10.03.2016 Panorama
Klinikclowns verringern die Angst vor einer Operation
Ja, Klinikclowns mindern die Angst der kleinen Patienten vor einer Behandlung oder Operation. Eine vor einem halben Jahr von der Universitätsmedizin Greifswald gestartete Pilotstudie mit den Klinikclowns des Grypsnasen e.V. (grypsnasen.de) bestätigte den hilfreichen Einsatz von Humor am Krankenbett. Die vorläufigen Ergebnisse sollen jetzt durch eine umfassende Anschlussstudie wissenschaftlich gesichert werden. Der Vorstandsvorsitzende der Universitätsmedizin Greifswald, Prof. Dr. Max P. Baur, bedankte sich bei den Unterstützern der Studie, die diese außergewöhnliche Untersuchung im Interesse der kleinen Patienten erst möglich gemacht haben. „Insbesondere das persönliche Engagement der ehrenamtlichen Klinikclowns und des Schirmherrn Dr. Eckart von Hirschhausen ist für unser Anliegen, diese Ideen als Standard im Klinikalltag zu etablieren, von großem Wert.“
Das Besondere an der Greifswalder Studie ist, dass nicht nur das seelische Wohlbefinden erfragt wurde, sondern, dass auch ein wichtiger objektiver Indikator für Vertrauen gemessen wurde: das Oxytocin. Die Wissenschaftler stellten die Ergebnisse der Pilotstudie zusammen mit Schirmherrn Dr. Eckart von Hirschhausen von der Stiftung HUMOR HILFT HEILEN (humorhilftheilen.de) in Greifswald vor. Dabei handelt es sich um ein gemeinsames Projekt der Klinik für Kinderchirurgie der Universitätsmedizin Greifswald und des Instituts für Psychologie/Sozial- und Organisationspsychologie der Humboldt-Universität zu Berlin, um die Wirksamkeit von Klinikclowns in der Kinderchirurgie wissenschaftlich zu untersuchen.
Durch die Zuwendung von Clowns in der Kinderchirurgie steigt der „Glückshormonspiegel“ und die Sorge sinkt
„Als ich meine Stiftung HUMOR HILFT HEILEN vor acht Jahren gegründet habe, wurde Lachen als Medizin noch belächelt. Mit den Ergebnissen aus Greifswald gehen wir einen wichtigen Schritt zu einer ‚ernsthaften‘ Humorforschung“, sagte Dr. Eckart von Hirschhausen. „Die Kraft von Zuwendung und Zuversicht sind heilsam, aber eben nicht als Tablette, sondern in aufrichtigem menschlichem Kontakt. Und dies ist wissenschaftlich belegbar. Humor und Persönlichkeitsbildung müssen integraler Bestandteil der Ausbildung und Weiterbildung in allen therapeutischen Berufen werden. Deshalb bin ich stolz auf die Pionierarbeit, die in Greifswald geleistet wird und trage mit meiner Vorlesung und dem Projekt ‚Arzt mit Humor‘ gerne diese Ideen in die nächste Generation“, betonte Hirschhausen.
„Obwohl wir nur eine kleine heterogene Gruppe von insgesamt 31 Kindern im Alter von vier bis 13 Jahren einbezogen haben, konnten wir vielversprechende Ergebnisse erzielen“, erläuterte der Studienleiter und Direktor der Kinderchirurgie, Prof. Winfried Barthlen. „Sowohl in den persönlichen Befragungen als auch im gestiegenen Oxytocin-Spiegel konnten wir bei den Kindern mit einem Clownsbesuch eine deutliche Verminderung der Angstgefühle registrieren. In der Kontrollgruppe ohne Clowns dagegen nicht, dort blieb die Angst unverändert.“
„Kollege“ Clown tut nicht nur den Kindern gut
Die Psychologin Dr. Tabea Scheel von der Humboldt-Universität zu Berlin stieß in ihren Befragungen aller Beteiligten auf der Kinderstation und -ambulanz auf eine große Akzeptanz. „Wir konnten in den Befragungen vor und nach dem stationären Aufenthalt eine große Zustimmung zur professionellen Mitarbeit der Clowns registrieren. Bei den Kindern hat uns das nicht gewundert, aber auch die Mitarbeiter befürworten die Clownsvisiten, obwohl sie für den Stationsablauf schon eine Zusatzbelastung darstellen“, erläuterte die Berliner Projektpartnerin. Aus den Elterngesprächen ging hervor, dass sich die Kinder mit Clownskontakt wohler gefühlt haben als die in der Kontrollgruppe. Die Angst der Kinder hängt übrigens direkt mit der Angst der Eltern zusammen. Darüber hinaus würden die Mütter und Väter eine Klinik mit dem speziellen Angebot ganz klar weiterempfehlen.
„Der Oxytocin-Spiegel fällt nach der spielerischen Begegnung mit den Clowns höher aus“, betonte Prof. Matthias Nauck vom Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin. „In der Pilotstudie haben wir Proben von 31 Kindern vor und nach der Begegnung mit einem Klinikclown untersucht. Im Vergleich zum Ausgangswert stieg der durchschnittliche Spiegel um ca. 30 Prozent. Das Oxytocin wurde vorher auf einem Watteröllchen als Speichelprobe entnommen, anschließend eingefroren und später im Labor untersucht.“ Oxytocin ist auch als „Glückshormon“ bekannt, weil es das Verhalten zwischen Mutter und Kind und auch zwischen Geschlechtspartnern beeinflusst. „Die Pilotstudie hat gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind, die heilende Wirksamkeit des Humors auch wissenschaftlich zu belegen. Das vom Körper selbst gebildete Hormon ist ein wichtiger Indikator für den Erfolg der humorvollen Intervention“, unterstrich Nauck, der jedoch ebenso auf die Notwendigkeit einer repräsentativen Studie hinwies.
Alle Beteiligten befürworten die Fortsetzung der Pilotstudie
Prof. Winfried Barthlen sieht die Erwartungen, die in die kombinierte Pilotstudie gesetzt wurden, mehr als erfüllt. „Wir müssen jetzt mit einer wissenschaftlich aussagekräftigen Studie nachlegen. Wir werden den Studienablauf entsprechend der gewonnenen Erkenntnisse überarbeiten, erweitern und die Finanzierung einer Langzeitstudie beantragen. Möglicherweise werden wir dazu mit weiteren Kliniken und Partnern kooperieren“, kündigte der Kinderchirurg an. „Unser Ziel bleibt, die Clowns auf Kinderstationen als einen festen Bestandteil des pflegerischen und ärztlichen Teams zu integrieren, wie es in anderen europäischen Ländern längst üblich ist.“
Ansprechpartner an der Universitätsmedizin Greifswald
Eltern-Kind-Zentrum/Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie
Direktor: Prof. Dr. Winfried Barthlen
Ferdinand-Sauerbruch-Straße, 17475 Greifswald
[email protected]
www.medizin.uni-greifswald.de
Weitere Infos:
www.grypsnasen.de
www.humorhilftheilen.de
Weitere Artikel finden Sie auf BDC|Online (www.bdc.de, Rubrik Wissen | Panorama).
Weitere Artikel zum Thema
01.11.2019 Arbeitsbedingungen
Schwanger im OP – Erfahrungsbericht der Einführung eines Leitfaden-gestützten Konzeptes
In der Veröffentlichung der aktuellen BDC-Umfrage zum Operieren in der Schwangerschaft von Fritze-Büttner et al. haben die befragten Ärztinnen drei wesentliche Beweggründe genannt, die sie dazu bewogen, in der Schwangerschaft zu operieren: Kollegialität, Teamgeist und – vor allem – Freude am Operieren. Diese Gründe sind auch für nicht-schwangere Chirurginnen und Chirurgen gut nachvollziehbar, da die Tätigkeit im Operationssaal das Kernelement unseres Berufs darstellt.
21.10.2019 BDC|News
BDC|Umfrage: Entwicklung der Versicherungsprämien für niedergelassene Chirurgen
Die Arbeitsgemeinschaft der Beleg- und Kooperationsärzte (AG BeKo) und das Referat der niedergelassenen Chirurgen des BDC haben einen Anstieg der Haftpflicht-Versicherungsprämien für niedergelassene Chirurgen und Belegärzte in den letzten zwei Jahren festgestellt. Daher war es an der Zeit, dies mit einer Umfrage zu überprüfen.
06.10.2019 BDC|News
Umfrage Silver Worker 2018: Generation „Active Retirement“
Deutlich mehr als eine Million Senioren gehen neben ihrer Rente noch arbeiten. Davon arbeiten vor allem Akademiker länger. Im Vergleich zu 2003 verdoppelte sich fast die Menge der arbeitenden Senioren. Bei den Beschäftigten Senioren bedeutet dies einen absoluten Anstieg von 100.553 (März 2003) auf 325.911 (Juni 2018). In einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis arbeiteten 2003 (März) 547.067 Senioren. Bis Juni 2018 stieg die Anzahl stetig auf insgesamt 1.105.210 Menschen an [1].
01.10.2019 Schaufenster
Schaufenster Oktober 2019
DRF Luftrettung fordert Verbesserung der Disponierung bei Notfällen Das Überleben
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.