18.12.2020 Plastische/Ästhetische Chirurgie
Dermatochirurgie – Lappenplastiken
Für die Wiederherstellung des Haut-Weichteilmantels steht ein großes Spektrum chirurgisch rekonstruktiver Maßnahmen zur Verfügung. Dieses reicht von Sekundärheilung, Naht, Nah- und Fernlappenplastik über mikrochirurgische Verfahren hin zu biologischen und biotechnischen Methoden.
Die Ursachen von Defekten des Hautinteguments können mannigfaltig sein und umfassen in den häufigsten Fällen:
- Entfernung von benignen und malignen Tumoren
- Brandverletzungen und Narben
- Traumatische Verletzungen
- Wundinfektionen und Wundheilungsstörungen
Grundsätzlich ist bei allen Defekten ein vollschichtiger Wundverschluss anzustreben, sowohl aus onkologischen, funktionalen, infektiologischen und nicht zuletzt ästhetischen Gründen. Vollschichtig beschreibt hierbei eine Gewebebedeckung bestehend aus Haut (Epidermis und Dermis) sowie Unterhautfett- und -bindegewebe, im Idealfall mit einer Verschiebeschicht zum Untergrund. Lappenplastiken sind jedoch nicht nur auf die Haut beschränkt, sie können Faszien, Fett, Muskel wie auch Knochenanteil in verschiedenen Kombinationen umfassen.
Nach dermatochirurgischen Eingriffen, die häufig eine Hauttumorresektion beinhalten, ist bei geplanter adjuvanter Strahlentherapie ein vollschichtiger Hautweichteilmantel unumgänglich, um Wundheilungsstörungen und Strahlenschäden zu vermeiden.
In einigen Fällen bei kleineren Defekten insbesondere im gut durchbluteten Gesichtsbereich kann über eine Sekundärheilung ein Direktverschluss des Defekts erreicht werden (Abb. 1).
Abb. 1: Beispiel der Sekundärheilung nach Resektion eines Rezidivs eines Basalioms am Nasenflügel
Bei kleinen Arealen ist oft auch ein Primärverschluss möglich. Gerade jedoch bei größeren Defekten ist ein primärer Wundverschluss in vielen Fällen nicht mehr spannungsfrei möglich. Um Wunddehiszenzen und -heilungsstörungen zu vermeiden, erfolgt ein Wundverschluss daher in solchen Situationen regelhaft unter der Verwendung von Lappenplastiken.
Per Definition ist ein „Lappen“ eine Gewebeeinheit mit eigener Blutversorgung, die von einem Spenderareal in ein Empfängerareal verbracht wird. Diese können formal zum einen nach ihrer Lokalisation in Bezug auf den zu deckenden Defekt klassifiziert werden:
- Lokale Lappenplastiken
- Nahlappenplastiken
- Fernlappenplastiken
- Freie Lappenplastiken
Weitere Klassifikationen beschreiben die vaskuläre Versorgung des Lappens, hier z. B. nach der Klassifikation von Mathes und Nahai für die Versorgung von verschiedenen Muskellappenplastiken [1]. Andere Klassifikationen beschreiben die Zusammensetzung der Lappenplastik, z. B. als Hautfaszienlappen (faszio-kutan), Muskelhautlappen (myo-kutan) oder Knochenmuskelhautlappen (osteo-myo-kutan).
Als Grundsatz der rekonstruktiven Chirurgie besteht der Anspruch, möglichst „Gleiches mit Gleichem“ zu ersetzen. Dieser Anspruch wiederum definiert die bestmöglichen Spenderareale und damit die entsprechenden verfügbaren Lappenplastiken.
Ein entscheidender Aspekt im Rahmen im Rahmen des Defektverschlusses ist die – je nach Lokalisation, Alter und Allgemeinzustand des Patienten variable – Dehnbarkeit der Haut.
Hierbei können unter entsprechender Mobilisation des Subkutangewebes bei Erhalt des subdermalen Plexus auch große Defekte (z. B. an der Thoraxwand) mittels sogenannter Dehnungslappenplastiken verschlossen werden.
Als Beispiel sei hier der Verschluss eines großen Hebe-Defekts am Rücken nach Melanomresektion mittels eines gestielten Insellappens genannt, wie in Abbildung 2 dargestellt.
Abb. 2: Resektion eines malignen Melanoms nuchal und anschließende Defektdeckung mit kranial gestieltem myokutanem Insellappen des M. trapezius
Das gleiche Prinzip wird bei dem Einsatz von subkutanen Expandern genutzt, um so über einen längeren Zeitraum von mehreren Monaten Haut im Spenderareal so zu präexpandieren, dass im Anschluss eine Defektdeckung mit dieser Dehnungslappenplastik möglich wird. Als Beispiel ist hier der Einsatz eines Expanders zur Defektdeckung nach Exzision eines großen Tierfellnaevus an der Schulter gezeigt (Abb. 3).
Abb. 3: 13j. Mädchen mit ausgedehntem Tierfellnaevus im Bereich der rechten Schulter. Präexpansion der umgebenden Haut durch Expander und Auffüllen über 3 Monate. Im Anschluss Resektion des Naevus und Defektverschluss mit der präexpandierten Haut.
Lokale Lappenplastiken umfassen verschiedene Schnittformen, wie Brückenlappen, Transpositionslappen, Rotationslappen oder Vorschublappen. Diese eignen sich insbesondere für Defektverschlüsse im Bereich des Gesichts, wie hier (Abb. 4) am Beispiel eines Defekts nach Basaliomresektion mittels Wangenrotationslappen.
Abb. 4: 78j. Patient mit einem Basaliom im Bereich der Wange und Defektverschluss nach R0-Resektion mittels Wangenrotationslappenplastik.
Nahlappenplastiken ähneln den lokalen Lappenplastiken von den Schnittführungen oft, kommen aber aus funktional-ästhetisch benachbarten Gewebeuntereinheiten, während Fernlappenplastiken aus entfernten Geweberegionen in den Defekt an einem Gefäßstiel eingebracht werden. Hierzu zählen z. B. der Leistenlappen zur Defektdeckung im Bereich der Hand oder der gestielte VRAM von der Bauchdecke zur Defektdeckung im Bereich der Leiste und des Oberschenkels oder auch der Omentum-majus-Lappen zur Defektdeckung im Bereich des Sternums.
Größere Defekte, die nicht mittels lokaler oder Fernlappenplastik gedeckt werden können, beziehungsweise aufgrund des Defekts spezifische Anforderungen an die Deckung mit sich bringen, bedürfen oft eines freien Lappens. Häufig sind es auch Hohlräume nach ausgedehnten Resektionen, deren Totraum ausreichend ausgefüllt werden muss oder der Einsatz von Fremdmaterial wie Prothesen oder Kunstknochen, die einer gut durchbluteten Muskellappenplastik bedürfen. Aber auch Voroperationen oder zusätzliche Einschränkungen wie z. B. Rollstuhlpflicht machen den Einsatz freier Lappenplastiken notwendig. Nicht zuletzt sind es auch zunehmend ästhetische Ansprüche der Patienten, die in die gemeinsame Entscheidungsfindung zu einer optimalen Lösung der zugrundeliegenden Problematik einfließen.
Allen freien Lappenplastiken ist gemein, dass die zu verpflanzende Gewebeeinheit an einem dezidierten Gefäßstiel mit arteriellem Zu- und venösem Abfluss abgesetzt und im Bereich der Empfängerregion mikrochirurgisch anastomosiert wird. Über die Zeit haben sich einige solcher Lappenplastiken aufgrund ihrer jeweiligen Eigenschaften besonders als klassische freie Transplantate etabliert. Dazu zählen insbesondere die M.-latissimus-dorsi-Lappenplastik als zumeist myokutane Lappenplastik, der Anterior lateral thigh (ALT)-Lappen als fasziokutaner Lappen sowie der Deep inferior epigastric artery perforator (DIEP)-Lappen als fasziokutaner Lappen insbesondere zur Brustrekonstruktion.
Beispielhaft ist in Abbildung 5 ein Defektverschluss nach Resektion eines Plattenepithelkarzinoms am Unterschenkel mittels freier Lappenplastik dargestellt.
Abb. 5: Patientin mit einem ausgedehnten Plattenepithelkarzinom im Bereich des linken Unterschenkels. Der Verschluss des Hautweichteildefekts erfolgte durch einen freien myokutanen M. latissimus dorsi Lappen.
Eine Vielzahl an anatomischen wie radiologischen Studien hat die über vaskuläre Perforatoren versorgte Perfusionsareale, sog. Perforasome, eine Vielzahl an möglichen Lappenplastiken in nahezu allen Körperregionen identifiziert [2]. Solche Perforatoren können je nach ihrem Verlauf zur Haut eingeteilt werden (direkt/indirekt, myokutan/septokutan). Diese können nach entsprechender duplexsonographischer präoperativer Markierung z. B. für perforatorbasierte Propeller- bzw. Rotationslappenplastiken oder als freies Lappentransplantat verwendet werden. In allen Fällen muss auch hier immer kritisch in Bezug auf zu erwartende Hebedefekte bzw. Hebemorbidität in Zusammenschau der Gesamtsituation des Befundes und des Patienten entschieden werden.
Je nach betroffener Region ergeben sich verschiedene Anforderungen an eine mögliche Lappenplastik. Aufwändige Rekonstruktionen mit der Rekonstruktion spezieller Gewebeeinheiten können auch in mehrzeitigen Eingriffen erfolgen. Hierdurch kann z. B. eine verbesserte autonomisierte Durchblutung der geplanten Lappenplastik durch Umschneiden und temporäres Zurücklegen (sog. Delay) erreicht werden [3]. Auch die Einbringung von präfomierten autologen Knorpeltransplantaten und ihrer Vaskularisierung mit dem Lappen vor der geplanten Gewebverpflanzung als sog. Prälaminierung sind mögliche Techniken [4].
In besonderen Fällen, in denen aufgrund von Voroperationen oder Bestrahlungen keine adäquaten Anschlussgefäße für ein freies Transplantat vorhanden sind, ist zuvor die Anlage einer arterio-venösen Gefäßschleife (AV-loop) notwendig, um so die Möglichkeit einer Lappendeckung zu schaffen. Bei besonders ausgedehnten Defekten kann auch eine Kombination aus mehreren freien Lappen aus unterschiedlichen Regionen notwendig werden, die untereinander mikrochirurgisch anastomosiert werden.
Im Rahmen von einzeitigen Eingriffen können komplexe Rekonstruktionen fächerübergreifend geplant und durchgeführt werden, wie z. B. bei der Defektdeckung nach Rektumresektion mittels Vertical Rectus abdominis Muskellappen (VRAM)-Lappen oder der Thoraxwandrekonstruktion mittels Latissimus-dorsi-Lappenplastik.
Aufgrund von verbessertem anatomischem Verständnis wie auch verbesserten technischen Möglichkeiten haben sich die rekonstruktiven Möglichkeiten von Lappenplastiken kontinuierlich weiterentwickelt. So ist die Inklusion von Lymphknoten und entsprechende Anastomosierung von Lymphbahnen zur Prävention und auch Behandlung von Lymphödemen möglich geworden. Die Inklusion von sensiblen Nerven erlaubt so zum Beispiel die Rekonstruktion innervierter Brüste, die Verwendung von innervierten Muskellappen die funktionelle Rekonstruktion des Mundwinkels nach Fazialisparese.
In der Kombination mit modernen immunsuppressiven Therapiekonzepten können mit diesen Techniken ganze funktionelle Einheiten wie ein Gesicht oder eine obere Extremität im Sinne einer Allotransplantation als kombinierte komplexe Gewebeplastiken rekonstruiert werden [5].
Eine wichtige Voraussetzung bei der Verwendung jedweder Lappenplastik ist eine genaue Kenntnis der anatomischen, funktionellen wie ästhetischen Einheiten sowohl der Empfänger- wie auch der Spenderregion, um dauerhaft zufriedenstellende Ergebnisse erzielen zu können. Idealerweise findet daher im Rahmen einer engen interdisziplinären Zusammenarbeit bereits vor elektiv geplanten onkologischen Resektionen eine gemeinsame Planung statt, um die onkologisch erforderliche Schnittführung und spätere Defektdeckung aufeinander abzustimmen.
Während lokale Lappenplastiken auch im ambulanten Setting gut für den Verschluss von kleineren Hautdefekten verwendet werden können, sollten aufwändige Rekonstruktionen in spezialisierten plastisch-chirurgischen Kliniken mit entsprechender Expertise versorgt werden.
Literatur
[1] Mathes S, Nahai F. Classification of the Vascular Anatomy of Muscles. Plastic and Reconstructive Surgery. 1981;67(2):177–187.
[2] Saint-Cyr M, Wong C, Schaverien M, Mojallal A, Rohrich R. The Perforasome Theory: Vascular Anatomy and Clinical Implications. Plastic and Reconstructive Surgery. 2009;124(5):1529–1544.
[3] Erdmann D, Sundin B, Moquin K, Young H, Georgiade G. Delay in Unipedicled TRAM Flap Reconstruction of the Breast: A Review of 76 Consecutive Cases. Plastic and Reconstructive Surgery. 2002;110(3):762–767.
[4] Guo L, Pribaz J. Clinical Flap Prefabrication. Plastic and Reconstructive Surgery. 2009;124:e340–e350.
[5] Thuong M, Petruzzo P, Landin L, Mahillo B, Kay S, Testelin S et al. Vascularized composite allotransplantation – a Council of Europe position paper. Transplant International. 2018;32(3):233–240.
Krezdorn N, Vogt PM: Dermatochirurgie – Lappenplastiken. Passion Chirurgie. 2020 Dezember, 10(12): Artikel 03_01.
Autoren des Artikels
PD Dr. med. Nicco Krezdorn
Leitender Oberarzt und stellvertretender Kliniksdirektor, Leitender Oberarzt des BrandverletztenzentrumsKlinik und Poliklinik für Plastische, Ästhetische, Hand- und WiederherstellungschirurgieMedizinische Hochschule HannoverCarl-Neubergstr. 130625Hannover kontaktierenUniv.-Prof. Dr. med. Peter M. Vogt
Direktor der Klinik und Poliklinik für Plastische, Hand- und WiederherstellungschirurgieMedizinische Hochschule HannoverCarl-Neubergstr. 130625Hannover kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
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