19.01.2016 Arbeitsrecht
Die freiberufliche Tätigkeit des niedergelassenen Chirurgen im Krankenhaus
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Honorararztentscheidung des BGH vom 16.10.2014 – Was bleibt?
In seinem Urteil vom 16.10.2014, III ZR 85/14, hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass der Kreis derjenigen Ärzte, die wahlärztliche Leistungen abrechnen können, in § 17 III S. 1 KHEntgG abschließend geregelt ist und diese abschließende Regelung auch nicht etwa durch andere Bestimmungen des Krankenhausentgeltgesetzes erweitert werden können.
Dies bedeutet ausgehend von dem Wortlaut der Entscheidung des BGH Folgendes:
- Eine Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen erstreckt sich zunächst auf die Angestellten oder beamteten Ärzte des Krankenhauses, dem der Krankenhausträger das Liquidationsrecht gewährt hat (die sog. interne Wahlarztkette). Nachdem der Gesetzgeber auf „Ärzte“ und nicht etwa auf „Chefärzte“ oder „leitende Krankenhausärzte“ abstellt, können grundsätzlich auch andere Ärzte unterhalb dieser hierarchischen Ebene wahlärztliche Leistungen abrechnen, sofern Ihnen der Krankenhausträger das Liquidationsrecht gewährt hat. Maßgeblich ist, dass diese Ärzte über eine Qualifikation verfügen, die über dem bloßen Facharztstandard hinausgeht. Der BGH unterscheidet in seinem Urteil vom 16.10.2014 zwischen allgemeinen Krankenhausleistungen, bei denen das Krankenhaus dem Patienten Facharztstandard schuldet und ärztlichen Wahlleistungen, denen ein darüber hinausgehender Standard geschuldet wird, der mit Chefarztstandard bezeichnet wird.
- Die Vereinbarung über ärztliche Wahlleistungen erstreckt sich weiterhin auf Ärzte und ärztlich geleitete Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses, die auf Veranlassung der Ärzte der internen Wahlarztkette tätig werden (externe Wahlarztkette). Diese Ärzte sind nicht im Krankenhaus angestellt und werden dort auch nicht als Beamte tätig. Sie erbringen die wahlärztlichen Leistungen außerhalb des Krankenhauses. Dabei muss die Leistungserbringung nicht unbedingt auch räumlich außerhalb des Krankenhauses erfolgen. Wenn die Ärzte der externen Wahlarztkette in vom Krankenhaus angemieteten Räumen mit eigenen Geräten tätig werden, befinden sie sich juristisch außerhalb des Krankenhauses.
Die Rechtsverfassung des Bundesgerichtshofes, dass Honorarärzte (unter denen man solche Ärzte versteht, die im Krankenhaus tätig werden, ohne dort angestellt zu sein) von der Erbringung wahlärztlicher Leistungen nach dem Krankenhausentgeltgesetz ausgeschlossen sind, wurde zwischenzeitlich auch durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt. Das Gericht hat eine dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde mit Beschluss vom 03.03.2005, 1 BvR 3226/14 nicht angenommen.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 16.10.2014 besagt allerdings nicht, das Honorarärzte, wenn sie im Krankenhaus tätig werden, generell keine wahlärztlichen Leistungen abrechnen dürfen.
Im Einzelnen sind folgende Ansatzmöglichkeiten für Honorarärzte bei der Erbringung wahlärztlicher Wahlleistungen denkbar:
a) Der Honorararzt als „gewünschter Vertreter“ des Wahlarztes
In der Entscheidung vom 16.10.2014 hat der Bundesgerichtshof angedeutet, dass er sich auch eine Vertretung des Wahlarztes durch einen „gewünschten Vertreter“ vorstellen kann und sich dabei auf Stimmen in der Rechtsliteratur beruft, die dies seit Jahren vorschlagen. „Gewünschte Vertreter“ sollen nach diesen Literaturstimmen Ärzte sein, die sich der Patient über die für die Erbringung der wahlärztlichen Leistungen anstelle des Wahlarztes ausgesucht hat, da er zu diesen Ärzten eine besondere Vertrauensbeziehung aufgebaut hat oder weil er diese Ärzte aufgrund ihrer besonderen Qualifikation über die er sich zuvor informiert hat, für die Erbringung der wahlärztlichen Leistungen anstelle des Wahlarztes möchte.
Der Wahlarzt selbst rechnet dann die durch den „gewünschten Vertreter“ erbrachten wahlärztlichen Leistungen ab. Im Innenverhältnis erfolgt der Ausgleich zwischen Wahlarzt und „gewünschtem Vertreter“.
Das „Einspringen“ des Wahlarztes als „gewünschter Vertreter“ des Wahlarztes wird allerdings nicht der Regelfall werden können. Zunächst bleibt abzuwarten, ob sich die Rechtsfigur des „gewünschten Vertreters“ in der Praxis überhaupt durchsetzt. Der BGH hat sich nicht dazu geäußert, wie er sich das Tätigwerden des „gewünschten Vertreters“ vorstellt. Er fordert für wahlärztliche Leistungen aber ausdrücklich einen über den Facharztstandard hinausgehenden Qualitätsstandard, Honorarärzte in ihrer Gesamtheit repräsentieren jedoch nur Facharztstandard, sodass schwer vorstellbar erscheint, dass der Honorararzt als „gewünschter Vertreter des Wahlarztes zukünftig größere Bedeutung gewinnen wird.
Nach den Vorstellungen der Rechtsliteratur können Honorarärzte als „gewünschte Vertreter“ des Wahlarztes unter folgenden Voraussetzungen tätig werden:
- Durch eine zusätzliche Klausel in der Wahlleistungsvereinbarung erklärt sich der Patient mit der Tätigkeit des „gewünschten Vertreters“, der dort benannt wird, einverstanden.
- Es wird eine individuelle Vertretungsvereinbarung geschlossen, in der sich der Patient unter mehreren Alternativen für die Vertretung des Wahlarztes durch den „gewünschten Vertreter“ entscheidet.
Die letztgenannte Variante dürfte den Vorteil der größtmöglichen Rechtssicherheit haben.
b) Der Honorararzt als Vertreter des Wahlarztes, wenn dieser bei Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung vorhersehbar verhindert ist (BGH, Urteil vom 20.12.2007, III ZR 144/07)
In dieser Entscheidung hat der BGH klargestellt, dass sich Wahlärzte auch dann vertreten lassen können, wenn bei Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung bereits vorhersehbar ist, dass sie an der persönlichen Leistungserbringung verhindert sind. Voraussetzung ist der Abschluss einer individuellen Vertretungsvereinbarung, in der der Patient sich unter mehreren Alternativen für die Vertretung des Wahlarztes durch einen dort benannten Vertreter entscheidet. Dies muss nicht der ständige ärztliche Vertreter des Wahlarztes sondern kann auch ein Honorararzt sein, da der BGH die Position des Vertreters nicht näher konkretisiert.
c) Honorarärzte in Privatkliniken
Der BGH hat in seinem Urteil vom 16.10.2014, III ZR 85/14, klargestellt, dass das Krankenhausentgeltgesetz die Erbringung wahlärztlicher Leistungen durch Honorarärzte nicht zulässt. Privatkliniken unterliegen nicht dem Krankenhausentgeltgesetz. Somit wird man hier die Tätigkeit von Honorarärzten grundsätzlich als zulässig ansehen müssen.
d) Einsatz des Honorararztes bei der Erbringung medizinischer Wahlleistungen (§ 17 I S. 2 KHEntgG).
Der BGH unterscheidet in seinem Urteil vom 16.10.2014 zwischen drei Formen von Wahlleistungen: ärztlichen und nicht ärztlichen Wahlleistungen sowie medizinischen Wahlleistungen. Unter medizinischen Wahlleistungen als dritte Form von Wahlleistungen sind beispielsweise solche Leistungen zu verstehen, die durch den DRG-Fallpauschalen-Katalog nicht erfasst werden oder medizinisch nicht notwendig sind (z. B. Schönheitsoperationen). Diese müssen durch Ärzte, psychologische Psychotherapeuten oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten erbracht werden. Hier ist auch der Einsatz von Honorarärzten möglich.
Insgesamt bleibt für den Einsatz des niedergelassenen Chirurgen im Krankenhaus, der sich dort nicht anstellen lassen möchte, deutlich weniger Raum als zuvor. Bei der Erbringung allgemeiner Krankenhausleistungen, die mit dem DRG-Fallpauschalen-Katalog abgerechnet werden, ist der Einsatz in den Grenzen des Zulassungsrechts grundsätzlich möglich, da dies gesetzlich in § 2 I KHEntgG ausdrücklich vorgesehen ist. Es handelt sich dann um die vom Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter nach § 2 II S. 2 Nr. 2 KHEntgG, die der Krankenhausträger gegenüber den Kostenträgern abrechnet. Im Innenverhältnis zwischen Krankenhausträger und Honorararzt muss anschließend ein finanzieller Ausgleich erfolgen. Für die Abrechnung wahlärztlicher Leistungen durch Honorarärzte bleibt dagegen nur noch wenig Raum.
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