08.04.2016 GOÄ
Die neue GOÄ – Was kommt auf den Chirurgen zu?
Die Teilnehmer des außerordentlichen Deutschen Ärztetages zur Novellierung der GOÄ am 23. Januar 2016 in Berlin haben eine sog. Gesetzesinitiative Paragraphenteil der GOÄ und Gesetzesinitiative Bundesärzteordnung bekommen, die Rückschlüsse darauf zulassen, was bei einer Novellierung der GOÄ auf die Ärzteschaft zukommt.
Gesetzesinitiative Paragraphenteil der GOÄ
Die Vorschrift des § 4 GOÄ (Gebühren) wird erheblich erweitert. Der neugefasste § 4 Abs. 1 GOÄ sieht vor, dass Gebühren auch dann berechnet werden können, wenn eine Leistung überwiegend erbracht worden ist, allerdings einzelne Leistungsbestandteile einer Gebühr wegen eines bei Behandlungsbeginn nicht absehbaren, medizinisch begründeten oder durch den Patienten verursachten vorzeitigen Behandlungsabbruchs nicht mehr erbracht werden können. Dies ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Die Frage, ob die Ärzteschaft von dieser Neuregelung aber tatsächlich profitieren kann, wird davon abhängen, ob es dem Gesetzgeber gelingt, genau zu definieren, wann eine Leistung überwiegend erbracht worden ist. Gelingt dies nicht, werden nach Einführung der Neuregelung vermutlich zunächst die Gerichte bemüht werden müssen.
Die Anforderungen an die Abrechenbarkeit der Leistung des Speziallabors werden in § 4 Abs. 2 GOÄ wesentlich verschärft. Der Arzt, der diese Leistung abrechnen will, muss nicht nur die Befundung selbst durchführen, sondern auch während des Untersuchungsvorganges permanent im Labor anwesend sein. Modelle, die zum Krankenhausalltag gehören und vorsehen, dass das Labor unter Leitung eines Arztes steht, der gleichzeitig Leiter einer anderen Klinik ist, dürften wegen der Präsenzpflicht des abrechnenden Arztes im Labor dann nicht mehr möglich sein. Der Arzt, der die Leistung des Speziallabors abrechnen will, muss im Streitfall beweisen, dass er permanent anwesend war, was zusätzlichen Dokumentationsaufwand bedeutet. Der im Januar vorgelegte Gesetzestext sieht zudem vor, dass der abrechnende Arzt außerhalb der Dienstzeiten zur Versorgung von Notfällen unverzüglich erreichbar und unmittelbar persönlich einwirken können muss, wenn er diese Leistungen abrechnen will. Leistungen außerhalb der Dienstzeit des abrechnenden Arztes, die keine Notfälle sind, sind offensichtlich nicht abrechenbar.
In einem neugefassten § 4 Abs. 2 a GOÄ wird die Möglichkeit des Chefarztes, sich bei der Erbringung wahlärztlicher Leistungen vertreten zu lassen, erstmals ausdrücklich und im Detail geregelt. Offensichtlich ist eine Vertretung nur noch in solchen Fällen möglich, wenn die Verhinderung des Chefarztes bei Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung nicht vorhersehbar war. Die Zahl der Vertreter wird im neuen § 4 Abs. 2 a GOÄ erweitert. Zunächst kann der Chefarzt, der zugleich Wahlarzt ist, zwar nur einen einzigen ständigen ärztlichen Vertreter in der Wahlleistungsvereinbarung benennen, der die gleiche Qualifikation haben muss wie der Wahlarzt. Darüber hinaus ist aber die Benennung weiterer Vertreter für in der Wahlleistungsvereinbarung bestimmte Einzelleistungen möglich, wenn diese eine besondere fachliche Qualifikation für diese Einzelleistung haben. Wahlleistungsvereinbarungen in Krankenhäusern müssen, wenn diese Regelung in Kraft tritt, vermutlich umfassend überarbeitet werden.
Nach der neugeschaffenen Vorschrift des § 4 Abs. 2 b GOÄ kann eine ärztliche Leistung auch von mehreren Ärzten anteilig erbracht werden, dann jedoch nur einmal berechnet werden. Hier bleibt abzuwarten, wie dies in der Praxis funktionieren soll, wenn diese Regelung Gesetz wird. Der bisherige § 4 Abs. 2 a GOÄ zum sog. Zielleistungsprinzip, der bei der Auslegung der geltenden GOÄ die meisten praktischen Probleme bereitet, ist im wesentlich unverändert geblieben und findet sich im Gesetzestext, der auf dem außerordentlichen Ärztetag vorgelegt wurde, im neugeschaffenen § 4 Abs. 3 GOÄ.
Die Vorschriften zur Gebührenhöhe befinden sich weiterhin in § 5 GOÄ, sind jetzt allerdings vollständig neu geregelt. Zunächst gibt es für jede Leistung des Gebührenverzeichnisses einen festgelegten und nicht unterschreitbaren Gebührensatz.
Bei Vorliegen von Begleitumständen, die in einer sog. Positivliste bestimmt werden, die sich im Anhang zur neuen GOÄ befinden soll oder bei ergänzenden Empfehlungen einer gemeinsamen Kommission der Bundesärztekammer und des PKV-Verbandes kann dieser nicht unterschreitbare Gebührensatz bis zur doppelten Höhe gesteigert werden. Eine Steigerung des nicht unterschreitbaren Gebührensatzes ist auch bei Vorliegen von Behandlungsumständen möglich, die nicht unter die sog. Positivliste fallen und bei denen keine Empfehlung der gemeinsamen Kommission vorliegt. Wenn der Arzt hier steigern will, muss er einen Antrag bei der gemeinsamen Kommission zwischen Bundesärztekammer und PKV-Verband nach § 11 a Bundesärzteordnung in der vorgesehenen Neuregelung dieser Rechtsforderung stellen. Zunächst kann dann in solchen Fällen, der nicht unterschreitbare Gebührensatz berechnet werden. Nach einer positiven Entscheidung der gemeinsamen Kommission muss dann zu einem späteren Zeitpunkt eine Nachberechnung erfolgen. Es bleibt abzuwarten, ob und wenn ja, wie dies praktisch funktionieren soll. Die Regelung des § 12 GOÄ zur Fälligkeit und Abrechnung der Vergütung werden ebenfalls geändert. Nach § 12 Abs. 1 GOÄ des Gesetzentwurfes muss die Rechnung des Arztes innerhalb von sechs Monaten nach der Leistungserbringung gestellt werden. Die Konsequenzen, die eintreten, wenn der Arzt oder dessen Abrechnungsstelle diese Frist versäumen, sind völlig unklar. Ebenso ist unklar, was passieren soll, wenn sich der Patient darauf beruft, die Rechnung innerhalb dieser Frist nicht bekommen zu haben. Wie soll der Arzt dann beweisen, dass er die Frist eingehalten hat? Weiterhin werden die Anforderungen an den Inhalt der Rechnung des Arztes in § 12 GOÄ wesentlich erweitert.
Die Funktion der geänderten Bundesärzteordnung
Gemeinsam mit der Novellierung der GOÄ soll eine Änderung der Bundesärzteordnung erfolgen, welche die Einführung einer gemeinsamen Kommission vorsieht, die von der Bundesärztekammer und dem PKV-Verband errichtet wird. Diese Kommission soll Empfehlungen betreffend die Fortentwicklung der neuen GOÄ geben, wobei der Katalog dieser Empfehlungen in dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht abschließend geregelt ist. Welche Konsequenzen diese Empfehlung für die Praxis haben sollen, ist völlig unklar. Zu befürchten ist, dass Ärzte, die gute Gründe haben, sich nicht an die Empfehlungen der gemeinsamen Kommission zu halten, es zukünftig schwer haben dürften, sich mit dieser abweichenden Auffassung noch durchzusetzen. Die gemeinsame Kommission soll offensichtlich Aufgaben übernehmen, die bislang der Gesetzgeber und/oder die Gerichte wahrgenommen haben. Ob die Ärzteschaft davon Vorteile hat, bleibt abzuwarten.
Hammerl S. Die neue GOÄ – Was kommt auf den Chirurgen zu? Passion Chirurgie. 2016 April; 6(04): Artikel 04_01.
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