01.12.2014 Abrechnung
Erbringung und Abrechnung wahlärztlicher Leistungen durch nicht fest angestellte Honorarärzte
Bislang war in der Rechtsprechung umstritten, ob die Erbringung und Abrechnung wahlärztlicher Leistungen durch am Krankenhaus nicht fest angestellte, sondern freiberuflich aufgrund einer Kooperationsvereinbarung tätige, Honorarärzte rechtlich zulässig ist. Die mehrheitliche Rechtsprechung der Instanzgerichte lehnte dies ab, indem hierin ein Verstoß gegen § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG, der als Verbotsgesetz qualifiziert wurde, festgestellt wurde. Lediglich die Landgerichte Würzburg, Nürnberg-Fürth und Kempten erließen für niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser positive Urteile, wonach die Erbringung und Abrechnung wahlärztlicher Leistungen durch Honorarärzte als zulässig angesehen wurde, da § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG kein Verbotsgesetz darstelle, sondern dieser Regelung lediglich Erstreckungsfunktion zukomme.
Urteil des BGH vom 16.10.2014 – III ZR 85/14
Diesen Meinungsstreit hat nunmehr der BGH mit seinem Urteil vom 16.10.2014 entschieden, indem er sich der Auffassung der mehrheitlichen Rechtsprechung anschloss. Die schriftlichen Urteilsgründe, aus denen man detailliertere Ausführungen erwarten darf, stehen derzeit noch zur Veröffentlichung aus, sodass diese für eine abschließende Beurteilung der nunmehr geltenden Rechtslage und etwaiger Ausnahmefälle abzuwarten bleiben.
Aus der Pressemitteilung des BGH lässt sich jedoch folgendes deutlich entnehmen: Der BGH kommt zu dem Schluss, dass vom Krankenhausträger nicht fest angestellte Honorarärzte, die im Krankenhaus Operationen durchführen, ihre operative Tätigkeit gegenüber (Privat-) Patienten nicht als Wahlleistungen i. S. d. §17 Abs. 1 S. 1 KHEntgG erbringen und gesondert abrechnen können. Ein Vergütungsanspruch ergibt sich weder aus der Wahlleistungsvereinbarung zwischen Krankenhaus und Patient noch aus einer zwischen dem Honorararzt mit dem Patienten individuell getroffenen Vereinbarung über die Behandlung gegen Privatrechnung.
Aus der Wahlleistungsvereinbarung ergebe sich deshalb schon kein Vergütungsanspruch, da der niedergelassene Facharzt für Neurochirurgie weder als Wahlarzt noch als „gewünschter“ Stellvertreter des Wahlarztes in der Wahlleistungsvereinbarung aufgeführt gewesen sei. Denn gemäß dem Gesetzeswortlaut des § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG erstrecke sich eine Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen auf alle an der Behandlung des Patienten beteiligten angestellten oder beamteten Ärzte des Krankenhauses, soweit diese zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen im Rahmen der vollstationären und teilstationären sowie einer vor- und nachstationären Behandlung (§ 115a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) berechtigt sind, einschließlich der von diesen Ärzten veranlassten Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses. Der BGH urteilte hier sodann streng am Wortlaut orientiert, wonach Honorarärzte eben weder Beamte noch Angestellte des Krankenhauses seien noch seien sie externe Wahlärzte, da keine Tätigkeit „auf Veranlassung“ eines angestellten oder beamteten Krankenhausarztes mit eigener Liquidationsberechtigung erfolge.
Zudem äußerte sich der 3. Senat des BGH dahingehend, dass § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG den Kreis der liquidationsberechtigten Wahlärzte abschließend festlege. Diese Vorschrift stelle eine zwingende preisrechtliche Norm zum Schutz der Patienten dar. Hiervon könne auch nicht durch individuelle Vergütungsabreden (in diesem Fall zwischen Honorararzt und Patient) abgewichen werden, da diese einen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB darstellen würden. Dem Honorararzt wurde deshalb auch der Vergütungsanspruch aus dieser zwischen ihm und der Patientin getroffenen individuellen, schriftlichen Vereinbarung versagt.
Folglich lässt sich hieraus aus Sicht des Verfassers eindeutig entnehmen, dass der BGH § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG als Verbotsgesetz qualifiziert.
Stellungnahme
Vorbehaltlich der ausführlichen schriftlichen Urteilsbegründung ist es nach derzeitiger Auffassung des Verfassers entsprechend diesem Urteil zum einen nicht möglich, durch ausdrückliche Benennung des nicht fest angestellten Honorararztes als Wahlarzt in der Wahlleistungsvereinbarung die Erbringung und Abrechnung wahlärztlicher Leistungen durch diesen zu ermöglichen. Denn der 3. Senat hat hierzu festgestellt, dass der Kreis der liquidationsberechtigten Wahlärzte in § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG abschließend festgelegt sei. Dies sind jedoch eben nur angestellte oder beamtete Krankenhausärzte mit Liquidationsrecht oder externe Wahlärzte, die auf Veranlassung des liquidationsberechtigten Krankenhausarztes und somit ausdrücklich nicht auf Veranlassung des Krankenhausträgers aufgrund bestehender Kooperationsvereinbarung tätig werden.
Zum anderen sind sämtliche Vereinbarungen zur Umgehung dieser Regelung gemäß § 134 BGB unzulässig und nichtig. Dies gilt einmal entsprechend der BGH-Rechtsprechung für individuelle Vereinbarungen zwischen Patient und Honorararzt. Ferner betrifft dies nach Auffassung des Verfassers aber auch solche Konstellationen, in denen von vornherein und planmäßig die Durchführung der Wahlleistung durch den Honorararzt beabsichtigt ist und lediglich zur Umgehung der gesetzlichen bzw. durch die Rechtsprechung geschaffenen Voraussetzungen der liquidationsberechtigte Arzt dazwischen geschaltet wird, um die „Veranlassung“ zu erteilen.
Die nach dem Gesetz und dem BGH zulässige Veranlassungsleistung durch einen angestellten oder beamteten liquidationsberechtigten Krankenhausarzt meint nach Einschätzung des Verfassers nämlich nur solche Fälle, in denen im Einzelfall eine medizinische Notwendigkeit zur Heranziehung und Durchführung der Wahlleistung durch den Honorararzt besteht.
Somit ist im Ergebnis juristisch von jeglichen Umgehungsgeschäften im Hinblick auf die BGH-Rechtsprechung zwingend abzuraten. Dies vor allem deshalb, da hier unter Umständen erhebliche Rückforderungsansprüche durch Patienten oder Krankenversicherungen, die sich den Rückforderungsanspruch des Patienten abtreten lassen können, gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB drohen. Für derartige Rückforderungsansprüche gilt die 3-jährige Verjährungsfrist, die mit Entstehung des Anspruchs und Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände (= Voraussetzungen der anspruchsbegründenden Norm) sowie der Person des Schuldners am Ende eines Jahres zu laufen beginnt.
Derzeit bestehende Honorararzt-/Kooperationsarztverträge sowie die tatsächlich durchgeführte Praxis hinsichtlich Erbringung und Abrechnung von Wahlleistungen sollten zudem zwingend auf deren rechtliche Zulässigkeit überprüft werden.
Die rechtssicherste Möglichkeit zur Erbringung und Abrechnung wahlärztlicher Leistungen durch einen Honorararzt ist nach Ansicht des Verfassers damit wie bisher, nun auch zukünftig, ein Anstellungsvertrag.
Diesen Artikel finden Sie auf BDC|Online unter der Rubrik Themen/Recht/Abrechnung. Heberer J. Erbringung und Abrechnung wahlärztlicher Leistungen durch nicht fest angestellte Honorarärzte. Passion Chirurgie. 2014 Dezember; 4(12): Artikel 06_02. |
Geld und Recht
Autor des Artikels
Dr. jur. Jörg Heberer
Justitiar des BDC, Rechtsanwalt und Fachanwalt für MedizinrechtRechtsanwaltskanzlei Dr. Heberer & Kollegen kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
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