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Inzidenz und Risikofaktoren

Die Koloskopie ist ein wesentliches Instrument zur Diagnose und Therapie von Erkrankungen des Kolons. Iatrogene Perforationen des Kolons sind als seltene, aber schwerwiegende Komplikation gefürchtet. Die Häufigkeit der Perforation nach Koloskopie liegt bei 0,03 bis 0,9% für diagnostische und 0,15-3% für therapeutische Darmspiegelungen [1][2]. Häufigste Lokalisation der Perforation ist das Rektosigmoid [3]. Dies ist durch mehrere anatomische Gegebenheiten wie der Krümmung des rektosigmoidalen Übergangs sowie des Übergangs vom Sigma in das absteigende Kolon und der hohen Mobilität des Sigmas begründet. Zudem besteht durch die erhöhte Inzidenz von Divertikeln in diesem Kolonabschnitt ein vermehrtes Risiko der Perforation. Ferner können Adhäsionen bei vorangegangen abdominellen Eingriffen zu einer erhöhten Rate an Perforationen führen [4].

Diese können durch mechanische oder thermische Schädigung ausgelöst werden. Übermäßiger mechanischer Druck kann während des Vorschubs oder der Rotation des Koloskops an der Instrumentenspitze auf die Wand ausgeübt werden. Zudem kann pneumatischer Druck bei übermäßiger Insufflation oder Vorschädigung der Darmwand zu einem Einriss führen. Thermische Schädigung tritt meistens während einer Biopsie oder Polypektomie mit der Stromschlinge auf. Im Gegensatz zu Perforationen aus mechanischer Ursache sind diese Verletzungen häufig kleiner. Die thermische Nekrose kann hier auch erst im Verlauf eine sekundäre Perforation bedingen. Diese zweizeitig verlaufenden Kasuistiken sollten bei der Differentialdiagnose eines akuten Abdomens berücksichtigt werden.

Da die Indikationen für die endoskopische Resektion von präkanzerösen und malignen Läsionen mit den Fortschritten in der therapeutischen Koloskopie erweitert werden, wird die Häufigkeit von Kolonperforation, auch vor dem Hintergrund der wachsenden Komorbidität der Patienten, bei therapeutischen Interventionen zunehmen.

Zu den patientenbezogenen Risikofaktoren gehört vor allem das Alter bei Intervention. Patienten über 75 Jahre haben ein um den Faktor 4-6 erhöhtes Risiko für die iatrogene Perforation. Erklärungen hierfür werden in der reduzierten Wandfestigkeit sowie in dem vermehrten Auftreten von Kolonpathologien, welche erhöhten Interventionsbedarf aufweisen gesehen [5]. Darüber hinaus sind Begleiterkrankungen wie Diabetes Mellitus, chronischen Lungenerkrankungen, koronare Herzerkrankung, periphere arterielle Verschlusskrankheit, Niereninsuffizienz und Leberfunktionsstörungen mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für Perforation assoziiert [6]. Ferner konnte in Studien gezeigt werden, dass weibliches Geschlecht ein erhöhtes Risiko darstellt. Dies wurde auf das längere Kolon sowie die höhere Mobilität des Transversums zurückgeführt [7].

Die Verteilung und Häufigkeit von Bakterien im Gastrointestinaltrakt zeigt eine deutliche Lokalisationsabhängigkeit. Im Magen findet sich eine geringe Bakteriendichte. Am Häufigsten sind hier Laktobazillen vertreten. Im Unterschied hierzu findet sich im Colon die größte Bakteriendichte mit einer hohen Anzahl verschiedener Populationen wie E. coli, E. faecalis, Klebsiellen, und Clostridien. Perforationen des Kolons können durch unmittelbare massive bakterielle Translokation zur sekundären Peritonitis mit septischem Verlauf führen. Dies erklärt die zu beobachtende hohe Morbidität und Mortalität [8]. Somit besteht eine unmittelbare Behandlungsnotwendigkeit. Das bedingt bereits eine risikoadaptiere Handlungsweise des endoskopierenden Kollegen. Diese beinhaltet nach Möglichkeit neben einer frühzeitigen Diagnose der Perforation eine exakte Höhenlokalisation der vermuteten Läsion um zielführende Zugangswege zu ermöglichen. Gegebenenfalls kann eine Versorgung in Rendezvoustechnik erfolgen.

Management

Kontrovers diskutiert wird weiterhin hinsichtlich der idealen Versorgung der Perforation. Behandlungsstrategien reichen von konservativen Konzepten über interventionelle Lösungen und minimalinvasivem chirurgischen Vorgehen bis hin zur Diskontinuitätsresektion.

Konservatives Vorgehen

Die Anwendung eines rein konservativen Konzeptes kann ausschließlich in engmaschig kontrollierten Rahmen stattfinden. Einzig Patienten in gutem Allgemeinzustand und ohne laborchemische und klinische Zeichen einer Peritonitis können diesem Behandlungskonzept zugeführt werden. Dieser Ansatz beinhaltet neben Nahrungskarenz und parenteraler Ernährung die Verabreichung einer intravenösen Breitbandantibiose. Hierunter sollte sich der Zustand der Patienten innerhalb von 24 bis 48h bessern bzw. stabil bleiben. Andernfalls muss der Patient einem operativen Verfahren zugeführt werden. In der Literatur werden Erfolgsraten von 33 bis 73 % angegeben [9–11]. Trotz dieser Berichte über konservative Therapien bei Kolonperforation führen wir diese nur selten durch. Hauptgrund dafür ist vor allem, dass nach konservativem Management das begrenzte Zeitfenster für die Einleitung laparoskopischer Maßnahmen verstrichen sein kann und ein offenes Vorgehen notwendig wird. Zudem kann das Risiko für die Anlange von Stomata steigen. Ein weiterer Grund für unseren proaktiven Ansatz unter Verwendung von primären laparoskopische Verfahren ist die Größe der Defekte bei Verletzungen des Kolons insbesondere nach mechanischem Trauma, deren Abheilung unter konservativen Maßnahmen schwer vorstellbar ist.

Endoskopische Verfahren

Seit einiger Zeit hat der endoskopische Clip-Verschluss als nichtinvasive Methode bei ausreichender Darmvorbereitung zunehmend an Popularität geworden. Allerdings ist die dauerhafte Wirksamkeit und Komplikationen der endoskopischen Clip-Versorgung für iatrogene Kolonperforation nicht abschließend geklärt, wird jedoch in laufenden Studien mit guten Erfolgsraten untersucht [12][13].

Operative Verfahren: Laparoskopie und offenes Vorgehen

Die Laparoskopie hingegen hat in den letzten Jahrzehnten deutliche Fortschritte gemacht. Dies ist vor allem auf die zunehmende Expertise der Operateure als auch auf die verbesserte Medizintechnik zurückzuführen. Galt die Laparoskopie anfänglich nur als Erweiterung der diagnostischen Möglichkeiten hat sie sich für viele Entitäten von der Cholecystolithiasis und Sigmadivertikulitis bis hin zu kolorektalen Karzinomen zum Standardverfahren der operativen Versorgung entwickelt [14]. Jahrelang geltende Kontraindikationen wie Adhäsionen bei Voroperationen oder entzündliche Erkrankungen wie M. Crohn haben sich bei entsprechender Klinik zur Indikationen für laparoskopisches Vorgehen gewandelt [15]. Folglich werden auch Perforationen im Bereich des Gastrointestinaltraktes wie die iatrogene Kolonperforationen zunehmend laparoskopisch versorgt.

Unsere Erfahrung in der laparoskopischen Versorgung von Kolonperforationen durch direkte Naht und segmentale Resektion zeigt, dass das laparoskopische Vorgehen bei primärer Perforation eine sichere und gut anwendbare Methode ist [16].

Hinsichtlich der Wahl zwischen Naht und Resektion sollten mehre Kriterien beachtet werden. Ein direkter Verschluss mit Naht sollte sich auf kleiner Perforationen beschränken die 50% der Zirkumferenz nicht überschreiten. Zudem sollte keine ausgeprägte lokale Kontamination und Pathologie des Kolons vorliegen die eine Resektion notwendig machen würde. In diesen Fällen zeigen sich äußerst geringe Insuffizienzraten [4, 8]. Die Resektion des Kolonabschnittes ist indiziert bei großen Perforationen, in Situationen in denen die Naht zur Einengung des Lumens führen könnte und bei vorliegenden Pathologien die eine Resektion erfordern. Hierzu zählen vor allem ausgeprägte Stenosen, nicht abzutragende Polypen und der Verdacht auf Malignität. Bei fehlender lokaler Kontamination sollte die Anlage einer primären Anastomose erfolgen. Diese kann in Grenzbefunden durch ein protektives Ileostoma geschützt werden. Bei darüber hinaus gehender lokaler oder generalisierter Peritonitis sollte die Diskontinuitätsresetktion erwogen werden, die jedoch auch in laparoskopischer Technik erfolgen kann.

Sie sollte gegenüber der Laparotomie, sofern der Situs dies zulässt, aus mehreren Gründen bevorzugt werden. Dies betrifft vor allem die postoperativen Vorteile wie verringerte postoperative Schmerzen und konsekutiv sinkendem Analgetikabedarf, verbesserte postoperative Darmtätigkeit und Kostaufbau, verbesserte Lungenfunktion, kürzerer Krankenhausaufenthalt und bessere kosmetische Ergebnisse [17]. Diese sind bei benignen Befunden in der Patientenwahrnehmung nicht unerheblich. Darüber hinaus müssen schwer erfassbare volkswirtschaftliche Vorteile bei kürzerer Hospitation und früherer Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit gesehen werden. Auch im Langezeitverlauf sind Vorteile aufgrund niedrigeren Auftretens von Narbenhernien zu erwarten [18].

Die Operationszeiten hingegen sind bei elektiven laparoskopischen Eingriffen zumeist verlängert. Das ist auch ein in der Akutsituation zu kalkulierender Faktor. Da es sich bei den Perforationen um Prozesse mit Kontamination der Bauchhöhle handelt gilt der Grundsatz der septischen Chirurgie – sichere schnellmöglichste komplette Herdsanierung. Hierbei muss immer zwischen Eingriffstrauma und der möglichen Einschränkung radikalen Vorgehens abgewogen werden. Insbesondere bei früh diagnostizierten Perforationen sind aber die Umgebungsreaktionen meist limitiert, sodass die laparoskopische Herdsanierung technisch durchführbar ist.

Trotzdem ist zu beachten, dass bei fehlender Übersicht oder sich intraoperativ darstellender kardiopulmonaler Destabilisierung eine rasche Konversion auf offene Technik erfolgen muss. Diese kann zumeist bei laparoskopisch exploriertem Situs limitierter erfolgen als bei primärer Laparotomie.

Neben den Vorteilen der laparoskopischen Therapie müssen jedoch auch die kurz- und langfristigen Komplikationen im Vergleich zum offenen Vorgehen beleuchtet werden. Auch hierzu können nur retrospektive kleinere Fallserien herangezogen werden [19]. Diese berichten jedoch übereinstimmend von nicht unterlegenen Ergebnissen der Laparoskopie verglichen mit dem offenen Vorgehen. Aufgrund der jedoch qualitativ begrenzten Aussagekraft dieser Arbeiten sollte man vergleichend große prospektive Studien der kolorektalen Chirurgie im elektiven Ansatz bezüglich des Vergleichs der laparoskopischen und der offenen Vorgehensweise heranziehen. Auch hier zeigt sich jedoch keine signifikante Unterlegenheit des laparoskopischen Vorgehens in Bezug auf Minor sowie Major (revisionspflichtige) Komplikationen [20]. Von einer prinzipiellen Sicherheit des Verfahrens in erfahrener Hand muss somit unter Berücksichtigung der zumindest eingeschränkten Datenlage ausgegangen werden. Die rein evidenzbasierte Behandlung für Kolonperforationen, ist mangels prospektiver Studien noch nicht vollständig möglich.

Um das laparoskopische Vorgehen erfolgreich durchzuführen sollten mehrere entscheidende Punkte beachtet werden.

Der zentrale Punkt ist das Operationsteam. Neben dem Operateur, der zur laparoskopischen Versorgung von intestinalen Perforationen ein hohes Maß an minimalinvasiver Erfahrung benötigt, sollte der kameraführende Assistent ebenfalls fortgeschrittene laparoskopische Erfahrung erworben haben um eine adäquate Visualisierung zu ermöglichen. Darüber hinaus muss die Infrastruktur der Einrichtung ein laparoskopisches Vorgehen rund um die Uhr ermöglichen.

Ein weiterer kritischer Faktor ist der Zeitpunkt der Diagnosestellung. Das operative Vorgehen sollte unmittelbar Zeit erfolgen um die Begleitreaktionen zu minimieren. Nur dann ist die Wahrscheinlichkeit für die Komplettierung der Operation in laparoskopischer Technik sehr hoch. Bei protrahierter Diagnosestellung, wie Sie für retroperitoneale Prozesse oder zweizeitigem Geschehen beobachtet werden, bestehen in vielen Fällen eine ubiquitäre Peritonitis und eine reflektorischer Ileus mit entsprechender Flüssigkeitssequestration. Diese bedingen zumeist eine Konversion. Auch nach Konversion erscheint eine Versorgung ohne Anlage eines Stomas in diesen Fällen nicht indiziert. Zusätzlich zur schnellen Diagnosestellung ist die Höhenlokalisation von großer Bedeutung. Je präziser diese dokumentiert kann, umso gezielter kann der operative Eingriff vollzogen werden. Bei später Diagnose sollte bei erstem Verdacht eine konsequente Nahrungskarenz erfolgen um den gereinigten Zustand des Darmes möglichst aufrecht zu erhalten.

Insbesondere bei laparoskopischer Nahtversorgung sollte nach Möglichkeit eine Kontrolle des Nahtbereichs auf Dichtigkeit und zum Ausschluss von Stenosierungen mit der Luft-Wasser Probe erfolgen. Da die häufigsten Läsionen im rektosigmoidalen Übergang liegen ist dies durch eine transanale Insufflation möglich. Die intraoperative Koloskopie ist ein weiteres Verfahren zur Qualitätssicherung. Aus unserer Sicht sollte Sie nur bei nicht sicher auszuschließenden Nahtinsuffizienzen oder Verdacht auf Stenosierungen durchgeführt werden. Die inflammatorischen Veränderungen können weitere Läsionen bedingen. Die für die Koloskopie notwendige intraenterische Luft kann im postoperativen Verlauf zu zusätzlichen Beschwerden führen. Sie sollte daher immer CO2-Insufflation erfolgen.

Abschließend muss die herausragende Stellung der abdominellen Lavage betont werden. Hierbei spielt zum einen die makroskopische Reinigung, viel wichtiger jedoch die mikroskopischen Verdünnungseffekte eine wesentliche Rolle. Der Verdünnungseffekt bezieht sich jedoch nicht nur auf die Bakterien sondern auch auf die freigesetzten Entzündungsmediatoren. Eine „klar“ abgesaugte Spülflüssigkeit ist nicht mit ausreichendem Verdünnungseffekt gleichzusetzen. Je nach Grad der Peritonitis und je nach Studie sollten Spülmengen von bis zu 30 Litern verwendet werden [21, 22]. Die Art der Spüllösungen hat sich als untergeordnet erwiesen. Lokale Applikation von Antibiosen hat sich ebenso wie die Applikation von lokaler Desinfektion gegenüber kristalloiden Lösungen als nicht überlegen gezeigt [23]. Darüber hinaus ist der Einsatz von lokaler Desinfektion (z. B. Lavasept) bei hohem anaphylaktischen Potential heute obsolet [24].

Fazit

Die laparoskopische Versorgung iatrogener Kolonperforationen ist sicher durchführbar und bietet bei reduziertem Zugangstraumas ein zusätzliches Diagnostikum insbesondere bei differierenden Höhenangaben der Perforation. Im unmittelbaren peri- und postoperativen Verlauf wird für die Laparoskopie eine verringerte Morbidität bei verkürzter Verweildauer berichtet. Bei bestehender Expertise und gegebenen technischen Voraussetzungen stellt das laparoskopische Verfahren eine gute Methode zur Versorgung iatrogener Kolonperforationen dar. Um die Grundsätze der septischen Chirurgie mit einer schnellstmöglichen und sicheren Herdsanierung zu gewährleisten, sollte bei entsprechender Indikation wie eingeschränkter Übersicht bei Adhäsionen eine rasche Konversion erfolgen.

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Zimmermann M. / Schlöricke E. Laparoskopische und offene Therapie von iatrogenen Perforationen des Kolons. Passion Chirurgie. 2014 Dezember, 4(12): Artikel 02_03.

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PD Dr. med. E. Schlöricke

Leitender Oberarzt, Leiter Thoraxchirurgie und Minimalinvasive ChirurgieWestküstenkliniken Brunsbüttel und Heide gGmbHKlinik für Viszeral-, Thorax- und GefäßchirurgieEsmarchstraße 5025746Heide
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Dr. med. Markus Zimmermann

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