Berlin, Februar 2013: Was haben Piloten, Ski-Rennfahrer, Profi-Fußballer und Chirurgen gemeinsam? Sie müssen unter teilweise extremer Anspannung und maximalem Stress, Leistungen auf höchstem Niveau erbringen. Und zwar auf den Punkt! Die Fußball-Nationalmannschaft, Vettel, Neureuther und Co. bereiten sich schon lange damit vor, nun hält es auch bei den deutschen Chirurgen Einzug: das „Mentale Training“.
Experten und Psychologen aus dem Leistungssport wurden – vom Olympiastützpunkt weg – von der Medizin engagiert, um komplizierte Operationen noch sicherer zu machen. Denn Sportler und Chirurgen haben außer Stress noch eines gemeinsam: komplizierte, komplexe Bewegungsabläufe. Sie müssen – auf Abruf „funktionieren“. Geforscht wurde über 6 Jahre in einer Studie mit rund 100 Chirurgen. Das Ergebnis: mehr Selbstvertrauen für die Ärzte, mehr Sicherheit für die Patienten. Jetzt wird das „Mentale Training“ für Chirurgen erstmals flächendeckend in Deutschland angeboten: Der BDC und das European Surgical Institute bieten Kurse vom Einsteiger bis zum erfahrenen Chirurgen an.
Auf dem gemeinsamen Bundeskongress Chirurgie vom 1. bis 3. März 2013 in Nürnberg wird die Methode erstmals der chirurgischen Öffentlichkeit vorgestellt. Am Samstag dem 1. März finden dazu neben einem Einführungsworkshop individuelle Trainings statt. Interessierte Journalisten können sich den gesamten Tag am Messestand des BDC über diese innovative Trainingsmethode informieren und die BDC-Mentaltrainer sowie interessierte Chirurgen zu ihren Erfahrungen befragen. Auch der Hauptgeschäftsführer des BDC, Dr. Jörg Ansorg, steht Ihnen den gesamten Tag gern zur Verfügung.
Sportpsychologe Dr. Marc Immenroth, Leiter der Studie, erklärt, wie das Training funktioniert:
„Zuerst muss der Chirurg sich völlig runterdimmen, die Augen dazu schließen. Es folgen bestimmte Konzentrations-Übungen und dann stellt er sich die Operation vor seinem geistigen Auge vor. Der mental Trainierende vergegenwärtigt sich intensiv die Innenperspektive der OP, d. h. er versetzt sich in die Ausführung der OP und versucht sie unter Einbezug möglichst vieler Sinnesmodalitäten nachzuempfinden. Die OPs sind dafür nach einem bestimmten Knotenpunkt-System eingeteilt.“
Beispiel Gallenblasenentfernung Operationsschritte und Knotenpunkte:
- Eröffnen der Bauchhöhle
- Identifizieren der anatomischen Landmarken
- Fixieren der Gallenblase am Grund
- Indizieren des peritonalen Überzugs am Gallenblasenhals
- Darstellen der A. cystica und des D. cysticus
- Clippen und Durchtrennen des D. cysticus
- Clippen und Durchtrennen der A. cystica
- Subseröses Ausschälen der Gallenblase
- Inspizieren des Leberbettes
- Bergen der Gallenblase
- Inspizieren des Operationsgebietes
- Abschließen der Operation
Dabei stellt sich der Chirurg auch die Instrumente vor, mit denen er arbeiten wird. Er trainiert, ob der Schnitt weiter links oder rechts angesetzt werden muss, so wie ein Bobfahrer das Verhalten seines Bobs in jeder Kurve vorausdenkt.
Immenroth: „Die Dauer des mentalen Trainings richtet sich dabei nach der zu trainierenden OP. Bei der Gallenblasen-OP kann das schon mal 15 bis 25 Minuten dauern. Mindestens 2x pro Woche sollten die Chirurgen auf diese Art trainieren und natürlich – kurz vor dem Eingriff.“
Immenroth: „Dadurch stabilisiert sich die individuelle OP-Leistung bestimmter Eingriffe auf höchstem Niveau!“
Für die Zukunft hat der Psychologe schon die nächste Idee, ein mentales Team-Training: „Wir werden testen, wie es möglich ist, ganze OP-Teams, ähnlich wie Mannschaften im Sport und deren Zusammenspiel mental zu trainieren… .“