01.01.2011 Panorama
Editorial: Wie viel Vertretung brauchen Chirurginnen und Chirurgen in Deutschland?
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Eine schwierige Frage, auf die man gerade von Standesvertretern und Verbandsfunktionären sehr unterschiedliche Antworten bekommt. Aber eigentlich ist die Sache ganz einfach. Sicher braucht nahezu jeder Chirurg die Mitgliedschaft in einem Berufsverband. Nicht weil sie Pflicht wäre, wie die Kammer- und KV-Mitgliedschaft, sondern weil hier Preis und Leistung stimmen. Von der berufspolitischen Interessenvertretung über diverse Beratungsleistungen bis zur chirurgischen Weiter- und Fortbildung und umfangreichen weiterführenden Dienstleistungen.
Die meisten Berufsverbände wurden im Nachkriegsdeutschland gegründet und haben sich zu gut organisierten Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen entwickelt. So auch der BDC, der in diesem Jahr sein 50jähriges Bestehen mit einem Festakt in Berlin gefeiert hat. Kein rauschendes Fest mit Gala-Dinner oder VIP-Shuttleservice, sondern eine angemessene Veranstaltung der Reflexion und sozialpolitischen (Zukunfts-)Diskussion im Langenbeck-Virchow-Haus Berlin.
Mehr als 16.000 Chirurginnen und Chirurgen schätzen die Dienstleistungen des BDC, das sind über 80 Prozent aller aktiven Chirurginnen und Chirurgen in Deutschland. 650 kamen allein im Jahr 2010 neu hinzu. Besonders stolz sind wir beim BDC darauf, der Verband der jungen Chirurgen zu sein. Mit knapp 5.000 Mitgliedern sind die Assistenzärzte die stärkste Mitgliedergruppe, der wir uns besonders verpflichtet fühlen.
Der BDC bietet neben den genannten Dienstleistungen den besten Versicherungsservice für Chirurgen im Markt, versteht sich als Motor der Erschließung neuer Medien für die chirurgische Gemeinschaft und ist vor allem fachlich neutrale Plattform für die immer höher spezialisierten Fachärzte und Experten im Gebiet Chirurgie. Er bildet dabei als einer der wenigen Verbände eine sektorübergreifende Klammer und vereint neben einer Mehrheit klinisch tätiger Kolleginnen und Kollegen auch 2.500 Niedergelassene unter seinem Dach.
Neben dem Berufsverband entscheiden sich viele Chirurginnen und Chirurgen für eine Mitgliedschaft in „ihrer“ chirurgischen Fachgesellschaft. Hier haben sie ihre fachlich-wissenschaftliche Heimat und können in der Regel den Jahreskongress kostenfrei besuchen. Neue Entwicklungen aus Wissenschaft und Medizintechnik stehen dort im Mittelpunkt der Diskussion und Arbeit. Entsprechend der Spezialisierungstendenz unseres Gebietes haben sich für jede chirurgische Säule nach und nach Fachgesellschaften herausgebildet, teilweise in einem anstrengenden Emanzipationsprozess.
Wieviel Vertretung braucht also ein Chirurg? (S)einen Berufsverband und (s)eine Fachgesellschaft. Zwei Mitgliedschaften reichen für fast jeden. Alle weiteren Verbände und Gesellschaften benötigen gute Argumente (neudeutsch „unique selling points“), um Mitglieder zu gewinnen oder zu halten. Oder eine traditionsreiche Geschichte, der sich viele verpflichtet fühlen und die als Gütegemeinschaft aus sich heraus „existiert“, ohne klare Antworten auf die Herausforderungen des Alltags geben zu müssen.
Den meisten Chirurgen und erst recht Ärzten und interessierten Laien außerhalb der Chirurgie fällt es schwer, zwischen den Einzelgesellschaften und –verbänden zu differenzieren. Wenn es eine erfolgreiche Nachwuchskampagne oder E-Learning-Plattform gibt, wurde die „von den Chirurgen“ ins Leben gerufen, nicht von einem Berufsverband. Und das ist gut so. Wenn es klare Ergebnisse der berufspolitischen Arbeit auf dem Ärztetag und in der Bundesärztekammer, bei Kassenärztlichen Vereinigungen und InEK sowie im Gesundheitsministerium gäbe, wären auch diese ein Erfolg „der Chirurgen“.
Dass der letzte Satz vom Konjunktiv dominiert wird, liegt an der Vielstimmigkeit des Kanons, den wir Chirurgen gerade innerhalb der ärztlichen Selbstverwaltung anstimmen. Hier ist weder ein klares Ziel zu erkennen, noch eine starke Stimme zu vernehmen. „Zu verstrickt und verzettelt in den eigenen Reihen“, stellen dann selbst wohlwollende Beobachter fest und wenden sich ab.
Wenn wir gemeinsam als großes und starkes Fachgebiet die Zukunft gestalten wollen, müssen die chirurgischen und (seit einigen Jahren) orthopädischen Verbände und Fachgesellschaften zu mehr Gemeinsamkeit finden, sich klare Regeln für eine konzertierte Zusammenarbeit geben und ihre Ziele und Aufgaben(teilung) klar definieren. Parallelstrukturen sind zu vermeiden und abzubauen, die persönliche Profilierung der gemeinsamen Sache unterzuordnen.
Dieser „Einheit der Deutschen Chirurgie“ ist die vorliegende Ausgabe der BDC-Mitgliederzeitschrift sowie die Arbeit des BDC-Präsidiums in diesem Jahr gewidmet. Lesen Sie dazu den programmatischen Artikel unseres Präsidenten sowie die Pläne unserer Referatsleiter und Präsidiumsmitglieder.
Das Jahr 2011 wird viel Neues bringen und die ersten Früchte der Bemühungen um mehr Einheit für jeden erlebbar machen. Im Februar diskutieren wir gemeinsam mit Wissenschaftlern, Politikern, Philosophen und Ökonomen, ob und wie das deutsche Sozialsystem zukunftsfähig umgestaltet werden kann. Oder fährt das System wirklich schon im Jahr 2016 vor die Wand? „Quo vadis“ wird darauf am 4. Februar in Berlin interessante Beiträge und aufschlussreiche Diskussionen liefern.
Anfang März 2011 wird dann mit dem ersten gemeinsamen Bundeskongress von BNC, BDC und BAO in Nürnberg ein Meilenstein auf dem Weg zu mehr Gemeinsamkeit innerhalb der chirurgischen Gemeinschaft für viele Chirurginnen und Chirurgen persönlich erlebbar. In diesen Kongress bringen wir als BDC den Chirurgentag ein und setzen damit ebenso ein Zeichen, wie jedes unserer Mitglieder, das sich für eine Teilnahme an diesem Fortbildungskongress entscheidet.
Bereits zwei Wochen später wird es dann in Berlin einen gemeinsam mit vielen Fachgesellschaften organisierten Nachwuchskongress geben. Auch hier werden „die Chirurgen“ Präsenz zeigen und als Gemeinschaft für das eigene Gebiet und ihren faszinierenden Beruf werben. Und die erste Neuerung im Jahr 2011 lesen Sie gerade: Die erste Ausgabe unserer neuen Mitgliederzeitschrift „Passion Chirurgie“. Auch wenn sich alle erst an dieses Medium gewöhnen müssen und es noch viel zu optimieren gibt: Wir sind sicher, mit dieser kleinen Revolution den richtigen Weg gegangen zu sein. Lesen Sie zu den Hintergründen und Perspektiven den Artikel „Passion Chirurgie“ in dieser Ausgabe.
Ansorg, J. Editorial, Passion Chirurgie, 01/2011, Artikel 01_01
Autor des Artikels
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Dr. med. Jörg Ulrich Ansorg
GeschäftsführerBerufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) e. V.ehem. BDC-GeschäftsführerStraße des 17. Juni 106–10810623Berlin kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
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