01.08.2024 Hygiene-Tipp
Hygiene-Tipp: Wie sind Explantate für Patienten aufzubereiten?
Der Hersteller ist zunächst der Eigentümer jedes Implantats, durch dessen Verkauf er die Rechte an die medizinische Einrichtung überträgt, welche den operativen Eingriff vornimmt. Mit dem Einsetzen des Implantats geht dieses in das Eigentum des Patienten über (§ 90, § 947 II BGB). Im Zuge einer Trennung des Implantats (Explantation) vom menschlichen Körper bleibt das Explantat Eigentum des Patienten (§ 953 BGB).
Zur dokumentierten ärztlichen Aufklärung des Patienten im Rahmen des Aufklärungsgesprächs gehört eine Patientenerklärung zum Umgang mit dem explantierten Material (Entsorgung, Einlagerung in der Klinik, Übergabe an den Patienten). Im Allgemeinen wird der Patient auf eine Mitnahme verzichten.
Bei vermeintlichen Produktionsfehlern am Explantat (Vorkommnis gemäß § 3 Abs. 2-4 der Medizinsicherheitsplanverordnung) ist eine gutachterliche Prüfung durch einen Sachverständigen (meist im Auftrag des Herstellers) im Interesse des Patienten. In diesem Fall hat eine Meldung an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zu erfolgen.
Nicht nur bei Patienten mit bekannten klinischen Infektionen sind Implantate mikrobiell kontaminiert und damit infektiös. Zusätzlich zu der den chirurgischen Instrumenten entsprechenden Kontamination mit Geweberesten, Blut, Bakterien, Pilzen und Viren werden an über 70 % der Osteosynthesen Bakterien im Biofilm nachgewiesen [1]. Wenn das Explantat dem Patienten mitgegeben werden soll, muss die Aufbereitung so geschehen, dass ein Infektionsrisiko für den Patienten weitestgehend ausgeschlossen ist.
Da das Explantat kein Medizinprodukt mehr ist, ist eine gemeinsame Aufbereitung mit den wiederverwendbaren chirurgischen Instrumenten nach validierten Verfahren weder rechtlich notwendig noch empfehlenswert, da es durch wesentliche Gewebereste sowie Knochenzement zu Kontaminationen oder Störungen der validierten Prozesse kommen kann. Dokumentierte Verfahrensanweisungen zum Umgang (zur Aufbereitung) von Explantaten sind daher in jedem OP-Zentrum (jedem Krankenhaus) notwendig. Im Krankenhaus ist dazu eine enge Abstimmung mit der AEMP empfehlenswert.
Idealerweise gäbe es einen eigenen Raum, in dem Reinigung, Desinfektion und ggfs. Sterilisation des Explantats erfolgen könnten. Dies wird normalerweise nicht der Fall sein. Einen eigenen Sterilisator dafür vorzuhalten, dürfte im Übrigen keinen Sinn machen, da Explantate oft erheblich verunreinigt sind (z. B. anhaftender Zement oder Knochenreste), sodass eine zur Sterilität führende Sterilisation nicht gewährleistet werden kann.
Erforderlich sind aber eine Reinigung (soweit möglich) und Desinfektion:
- Dies kann maschinell erfolgen: z. B. in einem separaten RDG.
- Dies kann auch manuell erfolgen, z. B. in einem Ultraschallbecken mit viruzidem Instrumentendesinfektionsmittel oder in Reinigungslösung unter der Wasseroberfläche bürsten, dann mit Trinkwasser abspülen und anschließende Tauchdesinfektion mit viruzidem Instrumentendesinfektionsmittel.
Hierfür ist keine Sachkunde des Aufbereitungspersonals erforderlich, da keine Medizinprodukt-Aufbereitung erfolgt.
Das trockene Explantat sollte dem Patienten verpackt übergeben werden. Hierfür bieten sich spezielle Sicherheitstaschen (ggf. auch Staubschutzbeutel) aus Polyethylen an (Abb. 1). In der hierzu erforderlichen Aufklärung sollte unbedingt vermerkt sein, dass die Verpackung nicht zu öffnen ist, da eine Keimfreiheit nicht sicher gewährleistet ist.
Literatur
[1] Schrewe J: Mikrobiell-metagenomische Analysen explantierter Osteosynthese-materialien mittels PCR/DHPLC und Kultur. Inauguraldissertation, Justus-Liebig-Universität Gießen, 2012.
Der Kurztipp im Auftrag der DGKH gibt die Meinung der Autoren wieder.
Popp W, Wiese K, Jatzwauk L, Kohnen W: Hygiene-Tipp: Wie sind Explantate für Patienten aufzubereiten? Passion Chirurgie. 2024 Juli/August; 14(07/08): Artikel 04_02.
Autoren des Artikels
Prof. Dr. med. Walter Popp
Ärztlicher LeiterHyKoMed GmbHVizepräsident der Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V. (DGKH) kontaktierenKlaus Wiese
VorstandsvorsitzenderDeutsche Gesellschaft für Sterilgutversorgung e.V. (DGSV)Prof. Dr. rer. nat. et rer. medic. habil. Lutz Jatzwauk
Krankenhaushygiene/ UmweltschutzUniversitätsklinikum Carl Gustav Carus DresdenDr. rer. nat. Wolfgang Kohnen
Stellvertretender Abteilungsleiter im Bereich Krankenhaushygiene, Krankenhaushygieniker, Beauftragter für das QualitätsmanagementAbteilung für Hygiene und InfektionspräventionUniversitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität MainzVorstand der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V. (DGKH)Weitere Artikel zum Thema
20.04.2021 Hygiene-Tipp
Hygiene-Tipp: Masken in der Medizin – eine kleine Geschichte
Masken als Schutzmaßnahme wurden schon im Mittelalter eingesetzt. Sie waren oft aus Leder gefertigt und dienten – neben Mänteln und Handschuhen – als Schutz für die Ärzte bei der Behandlung von Infektionskranken, z. B. Pestkranken. Teilweise waren die Masken so gestaltet, dass sie Räucherrauch abgeben konnten, oft waren sie mit Kräutern und Flüssigkeiten gefüllt – wohl in erster Linie gedacht als Schutz gegen die einwirkenden Miasmen in der Luft, die als Überträger der Infektionen angesehen wurden.
25.01.2021 Hygiene-Tipp
Hygiene-Tipp: Welche Qualifikation braucht der Krankenhaushygieniker?
Die Umsetzung der Krankenhaushygiene-Verordnungen der Bundesländer fordert nach Ablauf der Übergangsregelungen von zahlreichen stationären, aber auch ambulanten Gesundheitseinrichtungen zwingend die Bestellung eines Krankenhaushygienikers.
15.11.2020 Hygiene-Tipp
Hygiene-Tipp: Berufskrankheiten durch Infektionen
Im Gesundheitswesen können Infektionen nach der Berufskrankheiten-Ziffer BK 3101 („Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war“) anerkannt werden.
11.11.2020 Hygiene-Tipp
Hygiene-Tipp: Meldepflichten nach Infektionsschutzgesetz
Die parallel existierende Meldepflicht für Untersuchungslaboratorien nach § 7 IfSG für Labornachweise definierter Krankheitserreger entbindet den die Krankheitsdiagnose stellenden Arzt nicht von der o.g. ärztlichen Meldepflicht.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.