01.06.2021 Fachgebiete
Executive Summary – Perioperativen Schmerztherapie mit Nichtopioidanalgetika
![](https://www.bdc.de/wp-content/uploads/ebook/95241/OEBPS/images/p14-750x994.jpg)
PERIOPERATIVE SCHMERZTHERAPIE MIT NICHTOPIOIDANALGETIKA – GEMEINSAME EMPFEHLUNG DER DEUTSCHEN SCHMERZGESELLSCHAFT, DER DGAI UND DER DGCH
Hintergrund: Nichtopioidanalgetika werden bei vielen Patienten zur perioperativen Analgesie eingesetzt. Zu einigen praktischen Fragen beim Einsatz von Nichtopioidanalgetika liegen z. T. nur wenig Informationen aus Studien vor, und in Krankenhäusern existieren häufig keine Konzepte zum Vorgehen, z. B. zur Patientenaufklärung und zum Zeitpunkt der perioperativen Gabe.
Methodik: Eine Expertengruppe der beteiligten Fachgesellschaften hat konsensbasierte Empfehlungen zum perioperativen Einsatz von Nichtopioidanalgetika erarbeitet und in einem strukturierten formalen Konsensus Prozess verabschiedet.
Ergebnisse: Die Arbeitsgruppe stimmt überein, dass Nichtopioidanalgetika Bestandteil eines perioperativen multimodalen Analgesiekonzepts sein sollen und Patienten präoperativ über Nutzen, Risiko und alternative Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt werden sollen. Die päoperative Patienteninformation und -edukation soll auch eine Schmerz- und Analgetikaanamnese umfassen und Patienten mit Risikofaktoren für starke Schmerzen und eine Schmerzchronifizierung identifiziert werden. Unter Berücksichtigung Kontraindikationen können Nichtopioidanalgetika abhängig von der Operationsdauer auch schon prä- oder intraoperativ gegeben werden, um nach Beendigung der Anästhesie ausreichende Plasmakonzentrationen zu erzielen. Nichtopioidanalgetika oder Kombinationen von (Nichtopioid)-Analgetika sollen nur für einen begrenzten Zeitraum gegeben werden. Ein gemeinsam erarbeiteter abteilungsübergreifender Behandlungsstandard mit dem Nichtopioidanalgetikum erster Wahl, weiteren Therapieoptionen sowie adäquaten Dosierungen, ergänzt durch eingriffsspezifische Konzepte, soll schriftlich hinterlegt werden. Bei Entlassung aus dem Krankenhaus soll der nachbehandelnde Arzt zu perioperativ gegebenen und aktuell noch eingenommenen Analgetika schriftliche Informationen erhalten. Patienten sollen zu möglichen Nebenwirkungen der Analgetika und ihrer Symptome, die auch nach Krankenhausentlassung auftreten können, und die befristete Einnahmedauer informiert werden.
Schlussfolgerung: Die Anwendung von Nichtopioidanalgetika soll als Bestandteil eines perioperativen multimodalen Analgesiekonzepts mit klaren Vorgaben zu Indikationen, Kontraindikationen, Dosierungen und Behandlungsdauer in einem abteilungsübergreifenden Behandlungsstandard schriftlichen hinterlegt werden.
Die perioperative Gabe von Nichtopioidanalgetika (NOPA) bei Erwachsenen ist etabliert und wird im Kontext analgetischer Konzepte von verschiedenen nationalen und internationalen Leitlinien empfohlen [18, 79].
Zu den NOPA zählen Paracetamol, Metamizol und die NSAIDs (nonsteroidal anti-inflammatory drugs), welche in nichtselektive Cyclooxygenase (COX)-Inhibitoren (traditionelle NSAIDs) und selektive COX-2-Inhibitoren (Coxibe) unterteilt werden. In der perioperativen Phase dienen NOPA meist als Basis einer systemischen Analgesie und können mit Opioiden und ggf. Ko-Analgetika in ein multimodales Analgesiekonzept integriert werden. Zusätzlich benötigte Opioide sollten in der frühen postoperativen Phase bedarfsabhängig titriert werden und können im weiteren Verlauf als orale Medikation fortgeführt werden. Durch Kombination von NOPA und Opioiden können der Opioidbedarf und zum Teil auch opioidtypische Nebenwirkungen, wie Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit und Sedierung reduziert werden [27, 48, 49]. Für NOPAs wurden in den letzten Jahren zunehmend schwerwiegende oder gar tödliche Nebenwirkungen diskutiert. Hierzu zählen z. B. kardiovaskuläre Ereignisse, die zunächst für Coxibe, später auch für traditionelle NSAIDs beschrieben wurden, oder die Agranulozytose unter Metamizol. Zu einigen konkreten Fragen der perioperativen Anwendung von NOPA bei Erwachsenen liegt jedoch keine oder wenig Evidenz aus klinischen Studien vor. Dabei geht es häufig um praktische Fragen in der täglichen klinischen Anwendung, z. B. um die Patientenaufklärung oder den Zeitpunkt der perioperativen Gabe. Oftmals liegen nur wenig Informationen aus Studien vor und in Krankenhäusern existieren häufig keine Konzepte zum Vorgehen.
Die Empfehlungen umfassen keine detaillierte Nutzen-Risiko-Analyse von NOPA im Vergleich zu alternativen Maßnahmen in der perioperativen Akutschmerztherapie, wie Opioide, Ko-Analgetika, Verfahren der Regional- bzw. Lokalanästhesie und psychologische Interventionen. Hierfür verweisen wir auf die bald erscheinenden, überarbeiteten S3-Leitlininne „Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen“. Die S3-Leitlinien können möglicherweise einige der hier ausgesprochenen Empfehlungen in ihrem Empfehlungsgrad geringfügig modifizieren…
Hier finden Sie den Originalbeitrag
Dieser Beitrag erscheint parallel in den Zeitschriften A&I Anästhesiologie & Intensivmedizin, Der Anästhesist, Der Chirurg und Der Schmerz.
Weitere Beteiligte an der Expertengruppe:
P Ahrens (Aller-Weser Klinik Verden), M Dusch, M Gehling (Praxis für Schmerzmedizin Kassel), HJ Gerbershagen (Marienkrankenhaus Gelsenkirchen), S. Heitfeld (Universität Dresden), W. Koppert (Medizinische Hochschule Hannover), EA Lux (St.-Marien-Hospital Lünen), W Meißner (Universität Jena), E Pogatzki-Zahn (Universität Münster), U. Ringeler (Paracelsus-Klinik Golzheim, Düsseldorf ), H Rittner (Universität Würzburg und Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Berlin), A. Wiebalck (Bochum).
Stamer U, Erlenwein J, Freys SM, Stammschulte T, Stichtenoth D, Wirz S: Executive Summary – Perioperative Schmerztherapie mit Nichtopioidanalgetika. Passion Chirurgie. 2021 Juni; 11(06): Artikel 03_03.
Autoren des Artikels
![Avatar](https://www.bdc.de/wp-content/uploads/2022/07/no_user.jpg)
Prof. Dr. U. M. Stamer
Klinik für Anästhesiologie und SchmerztherapieUniversitätsklinik BernFreiburgstrasse3010Bern kontaktieren![Avatar](https://www.bdc.de/wp-content/uploads/2022/07/no_user.jpg)
PD Dr. med. Joachim Erlenwein
Klinik für Anästhesiologie, GFSchmerzmedizinUniversitätsmedizin GöttingenRobert-Koch-Str. 4037075Göttingen kontaktieren![Profilbild von Stephan M. Freys](https://www.bdc.de/wp-content/uploads/avatars/2762/5c405434f20ea-bpfull.jpg)
Prof. Dr. med. Stephan M. Freys
Vorsitzender der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft Akutschmerz (CAAS) der DGCHChirurgische KlinikDIAKO Ev. Diakonie-Krankenhaus BremenGröpelinger Heerstr. 406-40828239Bremen kontaktieren![Avatar](https://www.bdc.de/wp-content/uploads/2022/07/no_user.jpg)
Dr. med. Thomas Stammschulte
Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft![Avatar](https://www.bdc.de/wp-content/uploads/2022/07/no_user.jpg)
Prof. Dr. med. Dirk Stichtenoth
Institut für Klinische PharmakologieMedizinische Hochschule Hannover![Avatar](https://www.bdc.de/wp-content/uploads/2022/07/no_user.jpg)
PD Dr. Stefan Wirz
Abteilung für Anästhesie, Interdisziplinäre Intensivmedizin, Schmerzmedizin/Palliativmedizin, Zentrum für SchmerzmedizinCURA - GFO-Kliniken Bonn, Bad HonnefWeitere Artikel zum Thema
01.11.2023 Neurochirurgie
Einblick in die spinale Neurochirurgie
Rückenbeschwerden sind in der heutigen Zeit ein alltägliches Problem, das einen beachtlichen Teil der Bevölkerung belastet. Nicht immer, aber auch nicht selten ist eine Operation an der Wirbelsäule indiziert. Ursächlich sind am häufigsten degenerative Veränderungen wie die Spinalkanalstenose, der Bandscheibenvorfall oder die Spondylolisthese.
01.11.2023 Neurochirurgie
Das Schädel-Hirn-Trauma in Deutschland – ein Krankheitsbild im Wandel
Aktuelle Zahlen der Gesundheitsberichterstattung des Bundes zeigen, dass das Schädel-Hirn-Trauma (SHT) in Deutschland weiterhin ein relevantes Krankheitsbild ist. So wurden im Jahr 2019 deutschlandweit 421.060 Patienten mit einer Verletzung des Kopfes (ICD-10: S00–S09) vollstationär behandelt, was einer Steigerung von 21 % im Vergleich zum Jahr 2000 entspricht [7].
01.11.2023 Neurochirurgie
Update Karpaltunnelsyndrom
Das Karpaltunnelsyndrom KTS ist das häufigste Nervenkompressionssyndrom überhaupt. Ca. 4 bis 5 % der Weltbevölkerung leiden daran [1]. Jüngere Untersuchungen ergaben, dass Faktoren wie handwerkliche Tätigkeit oder monotone Bewegungen bei der Arbeit, Haushalttätigkeiten sowie das Vorhandensein eines KTS oder eines schnappenden Fingers an der kontralateralen Seite das Risiko für ein OP-bedürftiges KTS erhöhen.
01.10.2023 Digitalisierung
Extended Reality goes Surgery – „Neue Realitäten“ in der Chirurgie
Applikationen und Anwendungsbereiche für Extended-Reality-Anwendungen werden bereits in vielen Industrien genutzt. Ihr Potenzial zur Produkt-, Produktions- oder Effektivitätssteigerung wird hoch eingeschätzt. So betrug der Marktwert der Virtual Reality (VR) in der Automobilindustrie vor der Covid-19-Pandemie knappe 760 Millionen Dollar. Bis zum Jahr 2027 wird der Wert auf knappe 15 Milliarden geschätzt [2].
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.