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Betrifft: Artikel von Dr. med. Peter Kalbe in Passion Chirurgie 03/QI/2024 „KI- basierte Arztbrieferstellung – Entlastung für Ärztinnen und Ärzte durch generative Sprachmodelle“.

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Sehr geehrte Frau Klug,
Sehr geehrter Herr Dr. Kalbe,

Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die schon jetzt häufig schlechte Qualität der E-Briefe sich mit KI verbessern lässt, wenn die grundsätzliche „Kunst“ der Abfassung und das Verständnis für den Sinn und Zweck dieser wichtigen Dokumente nicht gegeben ist (oder nicht mehr gelernt wird).

Ich versuche meinen Stationsärztinnen und -ärzten mit Mühen beizubringen, dass in jedem E-Brief der individuelle Fall abzubilden ist, sodass der Adressat weiß, wie der Krankheitsverlauf und die Behandlung waren und welche Konsequenzen und weiteren Maßnahmen zu treffen sind. Stattdessen werden mit Vorliebe Textbausteine verwendet, die einen Brief bis zur Unkenntlichkeit degenerieren lassen. Ich lese aus Akuthäusern Briefe, die man – sorry – getrost in die Tonne treten könnte, weil sie zwar wohlformuliert, aber inhaltlich völlig nichtssagend sind. Da werden nach Endoprothesen Standardtextbausteine automatisiert erstellt, in denen immer gute Verläufe ohne Komplikationen und mit besten Ergebnissen geschildert werden. Kniegelenke sind immer 0-0-90° beweglich, weil das die QS so verlangt. De facto kommen Patienten mit schlechter Beweglichkeit und sezernierenden Wunden.

Teilweise werden Textbausteine verwendet, die für jede beliebige OP gelten könnten. „… auf die prä-OP vorliegenden Befunde dürfen wir verweisen (Nein, die haben wir gar nicht!), … die OP erfolgte am … der Verlauf war komplikationsfrei … wir entließen …” usw. Alles Bla-bla. Ich habe im PEER-Review-Verfahren einen Reha-E-Brief mit mangelhaft bewertet, weil er komplett (man kann es ja nicht beweisen, aber beim Lesen zu 95 % spüren) aus Textbausteinen bestand. Selbst der Abschlussbefund wurde offensichtlich 1:1 vom Aufnahmebefund kopiert.

Ich fürchte einfach, dass eine KI-gesteuerte Erstellung die Sache nicht besser macht, zwar noch schöner formulierte Briefe produziert, die aber dadurch inhaltlich nicht besser werden. Die Kunst der Arztbrieferstellung könnte dann gänzlich verloren gehen, jedenfalls wenn KI ärztliches Denken ersetzt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Achim Schröder
aus Bad Rothenfelde

Antwort des Autors

Sehr geehrter Herr Kollege Schröder!

Als niedergelassener Chirurg kann ich Ihre Kritik an den uns übermittelten Arztbriefen sehr gut nachvollziehen. Dort werden oft Befunde, die Medikation, und ja, da stimme ich zu, auch Textbausteine aneinandergereiht, ohne auf die Relevanz für den Rezipienten und vor allem auf die Bedeutung für die Weiterbehandlung zu achten. Als Empfänger, das haben Sie auch berichtet, hat man dann Probleme, aus dem Wust von Informationen das Wesentliche zu extrahieren. Dabei muss man aber auch berücksichtigen, dass die Verfasser der Briefe oft unter massivem Zeitdruck stehen und wohl auch aus medikolegalen Erwägungen angehalten sind, umfassende (aber ungefilterte und ungewichtete) Informationen in den Berichten zu übermitteln. Da verspreche ich mir schon Fortschritte durch einen gut programmierten Algorithmus, der aus dem Konglomerat von Daten im KIS eben genau das extrahiert, was für die Weiterbehandlung wichtig ist, sei es denn vielleicht auch nur als zusammenfassende Epikrise. Ich hoffe, dass ich mit meinem Optimismus nicht danebenliege und dass eine fortgeschrittene KI dann bessere inhaltliche Leistungen bringt als das freundliche Geschwafel, das man aktuell gelegentlich von ChatGPT erhält.

Freundliche kollegiale Grüße

Dr. med. Peter Kalbe
Vizepräsident BDC

Schröder A: Leserbrief. Passion Chirurgie. 2024 Juli/August; 14(07/08): Artikel 04_03.

Autor des Artikels

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Dr. med. Peter Kalbe

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