01.12.2017 Herzchirurgie
Herzunterstützungssysteme in der Herzchirurgie
Übersicht und Ausblick in die Zukunft inklusive minimalinvasiver Implantations-Techniken
Die Anzahl der Patienten mit schwerer Herzmuskelschwäche (chronische Herzinsuffizenz) ist in den vergangenen Jahren weltweit sehr stark angestiegen. Dies liegt zum einen am demographischen Wandel (es gibt immer mehr ältere Menschen) sowie an den verbesserten medizinischen Versorgungsmöglichkeiten. Die Symptome der Herzpatienten sind dabei weit gestreut und reichen von der Dyspnoe, über eine allgemeine körperliche Schwäche, einer vermehrten Müdigkeit oder Kurzatmigkeit (speziell unter Belastung), bis hin zum allgemeinen Leistungsabfall, Schwindel, „Sternchen sehen“, „Wasser in den Beinen“ sowie Brustschmerzen (Angina pectoris).
Die Behandlung dieser kranken Herzpatienten mit Medikamenten ist in den vergangenen Jahren deutlich verbessert worden, allerdings reichen Medikamente nicht immer aus, um den Herzpatienten ausreichend zu helfen. Das führt dazu, dass es immer mehr Menschen gibt, denen man mit herzchirurgischen Operationen helfen muss und diese auch mit sehr guten Ergebnissen durchführen kann. Um jedem Patienten die individuell bestmögliche Therapie zukommen zu lassen, ist eine gute Zusammenarbeit zwischen Kardiologen und Herzchirurgen von größter Wichtigkeit. An der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) ist eine solche exzellente interdisziplinäre Zusammenarbeit täglich gegeben und erfolgt zwischen den Kardiologen (Direktor: Prof. Dr. med. J. Bauersachs) und den Herzchirurgen (Direktor: Prof. Dr. med. Dr. A. Haverich) u. a. in täglichen gemeinsamen Visiten, konstruktiven Diskussionen in der interdisziplinären Herzinsuffizienzambulanz oder auf der von der DGK/DGTHG zertifizierten und gemeinsam geführten interdisziplinären Heart Failure Unit (HFU, Med. Leitung: Prof. Dr. T. Kempf; chirurg. Leitung: Prof. Dr. Jan D. Schmitto).
Sollten zu diesem interessanten Gebiet der Herzunterstützungssysteme Fragen aufgekommen sein, können Sie sich gerne an Herrn Prof. Dr. med. Jan D. Schmitto, MHH, Klinik für Herz-Chirurgie, Bereich Herzunterstützungssysteme und Herztransplantation) wenden: Tel.: 0511/532-3373, Fax: 0511/532-18581, Email: [email protected] |
Sind alle konservativen Maßnahmen bei einer Herzinsuffizienz ausgeschöpft, bleibt letztendlich noch die Möglichkeit einer Herztransplantation. Eine solche Herztransplantation (HTX) gilt nach wie vor als der Goldstandard der Therapie der Herzinsuffizienz im Endstadium. Allerdings sind Herztransplantationen in Deutschland aufgrund des Organspendermangels quantitativ limitiert und jährlich nur ca. 300- bis 400mal durchführbar. Etwa doppelt so viele Patienten stehen auf der Warteliste für eine HTX. Die steigende Anzahl wartender Patienten sowie die hohe Sterblichkeitsrate von zur Transplantation gelisteten Patienten sind bei zunehmender Inzidenz der Herzinsuffizienz ungelöste Probleme.
Eine mögliche und in den vergangenen Jahren zunehmend realistisch gewordene Lösung für dieses Problem stellen Herzunterstützungssysteme (sog. Kunstherzen, LVAD) dar [1-6]. Die künstlichen mechanischen Herz-Pumpen haben in den vergangenen Jahren gravierende Fortschritte erzielt und können mittlerweile mit sehr guten Ergebnissen sehr sicher implantiert werden [1]. Dies führt dazu, dass die Symptome der Patienten sowie deren Langzeit-Überlebenswahrscheinlichkeit deutlich gebessert werden. Studien konnten zudem zeigen, dass sowohl die Lebensqualität als auch die Gesamtprognose von Herz-Patienten im Endstadium mit Hilfe dieser Herzunterstützungssysteme deutlich gebessert werden können; sprich: Patienten mit Kunstherzen leben länger und besser als ohne.
Mit den Herzunterstützungssystemen kann zudem die Wartezeit auf eine Herztransplantation überbrückt werden. Aber auch älteren Herzpatienten, die bisher nicht für eine Transplantation in Frage kamen, kann man mit dieser Therapieform helfen. Außerdem besteht auch die Möglichkeit, dass sich das eigene Herz durch die Entlastung des Kunstherzens so weit erholt, dass das System wieder explantiert werden kann. Für Patienten bei denen eine Herztransplantation nicht möglich ist oder vom Patienten selbst nicht gewünscht wird, ist es eine Möglichkeit um auch längerfristig am Leben teilzunehmen. Außerdem ist nach einer Implantation Alltägliches wie z. B. Einkaufen, Spazierengehen, Fahrrad oder in den Urlaub fahren, bis hin zur kompletten Berufstätigkeit oder sogar Skilaufen wieder möglich.
Abb. 1: Entwicklung der Kunstherz-Implantationen 2004–2014 an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH)
In der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) werden Herzunterstützungssysteme schon seit vielen Jahren implantiert (Abb. 1). Die in dieser Zeit gesammelten Erfahrungen mit künstlichen Herzpumpen kommen den Patienten dabei zu Gute und führten in den vergangenen Jahren zu immer besseren Ergebnissen auf diesem Gebiet. Aber auch die Technik ist in den vergangenen Jahren deutlich vorangeschritten (Abb. 2). Waren die künstlichen Herzpumpen vor zehn Jahren noch groß und klobig, wurden sie in der vergangenen Dekade technisch verfeinert, kleiner, leiser verschleißfrei und nahezu geräuschlos, was zu stetig besseren Ergebnissen führte. Die kleineren Systeme erforderten auch eine Anpassung des Verhaltens der Herzchirurgen. Eine Anpassung der chirurgischen Zugangswege, die an der MHH entwickelt wurde, war nur eine logische Konsequenz der bereits bestehenden technischen Weiterentwicklungen. Während die Pumpen vor zehn Jahren noch durch ein komplettes Durchtrennen des gesamten Brustkorbes (komplette Sternotomie) implantiert werden mussten, wurde im Jahr 2011 an der MHH ein neues Operationsverfahren entwickelt, mit dem man die neuesten, kleinsten Herzunterstützungssysteme auch über einen schonenderen Eingriff (minimalinvasiv) implantieren kann [1]. Für diese neue Hannoveraner-OP-Technik sind nur zwei kleine Schnitte erforderlich und es muss nicht mehr – wie sonst üblich – der komplette Brustkorb eröffnet werden (Abb. 3). Mehr als 200 Patienten wurden allein in den vergangenen Jahren über das minimalinvasive Verfahren erfolgreich operiert, mit einem weiteren deutlichen Anstieg der Patientenzahlen ist zu rechnen.
Abb. 2: Übersicht der VAD-Systeme von links nach rechts: Heartmate I, II und 3, Heartware HVAD und MVAD
Abb. 3: Schematische Darstellung der in Hannover entwickelten minimalinvasiven VAD-Implantations-Technik (Schmitto et al. JTCVS 2012)
Für solche Operationen stehen speziell entwickelte Herzunterstützungssysteme (kleine Rotationspumpen) zur Verfügung, die auf technisch höchstem Niveau verschleißfrei und geräuschlos arbeiten und dabei die Pumpleistung des Herzens übernehmen können (Abb. 2). Durch eine kleine Pumpe wird das Blut aus der linken Herzkammer in die Aorta gepumpt. Die Pumpe ist über ein Kabel, das aus der Bauchdecke austritt, mit einem Steuergerät verbunden. Dieses wird durch Batterien mit Strom versorgt. Die externen Komponenten werden in einer kleinen Tasche getragen und wiegen lediglich etwas mehr als ein Kilo, was für die Patienten eine gute Mobilität bedeutet.
Das minimalinvasive Operationsverfahren bietet bedeutende Vorteile [1, 7-15]: Durch das reduzierte chirurgische Trauma entstehen weniger Blutungen, was in einem geringeren Bedarf an Transfusionen und Gaben von Gerinnungsfaktoren resultiert. Das Perikard bleibt größtenteils verschlossen und eine Dilatation des rechten Herzens wird fast unmöglich. Es kommt daher weniger zu einem perioperativen Rechtsherzversagen. Bei ggf. notwendigen Folgeoperationen – z. B. im Falle einer Herztransplantation – besteht dadurch ein geringeres Operationsrisiko, da aufgrund des minimalinvasiven Eingriffes weniger Verwachsungen vorhanden sind.
Nach der minimalinvasiven Herzunterstützungsoperation ist nur noch eine kurze Beatmungszeit notwendig. Demzufolge verkürzt sich auch der Aufenthalt auf der Intensivstation. Durch die kleineren Schnitte sind zudem die Schmerzen nach der Operation geringer. Es erfolgt eine schnellere Erholung und Mobilisation der Patienten, was besonders älteren und schwerstkranken Patienten mit Begleiterkrankungen zu Gute kommt. Jüngere und vor allem weibliche Patienten berichten zudem über ein besseres kosmetisches Ergebnis nach der Operation im Vergleich zu den „großen“ Schnitten, was in Anbetracht der Schwere der Herzerkrankungen zwar als angenehmer jedoch vernachlässigbarer, positiver Nebeneffekt zu werten gilt.
Insgesamt verkürzt sich der stationäre Aufenthalt durch die von uns beschriebene neue Operationstechnik deutlich. Die Verlegung in eine Rehabilitationseinrichtung kann somit ebenfalls früher erfolgen, was langfristig gesehen für die Patienten zu einer besseren Lebensqualität und höheren Belastbarkeit führt.
Nach der erfolgreichen Implantation erfolgen Schulungen der Patienten und deren Angehörigen im Umgang mit dem Herzunterstützungssystem durch erfahrene Kunstherzkoordinatoren, um eine bestmögliche Vorbereitung auf das Leben Zuhause zu gewähren. Auch nach dem Reha-Aufenthalt erfolgt eine umfassende Betreuung in der Kunstherz-Ambulanz der MHH. Hier werden das Herzunterstützungssystem sowie die Organfunktionen überprüft, um unerwünschten Veränderungen schnellstmöglich zu begegnen. Zu jeder Tages- und Nachtzeit steht zudem das Team aus Kunstherzkoordinatoren, Pflegepersonal und Ärzten den Patienten für Fragen oder Notfällen zur Verfügung.
Trotz der umfangreichen Fortschritte der Kunstherztherapie, ist zu erwähnen, dass dennoch nicht alles Gold ist was glänzt. Die Patienten müssen weiterhin Medikamente einnehmen (u. a. lebenslang Blutgerinnungshemmer wie z. B. Marcumar), zudem erfolgt die Energieversorgung der Pumpe durch ein Steuerungskabel, das aus der Bauchdecke herausgeleitet werden muss. Sollte es in diesem Bereich in Zukunft weitere wegweisende technische Verbesserungen geben, steht der breiten, erfolgreichen Anwendung der Kunstherztherapie nichts mehr im Wege.
Inzwischen leben in und rund um Hannover bereits mehr als 250 Patienten mit einem Herzunterstützungssystem. Die Patienten gehen einem normalen Alltag nach (einige bereits seit mehr als fünf und sogar zehn Jahren). Etwa die Hälfte von Ihnen ist bereits wieder berufstätig, andere sind berentet oder pensioniert. Die Zahl der Patienten, die sich über die „kleinen“ Schnitte und die damit verbundenen Vorteile freut, wächst dabei stetig.
Literatur erhalten Sie auf Anfrage via [email protected].
Autoren des Artikels
Prof. Dr. med. Jan D. Schmitto
Leiter des Bereiches Herzunterstützungssysteme und HerztransplantationKlinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und GefäßchirurgieMedizinische Hochschule HannoverCarl-Neuberg-Str. 130625Hannover kontaktierenProf. Dr. Dr. h.c. Axel Haverich
Ärztlicher DirektorMedizinische Hochschule HannoverKlinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und GefäßchirurgieCarl-Neuberg-Straße 130625HannoverWeitere Artikel zum Thema
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