Marburger Bund fordert zentrale Anlaufstellen und einheitliche Behandlungsstandards
Die Strukturen der medizinischen Notfallversorgung in Deutschland müssen stärker miteinander vernetzt und dem Patientenverhalten angepasst werden, fordert der Marburger Bund. Zentrale Anlaufstellen und ein koordiniertes Vorgehen der Beteiligten könnten die Notaufnahmen entlasten und eine medizinisch sinnvolle Inanspruchnahme der Notfallversorgung fördern. Hierzu bedürfe es einheitlicher Standards für die Ersteinschätzung der Behandlungsdringlichkeit in allen Anlaufstellen der Notfallversorgung. Der Marburger Bund spricht sich für ein Triage-System aus, das für Rettungsdienste, Notdienstpraxen, Notaufnahmen und Rettungsleitstellen gleich ist. „Eine einheitliche, rein auf medizinischen Kriterien beruhende Vorgehensweise bei der Ersteinschätzung erhöht die Akzeptanz der Patienten, verkürzt Wartezeiten und verbessert die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Versorgungsebenen“, begründet der größte deutsche Ärzteverband seine Vorschläge für eine Strukturreform der medizinischen Notfallversorgung. Etwa 72 Prozent der Kliniken nehmen derzeit an der Notfallversorgung teil. Die Notaufnahmen werden jährlich von bis zu 25 Millionen Menschen aufgesucht. Rund elf Millionen Fälle werden davon ambulant behandelt.
Der Marburger Bund spricht sich für die Definition von Zielgrößen aus, ab der eine durch Vertragsärzte betriebene Notdienstpraxis am Krankenhaus sinnvoll ist. Der Anspruch eines jeden Patienten auf qualitativ hochwertige Behandlung zu jeder Zeit und an jedem Ort müsse gesichert sein. „Notdienstpraxis und Notaufnahme dürfen nicht einfach nur nebeneinander am gleichen Ort existieren, sondern müssen personell und digital miteinander verknüpft werden, um eine patientengerechte Versorgung zu erreichen. Durch Integration der Strukturen entsteht für den Patienten eine Behandlung aus einer Hand mit immer gleicher Qualität. Doppelte Inanspruchnahmen können vermieden und personelle Ressourcen für die Gesamtversorgung gehoben werden“, heißt es in dem Eckpunktepapier des Marburger Bundes.
Notwendig seien auch mehr Transparenz und Information über die richtigen Wege zur Notfallversorgung und eine gerechte Verteilung der Arbeitslast. Eine Neustrukturierung der Notfallversorgung habe mit Augenmaß, unter Berücksichtigung des Patientenverhaltens, der tatsächlichen Versorgungsverhältnisse und regionalen Besonderheiten zu erfolgen. „Der Versuch einer Patientensteuerung über eine Gebühr ist der falsche Weg. Eine Steuerung wird sich nur erreichen lassen, wenn die Patienten sich an jeder Stelle der Notfallversorgung gut aufgehoben fühlen und ein niedrigschwelliger Zugang besteht“, sagte Dr. Susanne Johna, Bundesvorstandsmitglied des Marburger Bundes, bei der Präsentation der Reformvorschläge.
Der MB betont, dass die Sicherstellung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung jederzeit gewährleistet sein müsse. Der Fahrdienst des vertragsärztlichen Bereitschaftsdienstes (Hausbesuche) sei unverzichtbar, um auch immobilen Patienten einen Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung zu verschaffen. „Festzustellen ist, dass die seit April 2012 bundesweit einheitliche Rufnummer 116117 für den KV-Notdienst nicht durchgängig prominent platziert ist und teilweise zusätzlich andere Rufnummern kommuniziert werden. Die jeweiligen Zuständigkeiten, Öffnungszeiten und Erreichbarkeiten des ambulanten Notdienstes sind unübersichtlich und den meisten Patienten unzureichend bekannt“, kritisiert der Marburger Bund in seinem Reformpapier.
Perspektivisch sollten aus Sicht des MB neue Konzepte der Notfallversorgung erprobt werden. Insbesondere sollte in geförderten Modellprojekten überprüft werden, ob eine integrierte Notfallversorgung außerhalb der bestehenden Sektorengrenzen der ärztlichen Versorgung und der bestehenden Finanzierungssystematik zu einer Verbesserung der Versorgung führt.