29.04.2024 Presse
Gut gedacht – schlecht gemacht
Gravierende handwerkliche Defizite des Gesetzgebers und die offenbar nicht ausreichende fachliche Expertise drohen nach Ansicht des Berufsverbands der Deutschen Chirurgie e.V. (BDC) zu einem Scheitern des an sich sinnvollen Vorhabens der Ambulantisierung im Gesundheitssystem zu führen. Letztlich habe die durch eine Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministers versuchte Umsetzung des Gesetzes ihr Ziel verfehlt.
„Was vielen nicht bewusst ist: Die Einführung der sogenannten Hybrid-DRG führt zunächst einmal zu einer gesetzlich verfügten Absenkung einzelner Krankenhausvergütungen. Und ob sie der niedergelassenen Ärzteschaft finanzielle Vorteile bringt, ist derzeit mehr als fraglich“, erläutert Dr. Jörg-A. Rüggeberg, Vizepräsident des BDC. Das Thema war beim diesjährigen Deutschen Chirurgie Kongress, der vergangene Woche in Leipzig stattfand, ein berufspolitischer Schwerpunkt, der vielen Teilnehmenden unter den Nägeln brennt.
Die Situation: Zum Jahresstart 2024 wurden über den §115f SGB V sechs sogenannte Hybrid-DRG eingeführt, über die eine überschaubare Anzahl von Eingriffen zukünftig gleich bezahlt werden, unabhängig davon, ob diese stationär oder ambulant erbracht werden. Diese Eingriffe können in den Kliniken daher nicht mehr zu den besseren Vergütungen der stationären Versorgung abgerechnet werden, wie es bisher der Fall war.
Die Hybrid-DRG gelten auch für den vertragsärztlichen Sektor. Hier wurde versäumt, rechtzeitig Regelungen für die Modalitäten der Abrechnung zu entwickeln. „Die Krankenkassen sehen sich angeblich nicht in der Lage, die EDV-technischen Voraussetzungen vor dem 1. Januar 2025 einzurichten. Für Praxen und MVZ würde das bedeuten, dass das Geld erst bis zu einem Jahr nach der Leistungserbringung fließen würde. Gerade in den wirtschaftlich eher kleineren Einrichtungen der Vertragsärzte bedeutet ein derartiger Aufschub einen massiven Liquiditätsverlust mit existenzbedrohenden Folgen“, so Rüggeberg.
Ebenso unschön: Es soll zwar gesetzlich verankert eine sektorengleiche Vergütung geben, dies führt laut BDC jedoch nicht zu sektorengleichen Kosten: Da eine Hybrid-DRG sämtliche mit dem Eingriff verbundenen Kosten umfasst, sind damit auch die so genannten Sachkosten, insbesondere für im Körper verbleibende Implantate abgegolten. „Diese Sachkosten sind im niedergelassenen Sektor, insbesondere in der Chirurgie, um ein Mehrfaches höher als in den Kliniken und verzehren im Einzelfall mehr als die Hälfte des Honorars. Wenn hier keine sinnvolle Lösung gefunden wird, werden solche Leistungen zukünftig nicht mehr angeboten werden“, prognostiziert Rüggeberg. „Da aber außer den Hybrid-DRG keine andere Abrechnungsmöglichkeit besteht, wird daher möglicherweise ein ganzer Versorgungsbereich wegfallen.“ Sein Fazit: Der im Koalitionsvertrag verankerte Grundsatz einer sektorengleichen Vergütung zur Förderung einer vermehrten Ambulantisierung sei im Ansatz richtig. Aber: „Wer einen Fesselballon aufsteigen lassen will, sollte den Korb nicht vergessen. Sonst steigt niemand ein.“
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