im Jahr 2018 haben sich die Ärztekammern mit rund 11.000 potentiellen Behandlungsfehlern auseinandergesetzt – die Dunkelziffer ist weitaus höher. Um diese Zahl nachhaltig zu senken, setzt sich das Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. (APS) seit vielen Jahren für eine Einbindung des Themas Patientensicherheit in alle medizinischen Studiengänge und Ausbildungsberufe ein.
21.08.2019 Aus- & Weiterbildung
„Die Ausbildungsbedingungen müssen sich in allen Regionen verbessern“
Dr. Benedikt Braun, stellv. Leiter des Themen-Referats Nachwuchsförderung des BDC steht Rede und Antwort zum Thema „Work-Life-Balance“
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.