27.04.2021 Hygiene-Tipp
Resistenzentwicklung von Bakterien gegen Desinfektionsmittel und Antiseptika
Hygiene Tipp: Die Resistenzentwicklung von Bakterien gegenüber Antibiotika ist eine allgemein bekannte Tatsache. Modernes Antibiotic Stewardship fordert, Antibiotika – gezielt und in ausreichender Dosierung – nur dort einzusetzen, wo sie unverzichtbar sind. Im Gegensatz dazu ist eine Resistenzentwicklung von Bakterien gegen Desinfektionsmittel gegenwärtig kein Gegenstand öffentlicher Diskussionen, obwohl die Ausbildung von bakteriellen Resistenzen (auch als Toleranz bezeichnet) gegen Triclosan, Chlorhexidin, Silber sowie QAV (quaternäre Ammoniumverbindungen) praktische Bedeutung erlangt hat und seit Jahren beschrieben ist. Bei diesen Wirkstoffen treten Resistenzmechanismen auf, die denen der Antibiotikaresistenz gleichen. Es werden durch Punktmutationen veränderte („downregulierte“) Porine oder Effluxpumpen beschrieben, die den Wirkstofftransport in die oder aus der Bakterienzelle verändern. Ausbrüche nosokomialer Infektionen durch Erreger mit erhöhter Resistenz gegen Triclosan, aber auch Chlorhexidin, wurden wiederholt publiziert. G. Kampf beschrieb die Problematik bereits 2016, aktuell hat das Epidemiologische Bulletin (Nr. 39, 2020) darauf hingewiesen.
Bei Chlorhexidin erreichen beispielsweise die beschriebenen minimalen Hemmkonzentrationen bei zahlreichen klinischen Isolaten die üblichen Anwendungskonzentrationen. Es gibt aber keinen Grund, diesen potenten Wirkstoff völlig zu verbannen. Eine verantwortungsvolle Nutzen-Risiko-Abwägung ist angezeigt, vor allem dort, wo das Antiseptikum in Anwendungskonzentrationen unter 0,5 % zum Einsatz kommt (z.B. Mundspüllösungen). Bei der Behandlung der Eintrittstelle intravasaler Katheter sowie der präoperativen Hautdesinfektion sind alkoholische Desinfektionslösungen unter Zusatz von Chlorhexidin zur Minimierung nosokomialer Infektionen durch die KRINKO am RKI ausdrücklich empfohlen.
Praktische Relevanz hat die bakterielle Resistenz gegen quaternäre Ammoniumverbindungen. Zum einen, weil zahlreiche Stämme gramnegativer Bakterien durch diese Desinfektionslösungen nicht mehr abgetötet werden. Das ist beim Einsatz QAV-basierter Desinfektionslösungen in Risikobereichen von Krankenhäusern zu berücksichtigen. Zum anderen, weil auf Veränderungen von Porinen oder Effluxpumpen basierende Resistenzen gegen QAV mit Kreuzresistenzen gegen Antibiotika assoziiert sind. G. Fleming konnte 2010 zeigen, dass die durch veränderte qac A/B Gene mutierte Efflux-Pumpe, mit der Benzalkoniumchlorid aus den Zellen von Pseudomonas aeruginosa transportiert wird, auch das Antibiotikum Ciprofloxacin „entsorgt“. Eine 12-fach verminderte Sensitivität auf Benzalkoniumchlorid korrelierte mit einer Resistenzerhöhung gegenüber Ciprofloxacin um den Faktor 256 (Microbiology, 2010; 156: 30). Analoges trifft auf die Resistenz gegen Colistin zu.
Der Hygiene-Tipp im Auftrag der DGKH gibt die Meinung der Autoren wieder.
Jatzwauk L, Popp W, Schmithausen R, Kohnen W: Hygiene-Tipp: Resistenzentwicklung von Bakterien gegen Desinfektionsmittel und Antiseptika. Passion Chirurgie. 2021 März; 11(03): Artikel 04_05.
Autoren des Artikels
Prof. Dr. med. Walter Popp
Ärztlicher LeiterHyKoMed GmbHVizepräsident der Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V. (DGKH) kontaktierenProf. Dr. rer. nat. et rer. medic. habil. Lutz Jatzwauk
Krankenhaushygiene/ UmweltschutzUniversitätsklinikum Carl Gustav Carus DresdenDr. med. Ricarda Schmithausen
KoordinationUniversitätsklinikum Bonn (UKB)Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit (IHPH)Dr. rer. nat. Wolfgang Kohnen
Stellvertretender Abteilungsleiter im Bereich Krankenhaushygiene, Krankenhaushygieniker, Beauftragter für das QualitätsmanagementAbteilung für Hygiene und InfektionspräventionUniversitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität MainzVorstand der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V. (DGKH)Weitere Artikel zum Thema
01.06.2023 Hygiene-Tipp
Hygiene-Tipp: Feuchtarbeit – Chirurgen eher nicht mehr betroffen
Bisher wurde das ausschließliche Tragen von flüssigkeitsdichten Schutzhandschuhen für kumuliert mindestens zwei Stunden als Feuchtarbeit angesehen. Die im Oktober 2022 aktualisierte TRGS 401 (Gefährdung durch Hautkontakt – Ermittlung – Beurteilung – Maßnahmen) gibt dies nicht mehr vor.
01.05.2023 Hygiene-Tipp
Hygiene-Tipp: Handys im OP-Saal
Die Nutzung privater Mobiltelefone im OP-Saal hat zu unterbleiben. Sie stören den Ablauf der Operation und mindern vermutlich die Konzentration des OP-Teams. Lange ist bekannt, dass Gespräche während einer Operation trotz Tragen eines chirurgischen Mund-Nasen-Schutzes die Luftkeimzahl an Mikroorganismen aus der Mundflora erhöhen.
01.03.2023 Hygiene-Tipp
Hygiene-Tipp: Neues zur Flächendesinfektion
Im Oktober 2022 ist die neue KRINKO-Empfehlung „Anforderungen an die Hygiene bei der Reinigung und Desinfektion von Flächen“ erschienen. Sie fordert bei Patientenwechsel im OP bakterizide und levurozide Flächendesinfektions-Präparate.
01.02.2023 Hygiene-Tipp
Hygiene-Tipp: Händetrocknung nur mit Einmalpapierhandtüchern
Die TRBA 250 (Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege), die quasi Gesetzeskraft hat, gibt für den Handwaschplatz vor, dass fließendes warmes und kaltes Wasser verfügbar sein muss, Spender für Hautreinigungsmittel sowie Einmalhandtücher. Somit scheiden für den Gesundheitsbereich Warmlufttrockner oder Jet-Air-Trockner aus.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.