20.06.2017 Abrechnung
Drei Jahre „Clearingstellen“ in Deutschland – eine Erfolgsgeschichte
Entstehung der Clearingstellen
Im Juli 2012 war im Internet ein Vordruck im Umlauf, der für Unruhe sorgte. Mit diesem Vordruck konnten sich D-Ärzte, denen Kürzungen der Rechnungen für Behandlungen von Arbeits-, Schul- und Wegunfällen widerfahren waren, an die jeweiligen BG-Verwaltungen wenden, um den fehlenden Betrag einzufordern. Gleichzeitig startete der Bundesverband der D-Ärzte e.V. (BDD) mit dem damals geschäftsführenden Arzt – Dr. T. Haase – eine Initiative im Landesverband Nordost der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), um eine Lösung bei strittigen Rechnungen von D-Ärzten und Meinungsverschiedenheiten in der Auslegung von UV-GOÄ-Ziffern zu diskutieren und zu klären.
Arbeitsweise der Clearingstellen
Dieses Diskussionsforum wird Clearingstelle genannt und besteht aus zwei Mitgliedern einer BG-Verwaltung und zwei D-Ärzten, die im Bereich des Landesverbands ihren Praxissitz haben oder in dem entsprechenden Bezirk als D-Ärzte beschäftigt sind. Die Sitzungen werden von einem Mitglied des DGUV-Landesverbands geleitet, der gleichzeitig der Protokollführer ist. Nachdem eine Geschäftsordnung vereinbart worden ist, werden unterschiedliche Fragestellungen diskutiert. Die Diskussion ergibt als Resultat eine Empfehlung, die einstimmig mit den Stimmen der Mitglieder der Verwaltung und den D-Ärzten erfolgt. Der Protokollführer hat kein Stimmrecht. Dem beantragenden D-Arzt bzw. der Verwaltung wird das Ergebnis der Abstimmung mitgeteilt und es wird erwartet, dass man sich das Ergebnis zu eigen macht und übernimmt, die unrichtigen Kürzungen korrigiert und gegebenenfalls begleicht. Es ist zu jedem Zeitpunkt klar, dass diese getroffene Entscheidung keine Rechtsverbindlichkeit besitzt und dem D-Arzt mit dem Ergebnis selbstverständlich nicht die Möglichkeit einer Klage vor dem Sozialgericht genommen ist.
Bei den Clearingstellen handelt es sich nicht um die im Ärztevertrag § 34 Abs. 3 SGB VII (§ 66) genannten „Schlichtungsstellen“. Die „Schlichtungsstellen“ werden zur Klärung von Streitigkeiten bzgl. des § 34 Abs. 3 SGB VII (also des Vertrags) eingerichtet, aber nicht bei Unklarheiten der UV-GOÄ.
Tab. 1: Ansprechpartner der Clearingstellen der jeweiligen Landesverbände sowie Zeitpunkt der ersten Sitzung
LV DGUV |
BDC LV |
Start |
Ansprechpartner |
Nordost |
Berlin Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern |
2012 |
Dr. Haase/Dr. Kübke |
Nordwest |
Niedersachsen Hamburg Bremen Schleswig-Holstein Sachsen-Anhalt |
01.04.2014 |
Dr. Siebert |
Südost |
Sachsen Bayern |
01.07.2014 01.07.2014 |
Dr. Hammer Hr. Farghal |
Südwest |
Baden-Württemberg Saarland |
Ende 2014 Ende 2014 |
Dr. Mütsch Dr. Bongers/PD Dr. Maier |
Mitte |
Rheinland-Pfalz Hessen Thüringen |
Herbst 2014 Herbst 2014 Herbst 2014 |
Dr. Herzog/Dr. Riedel Dr. Rauch/ Dr. Schüürmann Dr. Dorow |
West |
Nordrhein Westfalen-Lippe |
01.05.2014 |
Dr. Boxberg |
Deutschlandweite Etablierung und Erfolg von Clearingstellen
Aufgrund der guten Erfahrungen aus dem DGUV-Landesverband Nordost wurde nach Diskussionen mit DGUV-Vertretern in den Sitzungen der „Gemeinsamen BG-Kommission der orthopädisch-unfallchirurgischen Berufsverbände“ (eine Gesprächsrunde, die 2011 auf Initiative des BDC entstanden war und sich zweimal jährlich trifft) und aufgrund persönlicher Gespräche von D-Ärzten mit den Vertretern der Landesverbände der jeweiligen DGUV deutschlandweit in 2014 in jedem Landesverband der DGUV eine Clearingstelle eingerichtet. Die Verfahrensweise wurde für jeden Landesverband in einer eigenen Geschäftsordnung geregelt.
Die einstimmige Entscheidung der beiden Vertreter der BG-Verwaltungen und der D-Ärzte bleibt das „Herzstück“ der Zusammenarbeit.
Durch die genannte Initiative des BDC wurden durch die 17 Landesverbände des BDC in den sechs DGUV-Landesverbänden Clearingstellen eingerichtet. Alle Fragestellungen werden an das BDC-Sekretariat geschickt und von dort an die Ansprechpartner weitergeleitet. Die Namen der Ansprechpartner für die jeweiligen Clearingstellen sind in der Übersicht genannt. Der zuständige Ansprechpartner bestimmt noch einen weiteren Kollegen als Teilnehmer für die jeweilige Clearingstellen-Sitzung. Sämtliche genannten Kollegen verfügen als beratende Ärzte für verschiedene BG-Verwaltungen über eine große Erfahrung. Eine Anschubfinanzierung für Reisekosten der ärztlichen Teilnehmer für den Zeitraum bis Ende 2016 wurde dankenswerter Weise ebenfalls vom BDC übernommen. Die Kosten der Teilnehmer der Berufsgenossenschaften wurden von der jeweiligen Verwaltung übernommen. Seit dem 01.01.2017 werden die ärztlichen Clearingstellen-Mitglieder vom BDC bzgl. der Reisekosten nur dann noch unterstützt, wenn die Anfrage eines BDC-Mitgliedes diskutiert werden soll. Anfragen von Nicht-BDC-Mitgliedern werden vom BDC-Sekretariat an den Bundesverband der D-Ärzte (BDD) weitergeleitet und von dort die weitere Bearbeitung organisiert.
Die deutschlandweite Clearingstellen-Arbeit startete ca. Mitte 2014. Die Daten der Anfragen von Beginn in 2014 bis Ende 2015 wurden von den 17 BDC-Landesverbänden erhoben. In diesem Zeitraum wurden 88 Anträge bearbeitet und ebenso viele Positionen diskutiert. 20-mal wurde einstimmig entschieden, dass die Kürzung durch die Verwaltung ungerechtfertigt war. 68-mal war die Kürzung nach einstimmiger Entscheidung der Kommission zu Recht erfolgt.
Im Zeitraum Mitte 2014 bis Ende 2016 wurden insgesamt 102 Anfragen an die verschiedenen Clearingstellen deutschlandweit gerichtet, davon 100 Anfragen von 61 Kolleginnen und Kollegen und zwei Anfragen von BG-Verwaltungen. Alle 102 Anträge wurden diskutiert und zu einem Abschluss gebracht. Bislang ist kein Fall bekannt, in dem ein D-Arzt, dessen Rechnungskürzung als richtig angesehen wurde, mit der Entscheidung nicht einverstanden war und dann doch noch eine Klage beim Sozialgericht initiiert hat.
Unter den 102 Anträgen – Stand Ende 2016 – wurde 22-mal einstimmig entschieden, dass die Kürzung durch die Verwaltung ungerechtfertigt war, aber 75-mal wurde nach Diskussion in der Clearingstelle entschieden, dass die Rechnungskürzungen der Verwaltung richtig war. Fünfmal konnte keine einstimmige Entscheidung getroffen werden. In diesen Fällen konnte die Clearingstelle somit keine Empfehlung bzgl. des weiteren Prozedere an die Verwaltung bzw. den D-Arzt geben.
Zwischenzeitlich hat es sich ergeben, dass nicht mehr alle Anträge der D-Ärzte über die Zentrale des BDC an die jeweiligen Ansprechpartner der Clearingstelle weitergeleitet werden. Die Anzahl der Anträge bis Ende 2016, die Anfang 2017 erhoben wurden, sind also nicht mehr flächendeckend deutschlandweit. In zwei BDC-Landesverbänden (Baden-Württemberg und Saarland) ist nicht mehr der BDC, sondern mittlerweile die KV der Ansprechpartner. Bei Anfragen im Bereich des DGUV-Landesverbands Nordost, in dem BDC-Landesverbände Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg beheimatet sind, ist der dortige DGUV-Landesverband der Ansprechpartner. Die Anzahl der Anträge aus der KV Baden-Württemberg und Saarland und aus dem DGUV-Landesverband Nordost wurden nicht zur Verfügung gestellt und konnten nicht berücksichtigt werden. Auch fand in einigen DGUV-Landesverbänden in 2016 keine Sitzung der Clearingstelle statt. Die letzte Erhebung, die die Daten für 2016 enthält, beruht auf den Daten von insgesamt sechs der verbliebenen zwölf BDC-Landesverbände.
Wie wird es mit den Clearingstellen weitergehen?
In der Zukunft wird die Anzahl der Anträge an die Clearingstelle voraussichtlich rückläufig sein, da bisherige Ergebnisse von Diskussionen in ähnlichen Fällen als Vorbild verwendet werden können und somit zu keinem neuen Antrag führen. Außerdem ist der jahrelange „Nachholbedarf an Klärungen“ von Kollegen mittlerweile bearbeitet worden. Es muss geklärt werden, wie verfahren werden soll, wenn in einer Clearingstelle nur der Eingang von zwei oder drei Anträgen im Jahr zu verzeichnen ist.
Zur Verringerung der Antragszahlen würde eine Veröffentlichung der Ergebnisse durch die DGUV-Landesverbände (Protokollführer) auf einer Internetplattform beitragen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass nur Problemstellungen erörtert werden können, bei denen sich der jeweilige Zusammenhang ausführlich darstellen lässt.
Auch wenn – wie oben dargestellt – die flächendeckenden deutschlandweiten Zahlen für 2016 nicht mehr vorliegen, zeigt sich doch die weitere Notwendigkeit der Clearingstellen. Die Einrichtung ist ein Erfolg in der Befriedung der Zusammenarbeit zwischen BG-Verwaltungen und D-Ärzten.
Insgesamt zeigt sich, dass der Ton in den Briefen der Sachbearbeiter (Rechnungsprüfer) und der beteiligten D-Ärzte deutlich „entspannter“ geworden ist. Weiter zeigt sich, dass auch die Verwaltungen beginnen, bei Fragen die Clearingstelle anzurufen. Darüber hinaus weisen Mitarbeiter der Verwaltungen in den Antwortschreiben an die D-Ärzte bei Rechnungskorrekturen diese auf die Clearingstelle hin.
Da eine Übernahme der Reisekosten für Ärzte der Clearingstellen durch die jeweiligen KV-Bezirke deutschlandweit nicht durchführbar erscheint, die Zahlen der Anträge an die Clearingstellen rückläufig sein werden und eine gesetzliche Änderung des § 34 Abs. 3 SGB VII (§ 66) mit den Einschluss der Clearingstellen derzeit sehr unwahrscheinlich ist, sollte der Vorschlag der KBV (insbesondere Frau Justitiarin Ass. B. Berner) diskutiert werden, eine deutschlandweite Clearingstelle bei der KBV einzurichten.
Fazit
Es hat sich gezeigt, dass die Zusammenarbeit zwischen BG-Verwaltungen und D-Ärzten vor allem im sensiblen Thema der Rechnungskürzungen durch die Initiative von Einzelnen und der „Gemeinsamen BG-Kommission der orthopädisch-unfallchirurgischen Berufsverbände“ mit großzügiger Unterstützung des BDC e.V. zu einem sehr positiven Ergebnis für alle D-Ärzte führen konnte.
Herzlichen Dank an Frau A. Berlinicke im Sekretariat des BDC e.V., die alle eingehenden Anträge auf ihre Vollständigkeit überprüft hat, bevor sie an die jeweiligen Ansprechpartner weitergeleitet wurden.0101 |
Boxberg W. Drei Jahre „Clearingstellen“ in Deutschland – eine Erfolgsgeschichte. Passion Chirurgie. 2017 Juni, 7(06): Artikel 05_02.
Autor des Artikels
Dr. med. Werner Boxberg
Vorsitzender BDC|NordrheinGeschäftsführender Arzt BDD e.V.Friedrich-Ebert-Str. 128 A42117Wuppertal kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
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