01.05.2014 Panorama
Medizinische Geräte im Krankenhaus: Billig gekauft – kommt teuer zu stehen
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Wie Qualität, Patientensicherheit und Wirtschaftlichkeit in Einklang kommen
Immer mehr Krankenhäuser in Deutschland schreiben rote Zahlen. Die Prognosen sind niederschmetternd. Um die sich zuspitzende Situation zu analysieren hat der Bundesverband der Beschaffungsinstitutionen in der Gesundheitswirtschaft e.V. (BVBG) gemeinsam mit der K.O.M.® Kommunikations- und Managementberatungs GmbH im vergangenen Jahr eine bundesweite Studie im Rahmen der „Qualitätsoffensive im Gesundheitswesen“ durchgeführt. Das Ergebnis der Befragung von insgesamt 300 Mitarbeitern von Krankenhäusern, Krankenkassen und Experten des Gesundheitswesens: Es gibt vor allem dringenden Handlungsbedarf, aber auch Hoffnung.
Die wirtschaftliche Situation vieler Krankenhäuser hat sich in den letzten Jahren zunehmend verschärft. In Deutschlands Krankenhaussektor sind fast 20 % der 2.000 Kliniken von einer Insolvenz bedroht. Für diese beunruhigende Situation nennt Winfried Neun, Geschäftsführer der K.O.M.®, drei Gründe. Erstens macht sich der demographische Wandel bemerkbar. Die Gesellschaft wird immer älter und nimmt daher die Leistungen der Krankenhäuser mehr und mehr in Anspruch. Zweitens decken pauschalisierte Abrechnungssysteme die Leistungen nicht in vollem Umfang ab und drittens – und das ist laut Neun der wesentliche Punkt – verursachen die Fortschritte in der Medizin enorme Kostenblöcke.
Gemeinsam mit dem BVBG hat die K.O.M.® GmbH mittels der Studie im Rahmen der „Qualitätsoffensive im Gesundheitswesen“ die Situation in den Krankenhäusern untersucht. Insgesamt 300 Mitarbeiter von Krankenhäusern, Krankenkassen und Experten des Gesundheitswesens nahmen daran teil. Um dem Kostendruck entgegenzuwirken, reagieren die Kliniken zwar mit Strukturveränderungen, Prozessoptimierungen und vor allem radikalen Sparmaßen im Einkauf, die Umsetzung gelingt jedoch gerade den öffentlichen Krankenhäusern nur sehr schwerfällig und häufig zu eindimensional. Zudem rückt die Gesetzgebung mit dem Patientenrechtegesetz vom Februar 2013 das Thema „Qualität“ sehr stark in den Fokus. Die Hospitäler stehen vor der großen Herausforderung Qualität, Patientensicherheit und Wirtschaftlichkeit in Einklang zu bringen.
Abb. 1: Bei uns gibt es festgelegte Einkaufskriterien
Eindimensionale Maßnahmen zur Kostenreduktion zeigen sich beispielsweise in der Anschaffung radikal billigerer medizinischer Geräte, Hilfsmittel und Verbrauchsmaterialien. Die tatsächlichen Einsparpotenziale auf dieser Ebene sind schnell ausgeschöpft, und was noch viel schwerwiegender ist: Die eingekauften Billigprodukte weisen zum Großteil eine deutlich mindere Qualität auf. Die Qualitätseinbußen führen wiederum nicht nur zu erheblichen Beeinträchtigungen medizinischer Prozesse sowie der Patientensicherheit, sondern bewirken letztlich sogar eine exorbitante Kostensteigerung. Sie erhöhen den Einsatz des Pflegepersonals, die Folgebehandlungen sind kostspieliger und auch in entstehenden Prozesskosten schlagen sich diese vermeintlichen „Einsparungen“ nieder. Besonders in den Bereichen OP, Intensivstation und Pflege machen sich die Qualitätseinbußen bemerkbar. In der Folge entstehen signifikante Mehrkosten durch die Bindung von Personalkapazitäten. Die Studie zur Qualitätsoffensive im Gesundheitswesen zeigte zum Beispiel einen Kostenanstieg bei der Wundversorgung um wahre 740 % – verursacht durch den höheren Einsatz des Pflegepersonals sowie des häufigeren Wechsels der Wundverbände. Der Zusammenhang von Produktqualität und Patientensicherheit wird insgesamt als hoch bis sehr hoch eingestuft. Beim Einkauf von medizinischen Geräten oder Materialen wird de facto nicht gespart, denn letztlich rächt sich diese vermeintliche Einsparung im Aufwand der folgenden Patientenversorgung und im erhöhten Einsatz des Pflegepersonals.
Abb. 2: Niedrigere Produktqualität kann sich negativ auf den Ablauf von Diagnostik, Behandlung und Pflege auswirken
Die Herausforderung besteht also ganz klar darin, Patientensicherheit, Qualität und Wirtschaftlichkeit in eine vernünftige Managementeinheit zu bringen. Die Lösung besteht aus einem Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und Patientensicherheit. Hierzu müssen laut Winfried Neun, zunächst einmal zwei Grundsteine gelegt werden: Zum einen muss ein einheitliches Qualitätsverständnis entwickelt werden. Bislang existieren keine einheitlichen und verbindlichen Kriterien, nach denen eine Beurteilung stattfinden kann. In den Krankenhäusern müssen neue Richtlinien definiert werden. Zum anderen bergen Prozessoptimierungen in Kliniken riesige Potenziale, um Gelder einzusparen. Wenn man den Krankenhaussektor mit der klassischen Industrie vergleicht, liegt die Optimierung von Prozessen bei etwa 5-10 %. Im Maschinenbau liegt sie beispielsweise bei 70-80 %.
Daher hat das BVBG-Gütesiegel-Board das Thema „Patientensicherheit“ auf Grundlage der gemeinsamen Studie der „Qualitätsoffensive im Gesundheitswesen“ in der Boardsitzung vom 6. Dezember 2013 in den Fokus der Diskussionen gerückt. Das multidisziplinäre Gremium von Experten aus der Gesundheitswirtschaft, Wissenschaft und Gesundheitspolitik wurde durch das Experten-Team der K.O.M.® GmbH ergänzt.
Künftig werden die K.O.M.®-Spezialisten im Bereich Krankenhausmanagement Pilotkrankenhäusern methodisch Hilfestellung leisten. Diese besteht aus der Analyse bestehender Systeme und Tools im Einkauf sowie der daran angrenzenden Schnittstellen. Eine entscheidende Rolle kommt dabei Kennzahlensystemen und Bewertungstools wie dem Q-S-Faktor (Qualität und Sicherheit) zu, welcher es dem Einkauf erlaubt, Produktqualität, Patientensicherheit und Kosten mittels ökonomischer Maße zu beurteilen. Anhand der erhobenen Daten und der Erkenntnisse zu den Zusammenhängen zwischen Produktqualität und Prozessqualität hat die K.O.M.® Kennzahlensysteme entwickelt, die fundierte Einkaufsentscheidungen auf Basis einer genauen Einschätzung der Folgekosten verschiedener Produktqualitäten insbesondere auf der Prozess- und Personalkostenseite aufzeigen.
Abb. 3: Kosteneinsparungen sind im Einkauf von hoher Bedeutung
Diese Systeme sollen als Beurteilungstool und Entscheidungsgrundlage im Einkauf eingeführt und sukzessive weiterentwickelt werden. Einheitliche und nutzerorientierte Qualitätsstandards werden definiert und Führungskräfte sowie Mitarbeiter gezielt in der Umsetzung geschult, damit eine indikationsgerechte Qualität der Produkte künftig gewährleistet werden kann. Zudem wird der Bereich Controlling untersucht und ferner werden Tools zur Lieferantenbewertung eingeführt und überwacht.
Die dringend notwendige Standardisierung hat somit einen guten und wichtigen Ansatz. Zudem bedarf es einer konsequenten Prozessoptimierung. Gerade im Bereich des Einkaufs- und Entsorgungsmanagements sowie an relevanten Schnittstellen zu Ärzten und Pflege liegen in vielen Kliniken noch hohe, bisher unausgeschöpfte Effizienzpotenziale, die die finanzielle Lage erheblich verbessern können.
K.O.M. Medizinische Geräte im Krankenhaus: Billig gekauft – kommt teuer zu stehen. Passion Chirurgie. 2014 Mai, 4(05): Artikel 09_01.01
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